1
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A. Die verheirateten Kläger und
Revisionskläger (Kläger) sind deutsche
Staatsangehörige und hatten ihren Wohnsitz in den Streitjahren
2005 und 2006 in den Niederlanden.
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Der Kläger bezog in jenen Jahren im
Inland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie
negative Einkünfte aus der Vermietung einer Eigentumswohnung.
Die Klägerin bezog Einkünfte in den Niederlanden, u.a.
aus niederländischem Arbeitslosengeld, aus einer
Berufsunfähigkeitsrente und einer privaten Unfallversicherung
sowie aus eigengenutztem Wohnraum.
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3
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In ihren Steuererklärungen beantragten
die Kläger, nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes
2002 (EStG 2002) als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig
behandelt und hierbei nach Maßgabe von § 1a Abs. 1 Nr. 2
i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 und § 26b EStG 2002 zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt zu werden. Die Voraussetzungen des
§ 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 seien
erfüllt. Das betreffe namentlich die Betragsgrenzen des §
1 Abs. 3 Satz 2 und des § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG 2002 -
inländischer Einkünfteanteil in Höhe von mindestens
90 v.H. (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder nicht der
deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte in Höhe
von höchstens 12.272 EUR (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze)
-, weil das niederländische Arbeitslosengeld, das in den
Niederlanden der Einkommensteuer unterliegt, nicht in die
Berechnung einzubeziehen, die in den Niederlanden steuerbaren
negativen Einkünfte aus dem selbstgenutzten Wohnraum dagegen
zu berücksichtigen seien.
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4
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Andernfalls verstoße die Regelung
gegen Art. 39 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des
Vertrags über die Europäische Union, der Verträge
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und einiger
damit zusammenhängender Rechtsakte - EG - (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C-325, 1), jetzt Art. 45
des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags
über die Europäische Union und des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft - AEUV -
(Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C-115,
47).
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5
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) folgte dem nicht und führte für den
Kläger für die Streitjahre Einzelveranlagungen durch. Er
setzte bei der Prüfung der vorgenannten Einkunftsgrenzen die
Berufsunfähigkeitsrente (Einkünfte gemäß einem
Besteuerungsanteil von 50 v.H.: 2.343,32 EUR [2005], 2.294,00 EUR
[2006]) und die Rente aus der privaten Unfallversicherung
(Einkünfte gemäß Ertragsanteil von 42 v.H.: 782,04
EUR [2005], 787,92 EUR [2006]) an, daneben aber auch das
Arbeitslosengeld (jeweils abzüglich Arbeitnehmerpauschbetrags
gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1a EStG 2002: 12.990,19 EUR
[2005], 11.875,03 EUR [2006]), und ließ die geltend gemachten
Verluste im Zusammenhang mit der eigengenutzten Wohnung (nach den
Erklärungen der Kläger: jeweils ./. 10.940 EUR [2005 und
2006]) außer Ansatz.
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Die dagegen gerichtete Klage hat das
Finanzgericht (FG) abgewiesen (FG Köln, Urteil vom 11.12.2012
1 K 4165/09, EFG 2013, 763 = SIS 13 12 36).
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Mit ihren Revisionen beantragen die
Kläger (sinngemäß), das Urteil der Vorinstanz sowie
die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 aufzuheben
und das FA zu verpflichten, die Kläger für die Jahre 2005
und 2006 zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen.
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Das FA beantragt, die Revisionen
zurückzuweisen.
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B. Die Revisionen sind unbegründet.
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I. Die von der Klägerin erhobene Klage
ist mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig,
die Revision gegen das klageabweisende Urteil damit
unbegründet.
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1. Zwar ist auch die Klägerin, die in den
Streitjahren im Inland keine steuerpflichtigen Einkünfte
erzielt hatte, befugt, ein auf die Wahl der Zusammenveranlagung zur
Einkommensteuer gerichtetes Verpflichtungsbegehren geltend zu
machen (§ 40 Abs. 1 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Einen entsprechenden Antrag hatten sie und der Kläger
in ihren gemeinsamen Einkommensteuererklärungen gestellt (vgl.
dazu Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 1a EStG Rz 30
a.E.). Dieser Antrag wurde vom FA abgelehnt, indem es für den
Kläger Einzelveranlagungen durchgeführt hat. Die
Klägerin war dadurch entsprechend beschwert, auch wenn die
Steuerbescheide im Rahmen der Einzelveranlagung nur an den
Kläger ergangen sind, die Klägerin im Inland nach wie vor
keiner Steuerpflicht unterfällt und das Gesetz in § 1a
Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 nicht klar erkennen lässt, ob
sich das (zusätzliche) Antragserfordernis für die Wahl
der Zusammenveranlagung nur auf den im Inland unbeschränkt
steuerpflichtigen Ehegatten oder auch auf den im Ausland
ansässigen Ehegatten bezieht. Doch gelangt auch letzterer
Ehegatte infolge der beantragten Zusammenveranlagung wirtschaftlich
in den Vorteil des Splittingtarifs. Er wird durch die
Zusammenveranlagung zudem zum Gesamtschuldner (vgl. § 44 der
Abgabenordnung - AO - ). Seine Einbeziehung kann in
Einzelfällen auch den Progressionsvorbehalt nach § 32b
Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 (heute § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG
2009) auslösen. Die inzidente Ablehnung des
Zusammenveranlagungsantrags durch die Einzelveranlagung beschwert
damit auch ihn als (Zweit-)Betroffenen (im Ergebnis ebenso
Senatsurteil vom 20.8.2008 I R 78/07, BFHE 222, 517, BStBl II 2009,
708 = SIS 08 40 98; Reimer/Weimar in Kirchhof/Söhn/
Mellinghoff, EStG, § 1a Rz B 202 ff., B 206; s.a. FG
Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.1.2014 1 K 385/11, EFG 2014,
1106 = SIS 14 12 08).
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2. Allerdings fehlt es insoweit bislang an der
erforderlichen Durchführung eines behördlichen
Vorverfahrens (vgl. § 44 Abs. 1 FGO, § 347 ff. AO). Denn
die Entscheidung des FA vom 23.11.2009 über die
Einsprüche beider Kläger soll, wie in den Gründen
ausdrücklich angemerkt wurde, zu den Streitjahren
ausschließlich gegenüber dem Kläger wirken. Dass im
Bescheidrubrum auch die Klägerin als Einspruchsführerin
aufgeführt ist, ändert an der dadurch gegebenen
Beschränkung nichts. So gesehen käme allenfalls eine
isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung in Betracht, um den
infolge des Rubrums gegebenen Rechtsschein zu beseitigen, es sei
dennoch eine Regelung durch Zurückweisung des Rechtsbehelfs
gegenüber der Klägerin getroffen worden. Eine derartige
isolierte Aufhebung scheidet jedoch aus, da ein solcher
Urteilsausspruch einen diesbezüglichen Klageantrag erfordert
(Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 44
Rz 32 ff., insbesondere Rz 36 und Rz 42, jeweils m.w.N.). Daran
aber fehlt es hier. Aus letztlich gleichem Grund eines fehlenden,
entsprechend formulierten Klageantrags (und überdies wegen
Fehlens weiterer tatbestandlicher Erfordernisse) sieht der Senat
auch keine Möglichkeit, die Klage insoweit in eine Sprung-
oder Untätigkeitsklage (§§ 45, 46 FGO) umzudeuten
und sie damit ausnahmsweise ohne Vorverfahren zulässig sein zu
lassen. Schließlich war die Klägerin auch nicht
notwendig zum Klageverfahren des Klägers beizuladen, § 60
Abs. 3 FGO (vgl. dazu Gräber/Levedag, a.a.O., § 60 Rz
137; Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.11.2004 III S
8/04, BFH/NV 2005, 351 = SIS 05 12 43; kritisch Seiler in Kirchhof,
EStG, 13. Aufl., § 26 Rz 34).
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II. Die Revision des Klägers ist in der
Sache unbegründet.
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1. Nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und 2
EStG 2002 können Staatsangehörige eines Mitgliedstaates
der Europäischen Union (EU) oder eines Staates, auf den das
Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar
ist, und die nach § 1 Abs. 3 EStG 2002 als unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig zu behandeln sind, mit ihrem nicht dauernd
getrennt lebenden Ehegatten, der weder Wohnsitz noch seinen
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, nach § 26 Abs. 1
i.V.m. § 26b EStG 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt
werden.
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Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG 2002
können auf Antrag auch natürliche Personen als
unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, die im
Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt
haben, soweit sie inländische Einkünfte i.S. des §
49 EStG 2002 haben. Dies gilt (u.a.) nur, wenn ihre Einkünfte
im Kalenderjahr mindestens zu 90 v.H. der deutschen Einkommensteuer
unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer
unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 6.136 EUR betragen; im
Zusammenhang mit § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 ist nach dessen
Satz 3 auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der
Betrag von 6.136 EUR zu verdoppeln. Die Höhe der nicht der
deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist nach
§ 1 Abs. 3 Satz 4 EStG 2002 in der ursprünglichen Fassung
des Gesetzes bis zu dessen Änderung durch das
Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150, BStBl I
2008, 218, danach Satz 5) durch eine Bescheinigung der
zuständigen ausländischen Steuerbehörde
nachzuweisen.
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Durch das Jahressteuergesetz 2008 wurde §
1 Abs. 3 EStG 2002 - vor allem für Staatsangehörige eines
Mitgliedstaates der EU - rückwirkend (§ 52 Abs. 1a EStG
2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008) um einen Satz 4
ergänzt, nach welchem bei der Ermittlung der Einkünfte
nach Satz 2 nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende
Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit
vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind,
unberücksichtigt bleiben.
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2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der
§ 1 Abs. 3 und § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 werden von den
Klägern - worüber unter den Beteiligten auch Einvernehmen
besteht - im Grundsatz erfüllt: Sie sind deutsche
Staatsangehörige, beide haben ihren Wohnsitz in den
Niederlanden und damit in einem Mitgliedstaat der EU und sie leben
als Eheleute nicht dauernd getrennt. Sie halten aber nicht die in
§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002 bestimmten - gegenüber
§ 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 verdoppelten und damit für
sie gemeinsam maßgebenden - Einkunftsgrenzen ein. Die
Steuervergünstigung des sog. Splittingverfahrens (vgl. §
26b i.V.m. § 32a Abs. 5 EStG 2002) kann ihnen danach nicht
steuermindernd zugutekommen.
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a) Die Einkünfteermittlung nach § 1
Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 erfolgt in zwei Stufen. Zunächst ist
in einem ersten Schritt die Summe der Welteinkünfte, d.h. die
Summe sämtlicher Einkünfte unabhängig davon zu
ermitteln, ob sie im In- oder Ausland erzielt wurden; die
Prüfung beruht auf der Annahme einer unbeschränkten
Einkommensteuerpflicht. Die so bestimmten Einkünfte
(Welteinkünfte) sind sodann in einem zweiten Schritt in die
Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und
die Einkünfte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen,
aufzuteilen.
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b) Hieraus ergibt sich - bezogen auf die erste
Stufe dieser Beurteilung - zum einen, dass die Höhe der
Einkünfte (Welteinkünfte) nach deutschem
Einkommensteuerrecht zu ermitteln ist (Senatsurteil in BFHE 222,
517, BStBl II 2009, 708 = SIS 08 40 98). Zum anderen ist im
Einklang mit dem einheitlichen Einkünftebegriff des
Einkommensteuergesetzes (Senatsbeschluss vom 15.5.2002 I B 73/01,
BFH/NV 2002, 1295 = SIS 02 93 85; zu § 34d EStG auch Gosch in
Kirchhof, a.a.O., § 34d Rz 5; zu § 49 s. Roth in
Herrmann/ Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 5) und mangels einer
abweichenden spezialgesetzlichen Anweisung auch der Begriff der
Einkünfte i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 dem
deutschen Einkommensteuerrecht und damit § 2 Abs. 1 und 2 EStG
2002 zu entnehmen (z.B. Senatsbeschluss vom 28.6.2005 I R 114/04,
BFHE 210, 296, BStBl II 2005, 835 = SIS 05 39 59; Senatsurteil in
BFHE 222, 517, BStBl II 2009, 708 = SIS 08 40 98; jeweils m.w.N.).
Demgemäß können Erträge oder Verluste solcher
wirtschaftlicher Vorgänge, die nicht einem der
Einkunftstatbestände des § 2 Abs. 1 EStG unterstehen und
damit im Falle einer unbeschränkten Steuerpflicht im Inland
nicht Teil der steuerbaren (Welt-)Einkünfte des Betroffenen
sind, auch keinen Eingang in die Prüfung der Einkunftsgrenzen
des § 1 Abs. 3 EStG 2002 finden (ebenso z.B. Gosch in
Kirchhof, a.a.O., § 1 Rz 19; Schmidt/Heinicke, EStG, 33.
Aufl., § 1 Rz 55; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 1 EStG Rz 265; Bundesministerium der Finanzen - BMF -,
Schreiben vom 30.12.1996, BStBl I 1996, 1506 = SIS 97 03 79, Tz
1).
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c) Auf dieser Basis ist der Nutzungswert der
von den Klägern in den Niederlanden bewohnten Wohnung auf der
ersten - und damit naturgemäß auch auf der zweiten -
Ermittlungsstufe mangels inländischer Nutzungswertbesteuerung
in den Streitjahren (2005 und 2006) in die Einkunftsermittlung nach
§ 1 Abs. 3 EStG 2002 nicht einzubeziehen (z.B. Lehner/Waldhoff
in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 1 Rz D 44;
Kaefer/Kaefer, IStR 2006, 37, 41). Das entspricht dem Willen des
Gesetzgebers, der zu der (früheren) Sonderbestimmung für
beschränkt Steuerpflichtige in § 50 Abs. 4 EStG 1990
i.d.F. des Gesetzes zur einkommensteuerlichen Entlastung von
Grenzpendlern und anderen beschränkt steuerpflichtigen
natürlichen Personen und zur Änderung anderer
gesetzlicher Vorschriften (Grenzpendlergesetz) vom 24.6.1994 (BGBl
I 1994, 1395, BStBl I 1994, 440) ausgeführt hatte, dass ein
nach dem Steuerrecht des Wohnsitzstaates steuerpflichtiger
Nutzungswert der eigenen Wohnung nicht zu den der deutschen
Einkommensteuer unterliegenden Einkünften gehört
(BTDrucks 12/6476, S. 12). Da der Gesetzgeber mit der durch das
Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I
1995, 438) geschaffenen Anschlussregelung des § 1 Abs. 3 EStG
„inhaltlich“ (BTDrucks 13/1558, S. 150) an die
Grundsätze der Vorgängerbestimmung des § 50 Abs. 4
EStG 1990 in der zitierten Fassung angeknüpft hat, lässt
dies den Schluss zu, dass er auch im Rahmen der Neuregelung an
seiner bisherigen Beurteilung hat festhalten und den Nutzungswert
des eigengenutzten Wohnraums ausklammern wollen.
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d) Anders verhält es sich hingegen bei
dem niederländischen Arbeitslosengeld.
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aa) Dieses ist nach dem für die
Einkunftsermittlung abermals maßgeblichen deutschen
Steuerrecht steuerbar. Es gehört als wiederkehrender Bezug
i.S. von § 22 Nr. 1 EStG 2002 zu den sonstigen Einkünften
(vgl. z.B. FG Köln, Urteil vom 20.4.2012 4 K 1943/09, EFG
2012, 1677 = SIS 12 18 30; Bergkemper in Herrmann/ Heuer/Raupach,
§ 3 Nr. 2 EStG Rz 2; Kuhn/Kühner, daselbst, § 32b Rz
64; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., §
3 Nr. 2 Rz B 2/20 ff.; R 3.2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien
2005/2013; Oberfinanzdirektion - OFD - Düsseldorf, [am
25.3.2008 aufgehobene] Verfügung vom 14.7.1998, FR 1998, 964;
OFD Frankfurt am Main, [am 10.9.2014 aufgehobene und in die
Rundverfügung S 2102 A - 17 - St 56 vom 11.9.2014
übernommene] Verfügung vom 10.2.1999, DStZ 1999, 581;
vgl. abgrenzend auch Senatsurteil vom 14.8.1991 I R 133/90, BFHE
165, 276, BStBl II 1992, 88 = SIS 92 01 48; BFH-Urteil vom
14.4.2005 VI R 134/01, BFHE 209, 361, BStBl II 2005, 569 = SIS 05 24 60) und ist deswegen in die Grenzberechnung auf der ersten
Errechnungsstufe einzubeziehen.
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bb) Auf der zweiten Ermittlungsstufe
gehört das Arbeitslosengeld bei der Bestimmung der
Einkunftsgrenzen aber nicht zu den inländischen, sondern zu
den niederländischen Einkünften. Denn es wurde nicht von
einer inländischen Versicherung oder Einrichtung gewährt
und es unterliegt deswegen nicht - wie für die fiktive
unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG 2002
aber erforderlich - der deutschen Einkommensteuer, hier nach
Maßgabe des insoweit allein einschlägigen Tatbestands
nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 (i.V.m. dem dort in Bezug genommenen
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 (in der für die
Streitjahre maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Neuordnung
der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von
Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen -
Alterseinkünftegesetz - vom 5.7.2004, BGBl I 2004, 1427, BStBl
I 2004, 554). Der Ansatz erfolgt dabei - wie auch vom FG
praktiziert - mit dem Bruttobetrag; die niederländische
(Quellen-)Steuer mindert den Ansatz nicht (entsprechend § 12
Nr. 3 EStG 2002).
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cc) In Anbetracht dessen kommt es für die
Einbeziehung des Arbeitslosengeldes in die betragliche
Grenzberechnung nicht auf die im Schrifttum und auch im Streitfall
unter den Beteiligten kontrovers diskutierte Frage an, ob (im
Inland) steuerfreie Einkünfte bei der Errechnung der
Wesentlichkeitsgrenze nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 ohnehin
außer Ansatz zu lassen sind (s. dazu verneinend z.B.
Senatsurteil vom 9.7.2003 I R 82/01, BFHE 202, 547, BStBl II 2004,
4 = SIS 03 42 91; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 1 Rz 20;
hingegen bejahend z.B. Lehner/Waldhoff in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 1 Rz D 57;
Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 1 EStG Rz 265;
Schmidt/Heinicke, EStG, § 1 Rz 55; ebenso BMF-Schreiben in
BStBl I 1996, 1506 = SIS 97 03 79, Tz. 1). Gleiches gilt für
die ebenfalls umstrittene Frage danach, ob die Steuerbefreiung nach
§ 3 Nr. 2 EStG 2002 aus Gründen des Unionsrechts (und
gegebenenfalls auch des Verfassungsrechts) auf nach
ausländischem Recht erbrachte (vergleichbare) Leistungen zu
erstrecken ist (bejahend z.B. Gosch in Kirchhof, ebenda, m.w.N.;
Kaefer/Kaefer, IStR 2006, 37, 41; und neuerlich wohl auch die
Finanzverwaltung, s. OFD Koblenz, Kurzinformation vom 29.2.2012 S
2295 A-St 33 3, S 2342 A-St 32 3, DStR 2012, 1923; verneinend z.B.
FG Köln, Urteil in EFG 2012, 1677 = SIS 12 18 30).
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3. Ein Verstoß gegen das Unionsrecht
liegt weder in dem einen - der Nichteinbeziehung des Nutzungswerts
der eigengenutzten Wohnung in den Niederlanden als in Deutschland
nicht steuerbare Einkünfte - noch in dem anderen - der
Berücksichtigung des in den Niederlanden von der Klägerin
bezogenen Arbeitslosengeldes als nicht der deutschen
Einkommensteuer unterliegende Einkünfte - .
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a) Es ist grundsätzlich Sache des
Wohnsitzstaates, den Steuerpflichtigen nach Maßgabe seiner
gesamten Leistungsfähigkeit zu besteuern. Ein Verstoß
gegen die unionsrechtlich verbürgte
Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 EG, Art. 45 AEUV) liegt
deshalb nur vor, wenn der Gebietsfremde seine Einkünfte im
Wesentlichen in seinem Beschäftigungsstaat erzielt und deshalb
der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, die persönlichen und
familienbezogenen Umstände des Steuerpflichtigen zu
berücksichtigen. Erst dann besteht die unionsrechtliche
Verpflichtung des Quellenstaates, dem Gebietsfremden
(beschränkt Steuerpflichtigen) die Steuervergünstigungen
einzuräumen, die auch einem Gebietsansässigen
(unbeschränkt Steuerpflichtigen) zustehen (ständige
Spruchpraxis des Gerichtshofs der Europäischen Union
[früher Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft] - EuGH
- ; grundlegend Urteil vom 14.2.1995 C-279/93, Schumacker, Slg.
1995, I-225 = SIS 95 06 47; dem folgend z.B. Senatsurteil in BFHE
222, 517, BStBl II 2009, 708 = SIS 08 40 98).
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aa) In diesem Zusammenhang hat der EuGH in
seinem Urteil vom 14.9.1999 C-391/97, Gschwind (Slg. 1999, I-5451 =
SIS 99 21 09, BStBl II 1999, 841 = SIS 99 21 09) die
Rechtmäßigkeit der Einkunftsgrenzen
(Wesentlichkeitsgrenzen) in § 1 Abs. 3 EStG 2002
ausdrücklich bestätigt, und zwar auch insoweit, als der
Beschäftigungsstaat im Rahmen der Prüfung dieser Grenzen
nicht verpflichtet ist, von seinem nationalen Einkünftebegriff
abzuweichen und hiernach nicht steuerbare Vorgänge nur deshalb
in die Grenzprüfung einzustellen, weil sie im Wohnsitzstaat
des im Inland beschränkt Steuerpflichtigen der Einkommensteuer
unterliegen. Das gilt selbst dann, wenn jene Einkünfte negativ
sind und deswegen im Wohnsitzstaat die dort steuerpflichtigen
Einkünfte in einem Maße mindern, dass für eine
Berücksichtigung personen- und familienbezogener
Vergünstigungen kein Raum verbleibt.
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bb) Im Streitfall sind die Kläger in den
Niederlanden aufgrund der dort vereinnahmten und steuerpflichtigen
Versorgungsleistungen in Gestalt des Arbeitslosengeldes (und der
weiteren dort bezogenen Einkünfte aus der
Berufsunfähigkeitsrente) aber sehr wohl in der Lage,
Steuererleichterungen aufgrund der besagten persönlichen und
familienbezogenen Umstände zu beanspruchen (s. im Ergebnis
ebenso Senatsurteil in BFHE 222, 517, BStBl II 2009, 708 = SIS 08 40 98).
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Die Situation unterscheidet sich insofern in
ausschlaggebender Weise von derjenigen, welche dem EuGH-Urteil vom
25.1.2007 C-329/05, Meindl (Slg. 2007, I-1107 = SIS 07 08 90)
zugrunde lag. Dort waren die Lohnersatzleistungen, die die im
anderen Mitgliedstaat wohnende Ehefrau des im Inland
unbeschränkt steuerpflichtigen Ehemannes erhalten hatte, im
Ansässigkeitsstaat der Ehefrau steuerfrei. Nur für diese
Situation hat der EuGH entschieden, dass sich ein
gebietsansässiger Steuerpflichtiger, dessen Ehegatte im selben
Mitgliedstaat wohnt und ausschließlich steuerfreie
Einkünfte erzielt, objektiv in der gleichen Situation wie ein
gebietsansässiger und durch die Niederlassungsfreiheit
geschützter Steuerpflichtiger befindet, dessen Ehegatte in
einem anderen Mitgliedstaat wohnt und dort ausschließlich
steuerfreie Einkünfte erzielt. Demgemäß war den
Eheleuten der sog. Splittingtarif im Rahmen der Zusammenveranlagung
zur Einkommensteuer ungeachtet dessen zu gewähren, dass die
von der Ehefrau bezogenen und dort steuerfreien
Lohnersatzleistungen sowohl 10 v.H. des Haushaltseinkommens als
auch den maßgeblichen absoluten Höchstbetrag
überschritten haben, weil - so der EuGH - der Ehemann in
seinem Beschäftigungsstaat das gesamte steuerpflichtige
Einkommen des Haushalts erzielt hat und dieser Staat deshalb der
einzige Staat war, in welchem seine persönliche Lage und sein
Familienstand berücksichtigt werden konnten.
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cc) Im Anschluss an diese Entscheidung des
EuGH in der Rechtssache Meindl in Slg. 2007, I-1107 hat der
Gesetzgeber - mit Rückwirkung auch für die Streitjahre
des hier anhängigen Verfahrens (2005 und 2006) - § 1 Abs.
3 EStG 2002 um einen Satz 4 ergänzt, demzufolge die
Nichtberücksichtigung der im Ausland steuerfreien
Einkünfte voraussetzt, dass vergleichbare Einkünfte auch
im Inland steuerfrei sind. Für den Streitfall hilft dem
Kläger aber auch diese Regelung nicht weiter. Ihrem Tatbestand
nach ist sie ohnehin nicht erfüllt; das Arbeitslosengeld
wäre als vergleichbare Leistung in Deutschland zwar
steuerfrei, es ist in den Niederlanden aber steuerpflichtig. Aus
der Regelung lässt sich aber auch nicht der Umkehrschluss
ziehen, dass im Ausland steuerpflichtige Einkünfte nur im
Falle der Steuerpflicht entsprechender inländischer
Einkünfte in die Einkünfteprüfung gemäß
§ 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2002 einbezogen werden könnten
(s.a. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 1 Rz 20). Es ist nicht
ersichtlich, weshalb die Steuerfreiheit einer vergleichbaren
Leistung im Inland dem ausländischen Wohnsitzstaat, in dem die
fraglichen und dort steuerpflichtigen Einkünften erzielt
werden, die Möglichkeit nehmen sollte, die Höhe der dort
geschuldeten Einkommensteuer an den vorgenannten
Vergünstigungen auszurichten (im Ergebnis ebenso
bezüglich belgischen Arbeitslosengeldes FG Köln, Urteil
in EFG 2012, 1677 = SIS 12 18 30; anders jedoch bezüglich
niederländischen Krankengeldes FG Köln, Urteil vom
29.1.2013 1 K 3219/11, EFG 2013, 1307 = SIS 13 15 29).
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b) Soweit der Kläger geltend macht, dass
die für die Streitjahre geltende absolute Einkunftsgrenze
gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr.
2 Satz 3 EStG 2002 in Höhe von 12.272 EUR (= 2 x 6.136 EUR)
unter Verstoß gegen das Unionsrecht nicht dem in diesen
Jahren anzusetzenden doppelten Grundfreibetrag (15.328 EUR = 2 x
7.664 EUR) entspricht, ist dem nicht weiter nachzugehen. Zum einen
deshalb nicht, weil der EuGH in dem bereits zitierten Urteil
Gschwind in Slg. 1999, I-5451, BStBl II 1999, 841 = SIS 99 21 09
die vom Kläger beanstandete Grenze ausdrücklich gebilligt
hat. Zum anderen deshalb, weil die vom FG ermittelten, nicht der
deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte - bereinigt
man sie um die fehlerhafte Zuordnung des Arbeitslosengeldes zu den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und den
hierfür gewährten Werbungskostenpauschbetrag (§ 9a
Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG 2002: 920 EUR; vgl. zum Pauschbetrag
für sonstige Einkünfte § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG 2002:
102 EUR) - den doppelten Grundfreibetrag (15.328 EUR)
überschreiten würden (2005: 16.933 EUR; 2006: 15.774
EUR).
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c) Der Senat erachtet die aufgezeigte
Unionsrechtslage in Anbetracht der zitierten Entscheidungen des
EuGH sowohl im Hinblick auf die Nutzungswertbesteuerung der eigenen
Wohnung als auch im Hinblick auf das Arbeitslosengeld als
eindeutig, so dass es einer abermaligen Vorlage gemäß
Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht bedarf (vgl. dazu EuGH-Urteil vom
6.10.1982 Rs. 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415).
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