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1
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I. Die Beteiligten streiten über die
Bildung einer Rückstellung für das Streitjahr
2005.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Handelsvertreter
Mitarbeiter der ... AG (AG) und vermittelt
Versicherungsverträge sowie Geldanlagen, Darlehen und
Beteiligungen. Er erzielte im Streitjahr 2005 Einkünfte aus
Gewerbebetrieb. Seinen Gewinn ermittelte er für die Jahre bis
einschließlich 2004 durch Überschussrechnung, ab dem Jahr
2005 durch Betriebsvermögensvergleich. In seiner Bilanz zum
31.12.2005 bildete er eine sonstige Rückstellung in Höhe
von 360.946,92 EUR und wies in der Gewinn- und Verlustrechnung
einen „sonstigen Personalaufwand“ in Höhe von
350.763,92 EUR aus. Im Streitjahr war allein die Klägerin im
Unternehmen des Klägers beschäftigt. Er erklärte
für 2005 einen laufenden Verlust aus Gewerbebetrieb in
Höhe von 218.563 EUR sowie einen Übergangsgewinn in
Höhe von 33.115 EUR.
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3
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) setzte die Einkommensteuer für 2005
zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung auf 0 EUR fest. Auf Nachfrage des FA teilte
der Kläger mit, dass die Rückstellung in Höhe von
350.763,92 EUR für den laufenden Betreuungsaufwand aus
Kranken- und Lebensversicherungen mit einmaliger Provisionszahlung
gebildet worden sei. Daraufhin erkannte das FA die
Rückstellung in dieser Höhe nicht mehr an und setzte mit
Änderungsbescheid vom 29.12.2006 unter Aufhebung des
Vorbehalts der Nachprüfung die Einkommensteuer für 2005
auf 55.374 EUR fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
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4
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Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrten
die Kläger die Bildung einer Rückstellung in Höhe
von 150.000 EUR für die Betreuung der Kranken- und
Lebensversicherungen mit einmaliger Provisionszahlung. Während
des Klageverfahrens wurde die Einkommensteuer für 2005 - aus
nicht streitbefangenen Gründen - mit Änderungsbescheid
vom 25.9.2007 herabgesetzt. Die Klage war teilweise erfolgreich.
Das Finanzgericht (FG) erkannte eine Rückstellung in Höhe
von 83.337 EUR an. Zur Begründung führte es aus:
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5
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Der Kläger sei dem Grunde nach zur
Bildung einer Rückstellung für Betreuungsleistungen
berechtigt gewesen. Nach § 5 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr
maßgeblichen Fassung (EStG) i.V.m. § 249 Abs. 1 des
Handelsgesetzbuches (HGB) seien für ungewisse
Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Der
Bundesfinanzhof (BFH) habe bereits entschieden, dass ein
Versicherungsvertreter, der rechtlich zur Betreuung vermittelter
Vertragsverhältnisse verpflichtet sei, hierfür aber keine
Bestandspflegevergütung erhalte, eine entsprechende
Rückstellung zu bilden habe (BFH-Urteil vom 28.7.2004 XI R
63/03, BFHE 207, 205, BStBl II 2006, 866 = SIS 04 41 12). Im
Streitfall liege eine hiermit vergleichbare Situation vor. Der
Kläger sei, wie sich aus seinem Vertrag mit der AG, der
Bestätigung des Geschäftsstellenleiters der AG und dem
beispielhaft vorgelegten (Makler-)Vertrag ergebe, zur Betreuung des
Bestandes verpflichtet gewesen. Hierfür habe er neben der
Abschlussprovision keine sonstigen Leistungen erhalten.
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6
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Allerdings könne nur eine
Rückstellung in Höhe von 83.336,61 EUR gebildet werden.
Nachvollziehbar seien zwar noch die Angaben des Klägers zum
durchschnittlichen Stundenlohn (17 EUR) und zur durchschnittlichen
Vertragslaufzeit (25 Jahre). Es bestünden aber Zweifel an dem
vom Kläger geschätzten Zeitaufwand von einer Stunde pro
Vertrag und Jahr, den er bereits selbst auf 40 Minuten reduziert
habe. Die diesbezüglich vom Kläger auf der Grundlage der
Aufzeichnung einzelner Kundenkontakte für den Zeitraum
November 2009 bis Januar 2010 überschlägig vorgenommene
Berechnung lasse nicht eindeutig erkennen, welcher Zeitaufwand
entstehe. Unter Berücksichtigung aller erkennbaren
Umstände sei ein durchschnittlicher Zeitaufwand von 20 Minuten
pro Vertrag und Jahr zu schätzen. Danach sei die Höhe der
Rückstellung unter Heranziehung der Tabelle 3 des Schreibens
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26.5.2005 (BStBl I
2005, 699 = SIS 05 24 80) wie folgt zu berechnen:
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Anzahl der Verträge
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Zeitaufwand pro Vertrag
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jährlicher Zeitaufwand
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Stundensatz
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Abzinsung
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Summe
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1
067
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= 20
min
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=
355,66 h
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x 17
EUR
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x
13,783
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83.336,61 EUR
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7
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Das FA rügt mit der Revision die
Verletzung materiellen Rechts. Es sei höchstrichterlich noch
nicht geklärt, ob die vertraglich bestehende Betreuungspflicht
den Steuerpflichtigen wirtschaftlich wesentlich belasten
müsse. Im Übrigen scheide im Streitfall eine
Rückstellungsbildung aus, weil die AG - wie sich aus dem
vorgelegten (Makler-)Vertrag ergebe - gegenüber den Kunden
selbst die Betreuung der Versicherungsverträge übernommen
habe. Aber selbst wenn eine Rückstellungsbildung dem Grunde
nach zulässig sein sollte, habe das FG die Schätzung
nicht sachgerecht vorgenommen. Es habe nicht berücksichtigt,
dass ein Teil der künftigen Betreuungsleistungen auf die AG
entfalle. Zudem habe es fehlerhaft alle 1.067 Verträge
berücksichtigt. Ferner habe es die Arbeitsleistung von zwei
Mitarbeitern einkalkuliert, die zum 31.12.2005 noch nicht im
Unternehmen des Klägers tätig gewesen seien. Somit liege
eine unzulässige Schätzung ins Blaue vor. Nach alledem
hätte die Klage unter Berücksichtigung der den
Kläger treffenden Feststellungslast abgewiesen werden
müssen.
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8
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Das FA beantragt sinngemäß, das
FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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9
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Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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11
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1. Nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249
Abs. 1 Satz 1 HGB sind für ungewisse Verbindlichkeiten aus
schwebenden Geschäften Rückstellungen zu bilden. Zwar
dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem
schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht
ausgewiesen werden. Ein Bilanzausweis ist u.a. aber dann geboten,
wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen
oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners
gestört ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom
23.6.1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735 = SIS 97 19 27, m.w.N.). Es entspricht gefestigter BFH-Rechtsprechung, dass
eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zu
bilden ist, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision
nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch
für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags
erhält (BFH-Urteil vom 19.7.2011 X R 26/10, BFHE 234, 239,
BStBl II 2012, 856 = SIS 11 33 69, m.w.N.; BFH-Beschluss vom
8.11.2011 X B 221/10, BFH/NV 2012, 217 = SIS 12 00 40, m.w.N.). Ein
Erfüllungsrückstand setzt hiernach voraus, dass der
Steuerpflichtige zur Betreuung der Versicherungen rechtlich
verpflichtet ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856 =
SIS 11 33 69). Leistungen, die ohne Rechtspflicht erbracht werden,
sind für die Bemessung der Rückstellung irrelevant
(BFH-Urteil in BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856 = SIS 11 33 69).
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12
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2. Nach diesen Grundsätzen kommt im
Streitfall - auch wenn der Kläger kein Versicherungsvertreter
sein sollte (dazu unten 3.b) - die Bildung einer Rückstellung
wegen Erfüllungsrückstands in Betracht. Insbesondere
greift der Einwand des FA nicht durch, die Bildung einer
Rückstellung sei wegen Unwesentlichkeit der Verpflichtung
ausgeschlossen. Der erkennende Senat schließt sich insoweit
der Rechtsauffassung des X. Senats des BFH an, wonach es keine
Rechtsgrundlage für eine solche Annahme gibt (BFH-Urteil in
BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856 = SIS 11 33 69, Rz 30 ff.; vgl.
auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 217 = SIS 12 00 40, Rz 10). Zur
Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die genannten
Entscheidungen.
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13
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3. Allerdings tragen die (bisherigen)
Feststellungen des FG nicht dessen Würdigung, der Kläger
sei rechtlich gegenüber der AG zur Nachbetreuung der in Rede
stehenden Versicherungsverträge verpflichtet.
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14
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a) Das FG hat eine solche vertragliche
Verpflichtung des Klägers gegenüber der AG bejaht. Es hat
ausgeführt, der Kläger sei nach dem vorgelegten Vertrag
mit der AG rechtlich zur Betreuung des Bestandes verpflichtet. Dies
werde - so das FG - durch das Schreiben des
Geschäftsstellenleiters der AG sowie dem beispielhaft
vorgelegten (Makler-)Vertrag bestätigt. Diese Feststellungen
sind jedoch zu vage, um hieraus eine entsprechende vertragliche
Verpflichtung abzuleiten.
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15
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Die Auslegung von Verträgen gehört
zwar regelmäßig zu den tatsächlichen Feststellungen
des Tatsachengerichts, die den BFH gemäß § 118 Abs.
2 FGO bindet, wenn sie den Auslegungsgrundsätzen entspricht
und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze
verstößt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 25.2.2009 IX R 76/07, BFH/NV 2009, 1268 = SIS 09 21 57). Das Fehlen einer tragfähigen Tatsachengrundlage für
die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung stellt aber
einen materiellen Fehler dar, der ohne Rüge vom
Revisionsgericht beanstandet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom
15.2.1995 II R 53/92, BFH/NV 1996, 18). So verhält es sich im
Streitfall.
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aa) Bei dem vom FG in Bezug genommenen Vertrag
des Klägers mit der AG handelt es sich um einen Auszug seines
Mitarbeitervertrags, der nur die Präambel und die
Provisionsrichtlinie umfasst. Der gesamte Mitarbeitervertrag des
Klägers lag dem FG erkennbar nicht vor. In der Präambel
heißt es u.a. wörtlich: „... Das vorrangige Ziel
ist die auf Dauer angelegte und unabhängige Beratung und
Betreuung des Kunden auf seinem gesamten Lebensweg. Jeder Kunde hat
das Recht auf eine dauerhafte Betreuung. ...“. Diese
Formulierung ist zu allgemein, um hieraus eine
Nachbetreuungspflicht des Klägers gegenüber der AG
hinsichtlich konkreter Versicherungsverträge ableiten zu
können. Im Übrigen deutet sie eher auf einen
einzuhaltenden Qualitätsstandard als auf eine konkrete
Nachbetreuungspflicht hin. Aus der
„Provisionsrichtlinie“ allein lässt sich
ebenfalls keine Betreuungspflicht entnehmen.
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bb) Abweichendes ergibt sich auch nicht aus
dem vom FG in Bezug genommenen
Geschäftsstellenleiterschreiben, bei dem es sich um das des
Leiters der Geschäftsstelle ... vom ... handelt. Hierin wird
ausgeführt, dass der Kläger eine vertragliche
Verpflichtung zur fortlaufenden Betreuung der Kunden und deren
Verträge habe, was sich aus dem Mitarbeitervertrag und dessen
Präambel ergebe. Die in diesem Schreiben niedergelegte
Rechtsauffassung kann zwar durchaus bei Auslegung des
Mitarbeitervertrags Bedeutung gewinnen. Da aber in diesem Schreiben
auf die nur sehr allgemein gehaltene Präambel Bezug genommen
wird und im Übrigen Feststellungen des FG zum konkreten Inhalt
des Mitarbeitervertrags fehlen, sind auch diese Ausführungen
zu vage, um hieraus eine konkrete Nachbetreuungspflicht
abzuleiten.
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cc) Schließlich kann sich eine
Nachbetreuungspflicht des Klägers im (Innen-)Verhältnis
zur AG auch nicht aus dem beispielhaft vorgelegten (Makler-)Vertrag
ergeben. Dieser Vertrag betrifft nicht das Rechtsverhältnis
des Klägers zur AG, sondern die Beziehungen des Maklers zum
Versicherungsnehmer.
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b) Weitere Feststellungen sind auch nicht
deshalb entbehrlich, weil sich eine Nachbetreuungspflicht des
Klägers gegenüber der AG unmittelbar aus dem Gesetz
ergibt.
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20
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Nach den den Senat bindenden Feststellungen
des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ist der Kläger als
Handelsvertreter der AG tätig (§§ 84 ff. HGB). Das
FG führte in der Vorentscheidung aus, dass er, der
Kläger, als Handelsvertreter ein Mitarbeiter der AG ist und
u.a. Versicherungsverträge vermittelt. Diese Feststellungen
tragen die Annahme, dass der Kläger ständig damit betraut
ist, für ein anderes Unternehmen (hier die AG) Geschäfte
zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (vgl. §
84 HGB). Die §§ 84 ff. HGB normieren jedoch keine
gesetzliche Verpflichtung für den Handelsvertreter, die Kunden
des Unternehmers nachlaufend zu betreuen (BFH-Urteil in BFHE 234,
239, BStBl II 2012, 856 = SIS 11 33 69, Rz 41; Hopt in
Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 84 Rz 22 f., § 86 Rz
13). Etwas anderes ergäbe sich auch dann nicht, wenn der
Kläger - was jedoch aufgrund seines Tätigwerdens für
die AG, die, soweit ersichtlich, kein Versicherer ist, ausscheiden
dürfte - zugleich ein Versicherungsvertreter i.S. des §
92 Abs. 1 HGB wäre (BFH-Urteil vom 9.12.2009 X R 41/07, BFH/NV
2010, 860 = SIS 10 11 86).
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21
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4. Das FG-Urteil erweist sich in diesem Punkt
- dem Bestehen einer nachlaufenden Betreuungspflicht - auch nicht
deshalb als richtig, weil der Kläger als Versicherungsmakler
aufgrund eigener Rechtsbeziehungen zum Versicherungsnehmer diesem
gegenüber hierzu verpflichtet ist.
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a) Der Versicherungsmakler tritt zwar - im
Gegensatz zum Handelsvertreter bzw. Versicherungsvertreter - in
eigene vertragliche Beziehungen zum Kunden (Versicherungsnehmer).
Das FG-Urteil enthält aber keine tragfähigen
Feststellungen, wonach der Kläger selbst im eigenen Namen als
Versicherungsmakler mit den Kunden Verträge
abschließt.
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aa) Den Vertragsparteien eines Maklervertrags
i.S. des § 93 HGB steht es frei, ausdrücklich eine
Betreuungspflicht des Versicherungsmaklers zu vereinbaren. Eine
solche lässt sich für den Kläger jedoch nicht allein
aus dem beispielhaft vorgelegten Maklervertrag ableiten, auf den
das FG Bezug genommen hat. In diesem Vertrag wird einleitend von
einer Vereinbarung zwischen den Kunden und der AG gesprochen. Der
Vertrag ist vom Kläger als „Berater“ der AG
unterschrieben. Dies alles deutet darauf hin, dass die AG -
offensichtlich eine Versicherungsmaklerin - bei Vertragsschluss von
dem Kläger als „Berater“ vertreten wird. Im
Übrigen entspricht die Annahme eines Tätigwerdens des
Klägers im Namen der AG seiner Rechtsstellung als
Handelsvertreter (vgl. § 84 Abs. 1 HGB). Danach tritt im
Außenverhältnis zum Kunden die AG als Vertragspartner
auf. Es kann daher dahinstehen, ob mit der in dem Maklervertrag
enthaltenen Formulierung, dass gegenüber dem Kunden die
Betreuung des Versicherungsvertrages übernommen wird, eine
konkrete Nachbetreuungspflicht begründet wird.
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24
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bb) Ebenso bedarf die Frage keiner
Klärung, ob ein Versicherungsmakler auch ohne
ausdrückliche Vereinbarung im Maklervertrag zur Nachbetreuung
der vermittelten Verträge gegenüber dem Kunden
verpflichtet ist, weil als Rechtsgrund einer solchen
„ungeschriebenen“ Pflicht wiederum nur der
Maklervertrag in Betracht kommt.
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So qualifiziert die herrschende Meinung im
zivilrechtlichen Fachschrifttum den Maklervertrag als einen
Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs), der ein Dauerschuldverhältnis begründet und
den Makler - auch ohne ausdrückliche Vereinbarung -
verpflichtet, den vermittelten Versicherungsvertrag weiter zu
betreuen (z.B. Dörner in Prölss/Martin,
Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, § 59 Rz 50 ff.;
Rixecker in Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz, 4.
Aufl., 2014, § 59 Rz 8; Matusche-Beckmann, in:
Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl.,
2009, § 5 Rz 309 f.; Langheid/Wandt/Reiff, Münchener
Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Bd. 1, § 60 Rz 29;
Hannig, BB 2013, 1202; Evers, Versicherungswirtschaft 2013, 55;
vgl. aber auch Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 5.7.2006 7 U
68/05, Versicherungsrecht - VersR - 2006, 1546; FG Hamburg, Urteil
vom 6.9.2012 2 K 90/12, EFG 2013, 191 = SIS 13 00 93, nicht
rechtskräftig; Az. beim BFH: X R 38/13). Abweichendes ergibt
sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(BGH). Denn der BGH leitet die umfassende - möglicherweise
eine Nachbetreuungspflicht umfassende - Pflichtenstellung eines
Versicherungsmaklers gegenüber dem Versicherungsnehmer
ebenfalls aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Makler
und Versicherungsnehmer ab (z.B. BGH-Urteile vom 22.5.1985 IVa ZR
190/83, BGHZ 94, 356, unter II.1.; vom 14.6.2007 III ZR 269/06,
VersR 2007, 1127, unter II.2.a).
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26
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b) Schließlich ist nicht ersichtlich,
dass der Kläger kraft Gesetzes gegenüber den
Versicherungsnehmern zur Nachbetreuung der vermittelten
Versicherungsverträge verpflichtet ist.
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27
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aa) Dabei kann dahinstehen, ob der
Handelsvertreter eines Versicherungsmaklers - im Streitfall ggf.
der Kläger als Handelsvertreter der AG - für Zwecke der
Anwendung der §§ 42 ff. des Versicherungsvertragsgesetzes
(VVG) i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des
Versicherungsvermittlungsrechts vom 19.12.2006 - VVG 2007 - (BGBl I
2006, 3232) bzw. der an ihre Stelle getretenen §§ 59 ff.
VVG i.d.F. des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts
vom 23.11.2007 - VVG 2008 - (BGBl I 2007, 2631) im Verhältnis
zum Versicherungsnehmer selbst als Versicherungsmakler zu
qualifizieren ist (dies bejahend BTDrucks 16/1935, S. 23; vgl.
BTDrucks 16/3945, S. 77; so auch Dörner in Prölss/Martin,
a.a.O., § 59 Rz 43; Bruck/Möller/Schwintowski,
Versicherungsvertragsgesetz, 9. Aufl., 2010, § 59 Rz 66). Ein
Eingehen hierauf erübrigt sich, weil die in §§ 60
bis 62 VVG 2008 normierten Pflichten des Versicherungsmaklers keine
nachlaufende Betreuungspflicht, sondern Mitteilungs-, Beratungs-
und Dokumentationspflichten in der Vermittlungsphase betreffen
(Langheid/Wandt/Reiff, Münchener Kommentar zum
Versicherungsvertragsgesetz, § 60 Rz 28). Abgesehen davon
kommen die genannten Vorschriften im Streitjahr 2005 ohnehin noch
nicht zum Tragen, weil sie erst am 22.5.2007 (vgl. Art. 4 Satz 3
des Gesetzes vom 19.12.2006, BGBl I 2006, 3232) bzw. am 1.1.2008
(vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes vom 23.11.2007, BGBl I
2007, 2631) in Kraft getreten und auf sog. Altverträge im
Grundsatz erst ab 1.1.2009 anwendbar sind (vgl. Art. 1 Abs. 1 des
Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz. dazu auch
Langheid/Wandt/Looschelders, Münchner Kommentar zum
Versicherungsvertragsgesetz, Art. 1 EGVVG Rz 1, 3, 9 f.; Schneider,
VersR 2008, 859).
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bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus
§ 34d der Gewerbeordnung. Diese im Streitjahr ebenfalls noch
nicht anwendbare Vorschrift (zu deren Inkrafttreten am 22.5.2007
vgl. Art. 4 Satz 3 des Gesetzes vom 19.12.2006, BGBl I 2006, 3232)
regelt keine nachlaufende Betreuungspflicht, sondern eine
berufsrechtliche Erlaubnispflicht (dazu z.B. Schönleiter,
Gewerbearchiv 2007, 265).
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5. Für den zweiten Rechtsgang weist der
Senat auf Folgendes hin:
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a) Bei Prüfung
der Frage, ob der Kläger als Handelsvertreter gegenüber
der AG zur nachlaufenden Betreuung der in Rede stehenden
Verträge verpflichtet ist, ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass offensichtlich eine mehrstufige -
(zumindest) aus der AG, ihren Geschäftsstellen und den
Handelsvertretern bestehende - Vertriebsstruktur gegeben ist.
Demnach kommen im Streitfall für die Erfüllung
möglicher nachlaufender Betreuungspflichten verschiedene
Ebenen (AG, Geschäftsstellen, Handelsvertreter) in
Betracht.
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31
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b) Weiter bleibt zu
beachten, dass der Kläger nach Aktenlage für bestimmte
Lebensversicherungsverträge offensichtlich Folgeprovisionen
erhält. Für den Senat ist nicht ersichtlich, weshalb auch
insoweit die Bildung einer Rückstellung wegen
Erfüllungsrückstands in Betracht kommen soll. Vielmehr
stünde der Anspruch auf Folgeprovisionen einer solchen
Rückstellungsbildung entgegen, weil es insoweit an einer
(vollständig) erbrachten Vorleistung des Vertragspartners (AG)
fehlte.
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c) Sollte sich im
zweiten Rechtsgang ergeben, dass der Kläger aufgrund seines
Rechtsverhältnisses zur AG dem Grunde nach zur Bildung einer
Rückstellung verpflichtet ist, sind hinsichtlich der Höhe
der Rückstellung die Grundsätze zu beachten, die der X.
Senat des BFH in den Urteilen in BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856
= SIS 11 33 69, Rz 42 bis 61, X R 48/08 (BFH/NV 2011, 2032,
Rz 30 bis 42 = SIS 11 36 43), vom 19.7.2011 X R 8/10 (BFH/NV 2011,
2035 = SIS 11 36 44, Rz 30 bis 42) und vom 12.12.2013 X R 25/11
(DStR 2014, 840 = SIS 14 11 21, Rz 32 bis 51) aufgestellt hat. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird auf die genannten BFH-Urteile
verwiesen. Danach muss der Kläger nach Maßgabe der in diesen Entscheidungen dargelegten
Grundsätze Aufzeichnungen führen und vorlegen. Allerdings
konnte das FG jene Grundsätze noch nicht beachten, da
es zeitlich vor den genannten BFH-Urteilen entschieden hat. Die
bisherigen Aufzeichnungen des Klägers über einzelne
Kundenkontakte für den Zeitraum November 2009 bis Januar 2010
werden den dargelegten Anforderungen offensichtlich nicht
gerecht.
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Sollte der Kläger auch im zweiten
Rechtsgang nicht in der Lage sein, solche Aufzeichnungen
vorzulegen, führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass die
Bildung einer Rückstellung gänzlich zu unterbleiben hat.
Liegen nämlich die Voraussetzungen für die Bildung einer
Rückstellung dem Grunde nach vor, ist der tatsächliche
Umfang der Nachbetreuungsleistungen erst für die konkrete
Bemessung der Höhe der Rückstellung von Bedeutung.
Für diesen Fall hat das FG den künftigen
Betreuungsaufwand aufgrund der Verhältnisse im Betrieb des
Klägers erneut zu schätzen. Eine solche Schätzung
des - nicht durch die geforderten substantiierten Aufzeichnungen
belegten - Umfangs der Betreuungsleistungen durch das FG muss sich
im Hinblick auf die den Steuerpflichtigen treffende Darlegungs- und
Beweislast aber im unteren Rahmen bewegen (vgl. dazu im Einzelnen
BFH-Urteil in DStR 2014, 840 = SIS 14 11 21, Rz 52 bis 56).
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Schließlich bleibt anzumerken, dass eine
ggf. zu bildende Rückstellung - im Streitfall eine solche nach
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG - nach dem vom FG
herangezogenen BMF-Schreiben nicht nach Tabelle 3, sondern nach
Tabelle 2 (BStBl I 2005, 699 = SIS 05 24 80, Tz. 26, 28) abzuzinsen
ist. Wegen des maßgeblichen Abzinsungszeitraums (vgl. § 6
Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG) verweist der Senat auf die
Ausführungen des X. Senats in dem Urteil in DStR 2014, 840 =
SIS 14 11 21.
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