1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) beantragte am 12.8.2008 die
Erteilung verbindlicher Zolltarifauskünfte (vZTA) zur
Einreihung von Aminosäuremischungen mit den Bezeichnungen ...
(R-1 bzw. R-2) in die Kombinierte Nomenklatur (KN). Sie hielt die
Unterposition (Unterpos.) 3003 90 90 KN „Arzneiwaren
(ausgenommen Erzeugnisse der Position 3002, 3005 oder 3006), die
aus zwei oder mehr zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken
gemischten Bestandteilen bestehen, weder dosiert noch in
Aufmachungen für den Einzelverkauf - andere“ für
zutreffend.
|
|
|
2
|
Die von der Bundesfinanzdirektion B am
23.10.2008 erteilten vZTA reihten die Waren jeweils in die
Unterpos. 2106 90 92 KN ein. Es handele sich um
„Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch
inbegriffen, kein Milchfett und keine Saccharose, Isoglucose,
Stärke oder Glucose enthaltend; kein Erzeugnis der Pos. 3003
KN, da es weder zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken im
Sinne dieser Position noch intravenös verabreicht
wird“.
|
|
|
3
|
In ihrem Einspruch führte die
Klägerin aus, die Aminosäuremischungen würden zu
Produkten verarbeitet, die hauptsächlich zur Therapie von
Kuhmilchallergie, anderen Nahrungsmittelallergien, Erkrankungen des
Magen-Darm-Trakts und zur Prophylaxe verwendet würden und von
ihrem Abnehmer für den Einzelverkauf aufgemacht seien. Der
zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA - ) wies den Einspruch
mit Einspruchsentscheidung vom 5.1.2011 als unbegründet
zurück.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Die Ware sei nicht in die Position (Pos.) 3003 KN einzureihen, weil
sie keine Arzneiware im Sinne des Tarifs sei.
|
|
|
5
|
Es stellte fest, die
Aminosäuremischungen bestünden aus verschiedenen,
hochrein hergestellten Einzelaminosäuren. Die Klägerin
stelle die Mischungen nach Vorgaben ihres Abnehmers her, der aus
ihnen, Kohlehydraten und Fetten Säuglings- und Kindernahrung
(„A“) für Säuglinge und Kinder mit
Kuhmilchproteinallergie herstelle. Diese Allergie rufe
Überempfindlichkeitsreaktionen auf ein oder mehrere
(sogenannte) Kuhmilchproteine hervor, die schwerwiegend seien und
auch weitere gesundheitliche Störungen nach sich ziehen
könnten. Kuhmilchproteine seien nicht tierartspezifisch, sie
könnten auch in der Muttermilch auftreten. Bei Säuglingen
und Kleinkindern sei der bloße Verzicht auf Milch bzw.
Milchprodukte schwierig bis unmöglich, weil der im Wachstum
begriffene Organismus zur Vermeidung von Mangelzuständen,
Wachstumsstörungen und schweren Entwicklungsstörungen die
Proteine benötige. Medikamente, die bei Älteren gegen die
Symptome eingesetzt würden, vertrügen Säuglinge und
Kleinkinder zumeist nicht. Bei ca. 80 % der Fälle führe
eine Behandlung unter Verabreichung der Aminosäuremischungen
dazu, dass sich das Immunsystem des Kindes normal entwickle mit der
Folge, dass auch eine „normale“ Ernährung
möglich sei. Durch die Gabe der Aminosäuremischungen
werde - lediglich - die Möglichkeit geschaffen, auf die
Ernährung mit allergenen Stoffen zu verzichten.
|
|
|
6
|
Obwohl die nach genau spezifizierten
Vorgaben des Herstellers der „A“-Produkte
synthetisierten und gemischten Aminosäuren - insoweit gleich
einer Arzneiware - dazu bestimmt seien, im Rahmen einer
medizinischen Behandlung kuhmilchproteinallergischen
Säuglingen und Kleinkindern verabreicht zu werden, sah sich
das FG gehindert, die Aminosäuremischungen als Arzneimittel in
die Pos. 3003 KN einzureihen.
|
|
Zwar enthalte die KN keine Definition eines
Arzneimittels. Da nach den Erläuterungen zum Harmonisierten
System (ErlHS) zu Pos. 3003 Rz 20.0 Lebensmittelzubereitungen mit
einem arzneilichen Wirkstoff ausnahmsweise der Pos. 3003
unterfielen, während nach der ErlHS zu Pos. 3003 Rz 17.0 Satz
2 solche, die nur Nährstoffe - wie Eiweißstoffe,
Kohlehydrate und Fette - enthielten, nicht als Arzneimittel
einzureihen seien, setze die Pos. 3003 KN aber auf jeden Fall das
Vorhandensein eines arzneilichen Wirkstoffs voraus. Dementsprechend
seien die streitgegenständlichen Aminosäuremischungen,
welche nur die für die Ernährung jeweils erforderlichen
Eiweißbestandteile „als Paket“ zur Verfügung
stellten, im maßgeblichen System der KN als
„Nährstoffe“ anzusehen. Eine arzneiliche Wirkung
der Aminosäuremischungen sei nicht festzustellen und habe die
Klägerin auch auf Nachfrage nicht dargelegt.
|
|
|
7
|
Die Entscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) vom 10.12.1998 C-328/97 - Glob-Sped
- (Slg. 1998, I-8357), nachfolgend Senatsurteil vom 5.10.1999 VII R
42/98 (BFHE 190, 501, ZfZ 2000, 56 = SIS 00 01 98), sei auf den
vorliegenden Fall nicht übertragbar.
|
|
|
8
|
Mit der Revision trägt die
Klägerin vor, die Feststellungen des FG ließen eine
Einreihung der Aminosäuremischungen als Arzneiware zu. Zu
Unrecht greife das FG zur Begründung des Erfordernisses eines
eigenen pharmakologischen Wirkstoffs auf die ErlHS zur Pos. 3003
zurück. Diese ErlHS seien nicht verbindlich. Weder der
maßgebliche Wortlaut der Pos. 3003 KN noch die
dazugehörigen Anmerkungen enthielten ein solches Erfordernis.
Für die Einreihung als Arzneiware spreche die spezifische
Zusammenstellung und Dosierung, die die einzige in der Praxis
medizinisch vertretbare Behandlung der Kleinkinder sei. Auch die
ErlHS zu Pos. 3003 Rz 17.0 betreffe ersichtlich nur Lebensmittel,
die keinen therapeutischen oder prophylaktischen Zweck
verfolgten.
|
|
|
9
|
Schließlich verweist die
Klägerin auf ein Urteil des britischen Upper Tribunal vom
27.9.2013 (FTC/61/2012), in dem - wie schon in der Vorinstanz
(First Tier Tribunal vom 8.12.2011 (TC/2009/14700)) - die
nämliche Aminosäuremischung in die Pos. 3003 KN
eingereiht worden sei.
|
|
|
10
|
Das HZA schließt sich den
Ausführungen des FG an. Die Urteile der englischen Gerichte
hält das HZA für unzutreffend.
|
|
|
11
|
II. Der Senat setzt das Verfahren aus (§
121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem
EuGH gemäß Art. 267 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die im Tenor
bezeichneten Fragen zur Vorabentscheidung vor, weil die Auslegung
der für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen
Vorschriften des Unionsrechts Zweifelsfragen aufwirft.
|
|
|
12
|
Der beschließende Senat möchte die
Revision der Klägerin zurückweisen, weil er die
Einreihung der Aminosäuremischungen R-1 und R-2 in die Pos.
2106 KN durch die streitigen vZTA und das diese bestätigende
Urteil des FG für zutreffend hält. Da aber das Upper
Tribunal (Tax and Chancery Chamber) in Großbritannien mit
Entscheidung vom 27.9.2013 FTC/61/2012 die nämlichen
Mischungen als Arzneiwaren in die Pos. 3003 KN eingereiht hat,
ersucht er den Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV um eine
Klärung, welche Einreihung zutreffend ist.
|
|
|
13
|
1. In die Unterpos. 2106 90 92 KN sind
„Lebensmittelzubereitungen, anderweit weder genannt noch
inbegriffen; andere“ einzureihen. Ausgewiesen aus Kap. 21
KN sind nach der Anmerkung 1 Buchst. f Halbsatz 2 zu diesem Kapitel
„andere Waren der Position 3003 oder 3004“.
|
|
|
14
|
Die Pos. 3003 KN erfasst „Arzneiwaren
..., die aus zwei oder mehr zu therapeutischen oder
prophylaktischen Zwecken gemischten Bestandteilen bestehen, weder
dosiert noch in Aufmachungen für den Einzelverkauf“,
die Pos. 3004 KN erfasst ebenfalls „Arzneiwaren ..., die
aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen
oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert
(einschließlich solcher, die über die Haut verabreicht
werden) oder in Aufmachungen für den
Einzelverkauf“.
|
|
|
15
|
Zu Kap. 30 gehören nach Anmerkung 1
Buchst. a zu Kap. 30 KN nicht Nahrungsmittel ... (wie
diätetische ...), andere nicht intravenös zu
verabreichende Nährstoffzubereitungen ...
|
|
|
16
|
Mit der Verordnung (EG) Nr. 1777/2001 (VO Nr.
1777/2001) der Kommission vom 7.9.2001 zur Änderung des
Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die
zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen
Zolltarif (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG -
Nr. L 240/4 vom 8.9.2001, berichtigt in ABlEG Nr. L 185/37 vom
16.7.2005) wurde zu Kap. 30 KN die Zusätzliche Anmerkung 1
eingefügt: „Zu Position 3004 gehören pflanzliche
Arzneizubereitungen und Zubereitungen auf der Grundlage folgender
Wirkstoffe: Vitamine, Mineralstoffe, essentielle Aminosäuren
oder Fettsäuren, in Aufmachungen für den Einzelverkauf.
Diese Zubereitungen sind in Position 3004 einzureihen, wenn auf dem
Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel folgende Angaben
gemacht werden:
|
|
a) die spezifischen Krankheiten, Leiden
oder deren Symptome, bei denen diese Erzeugnisse verwendet werden
sollen;
|
|
b) die Konzentration der aktiven Wirkstoffe
oder der darin enthaltenen Stoffe;
|
|
c) die zu verabreichende Menge und
|
|
d) die Art der Anwendung.“
|
|
(die weiteren Bestimmungen bleiben hier
außer Betracht).
|
|
|
17
|
In den ErlHS zu Pos. 3003 heißt es in Rz
17.0: „Die verschiedenen Bestimmungen in der
Überschrift zu dieser Position gelten weder für
Lebensmittel noch für Getränke (z. B. für
diätetische Lebensmittel, angereicherte Lebensmittel,
Lebensmittel für Diabetiker, tonische Getränke und
natürliche oder künstliche Mineralwässer), die nach
ihrer Beschaffenheit einzureihen sind. Dies gilt vor allem für
Lebensmittelzubereitungen, die nur Nährstoffe enthalten. Die
wichtigsten Nährstoffe, die in Lebensmitteln vorkommen, sind
Eiweißstoffe, Kohlehydrate und Fette. Vitamine und
Mineralsalze spielen in der Ernährung ebenfalls eine
Rolle.“
|
|
Und in Rz 18.0: „Das Gleiche gilt
für Lebensmittel und Getränke mit Zusatz von arzneilichen
Wirkstoffen, sofern diese Wirkstoffe keinen anderen Zweck haben,
als ein besseres diätetisches Gleichgewicht zu schaffen, den
Energie- oder Nährwert des Erzeugnisses zu heben oder seinen
Geschmack zu verbessern, ihm aber nicht den Charakter einer
Lebensmittelzubereitung nehmen.“
|
|
|
18
|
2. Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung
des FG, die Aminosäuremischungen R-1 und R-2 seien als
„Lebensmittelzubereitungen“ in die Unterpos.
2106 90 92 KN einzureihen, da sie anderweitig weder genannt noch
inbegriffen sind. Insbesondere kommt eine Einreihung in die Pos.
3003 KN „Arzneiwaren“ nicht in Betracht, da die
Mischungen ausschließlich zur Herstellung von
Säuglingsnahrung für kuhmilchallergische Kinder nach den
Vorgaben des Abnehmers zusammengestellt werden. Da diese Nahrung
nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten und den
Feststellungen des FG als Ersatz für allergieauslösende
Milchprodukte eingesetzt werden, bis sich das Immunsystem des
Kindes entwickelt hat, ist ein therapeutischer oder
prophylaktischer Zweck dieser Ernährung nicht ersichtlich. Sie
ersetzt lediglich einen krankheitsauslösenden Bestandteil der
normalen Ernährung, ohne auf die Allergie einzuwirken, sie zu
beseitigen oder zu mindern.
|
|
|
19
|
Dabei verkennt der Senat nicht, dass beim
allergischen Kleinkind ohne Zuführung nicht
allergieauslösender Proteine schwere
Entwicklungsstörungen zu erwarten wären. Das könnte
dazu verleiten, den Aminosäuremischungen einen
prophylaktischen Zweck beizumessen. Allerdings dienen auch
diätetische Lebensmittel dazu, Gesundheitsstörungen
vorzubeugen oder Zustandsverschlechterungen zu vermeiden (z.B.
Sojaprodukte bei Laktoseüberempfindlichkeit, fettreduzierte
Lebensmittel bei erhöhten Cholesterinwerten). In diesem weiten
Verständnis ist der prophylaktische Zweck demzufolge kein
geeignetes Abgrenzungskriterium.
|
|
|
20
|
Auch der Verordnungsgeber hat die
Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Arzneiwaren und
diätetischen Zubereitungen einschließlich Zubereitungen
für besondere Ernährungszwecke und
Nahrungsergänzungsmittel erkannt, wie sich den
Erwägungsgründen der VO Nr. 1777/2001, die die
Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kap. 30 KN eingefügt hat,
entnehmen lässt. Danach waren eben diese Schwierigkeiten
Anlass für das Tätigwerden des Unionsgesetzgebers. Durch
die Erstellung einer Liste verbindlicher Kriterien, bei deren
Erfüllung ein Erzeugnis als Arzneimittel in die Pos. 3004 KN
einzureihen ist, sollten die in der Abfertigungspraxis
aufgetretenen Probleme jedenfalls in den Fällen der Pos. 3004
KN gelöst werden. Eine Definition der Arzneiware enthält
diese Regelung aber nicht. Sie trifft auch keine Aussagen über
die Einreihung eines Nahrungsergänzungsmittels in die Pos.
2106 oder 2202 KN (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
30.3.2010 VII R 35/09, BFHE 229, 399, BStBl II 2011, 74 = SIS 10 15 06, und BFH-Beschluss vom 16.8.2012 VII R 8/11, BFH/NV 2013, 99 =
SIS 12 33 37). Allerdings liegt der VO Nr. 1777/2001 ersichtlich
die Erwägung zugrunde, dass die Wirkstoffe Vitamine,
Mineralstoffe, essentielle Aminosäuren oder Fettsäuren
nicht von vornherein den auf ihrer Grundlage zubereiteten Waren den
Charakter einer Arzneiware verleihen. Der 5. Erwägungsgrund
der Verordnung lässt aber erkennen, wie sich der
Verordnungsgeber die Unterscheidung vorstellt: Zubereitungen
für besondere Ernährungszwecke oder diätetische
Zwecke sind danach solche, die zum Erhalt der Gesundheit oder des
Wohlbefindens (to maintaining health or well-being) beitragen
können, während pflanzliche Arzneizubereitungen oder
Zubereitungen auf der Grundlage verschiedener Wirkstoffe dazu
beitragen können, Krankheiten oder bestimmten Leiden
vorzubeugen oder sie zu behandeln (to prevent or treat diseases or
specific ailments can be established).
|
|
|
21
|
Die damit umschriebenen therapeutischen oder
prophylaktischen Zwecke, die eine Zubereitung zu einer Arzneiware
machen, setzen demnach voraus, dass sie geeignet ist, auf eine
Krankheit einzuwirken, sie zu heilen, zu lindern oder zumindest
ihre Verschlimmerung oder Folgeerkrankungen zu verhindern. Das
entspricht der allgemeinen
„selbstverständlichen“ Verwendung der aus
dem griechischen stammenden Begriffe Prophylaxe und Therapie:
Prophylaxe ist die Verhütung einer Krankheit durch vorbeugende
Maßnahmen, Therapie die Heilbehandlung von Krankheiten.
|
|
|
22
|
Dieses Verständnis einer
„Arzneiware“ wird übrigens auch
gestützt von der ErlHS zu Pos. 3003 Rz 17.0, wonach die
verschiedenen Bestimmungen in der Überschrift zu dieser
Position nicht für Lebensmittelzubereitungen gelten, die nur
Nährstoffe enthalten. Denn solche dienen zweifellos nicht der
Verhütung oder Behandlung von Krankheiten, sondern der
Ernährung. Vor diesem Hintergrund versteht der Senat auch die
Ausführungen des FG, welches die Aminosäuremischungen
nicht für Arzneiwaren hält, weil sie keine eigene
pharmakologische Wirkung haben und ihnen ein über einen reinen
Nährstoff hinausgehender „arzneilicher
Wirkstoff“ fehlt.
|
|
|
23
|
Aus dem EuGH-Urteil in Slg. 1998, I-8357
ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn der Gehalt an Vitamin C im
Produkt jenes Falls ging deutlich über das für die
allgemeine Ernährung notwendige oder empfohlene Maß
hinaus und diente nicht nur zur Stärkung des Immunsystems des
menschlichen Organismus bei der Abwehr von Infektionen, sondern
darüber hinaus zur Behandlung allergischer Reaktionen und
schwerer Traumata und zur Bekämpfung von Mangelkrankheiten wie
Skorbut oder der Möller-Barlow-Krankheit. Im Gegensatz zum
vorliegenden Fall war damit der auf die Bekämpfung einer
vorliegenden Krankheit gerichtete Zweck des Mittels
ausdrücklich festgestellt. Ebenso wenig lassen sich aus dem
EuGH-Urteil vom 30.4.2014 C-267/13 - Nutricia NV - (Amtsblatt der
Europäischen Union Nr. C 207/30 = SIS 14 16 68) Anhaltspunkte
für die Einreihung einer Ware der vorliegenden Art in die Pos.
3003 KN herleiten. Jene Entscheidung betrifft ein für den
Einzelverkauf vorgesehenes Erzeugnis der Pos. 3004 KN.
|
|
|
24
|
3. Obwohl der Senat aufgrund der vorstehenden
Erwägungen die vom HZA vorgenommene und vom FG bestätigte
Einreihung der Aminosäuremischungen R-1 und R-2 in die Pos.
2106 KN für zutreffend hält, erscheint eine
Vorabentscheidung des EuGH im Hinblick auf die abweichende
Auffassung des Upper Tribunal UK zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsauslegung in der Union erforderlich.
|
|
Das britische Gericht hatte die gleichen
Aminosäuremischungen zu beurteilen und ist zum Ergebnis
gekommen, es handele sich um Arzneiwaren i.S. der Pos. 3003 KN, da
sie die ernährungsphysiologischen Bedürfnisse des
Kleinkinds erfüllten und zudem in der Lage seien, die zugrunde
liegenden allergischen Symptome zu behandeln. Es komme nicht darauf
an, ob durch die Behandlung das Leiden tatsächlich geheilt
werden könne. Die Unterscheidung danach, ob mithilfe der Ware
ein Leiden geheilt oder die Symptome unter Kontrolle gehalten oder
unterdrückt werden könnten, sei gekünstelt. Die
Verwendung von Stoffen zum Zweck der Behandlung einer Erkrankung,
indem deren Symptome kontrolliert oder ihnen vorgebeugt werde,
falle unter den Begriff „therapeutisch“ i.S. der
Überschriften zu Kap. 3003 und 3004 KN. Die
Säuglingsnahrung bewirke, dass die Auswirkungen der
Stoffwechselerkrankung (Milchallergie) bekämpft und manchmal
auch gemildert würden. Darüber hinaus sei auch bezeugt,
dass bereits hervorgerufene Ekzeme abklängen und Koliken
verschwänden, obwohl die Allergie nicht geheilt werde.
|
|
|
25
|
Das Upper Tribunal UK berücksichtigt nach
Auffassung des erkennenden Senats nicht hinreichend, dass das
Abklingen der - infolge der Einnahme der allergieauslösenden
Stoffe aufgetretenen - Symptome auf der Umstellung der
Säuglingsernährung (Ersetzen der Milchproteine durch die
Aminosäuremischungen) beruht und gerade nicht durch eine durch
die Aminosäuren geförderte Ausbildung des Immunsystems
hervorgerufen wird. Eine Einwirkung der Ernährungsumstellung
auf die Krankheit selbst hat es nicht festgestellt.
|