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I. Der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt - FA - ) hat die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) nach § 74 der Abgabenordnung (AO) für die
Umsatzsteuerrückstände 2007 bis 2010 einer in Insolvenz
geratenen GmbH auf Haftung in Anspruch genommen, weil die
Klägerin der GmbH Grund und Boden sowie Gebäude
überlassen habe und an der GmbH als deren alleinige
Gesellschafterin wesentlich beteiligt sei. Die Umsatzsteuer sei
während des Bestehens dieser Beteiligung entstanden.
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Der Klägerin stehen aufgrund von
Umsatzsteuerfestsetzungen 2007 bis 2010 vom 4.3.2011 gegenüber
dem FA Guthaben zu. Das FA ist der Auffassung, dieses Guthaben der
Klägerin sei durch Aufrechnung mit ihren Haftungsschulden
erloschen. Es hat darüber den angefochtenen
Abrechnungsbescheid vom 20.6.2011 erlassen.
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Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage, die Erfolg hatte. Das
Finanzgericht (FG) urteilte, die Aufrechnung des FA sei nicht
wirksam. Es fehle an der Gleichartigkeit von Forderung und
Gegenforderung. Die Hauptforderung sei auf Geld gerichtet, nicht
jedoch die Gegenforderung des FA. Gegenstand derselben sei vielmehr
ein Anspruch auf Geldzahlung aus einem Grundstück (Hinweis
u.a. auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9.2.1965 V ZR 49/63,
Wertpapier-Mitteilungen 1965, 476, siehe dort unter III.), welcher
nur durch eine Zwangsvollstreckung in das der GmbH überlassene
Grundstück verwirklicht werden könne. Die Haftung,
aufgrund derer die Gegenforderung begründet sei, sei dinglich
beschränkt auf die überlassenen Gegenstände. Die
Klägerin müsse lediglich die Verwertung der betreffenden
Betriebsmittel dulden, woraus folge, dass die Forderung des FA
nicht auf Geld laute. Das Urteil ist in EFG 2012, 2179 = SIS 12 28 71 veröffentlicht.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision des FA, das geltend macht, bei dem Haftungsanspruch nach
§ 74 AO handele es sich um einen Zahlungsanspruch, der
folglich einer Aufrechnung zugänglich sei. Dies sei nicht nur
die mehrheitliche Auffassung der Rechtsprechung der Finanzgerichte,
sondern ergebe sich auch aus dem Urteil des Senats vom 22.11.2011
VII R 63/10 (BFHE 235, 126, BStBl II 2012, 223 = SIS 12 03 23).
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Die Klägerin beruft sich darauf, dass
der Haftungsanspruch nach § 74 AO gegenständlich begrenzt
sei und ein Leistungsanspruch auf Geld aus dieser Vorschrift nicht
folge. Anderenfalls müsste der Anspruch in das gesamte
Vermögen des Haftungsschuldners vollstreckt werden
können, was § 74 AO jedoch gerade
ausschließe.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil des FG entspricht dem
Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu
Recht geurteilt, die vom FA erklärte Aufrechnung gegen die
Umsatzsteuerguthaben der Klägerin mit deren nach § 74 AO
festgesetzter Haftungsschuld sei unwirksam.
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Voraussetzung einer wirksamen Aufrechnung ist
nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 387 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs zunächst, dass die aufgerechneten Forderungen -
Hauptforderung und Gegenforderung - ihrem Gegenstand nach
gleichartig sind. Die gegen die Klägerin festgesetzte
Haftungsforderung könnte folglich mit deren auf Zahlung von
Geld gerichteten Umsatzsteuerguthaben nur dann verrechnet werden,
wenn es sich ebenfalls um eine auf Zahlung von Geld gerichtete
Forderung handelte. Das ist zweifellos insofern der Fall, als auch
die Haftungsforderung des FA auf einen Geldbetrag lautet und von
der Klägerin durch die Zahlung eines entsprechenden
Geldbetrags befriedigt werden könnte. Jedoch weist die
Haftungsforderung gegenüber gewöhnlichen Forderungen aus
einem Steuerschuldverhältnis eine Besonderheit auf: Der
Haftungsschuldner haftet nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AO nur
„mit“ den dem Unternehmen überlassenen
Gegenständen. Das bedeutet, dass die Haftungsforderung im Fall
ausbleibender Zahlung des Haftungsschuldners nicht in dessen
gesamtes Vermögen vollstreckt werden kann, sondern nur durch
Vollstreckung in die Gegenstände, derentwegen der
Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden ist, sowie in von ihm
an deren Stelle erlangte, in seinem Vermögen noch vorhandene
Surrogate - wozu auch ein Erlös oder eine Schadenersatzzahlung
gehören soll (Urteil des Senats in BFHE 235, 126, BStBl II
2012, 223 = SIS 12 03 23) -, sofern nicht - was in der
Rechtsprechung des erkennenden Senats bisher offengeblieben ist -
§ 74 AO darüber hinaus eine Haftung in Höhe des
Werts der ehemals überlassenen Gegenstände
begründet.
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Daraus lässt sich zwar nicht unmittelbar
etwas gegen die Wirksamkeit der vom FA erklärten Aufrechnung
herleiten, weil sich das FA durch diese zwar Befriedigung durch
Verwertung an sich nicht für einen Zugriff aufgrund der
Haftung zur Verfügung stehender Gegenstände - der
Umsatzsteuerguthaben der Klägerin - verschafft hat, dies aber
nicht im Wege der Vollstreckung geschehen ist, welche § 74 AO
- wie ausgeführt - nicht zuließe; denn Aufrechnung ist
keine Vollstreckung. Mit Recht hat das FG aber sinngemäß
darauf hingewiesen und auch die Klägerin in ihrer
Revisionserwiderung den Gedanken hervorgehoben, dass sich der
Sinngehalt des § 74 AO nicht darin erschöpft, eine
Vollstreckung in das von der Überlassung von
Vermögensgegenständen des Haftungsschuldners an den
Steuerschuldner nicht betroffene Vermögen zu verhindern. Die
Vorschrift will bewirken, dass das Finanzamt hinsichtlich der
Befriedigungsmöglichkeiten für seine Steuerforderungen so
(aber auch nicht besser) steht, wie wenn die dem Unternehmen von
dem Haftungsschuldner lediglich zur Nutzung überlassenen
Gegenstände zu dem Vermögen des Unternehmens
gehörten. Es soll dem an einem Unternehmen wesentlich
beteiligten Dritten verwehrt sein, dem Finanzamt
Vollstreckungssubstanz vorzuenthalten oder zu entziehen, obwohl das
Unternehmen unter Nutzung der betreffenden Gegenstände
betrieben wird und daher die durch diesen Betrieb entstehenden
Steuerforderungen - jedenfalls typischerweise - gerade auf der
Nutzung der überlassenen Gegenstände (zumindest
mit-)beruhen.
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Über dieses Ziel schösse es aber
hinaus, wenn man dem Finanzamt - statt es auf den Weg einer
Vollstreckung in die für die Befriedigung der
Haftungsforderung vom Gesetz vorgesehenen Gegenstände zu
verweisen - eine Aufrechnung mit irgendwelchen Forderungen des an
dem Unternehmen beteiligten Dritten gestattete; denn diese
stünden dem Finanzamt zur Befriedigung wegen Steuerschulden
des Unternehmens auch dann nicht zur Verfügung, wenn jene von
dem Dritten überlassenen Gegenstände Eigentum des
Unternehmens und damit Vollstreckungssubstanz wären.
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Ob eine Aufrechnung gegen solche Forderungen
des Haftungsschuldners auch dann unzulässig wäre, wenn
die Haftungsforderung ohnehin nur noch durch Zugriff auf
Forderungen des Haftungsschuldners vollstreckt werden kann, weil an
die Stelle der dem Unternehmen ehemals überlassenen
Gegenstände inzwischen ein entsprechendes Surrogat getreten
ist, bedarf keiner Entscheidung; denn ein solcher Fall liegt hier
nicht vor.
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