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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im notariell
beurkundeten Erbvertrag ihrer Großeltern vom 21.11.1975 von
dem länger lebenden Großelternteil als
Nachvermächtnisnehmerin hinsichtlich der Miteigentumsanteile
von je 1/2 an einem Grundstück nach dem Ableben der jeweiligen
Vorvermächtnisnehmerinnen A und C eingesetzt. Die
Großeltern der Klägerin ordneten eine
Testamentsvollstreckung für ihren Nachlass an. Das Amt des
Testamentsvollstreckers sollte u.a. die Aufgabe umfassen, für
die Ausführung der Vermächtnisse zu sorgen und die
vermachten Gegenstände auch nach der
Vermächtniserfüllung für die im Erbvertrag bestimmte
Dauer der Testamentsvollstreckung weiter zu verwalten. Das sollte
insbesondere auch für die vermachten Miteigentumsanteile an
Grundstücken gelten. Die Testamentsvollstreckung sollte
für die Dauer von dreißig Jahren seit dem Eintritt des
Erbfalls gelten. Nach dem Ableben des zuletzt verstorbenen
Großelternteils im Mai 1990 nahm der Testamentsvollstrecker
seine Tätigkeit auf.
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Die am 1.10.2008 verstorbene
Vorvermächtnisnehmerin C wurde von ihrer Schwester S alleine
beerbt. S machte im Rahmen ihrer Erbschaftsteuererklärung das
zugunsten der Klägerin angeordnete Nachvermächtnis
hinsichtlich des Miteigentumsanteils der C an dem Grundstück
als Nachlassverbindlichkeit geltend.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte daraufhin, ohne von der Klägerin
oder dem Testamentsvollstrecker eine Erbschaftsteuererklärung
anzufordern, wegen des Nachvermächtnisses mit Bescheid vom
30.4.2009 gegenüber der Klägerin Erbschaftsteuer in
Höhe von 21.804 EUR fest. Der Besteuerung legte das FA nicht
das Verhältnis der Klägerin zu dem zuletzt verstorbenen
Großelternteil, sondern ihr Verhältnis zu der
Vorvermächtnisnehmerin C zugrunde. Der Erbschaftsteuerbescheid
war an die Klägerin gerichtet und wurde ihr auch bekannt
gegeben.
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Den Antrag der Klägerin vom 29.6.2009,
den Erbschaftsteuerbescheid dem Testamentsvollstrecker erneut
bekannt zu geben, lehnte das FA ab. Den weiteren Antrag der
Klägerin vom 12.8.2009, den nach ihrer Ansicht wegen
fehlerhafter Bekanntgabe unwirksamen Erbschaftsteuerbescheid vom
30.4.2009 aufzuheben und der Besteuerung ihr Verhältnis zum
zuletzt verstorbenen Großelternteil zugrunde zu legen, lehnte
das FA im Bescheid vom 24.8.2009 ebenfalls ab. Der Einspruch blieb
ohne Erfolg.
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Die Klage, mit der die Klägerin die
Feststellung der Nichtigkeit des Erbschaftsteuerbescheids vom
30.4.2009 begehrte, wurde als unbegründet zurückgewiesen,
weil der Steuerbescheid der Klägerin wirksam bekannt gegeben
worden sei. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist
veröffentlicht in EFG 2011, 1081 = SIS 11 10 72.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung der §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 31
Abs. 5 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes
(ErbStG).
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung und die
Einspruchsentscheidung aufzuheben und festzustellen, dass der
Erbschaftsteuerbescheid vom 30.4.2009 unwirksam ist.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass der Erbschaftsteuerbescheid der Klägerin wirksam bekannt
gegeben wurde.
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1. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
155 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) ist ein Steuerbescheid
demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist
oder der von ihm betroffen ist. Der Steuerbescheid ist für den
Steuerschuldner bestimmt, gegen den sich die Steuerfestsetzung
richtet. Er wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er dem
Steuerschuldner bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO).
Steuerschuldner der Erbschaftsteuer ist grundsätzlich der
Erwerber (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Ein
Erbschaftsteuerbescheid wird daher regelmäßig mit der
Bekanntgabe an den Erwerber (Steuerschuldner) wirksam.
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2. Abweichend von § 122 Abs. 1 Satz 1 AO
ist in den Fällen des § 31 Abs. 5 ErbStG der
Steuerbescheid dem Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter
bekanntzugeben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Mit dieser
Bekanntgabe wird der Steuerbescheid gegenüber dem
Steuerschuldner i.S. von § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wirksam (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.11.1990 II R 58/86, BFHE
162, 385, BStBl II 1991, 52 = SIS 91 01 51).
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a) Die Bekanntgabe eines
Erbschaftsteuerbescheids an den Testamentsvollstrecker setzt einen
Fall des § 31 Abs. 5 ErbStG voraus. Nach § 31 Abs. 5 Satz
1 ErbStG ist, wenn ein Testamentsvollstrecker oder
Nachlassverwalter vorhanden ist, die Steuererklärung von
diesem abzugeben. Das Finanzamt kann verlangen, dass die
Steuererklärung auch von einem oder mehreren Erben
unterschrieben wird (§ 31 Abs. 5 Satz 2 ErbStG).
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§ 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG regelt die
Verpflichtung des Testamentsvollstreckers zur Abgabe der
Erklärung, ohne die Erklärungspflicht von weiteren
Voraussetzungen abhängig zu machen. Die Vorschrift ist jedoch
nicht dahin zu verstehen, dass sie im Falle einer
Testamentsvollstreckung eine uneingeschränkte
Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers anordnet.
Vielmehr ist wegen der zivilrechtlichen Stellung und der Aufgaben
des Testamentsvollstreckers sowie im Zusammenhang mit § 31
Abs. 1 Satz 1 ErbStG, der die Erklärungspflicht des an einem
Erbfall Beteiligten regelt, davon auszugehen, dass der
Testamentsvollstrecker nach § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG nur zur
Abgabe der Erbschaftsteuererklärung für einen Erwerber
verpflichtet ist, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf den
Gegenstand des Erwerbs bezieht und das Finanzamt die Abgabe der
Erklärung vom Testamentsvollstrecker verlangt.
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b) Zivilrechtlich ist der
Testamentsvollstrecker weder Vertreter des Erblassers oder des
Nachlasses noch Vertreter des oder der Erben; er hat die Stellung
eines Treuhänders und ist Inhaber eines privaten Amtes (vgl.
Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 7.7.1982 IVa ZR 36/81,
NJW 1983, 40, m.w.N.). Seine Aufgabe ist es, die letztwilligen
Verfügungen des Erblassers auszuführen (vgl. § 2203
des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - ) und den Nachlass zu
verwalten (§§ 2205, 2216 BGB). Das Verwaltungsrecht
besteht während der Dauer der Vollstreckung und erstreckt sich
grundsätzlich auf den gesamten Nachlass, also auf das durch
Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) übergegangene
Vermögen des Erblassers (Palandt/Weidlich, Bürgerliches
Gesetzbuch, 72. Aufl., § 2205 Rz 1).
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Die Testamentsvollstreckung kann auch für
einen Nachvermächtnisnehmer angeordnet werden (vgl.
Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2223 Rz 1 f.). Hat der Erblasser
den vermachten Gegenstand von einem nach dem Anfall des
Vermächtnisses eintretenden bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis
an einem Dritten zugewendet (sog. Nachvermächtnis), so gilt
der erste Vermächtnisnehmer als beschwert (§ 2191 Abs. 1
BGB). Die Ausführung der einem Vermächtnisnehmer
auferlegten Beschwerungen kann gemäß § 2223 BGB
einem Testamentsvollstrecker übertragen werden (sog.
Vermächtnisvollstreckung). Zudem kann der Erblasser
entsprechend den §§ 2209, 2210 BGB anordnen, dass der
Testamentsvollstrecker den Vermächtnisgegenstand auch nach der
Übertragung an den Vermächtnisnehmer verwaltet (sog.
Verwaltungs- oder Dauervollstreckung, vgl. BGH-Urteil vom 29.4.1954
IV ZR 152/53, BGHZ 13, 203; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2223
Rz 2; Zimmermann in Münchener Kommentar BGB, 6. Aufl., §
2223 Rz 6).
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c) Die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur
Abgabe der Erbschaftsteuererklärung (§ 31 Abs. 5 Satz 1
ErbStG) knüpft an seine zivilrechtliche Stellung an. Aufgrund
seiner bürgerlich-rechtlichen Befugnisse ist der
Testamentsvollstrecker in der Lage, die gemäß § 31
Abs. 2 ErbStG erforderlichen Angaben zum Gegenstand und zum Wert
des Erwerbs zu machen sowie ein Verzeichnis über die zum
Nachlass gehörenden Gegenstände (vgl. auch § 2215
BGB) zu erstellen. Die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung
erstreckt sich auf Erwerbe von Todes wegen durch Erben bzw.
Vermächtnisnehmer, wenn die Testamentsvollstreckung
hinsichtlich des Nachlasses bzw. des Vermächtnisses angeordnet
wurde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 385, BStBl II 1991, 52 = SIS 91 01 51, und BFH-Beschluss vom 9.6.1999 II B 101/98, BFHE 188, 440,
BStBl II 1999, 529 = SIS 99 15 17).
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In Bezug auf einen Vermächtnisnehmer
tritt eine Steuererklärungspflicht des Testamentsvollstreckers
jedoch nur ein, wenn der Testamentsvollstrecker über die
bloße Erfüllung des Vermächtnisses hinaus weitere
Befugnisse hinsichtlich des vermachten Gegenstands hat. Das
betrifft vor allem Fälle, in denen für das
Vermächtnis eine Dauervollstreckung entsprechend den
§§ 2209, 2210 BGB angeordnet wurde. Der Aufgabenkreis des
Testamentsvollstreckers ist zivilrechtlich und damit auch
erbschaftsteuerrechtlich begrenzt. Er umfasst grundsätzlich
nicht die Regelung von (weiteren) Angelegenheiten der Personen,
denen - wie einem Vermächtnisnehmer (vgl. § 2174 BGB) -
infolge des Erbfalls lediglich schuldrechtliche Ansprüche
erbrechtlicher Natur gegenüber den Erben zustehen (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 162, 385, BStBl II 1991, 52 = SIS 91 01 51, und
BFH-Beschluss in BFHE 188, 440, BStBl II 1999, 529 = SIS 99 15 17).
Erstreckt sich jedoch der Aufgabenkreis des Testamentsvollstreckers
auf die Verwaltung des vermachten Gegenstands nach Erfüllung
des Vermächtnisses, kann der Testamentsvollstrecker auch zur
Abgabe der Erbschaftsteuererklärung für den
Vermächtnisnehmer aufgefordert werden.
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d) Die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur
Abgabe der Steuererklärung entsteht - wie bei einem an einem
Erbfall Beteiligten - erst mit der Aufforderung des Finanzamts,
eine Steuererklärung abzugeben.
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Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG kann das
Finanzamt von jedem an einem Erbfall Beteiligten die Abgabe einer
Erklärung ohne Rücksicht darauf verlangen, ob er selbst
steuerpflichtig ist. Für den am Erbfall Beteiligten entsteht
die Verpflichtung zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung,
wenn das Finanzamt ihn zur Abgabe einer Erklärung auffordert
(vgl. BFH-Urteil vom 18.10.2000 II R 50/98, BFHE 193, 48, BStBl II
2001, 14 = SIS 01 01 96).
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Im Zusammenhang mit dieser Vorschrift ist
§ 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG dahin auszulegen, dass auch die
Steuererklärungspflicht des Testamentsvollstreckers eine
Aufforderung des Finanzamts zur Abgabe der Steuererklärung
voraussetzt (vgl. Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4.
Aufl., § 31 ErbStG Rz 13; Jochum in Wilms/Jochum, ErbStG
§ 31 Rz 35; Meincke, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 31 Rz 12;
Pahlke in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl.,
§ 31 Rz 41; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 31
ErbStG Rz 12; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG,
§ 31 Rz 28; Viskorf, FR 1999, 1256; Gohlisch, Zeitschrift
für die Steuer- und Erbrechtspraxis 2011, 133, 136; Billig,
UVR 2012, 178; offen gelassen: BFH-Beschlüsse in BFHE 188,
440, BStBl II 1999, 529 = SIS 99 15 17, und vom 7.12.1999 II B
79/99, BFHE 190, 220, BStBl II 2000, 233 = SIS 00 03 36).
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Die dem Testamentsvollstrecker obliegende
öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Abgabe der
Erbschaftsteuererklärung kann nach dem Sinn und Zweck des
§ 31 ErbStG nicht stärker ausgeprägt sein als die
dem Beteiligten selbst obliegende Verpflichtung. Bei einem Erbfall,
einer Schenkung oder einer Zweckzuwendung wird es nach § 31
Abs. 1 Satz 1 ErbStG dem Finanzamt überlassen zu entscheiden,
ob und gegebenenfalls von wem es die Abgabe einer
Steuererklärung verlangen will. Die Regelung zielt erkennbar
darauf ab, dass nur in den Fällen, in denen auch eine
Steuerfestsetzung erwartet werden kann, zur Abgabe der
Steuererklärung aufgefordert werden soll. Damit soll zugleich
in steuerlich nicht relevanten Fällen jeder weitere
Verwaltungsaufwand und jede unnötige Belastung der
Steuerpflichtigen vermieden werden. Dem widerspräche es, den
Testamentsvollstrecker in jedem Fall unabhängig davon, ob mit
der Festsetzung einer Steuer gerechnet werden kann, als zur Abgabe
einer Erklärung verpflichtet anzusehen (Viskorf, FR 1999,
1256).
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3. Nach diesen Grundsätzen ist der
Erbschaftsteuerbescheid vom 30.4.1999 der Klägerin als
Nachvermächtnisnehmerin wirksam bekannt gegeben worden. In
Bezug auf das Nachvermächtnis war zwar eine Dauervollstreckung
angeordnet worden. Eine Bekanntgabe des für die Klägerin
bestimmten Erbschaftsteuerbescheids an den Testamentsvollstrecker
war aber nicht erforderlich, weil das FA diesen nicht zur Abgabe
einer Erbschaftsteuererklärung für die Klägerin
wegen deren Erwerb durch das Vermächtnis aufgefordert
hatte.
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