1
|
I. Die Beteiligten streiten über die
Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung durch das
beauftragte Finanzamt.
|
|
|
2
|
Im November 2009 bat der Beklagte und
Revisionskläger (das beklagte Finanzamt L - beklagtes FA - )
das Wohnsitzfinanzamt der Klägerin und Revisionsbeklagten -
Klägerin - (das FA W) um die Befugnisse zum Erlass einer
Prüfungsanordnung und zur Durchführung der sich
anschließenden Außenprüfung. Das beklagte FA
begründete dies damit, dass bei dem Konzern A GmbH & Co.
KG in L (A-Konzern) eine Außenprüfung durchgeführt
werde (Prüfungszeitraum 2001 bis 2004). Zum Konzernbereich
gehöre „nachstehendes Unternehmen: Eheleute“ ... A
(darunter die Klägerin) in I. Unter Hinweis auf die
§§ 13 ff. der Betriebsprüfungsordnung (BpO) sei es
zweckmäßig, dieses Unternehmen von L aus zu prüfen,
weil sich dort die Buchführung und die Auskunftspersonen
befänden. Es drohe die Verjährung des
Prüfungszeitraums 2002. In der Tat vermietete die
Klägerin einem Konzernunternehmen ein Arbeitszimmer.
|
|
|
3
|
Noch im November 2009 teilte das FA W dem
beklagten FA mit, es übertrage ihm die Befugnis zur Anordnung
und Durchführung einer Außenprüfung bei der
Klägerin gemäß § 195 Satz 2 der Abgabenordnung
(AO) und § 5 Abs. 1 Satz 1 BpO. Der Prüfungszeitraum
solle die Jahre 2001 bis 2004 betreffen. Dies geschah, nachdem das
Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 18.3.2009 (4 K 91/07) eine
Prüfungsanordnung des beklagten FA aus dem Jahr 2006 für
die Jahre 2001 bis 2004 mangels örtlicher Zuständigkeit
des beklagten FA aufgehoben hatte. Die Nichtzulassungsbeschwerde
gegen das FG-Urteil wies der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss
vom 14.1.2010 VIII B 104/09 (BFH/NV 2010, 605 = SIS 10 08 44)
zurück.
|
|
|
4
|
Mit Prüfungsanordnung vom 1.12.2009
ordnete das beklagte FA gegenüber der Klägerin die
Durchführung einer Außenprüfung an. Die
Prüfungsanordnung stützte sich auf § 193 Abs. 2 Nr.
2 AO i.V.m. §§ 194 bis 196 AO, gab als
Prüfungsgegenstand „Einkommensteuer einschließlich
gesonderter Feststellungen 2002 – 2004“ an und
führte zur Begründung u.a. aus, das beklagte FA sei vom
zuständigen FA (FA W) mit der Prüfung beauftragt; die
Prüfung erfolge im Zusammenhang mit der laufenden
Außenprüfung der Firmengruppe A.
|
|
|
5
|
Hiergegen richtete die Klägerin ihren
Einspruch und Aussetzungsantrag, die sie wegen des Bestehens einer
weiteren, noch nicht bestandskräftig aufgehobenen
Prüfungsanordnung (der Prüfungsanordnung aus dem Jahre
2006) auf die Nichtigkeit der streitigen Prüfungsanordnung,
jedenfalls aber - wegen Verstoßes gegen § 195 Satz 2 AO
- auf deren Rechtswidrigkeit stützte. Einspruch und
Aussetzungsantrag blieben erfolglos. Das beklagte FA ging in der
Einspruchsentscheidung davon aus, der Sachverhalt der entgeltlichen
Überlassung des Arbeitszimmers an das zur A-Gruppe
gehörende Unternehmen sei allgemein bekannt gewesen, nicht
zuletzt durch die Vorprüfung.
|
|
|
6
|
Das FG hob die Prüfungsanordnung des
beklagten FA vom 1.12.2009 auf. Es ließ offen, ob diese
Prüfungsanordnung nichtig sei; jedenfalls sei sie
ermessensfehlerhaft und deshalb rechtswidrig. Sie lasse
nämlich in Verbindung mit der Einspruchsentscheidung nicht
erkennen, welche konkrete unternehmerische Betätigung der
Klägerin nach Auffassung des beklagten FA den Grund für
die Erteilung des Prüfungsauftrags bilde und weshalb diese
unternehmerische Betätigung einen Konzernbezug aufweise. Wenn
ausgeführt werde, zum Konzernbereich gehöre nachstehendes
Unternehmen „Eheleute ...“, suggeriere dies ein
gemeinsames Unternehmen der Eheleute, das es aber nicht gebe. So
gehe das beklagte FA in seiner Einspruchsentscheidung selbst von
separaten Unternehmen der Eheleute aus.
|
|
|
7
|
Hiergegen richtet sich die Revision des
beklagten FA, die es auf Verletzung von § 195 Satz 2 AO und
§ 5 AO stützt. Die Finanzbehörden hätten ihr
Ermessen richtig ausgeübt. Mit der Problematisierung des
Unternehmensgegenstandes verkenne das FG den Inhalt des § 195
Satz 2 AO. Ein Irrtum über die Person des Steuerpflichtigen
habe nicht vorgelegen.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
9
|
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
Die Prüfungsanordnung sei nichtig,
weil sich das beklagte FA auf zwei Prüfungsanordnungen berufe,
die sich widersprächen. Außerdem sei die
Prüfungsanordnung mangels hinreichender Angaben zu Grund,
Steuerart und Zeitraum zu unbestimmt, damit ermessensfehlerhaft und
rechtswidrig. Im Auftrag des FA W seien keinerlei Gründe
genannt, weshalb das beklagte FA beauftragt worden sei; Ermessen
sei nicht ausgeübt worden.
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist begründet und
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Entscheidung in der Sache selbst.
Die Klage ist abzuweisen. Unzutreffend hat das FG die hier
streitige Prüfungsanordnung aufgehoben und damit § 195
Satz 2 AO verletzt. Die Prüfungsanordnung ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren
Rechten.
|
|
|
12
|
1. Außenprüfungen werden von den
für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden
durchgeführt (§ 195 Satz 1 AO). Sie können andere
Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen
(§ 195 Satz 2 AO). Die beauftragte Finanzbehörde darf
anstelle der an sich zuständigen Finanzbehörde die
Außenprüfung durchführen; sie ist zum Erlass der
Prüfungsanordnung befugt, aus der sich die
Ermessenserwägungen für den Auftrag ergeben müssen
(vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteil vom
10.12.1987 IV R 77/86, BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322 = SIS 88 09 36; Beschluss vom 27.11.2003 I B 119/03, I S 11/03, BFH/NV 2004,
756; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 195 AO Rz
34; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 195 Rz 14; Seer in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 195 AO
Rz 11), wozu es auch gehört, über einen Einspruch zu
entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom
18.11.2008 VIII R 16/07, BFHE 223, 311, BStBl II 2009, 507 = SIS 09 06 86). Die maßgebenden Erwägungen, die bezogen auf den
Streitfall eine Auftragsprüfung implizieren, ergeben sich aus
den §§ 13 bis 18 BpO. Danach finden Prüfungen
zusammenhängender Unternehmen unter einheitlichen
Gesichtspunkten und einheitlicher Leitung statt (eingehend dazu
Schallmoser in HHSp, § 195 AO Rz 44).
|
|
|
13
|
2. Das im Streitfall für die Besteuerung
der Klägerin nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 AO
zuständige FA war - wie unter den Beteiligten unstreitig ist -
zunächst das FA W. Durch innerdienstliches Schreiben vom
November 2009 hatte das FA W das beklagte FA mit der
Durchführung der Außenprüfung bei der Klägerin
beauftragt. Dem Auftrag lag eine Ermessensentscheidung der
beauftragenden Finanzbehörde (FA W) zugrunde.
|
|
|
14
|
a) Die Rechtmäßigkeit einer
Ermessensentscheidung setzt voraus, dass sie mit Gründen
versehen ist, die die Ermessenserwägungen der Behörde
erkennen lässt. Diese Erwägungen müssen sich aus dem
betreffenden Verwaltungsakt ergeben (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).
Sie können allerdings - unter den Einschränkungen des
§ 102 Satz 2 FGO bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines
finanzgerichtlichen Verfahrens - nachgeholt werden (§ 126 Abs.
2 AO).
|
|
|
15
|
b) Nach diesen Grundsätzen ist die
angefochtene Prüfungsanordnung nicht zu beanstanden. Sie
enthält die für die Ermessensausübung auch des
beauftragenden FA - des FA W - maßgebenden Erwägungen
der einheitlichen Prüfung der Klägerin im Konzernbereich
des A-Konzerns. Aus der Prüfungsanordnung ergeben sich die
Steuerpflichtige (die Klägerin), der Prüfungsumfang
(Einkommensteuer und gesonderte Feststellungen 2002 bis 2004) und
die tragenden Ermessenserwägungen für die
Auftragsprüfung (einheitliche Prüfung des Konzerns A).
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bedurfte es keiner weiteren
Ausführungen, „aus welchem Grund diese
unternehmerische Betätigung“ der Klägerin einen
Bezug zum Konzern A aufweist. Dieser Bezug war nämlich
für alle Beteiligten klar und vom beklagten FA überdies
nochmals in seiner Einspruchsentscheidung ausgeführt: Die
Vermietung von Räumlichkeiten durch die Klägerin an eine
gruppenzugehörige Kapitalgesellschaft.
|
|
|
16
|
Es kommt entgegen der Vorentscheidung nicht
auf die Formulierung der Bitte des beklagten FA um Erteilung des
Prüfungsauftrags an. Abgesehen davon suggeriert dieses
behördeninterne Schreiben, anders als die Vorinstanz meint,
kein gemeinsames Unternehmen der Klägerin zusammen mit ihrem
Ehemann. Die Ausführungen in diesem Schreiben sind im Kontext
der Akten und der Vorprüfungen so zu verstehen, wie sie
schließlich in der Prüfungsanordnung in Gestalt der
Einspruchsentscheidung umgesetzt wurden. Ferner nimmt auch der
entscheidende Akt des Prüfungsauftrags keinen Bezug auf ein
gemeinsames Unternehmen der Eheleute, sondern überträgt
die Befugnis zur Prüfung beider Steuerpflichtiger - der
Eheleute (der Klägerin und ihres Ehemannes) - auf das beklagte
FA.
|
|
|
17
|
3. Da die Vorentscheidung diesen
Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die
Sache ist spruchreif und die Klage abzuweisen. Auch wenn das FG
darauf nicht näher eingegangen ist, scheidet eine Nichtigkeit
der Prüfungsanordnung, wie sie von der Klägerin
vorgetragen wird, ersichtlich aus: Die hier streitige
Prüfungsanordnung ist die alleinige Ermächtigung zur
Prüfung der Klägerin durch das beklagte FA. Sie tritt mit
ihrem Erlass an die Stelle der Prüfungsanordnung aus dem Jahr
2006, die zunächst vom FG mangels Zuständigkeit des
beklagten FA aufgehoben und schließlich vom beklagten FA nach
§ 132 AO i.V.m. § 130 Abs. 1 AO zugunsten der nunmehr
erlassenen, hier streitigen Prüfungsanordnung jedenfalls
teilweise, soweit sie die Klägerin betraf, zurückgenommen
worden war. Dies gilt, obschon die hier streitige
Prüfungsanordnung „neben die Prüfungsanordnung
an die Eheleute“ A treten soll. Das ist so zu verstehen,
dass die Prüfung der Klägerin mit der streitigen
Prüfungsanordnung auf eine neue Grundlage gestellt werden
sollte. Die Änderung betrifft den Prüfungsgegenstand, den
Prüfungszeitraum und den Prüfungsbeginn.
|