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I. Die Beteiligten streiten um
Einkommensteuer 1999 und 2000. Die Kläger und
Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erzielte in den
Streitjahren als Arzt (Radiologe) Einkünfte aus
selbständiger Arbeit aus einer zum 1.12.1995 übernommenen
Praxis. Zuvor hatte der Kläger als Vertreter anderer
(niedergelassener) Ärzte gearbeitet. Seinen Gewinn ermittelte
er nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch
Einnahmenüberschussrechnung.
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In den Jahren 1997 bis 1999 zog der
Kläger gemäß § 7g Abs. 6 EStG 1997
Betriebsausgaben für Existenzgründerrücklagen nach
§ 7g Abs. 7 EStG 1997 in Höhe von 65.000 DM (1997),
60.000 DM (1998) und 50.000 DM (1999), insgesamt 175.000 DM ab. Die
Ansparabschreibung 1997 wurde 1998 in Höhe von 25.000 DM
aufgelöst, d.h. als Betriebseinnahme behandelt; im Jahr 2000
erfolgte eine weitere Auflösung der Ansparabschreibung in
Höhe von 30.000 DM. Da der Kläger 2001 seine Praxis aus
gesundheitlichen Gründen aufgab, behandelte er die verbliebene
Ansparabschreibung in Höhe von 120.000 DM im nämlichen
Jahr als Betriebseinnahme.
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Die Einkommensteuererklärungen 1999
und 2000 reichte der Kläger am 3.4.2001 bzw. am 6.3.2002 beim
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) ein. Die
Veranlagungen für die Streitjahre erfolgten - wie auch die
Veranlagung für 2001 - zunächst
erklärungsgemäß.
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Anlässlich einer im Frühjahr 2005
bei den Klägern durchgeführten Außenprüfung
stellte die Prüferin fest, der Kläger sei kein
Existenzgründer i.S. des § 7g Abs. 7 EStG 1997, weil er
seit 1992 als sog. Vertretungsarzt Einkünfte aus
freiberuflicher Tätigkeit erzielt habe, die 1997 und 1998
gebildeten Ansparabschreibungen seien daher spätestens in den
Kalenderjahren 1999 und 2000 aufzulösen. Demgemäß
errechnete die Prüferin zwar für das Jahr 2001 eine
Minderung der Betriebseinnahmen, für 1999 und 2000 indes eine
Gewinnerhöhung. Das FA änderte die
Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 gemäß den
Feststellungen der Außenprüfung mit Bescheiden vom
2.9.2005 gemäß § 174 Abs. 3 der Abgabenordnung
(AO).
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 10.6.2009
13 K 624/06 ab (abgedruckt in DStRE 2010, 828 = SIS 09 31 37): Die
Festsetzungsverjährung stehe der Änderung der
Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 nicht entgegen; das FA sei
auch befugt gewesen, die Bescheide nach § 174 Abs. 3 AO zu
ändern.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung des § 174 Abs. 3 AO. Die Vorschriften zur
widerstreitenden Steuerfestsetzung gemäß § 174 Abs.
3 AO eigneten sich nicht dazu, nachträglich erkannte
Bilanzierungsfehler zu berichtigen.
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Die Kläger beantragen, das Urteil des
Hessischen FG vom 10.6.2009 13 K 624/06 sowie die geänderten
Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 - jeweils vom 2.9.2005 - in
der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 3.2.2006
aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Auf mündliche Verhandlung haben die
Beteiligten übereinstimmend verzichtet.
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II. Die Revision der Kläger ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Ausführungen des FG
halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.
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1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass
das FA die Einkommensteuerveranlagung der Kläger 1999 und 2000
gemäß § 174 Abs. 3 AO ändern durfte. Nach
dieser Regelung kann eine Steuerfestsetzung geändert werden,
wenn ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar
in der Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass er in
einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen ist und sich
diese Annahme als unrichtig herausstellt; die Steuerfestsetzung,
bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben
ist, kann insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden
(§ 174 Abs. 3 Satz 1 AO).
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a) Sachverhalt in diesem Sinne ist der
einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen
knüpft; dabei ist der Begriff des bestimmten Sachverhalts
nicht auf einzelne steuererhebliche Tatsachen oder einzelne
Merkmale beschränkt. Vielmehr erfasst er den einheitlichen
für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex
(vgl. von Groll in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 174 AO Rz
56 ff., m.w.N.; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 5; Frotscher in Schwarz,
AO, § 174 Rz 25; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
2.5.2001 VIII R 44/00, BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562 = SIS 01 11 41, jeweils m.w.N.). Nicht relevant ist in diesem Zusammenhang, ob
der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler
im Tatsächlichen oder im Rechtlichen gelegen hat (BFH-Urteil
in BFHE 195, 14, BStBl II 2001, 562 = SIS 01 11 41, m.w.N.).
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Der im Streitfall maßgebliche
Sachverhaltskomplex umfasst die Tatsachen, die für die Bildung
der Ansparabschreibung des Klägers und den Zeitpunkt ihrer
Auflösung von Bedeutung sind. Diese Tatsachen sind die vom
Kläger dokumentierte Absicht, künftig ein betriebliches
Wirtschaftsgut anzuschaffen und, wenn die Anschaffung unterblieben
ist, die Merkmale, aus denen sich seine Eigenschaft als
Existenzgründer i.S. von § 7g Abs. 7 EStG 1997 ergibt.
Denn davon hängt ab, ob die Ansparabschreibung nach fünf
anstatt nach zwei Jahren aufzulösen war.
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b) Im Ergebnis zutreffend hat das FG
entschieden, dass die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO
vorliegen, weil das FA den Kläger zunächst irrig als
Existenzgründer angesehen und deshalb erkennbar davon
abgesehen hat, die Ansparabschreibung des Klägers schon nach
zwei Jahren aufzulösen.
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aa) Der Kläger war kein
Existenzgründer i.S. des § 7g Abs. 7 EStG 1997, weil er
bereits von 1992 bis 1995, d.h. innerhalb des
Fünf-Jahreszeitraums vor Bildung der Rücklage (vgl.
§ 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG 1997), Einkünfte aus
selbständiger Tätigkeit bezogen hatte. Indes
erfüllte er unstreitig die Voraussetzungen für eine
Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG 1997, so dass die
(Regel-)Ansparabschreibung, welche die Höchstgrenze des §
7g Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 von 300.000 DM nicht überstieg, zu
bilden war.
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Da der Steuerpflichtige kein Wahlrecht hat, ob
er die „normale“ Rücklage nach § 7g
Abs. 3 EStG 1997 oder die Existenzgründerrücklage
gemäß § 7g Abs. 7 EStG 1997 in Anspruch nehmen
will, fällt eine Rücklage, die die Voraussetzungen des
Abs. 7 der Norm nicht erfüllt, unter den Tatbestand des §
7g Abs. 3 EStG 1997 (BFH-Urteil vom 29.4.2008 VIII R 75/05, BFHE
221, 136, BStBl II 2008, 817 = SIS 08 29 19).
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bb) Das FA ist zu Unrecht von der
Existenzgründereigenschaft des Klägers und damit von
einem fünfjährigen Auflösungszeitraum ausgegangen.
Gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG 1997 waren die
Ansparabschreibungen wegen der fehlenden
Existenzgründereigenschaft des Klägers und der
unterlassenen Investition zwingend innerhalb von zwei Jahren
aufzulösen; bei Einnahmenüberschussrechnung - wie hier -
ist der vom Steuerpflichtigen vorgenommene Abzug zu diesem
Zeitpunkt durch eine Betriebseinnahme (Zuschlag) auszugleichen
(vgl. BFH-Urteil vom 28.4.2005 IV R 30/04, BFHE 209, 496, BStBl II
2005, 704 = SIS 05 33 27). Aus der Sicht der Finanzbehörde
bestand indes keine Veranlassung, die Rücklage bereits nach
zwei Jahren aufzulösen. Geht das FA wie hier davon aus, ein
bestimmter Sachverhalt werde steuerliche Folgen erst in einem
späteren Veranlagungszeitraum entfalten, obwohl die
steuerlichen Folgen tatsächlich früher zu
berücksichtigen waren, ist eine Änderung gemäß
§ 174 Abs. 3 AO zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 27.5.1993
IV R 65/91, BFHE 172, 5, BStBl II 1994, 76 = SIS 93 24 16).
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cc) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden
ist auch die Annahme des FG, für den Kläger sei erkennbar
gewesen, dass das FA in der fehlerhaften Annahme der
Existenzgründereigenschaft des Klägers die Rücklage
bei unterbliebener Investition nicht nach Ablauf der
„normalen“ zweijährigen Frist, sondern erst
nach Ablauf der für Existenzgründer geltenden
fünfjährigen Frist des § 7g Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 EStG
1997 auflösen wollte. Wie sich aus dem Einspruchsschreiben des
Klägervertreters vom 29.9.2005 ergibt, ist der Kläger
selbst von einer Existenzgründerrücklage gemäß
§ 7g Abs. 7 EStG 1997 ausgegangen. Dafür spricht auch,
dass er die verbliebene Ansparabschreibung aus 1997 in Höhe
von 40.000 DM trotz unterbliebener Investition nicht zum 31.12.1999
aufgelöst hat, sondern erst nach Ablauf der Zwei-Jahresfrist
des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG 1997 in den Jahren 2000 und 2001.
Entsprechendes gilt für die Ansparabschreibung, die der
Kläger 1998 gebildet hatte. Nach alledem musste das FA davon
ausgehen, dass der Kläger die Existenzgründereigenschaft
für sich in Anspruch nimmt.
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2. Die Regelung über die
Festsetzungsverjährung in §§ 169, 170 AO führt
zu keiner abweichenden Beurteilung. Festsetzungsverjährung ist
im Streitfall nicht eingetreten. Die Einkommensteuererklärung
1999 der Kläger ist beim FA am 3.4.2001 eingegangen; die
Einkommensteuererklärung 2000 am 6.3.2002. Für die
Einkommensteuerfestsetzung 1999 begann die Verjährungsfrist
gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO daher mit Ablauf des
31.12.2001 und endete mit Ablauf des 31.12.2005. Betreffend 2000
begann die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31.12.2002 und
endete vier Jahre später mit Ablauf des 31.12.2006. Die
Änderungsbescheide 1999 und 2000 datieren jeweils vom
2.9.2005, d.h. vor Ablauf der Festsetzungsfrist.
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