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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) übt eine Angestelltentätigkeit als
Steuerreferent bei der X-AG aus und nimmt dort Aufgaben im Bereich
Controlling und Steuern wahr, wie sie sich aus einer im
Verwaltungsverfahren vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung
ergeben. Seine frühere Bestellung als Steuerberater ist am
1.8.2007 durch Verzicht erloschen.
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Im Juli 2009 hat der Kläger seine
Wiederbestellung als Steuerberater beantragt. Er legte dabei
Bescheinigungen seines Arbeitgebers X-AG vor, aus denen u.a.
hervorgeht, dass er berechtigt ist, neben seiner Tätigkeit als
Angestellter den Beruf des Steuerberaters auszuüben,
„seine Dienstzeiten innerhalb der
Flexibilisierungs-Bandbreiten einzuteilen“ und geleistete
Überstunden jederzeit als Freizeitausgleich abzubauen.
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Die Beklagte und Revisionsbeklagte
(Steuerberaterkammer) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.3.2010
mit der Begründung ab, dass der Kläger eine mit dem Beruf
des Steuerberaters unvereinbare Tätigkeit ausübe, da er
durch sein Arbeitsverhältnis an einer berufskonformen
Ausübung des Steuerberaterberufs gehindert werde.
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Die hiergegen erhobene Klage hat das
Finanzgericht (FG) mit dem in EFG 2011, 744 = SIS 11 03 14
veröffentlichten Urteil als unbegründet
abgewiesen.
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Mit seiner Revision macht der Kläger
geltend, dass er die gesetzlichen Voraussetzungen des § 58
Satz 2 Nr. 5a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) für eine
Bestellung erfülle. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich
nicht, dass der Syndikus zusätzlich neben der
Angestelltentätigkeit den Steuerberaterberuf in eigener
Kanzlei ausüben müsse. Der Gesetzgeber habe bei der in
§ 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 3 StBerG normierten
Tätigkeitseinschränkung nicht die Doppelberufstheorie des
Bundesgerichtshofs (BGH) zu § 46 der
Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) im Blick gehabt. Während die
BRAO die anwaltliche Tätigkeit des Syndikus-Rechtsanwalts
nicht regele, sei in § 58 Satz 2 Nr. 5a Satz 1 StBerG unter
Bezugnahme auf § 33 StBerG ausdrücklich klargestellt,
dass der Syndikus-Steuerberater steuerberaterspezifische
Vorbehaltsaufgaben ausüben muss. Daher sei die Übernahme
der Doppelberufstheorie - wonach der Syndikus-Rechtsanwalt zwar
zwei Berufe ausübe, jedoch nur die selbständige
Tätigkeit als Rechtsanwaltstätigkeit anerkannt wird -
durch das FG verfehlt. Der Syndikus-Steuerberater sei stets - ob
als Angestellter oder als Freiberufler - Steuerberater. Auch
könne wegen der Berufsfreiheit und des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht die
Eröffnung einer eigenen Kanzlei vom Syndikus-Steuerberater
verlangt werden, da es keine Pflicht zur Berufsausübung in
eigener Kanzlei gebe. Ferner sei durch die
Freistellungserklärung seines Arbeitgebers nachgewiesen, dass
die Pflicht zur unabhängigen und eigenverantwortlichen
Berufsausübung in eigener Kanzlei durch seine Tätigkeit
als Angestellter nicht beeinträchtigt werde. Mangels
Berufsausübungspflicht des Steuerberaters könne eine
weitergehende Arbeitgeberfreistellungserklärung nicht verlangt
werden. Schließlich seien durch die Entscheidung des FG die
Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - ) und der
Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.
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Die Steuerberaterkammer hält das
FG-Urteil für im Ergebnis richtig. Nach dem Wortlaut des
Gesetzes und der Gesetzesbegründung sei davon auszugehen, dass
§ 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG neben der Angestelltentätigkeit
eine Tätigkeit als selbständiger Steuerberater
voraussetze. Ferner bestünden Zweifel an einer
unabhängigen Berufsausübung des Klägers, da die X-AG
als dessen Arbeitgeber nur eine eingeschränkte
Freistellungserklärung erteilt habe. Die
verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers seien
unbegründet.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Bescheids der
Steuerberaterkammer vom 29.3.2010 und zur Verpflichtung der
Steuerberaterkammer, den Kläger als Steuerberater
wiederzubestellen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Der Kläger hat einen Anspruch auf
Wiederbestellung als Steuerberater nach § 48 Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG. § 48 Abs. 2 i.V.m.
§ 40 Abs. 3 Nr. 2 StBerG, wonach die Wiederbestellung zu
versagen ist, solange der Bewerber eine Tätigkeit ausübt,
die mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar ist (§ 57
Abs. 4 StBerG), stehen der Wiederbestellung nicht entgegen.
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Die Tätigkeit des Klägers als
Angestellter der X-AG ist nicht nach § 57 Abs. 4 Nr. 2 Satz 1
StBerG mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar, da die
Voraussetzungen der - einzig in Betracht kommenden - gesetzlichen
Ausnahmevorschrift des § 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG erfüllt
sind.
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1. Nach der vom FG sinngemäß in
Bezug genommenen Tätigkeitsbeschreibung übt der
Kläger ausschließlich Aufgaben i.S. des § 33 StBerG
bei der X-AG aus, weshalb die Voraussetzungen des § 58 Satz 2
Nr. 5a Satz 1 StBerG erfüllt sind (vgl. Senatsurteil vom
17.5.2011 VII R 47/10 = SIS 11 25 86, zur Veröffentlichung in
BFHE bestimmt; BFH/NV 2011, 1621).
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Ob die vom BGH zum Syndikus-Rechtsanwalt
vertretene sog. Doppelberufstheorie (vgl. BGH-Urteil vom 25.2.1999
IX ZR 384/97, BGHZ 141, 69) auf den Syndikus-Steuerberater zu
übertragen ist, kann offenbleiben, denn das FG hat dies zwar
angenommen, aber zu Recht darauf abgestellt, dass vom noch nicht
als Steuerberater bestellten Kläger lediglich der Wille zu
einer selbständigen beruflichen Tätigkeit als
Steuerberater verlangt werden kann. An die Feststellung des FG,
dass der Kläger einen solchen Willen habe und dass keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Kläger
insoweit nur eine Scheinerklärung abgegeben hat, ist der Senat
gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
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2. Durch die Tätigkeit des Klägers
als Angestellter der X-AG wird seine Pflicht zur unabhängigen
und eigenverantwortlichen Berufsausübung (§ 58 Satz 2 Nr.
5a Satz 2 StBerG) nicht beeinträchtigt.
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Das FG hat dieser Regelung zu Unrecht
entnommen, dass ein Syndikus tatsächlich und rechtlich in der
Lage sein muss, eine Tätigkeit als selbständiger
Steuerberater nicht nur gelegentlich als Feierabend-Steuerberater
auszuüben.
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Ein Angestellter ist typischerweise an feste
Arbeitszeiten gebunden und wird seinem Arbeitgeber auch den
Großteil seiner Arbeitskraft (bei Vollzeit zwischen 38 bis 40
Stunden pro Woche) zur Verfügung stellen müssen. Jegliche
weitere Tätigkeit kann der Syndikus-Steuerberater daher nur
außerhalb dieser - zumindest dem Umfang nach feststehenden -
Arbeitszeiten ausüben, so dass er zwangsläufig nicht in
gleichem Umfang selbständig als Steuerberater tätig sein
kann wie ein hauptberuflicher Steuerberater. Aber auch ein
hauptberuflicher Steuerberater ist nicht an Mindestarbeitszeiten
gebunden und kann die Anzahl und den Umfang seiner Mandate frei
bestimmen. Da nichts anderes für einen
„nebenberuflichen“ Steuerberater gelten kann,
kann von einem Syndikus-Steuerberater auch nicht eine
selbständige Steuerberatertätigkeit in
„nennenswertem Umfang“ gefordert werden. Er ist
vielmehr berechtigt, den Umfang seiner selbständigen
Steuerberatertätigkeit der ihm neben dem Angestelltenberuf
verbleibenden Zeit anzupassen. Die Steuerberaterkammer war daher
nicht berechtigt, vom Kläger die Vorlage einer
„umfassenden“ Freistellungsbescheinigung der
X-AG zu verlangen.
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Die Ansicht des FG, der Gesetzgeber habe einen
Feierabend-Steuerberater nicht gewollt, findet weder im
Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung (BTDrucks
16/7077, Seite 33) einen Anhaltspunkt. Der Gesetzgeber hat vielmehr
die Angestelltentätigkeit des Syndikus-Steuerberaters ohne
irgendeine Vorgabe zu ihrem Umfang als mit dem Beruf des
Steuerberaters vereinbar angesehen, weshalb sie sowohl haupt- als
auch nebenberuflich ausgeübt werden kann (so auch
Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl., § 58 Rz 20,
m.w.N.). Daher vermag der Senat nicht der Rechtsauffassung des FG
zu folgen, die Pflicht zur unabhängigen und
eigenverantwortlichen Berufsausübung sei beeinträchtigt,
weil der Kläger Pflichtenkollisionen zwischen seinem
Hauptberuf und der Steuerberatertätigkeit „nicht
eigenverantwortlich regeln“ könne, nicht stets
für seine Mandanten erreichbar sei und auch nicht zur
Wahrnehmung von Terminen seinen Arbeitsplatz bei der X-AG jederzeit
verlassen dürfe. Im Übrigen gibt es vielfältige
technische Möglichkeiten (z.B. E-mail, Handy etc.), derer sich
auch ein Syndikus-Steuerberater an seinem Arbeitsplatz bei seinem
Arbeitgeber bedienen und mittels derer er seine Erreichbarkeit
für Mandanten sicherstellen kann.
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Das Berufsbild des Steuerberaters
unterscheidet sich maßgeblich von dem des Rechtsanwalts (vgl.
Senatsbeschluss vom 13.6.2006 VII B 13/06, BFH/NV 2006, 1888 = SIS 06 38 86, m.w.N.), welches nach dem Urteil des BGH vom 9.11.2009
AnwZ (B) 83/08 (NJW 2010, 1381) von diesem allerdings verlangt,
jederzeit und ohne Beschränkung durch ein
Angestelltenverhältnis Gerichtstermine wahrnehmen, eilige
Schriftsätze fertigen sowie Telefongespräche und alle
sonstigen nicht aufschiebbaren Tätigkeiten erledigen zu
können. Das Berufsbild des Steuerberaters ist hingegen nicht
durch dessen Möglichkeit geprägt, seinen Mandanten
jederzeit und einschränkungslos zur Verfügung stehen zu
können. Wie die Begründung zum Achten Gesetz zur
Änderung des Steuerberatungsgesetzes (BTDrucks 16/7077, Seite
33) zeigt, ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die
Berufsbilder der Anwälte und Steuerberater in einer Weise
voneinander abweichen, die eine unterschiedliche berufsrechtliche
Behandlung rechtfertigt. Wenn dieser diese Unterschiede zum Anlass
genommen hat, statt (wie bei Rechtsanwälten gemäß
§ 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO) eine umfassende
Unvereinbarkeitsklausel zu formulieren, die Tätigkeit als
Syndikus-Steuerberater mit dem Beruf des Steuerberaters
ausdrücklich für vereinbar zu erklären, dann folgt
daraus, dass die vom BGH mit vorgenanntem Urteil für den
Anwaltsberuf aufgestellten Vereinbarkeitskriterien auf das
Berufsrecht der Steuerberater nicht ohne Weiteres übertragbar
sind.
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Dass allein eine sich aus der
Angestelltentätigkeit ergebende zeitliche Beschränkung
der selbständigen Steuerberatertätigkeit geeignet ist,
die Pflicht des Steuerberaters zur unabhängigen und
eigenverantwortlichen Berufsausübung (§ 58 Satz 2 Nr. 5a
Satz 2 StBerG) zu beeinträchtigen, ist nicht anzunehmen.
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