1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war seit März 1992 als Steuerberater bestellt.
Aufgrund Verzichts erlosch die Bestellung zum 31.3.2007.
|
|
|
2
|
Den Antrag des mittlerweile als
Vorstandsmitglied einer Genossenschaftsbank (X) tätigen
Klägers auf Wiederbestellung lehnte die Beklagte und
Revisionsbeklagte (Steuerberaterkammer) mit Bescheid vom 19.8.2009
ab. Nach Ansicht der Steuerberaterkammer ist die Wiederbestellung
als Steuerberater nach § 48 Abs. 2, § 40 Abs. 3 Nr. 2 des
Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zu versagen, weil der Kläger
als Vorstandsmitglied der X eine mit dem Beruf des Steuerberaters
unvereinbare gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 57 Abs. 4
Nr. 1 1. Halbsatz StBerG ausübe, für die keine Ausnahme
nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG zugelassen werden
könne. Auch komme eine Zulassung nach § 57 Abs. 4 Nr. 2
Satz 1, § 58 Satz 2 Nr. 5a StBerG nicht in Betracht, da der
Kläger kein Angestellter sei.
|
|
|
3
|
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage aus den in EFG 2010,
1649 = SIS 10 29 30 veröffentlichten Gründen
abgewiesen.
|
|
|
4
|
Mit seiner Revision macht der Kläger
geltend, dass die Voraussetzungen für die Tätigkeit als
Syndikus-Steuerberater gegeben seien, da er bei der X
betriebswirtschaftliche Beratung und damit eine Tätigkeit i.S.
des § 33 StBerG ausübe. Ferner sei die
Vorstandstätigkeit nicht gewerblich i.S. des § 57 Abs. 4
Nr. 1 1. Halbsatz StBerG. Zweifelhaft sei, ob die Auslegung des
§ 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG durch das FG mit Art. 12 des
Grundgesetzes (GG) und Art. 3 GG vereinbar ist. Jedenfalls liege
ein Verstoß gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, da das FG in
seiner Entscheidung die Möglichkeit einer Wiederbestellung
unter Auflagen nicht in Betracht gezogen habe.
|
|
|
5
|
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung und den Bescheid der Steuerberaterkammer vom
19.8.2009 aufzuheben und die Steuerberaterkammer zu verpflichten,
ihn als Steuerberater wieder zu bestellen. Hilfsweise beantragt er,
die Vorentscheidung und den Bescheid der Steuerberaterkammer vom
19.8.2009 aufzuheben und die Steuerberaterkammer zu verpflichten,
ihn als Steuerberater mit der Auflage wieder zu bestellen, dass er
ausschließlich für die X bzw. den mit ihr verbundenen
Unternehmen tätig sein darf und dies auf erstes Anfordern von
der Steuerberaterkammer durch Vorlage einer vollständigen
Mandantenliste und ggf. Akteneinsicht nachweisen muss.
|
|
|
6
|
Die Steuerberaterkammer hält das
FG-Urteil für im Ergebnis richtig. Da der Kläger als
Vorstandsmitglied der X eine nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 1.
Halbsatz StBerG unvereinbare gewerbliche Tätigkeit
ausübe, komme es nicht darauf an, ob eine zulässige
Syndikustätigkeit vorliege. Bei § 57 Abs. 4 Nr. 1 1.
Halbsatz StBerG handele es sich um einen abstrakten
Gefährdungstatbestand. Da ein durch Auflagen
eingeschränkter Tätigkeitsbereich eines Steuerberaters
nicht zu überwachen sei, sei auch der Hilfsantrag
unbegründet.
|
|
|
7
|
II. Die zulässige Revision ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
8
|
1. Die Revision ist zulässig.
Insbesondere ist die Frist zur Revisionseinlegung (§ 120 Abs.
1 Satz 1 FGO) eingehalten. Zwar war die am letzten Tag der
Revisionsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangene
Revisionsschrift nicht vom Prozessbevollmächtigten des
Klägers unterzeichnet. Gleichwohl ist die von § 120 Abs.
1 Satz 1 FGO geforderte Schriftform eingehalten, da der nicht
unterzeichneten Urschrift der Revisionsschrift eine vom
Prozessbevollmächtigten eigenhändig und handschriftlich
beglaubigte Abschrift beigefügt war (vgl. zur Schriftform des
§ 64 Abs. 1 FGO: BFH-Urteil vom 27.7.1977 I R 207/75, BFHE
123, 286, BStBl II 1978, 11 = SIS 78 00 08; Schallmoser in
Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 64 FGO Rz 45; Stöcker
in Beermann/Gosch, FGO § 64 Rz 33). Im Gegensatz zu einer
bloßen Fotokopie steht bei einer handschriftlich beglaubigten
Abschrift der Revisionsschrift zweifelsfrei fest, dass der
Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für deren Inhalt
übernommen hat (vgl. hierzu auch Rüsken in
Beermann/Gosch, FGO § 120 Rz 43.9).
|
|
|
9
|
2. Die Revision ist unbegründet. Denn das
FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger wegen seiner
Tätigkeit als Vorstandsmitglied der X keinen Anspruch auf
Wiederbestellung als Steuerberater hat.
|
|
|
10
|
Nach § 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 3
Nr. 2 StBerG ist die Wiederbestellung zu versagen, solange der
Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf
unvereinbar ist (§ 57 Abs. 4 StBerG). Als Tätigkeit, die
mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar ist, gilt nach §
57 Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG insbesondere eine gewerbliche
Tätigkeit.
|
|
|
11
|
a) Die Tätigkeit des Klägers als
Vorstandsmitglied der X ist - im Gegensatz zur Auffassung der
Revision - gewerblich und damit nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 1.
Halbsatz StBerG mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar.
|
|
|
12
|
Gewerbliche Tätigkeit ist gekennzeichnet
durch ein selbständiges, gleichmäßig fortgesetztes
und maßgebend von erwerbswirtschaftlichem Streben nach Gewinn
bestimmtes Handeln, wobei unerheblich ist, ob die Tätigkeit in
eigenem Namen oder als Organ einer juristischen Person
ausgeübt wird (Gehre/ Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6.
Aufl., § 57 Rz 90, m.w.N.).
|
|
|
13
|
Wie das FG zutreffend erkannt hat, übt
die X, die gemäß § 17 Abs. 2 des
Genossenschaftsgesetzes (GenG) Formkaufmann ist (vgl.
GroßkommHGB/Oetker, 5. Aufl., § 6 Rz 24), mit der
Vornahme von Finanzgeschäften eine gewerbliche Tätigkeit
aus (vgl. Gehre/Koslowski, a.a.O., § 57 Rz 90).
|
|
|
14
|
Im Streitfall ist das organschaftliche Handeln
des Klägers als Vorstand notwendig vom gewerblichen Charakter
der Unternehmenstätigkeit der X geprägt (vgl. Urteile des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 29.2.1988 StbSt (R) 1/87, BGHSt 35,
232; vom 4.3.1996 StbSt (R) 4/95, BGHSt 42, 55 = SIS 96 18 08;
Gehre/Koslowski, a.a.O., § 57 Rz 90).
|
|
|
15
|
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass
der Kläger von Gesetzes wegen nicht
alleinvertretungsberechtigt ist (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1
GenG), sondern nur gemeinschaftlich mit seinen Vorstandskollegen
die X vertreten kann (vgl. BGH-Urteil in BGHSt 35, 232). Auch
änderte eine - vom FG nicht festgestellte - Beschränkung
des Vorstandsamtes des Klägers auf Aufgaben, die sich im
Rahmen einer steuerberatenden Tätigkeit halten, nichts an der
Einordnung als gewerbliche Tätigkeit (vgl. BGH-Urteil in BGHSt
42, 55).
|
|
|
16
|
Ferner ist es unerheblich, dass ein Vorstand
einer Genossenschaft - im Gegensatz zum Geschäftsführer
einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl. § 37
Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung) - keinen Weisungen unterliegt. Denn
ausschlaggebend für die Gewerblichkeit der Tätigkeit
eines Organs ist nicht, ob es weisungsgebunden ist, sondern
vielmehr, ob die juristische Person - wie im Streitfall die X -
ihrerseits gewerblich ist (vgl. BGH-Urteil in BGHSt 35, 232).
|
|
|
17
|
b) Die Steuerberaterkammer hat die Zulassung
einer auf § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG gestützten
Ausnahme zu Recht verweigert. Denn die Voraussetzungen für die
Zulassung einer Ausnahme liegen nicht vor.
|
|
|
18
|
Zwar soll mit der grundsätzlichen
Unvereinbarkeit einer gewerblichen Tätigkeit der abstrakten
Gefahr einer Verletzung der dem Steuerberater obliegenden
Berufspflichten begegnet werden (vgl. Gehre/Koslowski, a.a.O.,
§ 57 Rz 89). Aufgrund des in § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG
angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses, das mit dem in §
46 Abs. 2 Nr. 4 1. Halbsatz StBerG enthaltenen (vgl.
Gehre/Koslowski, a.a.O., § 46 Rz 9, m.w.N.) vergleichbar ist,
ist aber bei der Zulassung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr.
1 2. Halbsatz StBerG darauf abzustellen, ob im konkreten Fall die
Verletzung von Berufspflichten ausnahmsweise ausgeschlossen werden
kann. Stellte man hingegen auf die abstrakte Gefahr einer solchen
Verletzung ab (so Gehre/Koslowski, a.a.O., § 57 Rz 92,
m.w.N.), käme die Zulassung einer Ausnahme
regelmäßig von vornherein nicht in Betracht, was mit der
durch Art. 12 GG garantierten Freiheit der Berufswahl unvereinbar
wäre (vgl. Senatsurteil vom 22.9.1992 VII R 43/92, BFHE 169,
286, BStBl II 1993, 203 = SIS 93 03 36). Wenn aber die konkrete
Gefährdung der Berufspflichten im Einzelfall ausgeschlossen
werden kann - wofür den Antragsteller die Darlegungs- und
Feststellungslast trifft -, besteht ein Anspruch auf Zulassung
einer Ausnahme. In einem solchen Fall besteht - unbeschadet des
Wortlauts des § 57 Abs. 4 Nr. 1 2. Halbsatz StBerG
(„kann“) - kein Ermessensspielraum der
Steuerberaterkammer (a.A. Gehre/Koslowski, a.a.O., § 57 Rz 92;
Mutschler, Gewerbliche Betätigung von Steuerberatern, DStR
2008, 1500, 1504).
|
|
|
19
|
Im Streitfall sind die Voraussetzungen
für die Zulassung einer Ausnahme nach § 57 Abs. 4 Nr. 1
2. Halbsatz StBerG schon deshalb nicht gegeben, da der Kläger
nicht dargelegt hat, dass eine konkrete Gefährdung bzw.
Verletzung der Berufspflichten als Steuerberater durch seine
Vorstandstätigkeit für die X nicht zu erwarten ist. Somit
ist die von der Steuerberaterkammer und dem FG vorgenommene
Beurteilung der sich aus der Vorstandstätigkeit des
Klägers ergebenden Interessenkollision mit der - angestrebten
- Berufstätigkeit als Steuerberater nicht zu beanstanden.
Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die
Steuerberaterkammer und das FG als Maßstab für die
Zulassung einer Ausnahme auf die abstrakte Gefährdung der
Berufspflichten abgestellt haben. Denn ein Steuerberater befindet
sich jedenfalls dann in einem Interessenkonflikt, wenn seine
Mandanten Kunden einer Bank sind, als dessen Vorstandsmitglied er
zusätzlich tätig ist. Insbesondere besteht die konkrete
Gefahr, dass ein Steuerberater in einer derartigen
„Doppelfunktion“ seine Pflichten zur
unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung
(§ 57 Abs. 1 StBerG) verletzt. Auch wenn der Kläger
keinen Weisungen unterworfen ist (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1
GenG), ergibt sich ein Interessenkonflikt daraus, dass er aufgrund
seines Dienstvertrags verpflichtet ist, die wirtschaftlichen
Interessen der X zu verfolgen. Die von § 57 Abs. 1 StBerG
geforderte unabhängige und eigenverantwortliche
Berufsausübung erscheint unter diesen Bedingungen nicht
möglich oder jedenfalls ernstlich gefährdet.
|
|
|
20
|
c) § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG ist auch mit
der durch Art. 12 GG garantierten Freiheit der Berufswahl
vereinbar.
|
|
|
21
|
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die
Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG,
die bis zum Inkrafttreten des Achten Gesetzes zur Änderung des
Steuerberatungsgesetzes (8. StBerÄndG) am 12.4.2008 keine
Ausnahmegenehmigung beinhaltete, als mit Art. 12 GG vereinbar
angesehen (Beschluss vom 15.2.1967 1 BvR 569, 589/62, BVerfGE 21,
173; so auch Senatsurteile vom 5.9.1978 VII R 50/77, BFHE 126, 346,
BStBl II 1979, 202 = SIS 79 01 08; vom 4.8.1987 VII R 169/85, BFHE
150, 272, BStBl II 1987, 790 = SIS 87 20 41; vom 9.2.1993 VII R
89/92, BFH/NV 1993, 693) und im Beschluss vom 4.11.1992 1 BvR
79/85, 643/87, 442/89, 238/90, 1258/90, 772/91, 909/91 (BVerfGE 87,
287 = SIS 93 03 37) die Interessenkollision bei gewerblicher
Tätigkeit eines Steuerberaters hervorgehoben und auf die
andersartige Interessenlage des Rechtsanwalts hingewiesen. Dass
sich an dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung durch die mit dem
8. StBerÄndG bezweckte Liberalisierung des Berufsrechts der
Steuerberater etwas geändert haben soll, vermag der Senat in
Anbetracht der Rechtsprechung des BVerfG nicht zu erkennen.
Insbesondere genügt die Regelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1
StBerG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da
sie die Möglichkeit einer Ausnahme vorsieht.
|
|
|
22
|
d) Da die Vorstandstätigkeit des
Klägers aufgrund ihrer Gewerblichkeit bereits nach § 57
Abs. 4 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG mit dem Beruf des Steuerberaters
unvereinbar ist, ist es - entgegen der Rechtsansicht der Revision -
unerheblich, ob die weitere Inkompatibilitätsregelung des
§ 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG keine Anwendung findet, weil die
Vorstandstätigkeit des Klägers als eine Tätigkeit
eines Syndikus-Steuerberaters i.S. des § 58 Satz 2 Nr. 5a
StBerG anzusehen wäre. Im Übrigen ist der Kläger
auch nicht als Syndikus-Steuerberater tätig. Denn § 58
Satz 2 Nr. 5a Satz 1 StBerG ist dahin zu verstehen, dass im Rahmen
des Angestelltenverhältnisses ausschließlich
Tätigkeiten i.S. des § 33 StBerG wahrgenommen werden
(a.A. Gehre/ Koslowski, a.a.O., § 58 Rz 20; Römermann,
Der Syndikus-Steuerberater, Die Steuerberatung 2008, 310,
312; Ruppert, Der Syndikus-Steuerberater - Neue
Möglichkeiten für Steuerberater, DStR 2008, 2184, 2186).
Dies ergibt sich insbesondere aus der Gesetzesbegründung, die
auf die Tätigkeit in der Steuerabteilung eines Unternehmens
abstellt (vgl. BTDrucks 16/7077, S. 33), was für die
Vorstandstätigkeit des Klägers nicht zutrifft.
|
|
|
23
|
e) Der Hilfsantrag ist ebenfalls
unbegründet. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf eine
unter Auflagen versehene Wiederbestellung als Steuerberater. Der
Senat hat bereits entschieden, dass die Bestellung als
Steuerberater nur vorbehaltslos erfolgen und nicht mit
Einschränkungen oder modifizierenden Auflagen versehen werden
kann (Beschluss vom 4.3.2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II
2004, 1016 = SIS 04 21 13). Zwar hat die Steuerberaterkammer nach
§ 76 Abs. 1 StBerG die Aufgabe, die Erfüllung der
beruflichen Pflichten zu überwachen, ein Anspruch auf eine mit
Auflagen versehene Bestellung zum Steuerberater kann aus dieser
Vorschrift jedoch nicht abgeleitet werden.
|
|
|