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I. Streitig ist, ob die Mietaufwendungen
für eine neue Familienwohnung, die am Beschäftigungsort
von einem Ehegatten bereits genutzt wird, bis zum Nachzug der
Familie unbeschränkt abzugsfähige Werbungskosten
sind.
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurde im Streitjahr 2008 zusammen mit seiner Ehefrau
zur Einkommensteuer veranlagt. Beide erzielten im Wesentlichen
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ab dem 1.11.2007
arbeitete der Kläger in T. Anlässlich des
Arbeitsplatzwechsels mieteten der Kläger und seine Ehefrau in
der Nähe von T, in R, ab 1.12.2007 eine 165 qm große
5-Zimmer-Wohnung an. Von dort ging der Kläger seiner Arbeit in
T nach. Wie von Anfang an geplant zogen die Ehefrau und das Kind
des Klägers am 10.2.2008 ebenfalls in diese Wohnung nach. Die
bisherige Familienwohnung in E wurde aufgegeben.
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In der Einkommensteuererklärung
für 2008 begehrte der Kläger u.a. den Abzug des gesamten
Mietaufwands für die Wohnung in R für Januar und Februar
2008 als Werbungskosten. Das damals zuständige Finanzamt T
erkannte den Mietaufwand jedoch - unter Hinweis auf eine doppelte
Haushaltsführung - nur anteilig für 60 qm an. Der
Einspruch blieb insoweit ohne Erfolg.
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Die auf vollständige
Berücksichtigung dieser Mietaufwendungen gerichtete Klage wies
das Finanzgericht (FG) ab. Denn der Kläger habe bis zum
Nachzug der Familie einen doppelten Haushalt geführt. Folglich
sei der Abzug der Mietaufwendungen auf das für eine Person
Notwendige - und damit auf eine 60 qm große Wohnung zu einem
ortsüblich durchschnittlichen Mietzins - begrenzt.
Unbeachtlich sei, dass der Kläger wegen des geplanten
Familiennachzugs sofort eine größere Familienwohnung
angemietet habe.
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Mit der Revision rügt der Kläger
sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts.
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Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG Nürnberg vom 21.7.2010 6 K 428/10 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid für 2008 in Gestalt des
Änderungsbescheides vom 22.6.2010 insoweit zu ändern,
dass Mietaufwendungen für die Wohnung in R in Höhe von
insgesamt 2.281 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Zwar hat das FG zutreffend erkannt, dass
die Mietaufwendungen des Klägers für die Wohnung in R im
Rahmen der doppelten Haushaltsführung nur begrenzt abziehbar
sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes -
EStG - ). Denn notwendige Mehraufwendungen im Sinne dieser Norm
sind nur Mietkosten einer Einzelperson für eine 60 qm
große Wohnung zur durchschnittlichen ortsüblichen Miete
(BFH-Urteil vom 9.8.2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007,
820 = SIS 07 29 04).
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2. Das FG hat die geltend gemachten
Mietzahlungen für die Wohnung in R noch nicht unter dem Aspekt
der unbeschränkten Abzugsfähigkeit als Werbungskosten
nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG gewürdigt.
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a) Werbungskosten sind danach Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu
zählen auch beruflich veranlasste Umzugskosten, zu denen auch
umzugsbedingt geleistete doppelte Mietzahlungen gehören
können (Senatsurteil vom 23.5.2006 VI R 56/02, BFH/NV 2006,
1650 = SIS 06 34 03). Allerdings setzt eine Berücksichtigung
als Werbungskosten voraus, dass der Umzug nahezu
ausschließlich beruflich veranlasst ist, also private
Gründe eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen.
Davon ist z.B. auszugehen, wenn der Arbeitnehmer wegen eines
Arbeitsplatzwechsels seine bisherige Dienstwohnung räumen und
deshalb mit seiner Familie umziehen muss (Senatsurteil vom
21.7.1989 VI R 129/86, BFHE 158, 26, BStBl II 1989, 917 = SIS 89 21 49, m.w.N.) oder der Arbeitnehmer umzieht, weil sich dadurch die
Zeitspanne für die Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte verringert (Senatsurteil in BFH/NV 2006, 1650 =
SIS 06 34 03, m.w.N.).
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In Anwendung dieser Grundsätze sind der
Umzug des Klägers und seiner Familie nach R und damit auch die
umzugsbedingt geleisteten doppelten Mietzahlungen beruflich
veranlasst.
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b) Diese Mietaufwendungen können jedoch
nur anteilig, und zwar für die bisherige Wohnung ab dem
Umzugstag (der Familie) und für die neue Familienwohnung bis
zum Umzugstag (der Familie) als Werbungskosten abgezogen werden.
Denn Aufwendungen für das Unterhalten einer Wohnung, die den
Mittelpunkt der Lebensführung eines Steuerpflichtigen und
seiner Familie darstellt - hier bis zum Familiennachzug die Wohnung
in E, danach die Wohnung in R -, gehören zu den nicht
abzugsfähigen Lebensführungskosten. Darüber hinaus
ist der Werbungskostenabzug umzugsbedingt geleisteter doppelter
Mietzahlungen auf den Zeitlauf der ordentlichen
Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses
begrenzt. Denn nur solange gründet der Aufwand für zwei
Wohnungen auf dem beabsichtigten Familienumzug.
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c) § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG steht dem
unbeschränkten Abzug des Mietaufwands für die neue
Familienwohnung als Umzugskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG
nicht entgegen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass diese Wohnung vor
dem Familiennachzug im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung
genutzt wurde. Denn in einem solchen Fall verdrängt § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als die speziellere Norm den allgemeinen
Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG jedenfalls
insoweit nicht, als die Abzugsbegrenzung für Mietaufwendungen
ausschließlich die doppelte Haushaltsführung betrifft.
Die Unterhaltung zweier Wohnungen dient hier - anders als bei der
doppelten Haushaltsführung - allein dem Zweck der
Familienzusammenführung. Daher sind die Mietaufwendungen
während der Umzugsphase nicht von der Sonderregelung des
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG erfasst, sondern nach § 9
Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar.
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d) Entgegen der Auffassung des FA
schließt § 8 des Bundesumzugskostengesetzes i.V.m. R 9.9
Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 2008 den Abzug der
zusätzlichen Mietkosten für die neue Familienwohnung als
Werbungskosten nicht aus. Denn der BFH hat bereits entschieden,
dass Erstattungen nach dem Bundesumzugskostengesetz zwar ein Indiz
für abziehbare Umzugskosten sind, sich aber die steuerliche
Abzugsfähigkeit allein nach dem allgemeinen
Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG richtet
(Urteil vom 17.12.2002 VI R 188/98, BFHE 201, 208, BStBl II 2003,
314 = SIS 03 11 36).
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat
kann mangels Feststellungen über den zeitlichen Ablauf des
Umzugs des Klägers nicht abschließend entscheiden, ob
die Mietzahlungen, die der Kläger als Werbungskosten begehrt,
nach den vorgenannten Grundsätzen als Umzugskosten
berücksichtigungsfähig wären. Es fehlen insbesondere
Feststellungen über den Zeitpunkt der Kündigung der
Wohnung in E sowie die vertraglich vereinbarte
Kündigungsfrist. Die notwendigen Aufwendungen für
Familienheimfahrten oder ggf. Verpflegungsmehraufwendungen werden
dagegen durch den Umzug nicht berührt und können daneben
bis zur tatsächlichen Beendigung der doppelten
Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als
Werbungskosten berücksichtigt werden.
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