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I. Streitig ist die
Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung, in der
Vergütungen eines geschäftsführenden Mitglieds des
Verwaltungsrates einer schweizerischen Kapitalgesellschaft als
steuerpflichtig erfasst sind.
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger), Eheleute mit einem inländischen Wohnsitz im
Streitjahr (1996), wurden vom Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) nach Maßgabe unbeschränkter
Steuerpflicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der
Kläger war bei der C-AG, einer schweizerischen
Aktiengesellschaft mit Sitz in Basel, seit der
Gesellschaftsgründung (1990) beschäftigt. Die C-AG
betrieb den Handel mit und die Vermittlung von Rohstoffen, Halb-
und Fertigprodukten aller Art, insbesondere auf dem Gebiet der
chemischen Industrie. Im Rahmen dieses Unternehmenszwecks hatte der
Kläger die Aufgabe, für die C-AG insbesondere bei
Chemieunternehmen in Osteuropa Kunststoffe aufzukaufen und sie an
westeuropäische Abnehmer weiterzuverkaufen sowie
internationale Geschäftskontakte zu pflegen. Im Streitjahr war
neben dem Kläger noch ein Sachbearbeiter beschäftigt, der
am Sitz der C-AG für die tatsächliche/technische
Durchführung der vom Kläger erzielten
Vertragsabschlüsse sorgte. Daneben waren für die
Gesellschaft nur „freie Fremdarbeitskräfte“
tätig.
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Nach Ziffer 1 des Arbeitsvertrages vom
5./15.1.1990 erfolgte die Anstellung des Klägers als
Geschäftsführer und „Delegierter“ (dies ist
nach Art. 718 Abs. 2 des schweizerischen Bundesgesetzes betreffend
die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches
[Fünfter Teil: Obligationenrecht] vom 30.3.1911 - OR - ein
Mitglied des Verwaltungsrates, dem die Außenvertretung der
Gesellschaft übertragen ist). Die Bestellung zum Delegierten
erfolgte durch den Verwaltungsrat der C-AG (Art. 5 der Statuten der
C-AG und der Schwestergesellschaften i.V.m. Art. 11 ff. des
Geschäftsreglementes der C-AG vom 9.2.1990 -
Geschäftsreglement - ). Zuvor war der Kläger durch die
Generalversammlung der C-AG zum Mitglied des Verwaltungsrates
ernannt worden. Der Kläger war mit der Funktion
„Delegierter“ und der Zeichnungsberechtigung
„Einzelunterschrift“ in das Handelsregister des Kantons
Basel-Stadt eingetragen; die Eintragung war im Schweizerischen
Handelsamtsblatt Bern veröffentlicht worden. Dem
Verwaltungsrat gehörte im Streitjahr auch (als
Verwaltungsratspräsident) der in Bern ansässige B an, dem
ein Zeichnungsrecht „zu zweien“ eingeräumt war.
Sitzungen des Verwaltungsrates der C-AG fanden grundsätzlich
einmal jährlich statt. Eine (gesonderte) Vergütung
für seine Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrates
erhielt der Kläger nicht.
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Nach den Angaben im Lohnausweis des
Klägers behielt die C-AG vom „Bruttolohn Total“
(160.000 CHF) Quellensteuer in Höhe von 28.480 CHF ein und
führte sie an die Eidgenössische Steuerverwaltung ab.
Nach der Quellensteuerabrechnung des Finanzdepartements des Kantons
Basel-Stadt vom 30.7.1998 betrug die Quellensteuer für den
gesamten Bruttolohn insgesamt 34.400 CHF (21,5 %); eine
Differenzierung nach kantonalen Abgaben und direkter Bundessteuer
wurde nicht ausgewiesen.
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Das FA hat den Kläger unter Hinweis
auf die Anzahl der von ihm durch eine Auflistung
(„Reiseliste“) nachgewiesenen sog.
Nichtrückkehrtage (über 60 Tage) zwar nicht als sog.
Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 2 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem
Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11.8.1971
(BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Protokolls vom
21.12.1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) - DBA-Schweiz
1992 - angesehen. Es hat aber den auf eine Tätigkeit in
Drittstaaten bzw. in Deutschland entfallenden Teil des Bruttolohns
unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 unter Anrechnung
der schweizerischen Quellensteuer in die Bemessungsgrundlage der
Einkommensteuer einbezogen. Die Klage blieb erfolglos; zwar folgte
das Finanzgericht (FG) der Auslegung des FA zu Art. 15 Abs. 4
DBA-Schweiz 1992 nicht, stützte die Steuerfestsetzung (unter
Beachtung des sog. Verböserungsverbots) aber auf Art. 16 bzw.
Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1992 (FG Baden-Württemberg,
Außensenate Freiburg, Urteil vom 19.12.2009 3 K 131/07,
abgedruckt in EFG 2011, 411 = SIS 10 19 60).
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Die Kläger rügen die Verletzung
materiellen Rechts und beantragen, das angefochtene Urteil und den
Einkommensteuerbescheid 1996 vom 20.12.2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 3.1.2005 in der Weise zu ändern,
dass Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger
Arbeit nicht mehr angesetzt werden, und die Einkommensteuer auf 0
DM (EUR) festzusetzen.
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Das FA hat keinen Antrag gestellt.
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II. Die Revision ist begründet; das FG
hat die vom Kläger von der C-AG bezogenen Einnahmen zu Unrecht
als steuerpflichtige Einkünfte in die Bemessungsgrundlage der
Einkommensteuer einbezogen. Das Urteil des FG ist aufzuheben
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
); unter Änderung des angefochtenen Steuerbescheids ist die
Einkommensteuer 1996 auf 0 DM (EUR) herabzusetzen.
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1. Die Kläger waren im Streitjahr
gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG
1990) unbeschränkt steuerpflichtig; nach den für den
Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO)
hatten die Kläger einen Wohnsitz im Inland. Die Kläger
unterlagen daher mit allen in den Streitjahren erzielten
Einkünften der Einkommensteuer. Ferner ist das FG ersichtlich
davon ausgegangen, dass der Kläger aus abkommensrechtlicher
Sicht in Deutschland ansässig war (Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz
1992); diese Einschätzung wird von den Verfahrensbeteiligten
geteilt.
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2. Die Ausübung des hiernach bestehenden
Besteuerungsrechts findet aber, soweit es um die
streitgegenständlichen Einkünfte des Klägers geht,
in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 seine
Grenze. Nach dieser Regelung werden bei einer in Deutschland
ansässigen Person Gehälter, Löhne und ähnliche
Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie
nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1992 fallen, von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie nach
dem Abkommen in der Schweiz besteuert werden können und die
Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Diese Voraussetzungen
sind im Streitfall erfüllt. Für die Einkünfte des
Klägers aus nichtselbständiger Arbeit besteht nach Art.
15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 in der Schweiz ein Besteuerungsrecht;
die Tätigkeit gilt auch als an diesem Ort ausgeübt.
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a) Nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992
können vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 die
Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person aus
einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor,
Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz
ansässigen Kapitalgesellschaft in der Schweiz besteuert
werden, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie
lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst. Besteuert
die Schweiz diese Einkünfte nicht, so können sie in
Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz
1992).
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b) Der Kläger unterfiel im Streitjahr dem
in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 genannten Personenkreis.
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aa) Nach den Feststellungen des FG war der
Kläger Mitglied des Verwaltungsrates der C-AG und von dem
Verwaltungsrat zum „Delegierten“ der C-AG
bestimmt worden. Er gehörte damit einerseits in seiner
Eigenschaft als Mitglied des Verwaltungsrates demjenigen Gremium
an, das nach dem Schweizer Recht die Geschäftsführung der
C-AG überwachte. Zugleich war er andererseits als
„Delegierter“ des Verwaltungsrates mit der
Führung der laufenden Geschäfte der C-AG betraut. Er
übte mithin in der letztgenannten Eigenschaft eine Funktion
aus, die nach deutschem Recht der Vorstand einer AG wahrnimmt.
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bb) Der „Delegierte“ im
Sinne des Schweizer Rechts wird zwar in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
1992 nicht ausdrücklich aufgeführt. Er nimmt aber aus
zivilrechtlicher Sicht eine Stellung ein, die im Hinblick auf die
damit verbundene Leitungs- und Vertretungsmacht derjenigen des in
Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 genannten Prokuristen mindestens
gleichsteht. Das rechtfertigt die Annahme, dass er in den von Art.
15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 erfassten Personenkreis einzubeziehen
ist (so im Ergebnis auch Toifl in Gassner/Lang, Besteuerung und
Bilanzierung international tätiger Unternehmen, 1998, S. 390
ff.; Ronge/Perroulaz/Sutter, IStR 2010, 279, 280;
Kubaile/Suter/Jakob, Der Steuer- und Investitionsstandort Schweiz,
2. Aufl., S. 321 f.; a.A. FG Münster, Urteil vom 15.12.1998 2
K 5021/96 E, EFG 1999, 371). Eine solche Auslegung ist nicht
zuletzt deshalb sachgerecht, weil im Zweifel davon auszugehen ist,
dass sich die Parteien eines Abkommens zur Vermeidung einer
Doppelbesteuerung (DBA) wechselseitig gleich weit reichende
Besteuerungsrechte einräumen wollen (Senatsurteil vom 5.3.2008
I R 54, 55/07, BFH/NV 2008, 1487); gegen diesen Grundsatz
würde verstoßen, wenn man den in der Schweiz
ansässigen Vorstand einer deutschen AG dem Anwendungsbereich
des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 zuordnen, den damit
vergleichbaren in Deutschland ansässigen
„Delegierten“ einer Schweizer AG aber nicht.
Eine solche Handhabung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn
Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Vertragsstaaten
den „Delegierten“ einer Schweizer
Kapitalgesellschaft bewusst aus dem Anwendungsbereich des Art. 15
Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 ausgeschlossen haben; solche Anhaltspunkte
bestehen aber nicht. Deshalb wird dieser Personenkreis ungeachtet
des Fehlens einer ausdrücklichen Erwähnung in dieser
Regelung von Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 erfasst.
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cc) Der Senat geht hiernach nicht davon aus,
dass die Einkünfte eines „delegierten
Verwaltungsrats“ einer Schweizer AG nur Art. 16
DBA-Schweiz 1992 unterfallen (so aber Beiser, Steuer &
Wirtschaft International - SWI - 2000, 199, 201 ff.; Aigner in
Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der
Doppelbesteuerungsabkommen, 2003, S. 89, 94 ff.; Stefaner, SWI
2004, 68, 70 ff.; s.a. FG Münster, Urteil in EFG 1999, 371).
Er schließt sich vielmehr der vorherrschenden Ansicht an,
nach der Art. 16 DBA-Schweiz 1992 nur dann anwendbar sein kann,
wenn die Aufgaben eines Verwaltungsratsmitglieds sich auf die
Überwachung der Geschäftsleitung beschränken. Auf
dieser Grundlage hat der erkennende Senat auch in seinem zum
DBA-Schweiz 1992 ergangenen Urteil vom 11.11.2009 I R 15/09 (BFHE
227, 419, BStBl II 2010, 602 = SIS 10 02 23) darauf verwiesen, dass
der dortige Kläger als Mitglied des Verwaltungsrates (nur)
eine Überwachungsfunktion bezüglich der
Geschäftsführung ausgeübt hat, was die Anwendung des
Art. 16 DBA-Schweiz 1992 in diesem Streitfall ermöglichte
(s.a. zu anderen DBA: Senatsurteil in BFH/NV 2008,
1487[DBA-Belgien]; Senatsurteil vom 5.10.1994 I R 67/93, BFHE 175,
424, BStBl II 1995, 95 [DBA-Kanada] = SIS 95 04 54; Senatsurteil
vom 23.2.2005 I R 46/03, BFHE 209, 241, BStBl II 2005, 547
[DBA-Spanien] = SIS 05 25 20). Diese Beschränkung des
sachlichen Anwendungsbereichs wird auch von der Rechtsprechung in
der Schweiz (Steuerrekurskommission Basel-Stadt vom 24.1.2008 [zum
DBA Schweiz-Frankreich], abgedruckt in Locher/Meier/von
Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, B
15.1 Nr. 81) und in Österreich (Verwaltungsgerichtshof,
Erkenntnis vom 31.7.1996 92/13/0172, www.ris.bka.gv.at; s.a. Lang,
SWI 1996, 427) sowie von weiten Teilen der Literatur getragen (z.B.
Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA Art. 16
Rz 2, 12 f., 15 ff., 22; Brandis, ebenda, Schweiz Art. 16 Rz 2, 16,
25; Kempermann in Flick/Wassermeyer/ Kempermann,
Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 16 Rz 21, 23
f.; Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 16 Rz 12; Wilke
in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 16 OECD-MA Rz 1, 7,
19 f.; Schmidt in Haase, AStG/DBA, MA Art. 16 Rz 18, 22;
Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 16.452;
Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz,
2. Aufl., S. 198 f.; Locher, Einführung in das internationale
Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl., S. 437 f.; Kubaile/Suter/Jakob,
a.a.O., S. 321 f.; Sutter/ Burgstaller in
Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, a.a.O., S. 49, 60 ff.;
Ronge/Perroulaz/Sutter, IStR 2010, 279, 280). Sie führt im
Streitfall dazu, dass die Tätigkeit des Klägers nicht
Art. 16 DBA-Schweiz 1992, sondern Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992
unterfällt. Eine andere Beurteilung könnte allenfalls
dann angezeigt sein, wenn Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 hinter
Art. 16 DBA-Schweiz 1992 zurückträte; das ist aber nach
dem Wortlaut der Vorschrift, der einen Nachrang nur gegenüber
Art. 15a DBA-Schweiz 1992 bestimmt, nicht der Fall.
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dd) Im Streitfall kann ferner davon
ausgegangen werden, dass die von der C-AG gezahlte Vergütung
der Tätigkeit des Klägers als
„Delegierter“ zuzuordnen ist. Die davon
abweichende Würdigung seitens des FG, dass der Kläger
diese Vergütung ausschließlich in seiner Eigenschaft als
Verwaltungsrat der C-AG - und damit nicht für seine
geschäftsleitende, sondern nur für eine überwachende
Tätigkeit - erhalten habe, wird von den Feststellungen des FG
nicht getragen und ist deshalb für den Senat nicht
bindend.
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aaa) Dem Verwaltungsrat i.S. des Art. 707 ff.
OR, der die Gesellschaft nach außen vertritt (Art. 718 Abs. 1
Satz 1 OR), sind besondere Aufgaben übertragen; als
unübertragbare und unentziehbare Aufgabe sieht die Nr. 1 von
Art. 716a Abs. 1 OR „die Oberleitung der Gesellschaft und
die Erteilung der nötigen Weisungen“ vor, sowie
dessen Nr. 5 „die Oberaufsicht über die mit der
Geschäftsführung betrauten Personen ...“.
Darüber hinaus führt der Verwaltungsrat - durch alle
Mitglieder „gesamthaft“ - die Geschäfte der
Gesellschaft, soweit er die Geschäftsführung nicht
übertragen hat (Art. 716 Abs. 2, Art. 716b Abs. 3 OR). Dazu
heißt es in Art. 716b Abs. 1 OR, dass die Statuten den
Verwaltungsrat ermächtigen können, die
Geschäftsführung nach Maßgabe eines
Organisationsreglementes ganz oder zum Teil an einzelne Mitglieder
oder an Dritte zu übertragen. Eine solche Delegation - und
zwar auf den Kläger - ist nach den Feststellungen des FG im
Streitfall erfolgt.
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bbb) Auch wenn ein
geschäftsführender Verwaltungsrat damit rechtlich sowohl
geschäftsführende als auch
geschäftsführungsüberwachende Funktionen hat, ist
der Rechtsgrund für die Zahlung einer Vergütung - als
maßgeblicher Zuordnungsgrund (insoweit zutreffend FG
Münster, Urteil in EFG 1999, 371) - im Zweifel zumindest auch
der Geschäftsleitung zuzuordnen. Denn einerseits bleibt, wenn
der Verwaltungsrat der Gesellschaft mit Blick auf die
Verwaltungsratstätigkeit keine gesonderte Vergütung (z.B.
„Honorar“ als Forderung aus Dienstvertrag oder
Auftrag; Sitzungsgeld) beschließt, diese Tätigkeit ohne
Vergütung (s.a. Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann,
a.a.O., Art. 16 Rz 25 a.E.; für den deutschen Aufsichtsrat
s.a. § 113 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes). Andererseits
wird eine geschäftsführende Tätigkeit auch mit Blick
auf eine damit verbundene arbeitstägliche Belastung nicht ohne
gesonderte Entgeltvereinbarung („Arbeitslohn“)
ausgeübt werden. Nicht ausgeschlossen erscheint zwar im
Einzelfall, eine Aufteilung gemischt-veranlasster Vergütungen
bei vorhandenen objektiven Abgrenzungskriterien vorzunehmen (s.
Senatsurteil in BFHE 209, 241, BStBl II 2005, 547 = SIS 05 25 20;
Ronge/Perroulaz/Sutter, IStR 2010, 279, 280), etwa wenn der
Verwaltungsrat eine Vergütung der Mitglieder beschließt,
die Vergütung aber für das geschäftsführende
Mitglied mit seinem Anspruch aus einer
Geschäftsführervereinbarung verrechnet wird (zum
Ausschluss einer Aufteilung bei fehlenden objektiven Kriterien und
zur Zuweisung der Vergütung nach ihrem „bestimmenden
wirtschaftlichen Gehalt“, der in aller Regel im Bereich
der geschäftsführenden Tätigkeit liegen wird, s.
ebenfalls Senatsurteil in BFHE 209, 241, BStBl II 2005, 547 = SIS 05 25 20; Prokisch in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 16 Rz 15; Wilke in
Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O., Art. 16 OECD-MA Rz 8, 20 a.E.). Die
Möglichkeit einer solchen Aufteilung hat das FG aber
ausdrücklich verneint. Das allein spricht schon dafür,
die vom Kläger bezogene Vergütung dessen
Geschäftsleitungstätigkeit und damit abkommensrechtlich
Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 zuzuordnen.
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ccc) Hinzu kommt, dass die streitigen
Einkünfte des Klägers auf einem Arbeitsvertrag beruhen,
der noch vor der Bestellung des Klägers zum Verwaltungsrat der
C-AG abgeschlossen worden ist. Nach den den Senat bindenden
Feststellungen des FG stammt der Arbeitsvertrag vom 5./15.1.1990,
während der Kläger erst am 9.2.1990 in den Verwaltungsrat
der C-AG berufen worden ist. Auch wenn zwischen beiden Ereignissen
nur wenige Wochen lagen, unterstreicht diese zeitliche Abfolge
immerhin, dass die im Anstellungsvertrag vereinbarten Bezüge
zumindest in erster Linie für die Tätigkeit des
Klägers als Geschäftsleiter der C-AG gezahlt worden sind.
Damit stimmt überein, dass der Kläger der C-AG seine
Arbeitskraft mit festgelegter wöchentlicher Arbeitszeit und
Urlaubsanspruch schuldete. Und schließlich spricht auch die
Höhe der Bezüge dafür, dass diese nicht eine
überwachende, sondern zumindest im Wesentlichen die
geschäftsleitende Tätigkeit des Klägers abgelten
sollte. Daher unterfällt die Vergütung, nachdem eine
Aufteilungsmöglichkeit insoweit nicht besteht, vollen Umfangs
dem Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992.
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c) Das FG hat nicht festgestellt, dass die
Tätigkeit des Klägers lediglich Aufgaben außerhalb
der Schweiz umfasste (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz
DBA-Schweiz 1992). Außerdem wurden die Einkünfte des
Klägers aus seiner Tätigkeit für die C-AG in der
Schweiz besteuert (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz 1992).
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3. Die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 Satz 1
DBA-Schweiz 1992 wird im Streitfall nicht durch Art. 15a
DBA-Schweiz 1992 ausgeschlossen. Denn der Kläger ist kein
Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992, da er im
Streitjahr an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner
Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt
ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992).
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a) Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz
1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche
Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger
Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser
ansässig ist. Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 1
DBA-Schweiz 1992 ist jede in einem Vertragsstaat ansässige
Person, die im anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von
dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art.
15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1992). Kehrt diese Person nicht
jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, so
entfällt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 die
Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer
Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr
als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an
ihren Wohnsitz zurückkehrt.
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b) Im Streitfall hat der Kläger als
Gegenstand der Feststellungen des FG zur Überzeugung des
Tatsachengerichts nachgewiesen, dass er an über 60 Tagen durch
das Arbeitsverhältnis veranlasste Dienstreisen mit
auswärtiger Übernachtung unternommen hat. Damit hat der
Kläger nach den Maßgaben des Senaturteils in BFHE 227,
419, BStBl II 2010, 602 = SIS 10 02 23, auf das für
Einzelheiten zu verweisen ist, über 60 Nichtrückkehrtage
i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 nachgewiesen, so
dass die Grenzgängereigenschaft im Streitfall nicht
erfüllt ist.
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4. Das FG hat zutreffend berücksichtigt,
dass die Tätigkeit des Klägers i.S. des Art. 24 Abs. 1
Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 als in der Schweiz
ausgeübt gilt; der Senat verweist, um insoweit Wiederholungen
zu vermeiden, auf das Senatsurteil vom 11.11.2009 I R 83/08 (BFHE
227, 402, BStBl II 2010, 781 = SIS 10 02 24).
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