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Wirkungsloser Verzicht auf mündliche Verhandlung

Wirkungsloser Verzicht auf mündliche Verhandlung - Auslegung und Wirkung der Verzichtserklärung: Ein vom Kläger erklärter Verzicht auf mündliche Verhandlung wird wirkungslos, wenn das FG gleichwohl eine mündliche Verhandlung anberaumt. Das FG darf danach nur dann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wenn die Beteiligten erneut darauf verzichten. - Urt.; BFH 10.3.2011, VI B 147/10; SIS 11 13 34

Kapitel:
Rechtsbehelfe > Klageverfahren
Fundstellen
  1. BFH 10.03.2011, VI B 147/10
    BStBl 2011 II S. 556
    LEXinform 5011901

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 1.6.2011
    -/- in NWB 18/2011 S. 1518
    ge in DStRE 12/2011 S. 781
    St.Sch. in BFH/PR 7/2011 S. 288
    St.G. in HFR 6/2011 S. 659
Normen
[GG] Art. 103 Abs. 1
[FGO] § 90, § 94 a, § 119 Nr. 3 und Nr. 4
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 21.6.2023, SIS 23 10 74, Nichtzulassungsbeschwerde, Rüge einer Divergenz, Verzicht auf mündliche Verhandlung: 1. Die schlüssige Rü...
  • BFH 4.9.2019, SIS 19 19 02, Zufluss von Arbeitslohn bei Wertguthabenkonten: Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto zur Finanzierung...
  • BFH 12.10.2017, SIS 17 26 18, Verzicht auf mündliche Verhandlung, Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen: Ein Verzicht auf mündl...
  • BFH 4.8.2016, SIS 16 23 66, Berichtigung des FG-Urteils durch den BFH bei Aufhebung und Zurückverweisung, Verbrauch des Verzichts auf...
  • BFH 20.6.2016, SIS 16 19 10, Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und Verletzung des rechtlichen Gehörs: Verbindet der Steuerpflich...
  • BFH 19.4.2016, SIS 16 11 61, Widerruf des Verzichts auf mündliche Verhandlung: Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist als Prozessh...
  • BFH 14.4.2015, SIS 15 13 60, Wirkungsloser Verzicht auf mündliche Verhandlung, Auslegung und Wirkung einer (erneuten) Verzichtserkläru...
  • BFH 5.2.2014, SIS 14 10 97, Verzicht auf mündliche Verhandlung, Verbrauch der Verzichtserklärung: 1. Ein erklärter Verzicht auf mündl...
  • BFH 20.12.2012, SIS 13 10 82, Entscheidung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens: Beruht das beschlossene Urteil auf einem noch zu erl...
  • BFH 24.1.2012, SIS 12 13 56, Verfassungsmäßigkeit des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens, Verzicht auf mündliche...
  • BFH 17.10.2011, SIS 12 00 58, Verzicht auf mündliche Verhandlung, Sachaufklärungsrüge: 1. Auch in der Erklärung des Einverständnisses m...

 

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wenden sich mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 12.10.2010 3 K 323/10. Das FG hat in dem Verfahren die Klage, mit der die Kläger den Abzug von Unterhaltszahlungen in Höhe von 1.100 EUR nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes begehrten, ohne mündliche Verhandlung abgewiesen.

 

 

2

Dem Urteil vorangehend hatten die anwaltlich vertretenen Kläger (mit Schriftsatz vom 11.5.2010) und der Beklagte und Beschwerdegegner - das Finanzamt (FA) - (mit Schriftsatz vom 10.6.2010) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Gleichwohl hat das FG mit Verfügung vom 29.9.2010 einen Termin zur mündlichen Verhandlung für den 20.10.2010 anberaumt. Mit Schriftsatz vom 30.9.2010 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger wegen seines länger geplanten Jahresurlaubs die Verlegung der mündlichen Verhandlung. Mit Schreiben vom 11.10.2010 teilte das FG den Beteiligten mit, dass der Termin aufgehoben worden und die Ladung zu dem aufgehobenen Termin damit gegenstandlos sei.

 

 

3

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden habe. Die Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 und Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hätten nicht vorgelegen, so dass das FG den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt habe. Das FA hat hierzu keine Stellungnahme abgegeben.

 

 

4

II. Die Beschwerde ist zulässig und nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO).

 

 

5

1. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) und stellt eine Rechtsverletzung i.S. von § 119 Nr. 3 und Nr. 4 FGO dar.

 

 

6

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Verfahrensmangel im Sinne der vorgenannten Vorschrift u.a. dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Entscheidung des FG ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 2 FGO nicht gegeben sind (vgl. BFH-Urteile vom 4.11.1992 X R 7/92, BFH/NV 1993, 372; vom 5.7.1995 X R 39/93, BFHE 178, 301, BStBl II 1995, 842 = SIS 95 22 52, und vom 31.8.2010 VIII R 36/08, BFHE 231, 1, BStBl II 2011, 126 = SIS 10 36 94; jeweils m.w.N.). Das Fehlen dieser Voraussetzungen haben die Kläger im Streitfall zu Recht geltend gemacht.

 

 

7

Denn das FG konnte im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr von einem Verzicht der Kläger auf mündliche Verhandlung auf der Grundlage ihres vorbehaltlos erklärten Einverständnisses vom 11.5.2010 ausgehen.

 

 

8

Dieses Einverständnis hatte nämlich durch die Anberaumung der mündlichen Verhandlung seine prozessrechtliche Wirkung verloren. Eine Verzichtserklärung wird wirkungslos, wenn das Gericht selbst den Beteiligten gegenüber zum Ausdruck bringt, dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung allein durch den früher erklärten Verzicht nicht mehr für hinreichend legitimiert ansieht. So verbraucht sich der erklärte Verzicht durch eine erneute Anfrage des Gerichts und deren Ablehnung durch die Beteiligten (BFH-Urteil vom 29.4.1999 V R 102/98, BFH/NV 1999, 1480 = SIS 99 52 77) ebenso wie durch einen sich an einen früheren Verzicht anschließenden Auflagebeschluss (BFH-Urteil vom 5.3.1986 I R 28/81, BFH/NV 1987, 651) oder durch die Anberaumung eines Erörterungstermins unter Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beteiligten (BFH-Urteil in BFHE 231, 1, BStBl II 2011, 126 = SIS 10 36 94).

 

 

9

Diese einschränkende Auslegung der Verzichtserklärung und die Beschränkung ihrer Wirkung bis zur nächsten eine Sachentscheidung vorbereitenden Entscheidung des FG - wie hier der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung - ist aufgrund der besonderen Interessenlage der Beteiligten geboten (vgl. BFH-Urteile vom 9.8.1996 VI R 37/96, BFHE 181, 115, BStBl II 1997, 77 = SIS 97 03 96, und in BFHE 231, 1, BStBl II 2011, 126 = SIS 10 36 94). Denn der Verzicht hat für die Beteiligten weitreichende Folgen, weil er als Prozesshandlung nach der Rechtsprechung des BFH nicht wegen Irrtums anfechtbar und auch nicht frei widerrufbar ist (vgl. BFH-Urteile vom 20.6.1967 II 73/63, BFHE 90, 82, BStBl III 1967, 794 = SIS 67 05 03; vom 26.11.1970 IV R 131/69, BFHE 101, 61, BStBl II 1971, 241 = SIS 71 01 36; vom 4.4.1974 V R 161/72, BFHE 112, 316, BStBl II 1974, 532 = SIS 74 03 03; BFH-Beschluss vom 7.2.1990 III R 101/87, BFH/NV 1991, 402; für eine Zulässigkeit des Widerrufs bei wesentlicher Änderung der Prozesslage: BFH-Urteil vom 6.4.1990 III R 62/89, BFHE 160, 405, BStBl II 1990, 744 = SIS 90 17 53).

 

 

10

Danach ist die Einverständnis- oder Verzichtserklärung nur auf die nächste Sachentscheidung durch den Spruchkörper zu beziehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 115, BStBl II 1997, 77 = SIS 97 03 96; vgl. auch Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 128 Rz 60; Ortloff/Riese in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 101 Rz 11; Rößler, DStZ 1996, 190, 191). Für das weiter gehende Verfahren ist dann zum Schutz der Prozessbeteiligten entweder ein weiterer Verzicht auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung einzuholen oder eine mündliche Verhandlung anzuberaumen (vgl. BFH-Beschluss vom 10.3.2005 X B 182/03, BFH/NV 2005, 1068 = SIS 05 25 92, m.w.N.; anderer Ansicht - kein Verbrauch des Verzichts - Schallmoser in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 90 FGO Rz 64; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 90 FGO Rz 11 ff.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 90 Rz 15).

 

 

11

Ist eine Verzichtserklärung nach den vorstehenden Maßstäben wirkungslos geworden, ist eine gleichwohl ohne mündliche Verhandlung ergehende Entscheidung als verfahrensfehlerhaft i.S. des § 119 Nr. 4 FGO aufzuheben (BFH-Urteil in BFHE 231, 1, BStBl II 2011, 126 = SIS 10 36 94, m.w.N.).

 

 

12

b) Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 94a FGO nicht vorgelegen haben. Nach Satz 2 dieser Vorschrift muss auch in den Fällen, in denen der Streitwert bei einer auf Geldleistung gerichteten Klage 500 EUR nicht übersteigt, auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden. Der Antrag kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent gestellt werden (BFH-Urteil vom 22.9.1999 XI R 24/99, BFHE 190, 17, BStBl II 2000, 32 = SIS 00 03 06, m.w.N.). Hat ein Beteiligter - wie hier die Kläger - die Verlegung einer mündlichen Verhandlung beantragt, ist dies zugleich ein konkludenter Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (zu einem anderen Zeitpunkt).

 

 

13

2. Aufgrund des Verfahrensfehlers ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Der Verfahrensfehler ist ein absoluter Revisionsgrund, bei dem gemäß § 119 Nr. 4 FGO davon auszugehen ist, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Eine Sachentscheidung ist dem erkennenden Senat verwehrt (s. BFH-Urteile vom 5.11.1991 VII R 64/90, BFHE 166, 415, BStBl II 1992, 425 = SIS 92 12 51; vom 9.1.1997 VII R 17/96, BFH/NV 1997, 507; vom 18.2.1999 I R 127-129/97, BFH/NV 1999, 1464 = SIS 99 52 28). Im Hinblick darauf kann der Senat dahinstehen lassen, ob die angefochtene Entscheidung im Übrigen verfahrensfehlerfrei ist.