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I Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit
(VVaG). Er betreibt eine sog. substitutive Krankenversicherung,
also eine Krankenversicherung, die an die Stelle der gesetzlichen
Krankenversicherung tritt (vgl. § 12 Abs. 1 des Gesetzes
über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen -
Versicherungsaufsichtsgesetz - [VAG] in der für das Streitjahr
2000 maßgebenden Fassung).
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Im Streitjahr hat der Kläger
gemäß § 12a Abs. 1 VAG den dort definierten
„Überzins“ ermittelt und diesen gemäß
§ 12a Abs. 1 bis 2a VAG seinen Versicherten gutgebracht. Den
danach verbliebenen Teil des „Überzinses“ hat er
gemäß § 12a Abs. 3 VAG einer Rückstellung
für Beitragsrückerstattung zugeführt, die innerhalb
von drei Jahren zur Vermeidung oder Begrenzung von
Prämienerhöhungen oder zur
Prämienermäßigung zugunsten der Versicherten zu
verwenden ist, die am Bilanzstichtag das 55. bzw. 65. Lebensjahr
vollendet haben. In der Bilanz des Klägers auf den 31.12.2000
betrug diese Rückstellung 4.558.531 DM.
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Daneben war der Kläger Gesellschafter
einer GbR. Zweck dieser Gesellschaft ist die Beitragskalkulation
gemäß §§ 23, 110 und 111 des Sozialgesetzbuchs
- Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI - (in der
für das Streitjahr maßgebenden Fassung), die
Durchführung des finanziellen Ausgleichs gemäß
§ 111 Abs. 1 SGB XI, die Führung einer
Gemeinschaftsstatistik sowie die Überprüfung der
Risikoprüfung und der Schadensregulierung bei den einzelnen
Gesellschaftern für die private Pflegeversicherung. Nach
§ 8 des Poolvertrages stellen die Gesellschafter für die
private Pflegeversicherung eine eigene Abrechnung auf. Sich dort
ergebende Überschussmittel sind unabhängig vom
Gesamtergebnis des Versicherungsunternehmens der Rückstellung
für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung
zuzuführen. Entsprechend diesen Vorgaben hat der Kläger
für das Streitjahr das versicherungstechnische Ergebnis der
Pflegepflichtversicherung unabhängig vom übrigen
Gesamtergebnis gesondert ermittelt und Überschussmittel aus
der Pflegepflichtversicherung in Höhe von zwei Dritteln des
jährlichen Rohüberschusses in eine Rückstellung
für Beitragsrückerstattung eingestellt. Gemäß
§ 8 Abs. 2 des Poolvertrages sind die Mittel aus der
Rückstellung zur Senkung von
„Nettobedarfsbeiträgen“ und damit zur Reduzierung
der Pool-Umlage als Mittel des Risikoausgleichs nach § 111 SGB
XI zu verwenden und insoweit dieser binnen zweier Jahre ab
Rückstellungsbildung zu entnehmen und zugunsten der
Versicherten einzusetzen. Die von dem Kläger in seiner Bilanz
auf den 31.12.2000 nach § 8 des Poolvertrages gebildete
Rückstellung betrug 6.518.736 DM.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) vertrat die Auffassung, dass die nach § 12a
Abs. 3 VAG und § 8 des Pflege-Poolvertrages passivierten
Rückstellungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst.
e des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes
(StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) - EStG
1997 n.F. - abzuzinsen seien und dementsprechend der Gewinn um
43.384 DM zu erhöhen sei. § 21 Abs. 3 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) widerspreche dem nicht,
weil der darin bestimmte Ausschluss von dem Abzinsungsgebot des
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 n.F.
ausschließlich erfolgsabhängige, nicht jedoch - wie hier
- erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen erfasse
(vgl. auch Finanzministerium Schleswig-Holstein, Erlass vom
18.2.2008, KSt-Kartei SH § 21 KStG Karte 3).
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Die Klage gegen die hiernach
geänderten Steuerbescheide war erfolgreich. Das
Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab ihr durch Urteil vom
12.11.2008 6 K 355/08 statt; das Urteil ist in EFG 2009, 507 = SIS 09 07 66 veröffentlicht.
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Seine Revision stützt das FA auf
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt (sinngemäß), das
FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der angefochtenen Vorentscheidung und zur
Klageabweisung. Das FG hat zu Unrecht angenommen, der in § 21
Abs. 3 KStG 1999 angeordnete Ausschluss vom Abzinsungsgebot
gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 1 2.
Halbsatz i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 n.F.
erstrecke sich auf jegliche und nicht nur auf erfolgsabhängige
Beitragsrückerstattungen i.S. von § 21 Abs. 1 und 2 KStG
1999.
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1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG
1997 n.F. (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999, § 7 Satz 1 des
Gewerbesteuergesetzes 1999) sind Rückstellungen für
Verpflichtungen mit einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen, sofern
nicht die Laufzeit der zugrunde liegenden Verbindlichkeiten am
Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt. Das
Abzinsungsgebot wird jedoch durch § 21 Abs. 3 KStG 1999
ausgeschlossen; § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG 1997 n.F. ist danach
nicht anzuwenden.
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2. Der angeordnete Anwendungsausschluss
bezieht sich allein auf erfolgsabhängige
Beitragsrückerstattungen i.S von § 21 Abs. 1 und 2 KStG
1999 (im Ergebnis ebenso z.B. Groß in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 21
KStG Rz 11, 47; Roser in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 21 Rz 43;
wohl auch Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 21 KStG
Rz 10 i.V.m. Rz 40; Schlenker in Blümich, EStG, KStG, GewStG,
§ 21 KStG Rz 25; Olbing in Streck, KStG, 7. Aufl., § 21
Rz 7; anders z.B. J. Lohmar in Lademann,
Körperschaftsteuergesetz, § 21 Rz 7, 44; Hauswirth in
Ernst & Young, KStG, § 21 Rz 40; Schick in Erle/Sauter,
KStG, 2. Aufl., § 21 Rz 63 ff.).
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a) Ausdrückliche Vorbehalte dieses
Anwendungsausschlusses enthält das Gesetz nicht. Der
systematische Zusammenhang, in den der Ausschluss in § 21 KStG
1999 gestellt ist, belässt indes keinen Zweifel daran, dass er
sich nur auf jene Regelungsbereiche beziehen kann, die Gegenstand
der Abs. 1 und 2 der Vorschrift sind. In § 21 Abs. 1 KStG 1999
sind das - und zwar ausschließlich - sog.
erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen. Auch
Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen i.S. des
§ 21 Abs. 2 KStG 1999 sind nur diejenigen Rückstellungen,
die Beitragsrückerstattungen i.S. des § 21 Abs. 1 KStG
1999 betreffen. Letzteres war zwar zunächst umstritten und
wurde erst durch das Senatsurteil vom 9.6.1999 I R 17/97 (BFHE 189,
364, BStBl II 1999, 739 = SIS 99 20 25; zwischenzeitlich
bestätigt durch Senatsbeschluss vom 7.3.2007 I R 61/05, BFHE
217, 425, BStBl II 2007, 589 = SIS 07 19 53) höchstrichterlich
abschließend geklärt; das Urteil in BFHE 189, 364, BStBl
II 1999, 739 = SIS 99 20 25 konnte bei der maßgeblichen
Beschlußfassung über die Einfügung von § 21
Abs. 3 KStG 1999 durch das StEntlG 1999/2000/2002 im März 1999
noch nicht berücksichtigt werden. Das ändert indessen
nichts an dem Befund über den eingeschränkten
Regelungsgegenstand von § 21 Abs. 1 und 2 KStG 1999; (auch)
ein (erstmaliges) höchstrichterliches Urteil begründet
kein Recht, es schafft lediglich Klarheit über die von
vornherein bestehende Rechtslage auf der Basis des
positiv-gesetzten Rechts. So gesehen gibt es keine Veranlassung, in
Anbetracht eines möglicherweise abweichenden
Vorverständnisses des Gesetzgebers für § 21 Abs. 3
KStG 1999 den systematischen Regelungszusammenhang zu den
vorhergehenden beiden Absätzen der Vorschrift aufzulösen
und die Ausschlussklausel unabhängig davon auf jegliche
versicherungstechnische Beitragsrückerstattungen zu
verallgemeinern.
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b) Einem derartigen Verständnis
widersprächen nicht zuletzt die Gesetzesmaterialien, wonach es
sich bei § 21 KStG 1999 um eine steuerliche Sonderregelung
für Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen
von Versicherungsunternehmen handelt; diese Sonderregelung legt, so
die einschlägigen Materialien, „unter
anderem“ den derzeit steuerlich anzuerkennenden
Höchstbetrag dieser Rückstellungen fest. Vor diesem
Hintergrund bedürfe es insoweit der Anwendung der allgemeinen
Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG 1997 n.F. nicht
(Dritter Bericht des Finanzausschusses zum Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/ 2002 vom 3.3.1999, BTDrucks 14/443, S. 36). § 21
Abs. 3 KStG 1999 bestimmt also einen Ausnahmetatbestand zu einer
ansonsten allgemein wirkenden Regelung - dem Abzinsungsgebot des
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG 1997 n.F. -, was es rechtfertigt, ein
besonderes Augenmerk auf den Normzusammenhang zu richten, in
welchem diese Ausnahme steht. Ausschlaggebend ist danach, dass
§ 21 Abs. 2 KStG 1999 bereits einen Höchstwert für
Rückstellungen und zugleich „eine realitätsnahe
Bewertung“ vorsieht, der nicht durch die allgemeine Norm
des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG 1997 n.F unterschritten werden
soll; § 21 Abs. 3 KStG 1999 stellt das sicher (vgl. BTDrucks
14/443, S. 17 f.).
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c) Es wird geltend gemacht (z.B. J. Lohmar in
Lademann, a.a.O., § 21 Rz 7, 44; Hauswirth in Ernst &
Young, a.a.O., § 21 KStG Rz 40; Schick in Erle/Sauter, a.a.O.,
§ 21, Rz 65; s. auch Roser in Gosch, a.a.O., § 21 Rz 43),
Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen
trügen dem Rechtsgedanken der Verzinslichkeit bereits dadurch
Rechnung, dass sowohl in den Fällen der erfolgsabhängigen
wie der erfolgsunabhängigen Beitragsrückerstattung der
Zinsvorteil nicht beim steuerpflichtigen Versicherungsunternehmen
verbleiben solle, vielmehr über die Einbeziehung dieser Zinsen
in die Berechnung der Folgejahre den Versicherten wieder zugute
komme. Folglich lasse sich aus versicherungsrechtlicher und
-technischer Sicht eine Unterscheidung zwischen
erfolgsabhängigen und erfolgsunabhängigen Sachverhalten
für die hier in Rede stehende Abzinsungsfrage nicht
rechtfertigen. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang
zusätzlich auf § 341e Abs. 1 Satz 3 des
Handelsgesetzbuchs (HGB) i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des
Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) vom 25.5.2009
(BGBl I 2009, 1102) und den danach angeordneten Ausschluss der
versicherungstechnischen Rückstellungen von der Abzinsung nach
§ 253 Abs. 2 HGB hingewiesen. Solche Überlegungen
mögen, ohne dass dem im Einzelnen weiter nachzugehen
wäre, im wirtschaftlichen Ergebnis ebenso wie in
versicherungsaufsichts- und handelsrechtlicher Hinsicht richtig
sein. Sie ändern jedoch nichts daran, dass sich der
Gesetzgeber für eine Ausnahme vom Abzinsungsgebot nur im
konkreten Kontext des § 21 Abs. 1 und 2 KStG 1999 und damit
nur für erfolgsabhängige Erstattungen entschieden hat;
für eine tatbestandlich-zwingende Verknüpfung zwischen
Körperschaftsteuerrecht und Versicherungsaufsichtsrecht oder
Handelsrecht ist insofern nichts ersichtlich. An diese Entscheidung
für das Körperschaftsteuerrecht ist der Senat gebunden.
Sie ist hinreichend eindeutig und ermöglicht es nicht, eine
Regelungslücke als Voraussetzung für eine vom Kläger
eingeforderte analoge Anwendung von § 21 Abs. 3 KStG 1999
anzunehmen.
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3. Die Vorinstanz hat eine abweichende
Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Klage
ist abzuweisen.
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