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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) legte an der Berufsakademie S in der Studienrichtung
Technische Informatik die Abschlussprüfung erfolgreich ab. Er
ist danach berechtigt, die Bezeichnung Diplom-Ingenieur
(Berufsakademie - BA - ) zu führen. Nach der Berufsausbildung
war er auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung (EDV)
zunächst im Angestelltenverhältnis und später, so
auch im Streitjahr 2003, selbständig berufstätig.
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Die Tätigkeit des Klägers bestand
im Einzelnen darin, Rechnernetzwerke durch Installation und
Konfiguration von Windows-Software einzurichten, zu betreuen,
Störungen im Netzwerk zu beheben und die eingesetzte Software
im Einzelfall zu modifizieren. Außerdem hatte er das System
gegen unbefugten Zugriff zu sichern. Die Überwachung der
Server erfolgte mittels vom Kläger selbst entwickelter Hilfs-
und Dienstprogramme (Skripte). Als Systemadministrator oblag ihm
die Anwendung der vorhandenen Hard- und Software.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) und das Finanzgericht (FG) beurteilten seine
Tätigkeit als Gewerbebetrieb. Zur Begründung führte
das FG in seinem in EFG 2007, 1884 = SIS 07 36 72
veröffentlichten Urteil an, der Kläger sei zwar
Ingenieur, aber nicht als solcher tätig gewesen. Er habe nicht
System- oder Anwendersoftware durch eine klassische
ingenieurmäßige Vorgehensweise auf der Grundlage natur-
und technikwissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt, sondern eine
Tätigkeit als Netzwerk- und Systemadministrator ausgeübt.
Administrative Arbeiten dieser Art würden im Regelfall nicht
von Ingenieuren durchgeführt.
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Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG).
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene FG-Urteil und den Bescheid
für 2003 über den Gewerbesteuermessbetrag in Gestalt der
Einspruchsentscheidung aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen. Es schließt sich im
Wesentlichen der Argumentation der Vorinstanz an.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend
auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat
verzichtet.
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II. Die Revision ist begründet. Der Senat
entscheidet gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache und gibt der
Anfechtungsklage statt.
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Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid ist
rechtswidrig. Der Kläger unterhält keinen Gewerbebetrieb
(§ 15 Abs. 1 EStG), sondern erzielt als Ingenieur
Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. von § 18
Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
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1. Ingenieur im Sinne dieser Vorschrift ist,
wer über die erforderliche Berufsqualifikation verfügt
und eine Ingenieurtätigkeit auch tatsächlich
ausübt.
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a) Über die persönliche
Qualifikation als Ingenieur verfügt derjenige, der wegen der
Prägung des Berufsbildes des Ingenieurs durch die
Ingenieurgesetze der Länder aufgrund seiner Ausbildung an
einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule oder
eines Betriebsführerlehrganges an einer Bergschule befugt ist,
die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen (Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9.2.2006 IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270
= SIS 06 25 73; vom 18.4.2007 XI R 29/06, BFHE 218, 65, BStBl II
2007, 781 = SIS 07 28 45). Dem steht das Studium an einer
staatlichen Berufsakademie gleich, wenn sein Abschluss - wie hier -
zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur berechtigt (vgl.
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Sächsischen
Ingenieurgesetzes vom 23.2.1993, Sächsisches Gesetz- und
Verordnungsblatt 1993, 236).
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b) Eine Tätigkeit als Ingenieur zeichnet
sich dadurch aus, dass sie durch die Wahrnehmung von für den
Ingenieurberuf typischen Aufgaben geprägt wird. Welche
Aufgaben für den Beruf des Ingenieurs i.S. von § 18 Abs.
1 Nr. 1 EStG typisch sind, bestimmt sich nach der
Verkehrsanschauung und unterliegt insoweit umfassender
revisionsrechtlicher Nachprüfung. Hingegen ist die
Feststellung, ob die vom Steuerpflichtigen tatsächlich
ausgeübte Tätigkeit in diesem Sinne ingenieurtypisch
geprägt ist, Aufgabe des FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), an
dessen tatsächliche Feststellungen der BFH grundsätzlich
gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO).
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aa) Zu den Aufgaben des Ingenieurs gehört
es, auf der Grundlage naturwissenschaftlicher und technischer
Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher
Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre
Fertigung zu überwachen (BFH-Urteil vom 5.6.2003 IV R 34/01,
BFHE 202, 336, BStBl II 2003, 761 = SIS 03 37 79, m.w.N.). Typisch
für den Beruf des Ingenieurs sind aber auch überwachende,
kontrollierende und rein beratende Tätigkeiten, soweit sie
nicht auf bloße Absatzförderung gerichtet sind (vgl.
BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1270 = SIS 06 25 73). Kernbereiche des
Ingenieurberufs sind im Einzelnen: Forschung und Lehre,
Entwicklung, Konstruktion, Planung, Fertigung, Montage,
Inbetriebnahme und Instandhaltung, Vertrieb, Beratung, Versuchs-
und Prüfungswesen, technische Verwaltung und
Betriebsführung, Produktions- und Prozesssteuerung,
Sicherheit, Patent- und Normenwesen (vgl. BFH-Urteile vom 11.6.1985
VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584 = SIS 85 18 16; vom
7.9.1989 IV R 156/86, BFH/NV 1991, 359; Brockhaus
Enzyklopädie, 21. Aufl., Stichwort
„Ingenieur“; www.wikipedia.de, Stichwort
„Ingenieur“, Abschn. Berufsbild).
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bb) Auf dem Gebiet der EDV und der
Informationstechnik gehören zu den Tätigkeiten von
Ingenieuren nicht nur die Entwicklung und Konstruktion von Hard-
und Software (vgl. dazu BFH-Urteile vom 7.12.1989 IV R 115/87, BFHE
159, 171, BStBl II 1990, 337 = SIS 90 07 43; vom 7.11.1991 IV R
17/90, BFHE 166, 443, BStBl II 1993, 324 = SIS 92 08 38; vom
4.5.2004 XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989 = SIS 04 37 78; vom 18.4.2007 XI R 57/05, BFH/NV 2007, 1854 = SIS 07 32 14).
Die Tätigkeit eines Ingenieurs umfasst auch die Entwicklung
von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des
Kunden, die rechnergestützte Steuerung, Überwachung und
Optimierung industrieller Abläufe, den Aufbau, die Betreuung
und Verwaltung von Firmennetzwerken und -servern, die Anpassung
vorhandener Systeme an spezielle Produktionsbedingungen und
Organisationsstrukturen sowie die Bereitstellung qualifizierter
Dienstleistungen, wie etwa Benutzerservice und Schulung.
Informatik-Ingenieure arbeiten u.a. auch in der Netz- und
Systemadministration, sie beurteilen die Leistungsfähigkeit
von Rechnernetzen oder bewerten die Energieeffizienz bestehender
Systeme (zum Ganzen: Berufsinformationen der Bundesagentur für
Arbeit, abrufbar unter www.berufenet.arbeitsagentur.de, Berufe
„Ingenieur - Elektrotechnik/technische
Informatik“ und
„Ingenieurinformatik“).
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2. Nach diesen Grundsätzen war der
Kläger im Streitjahr als Ingenieur tätig.
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a) Als Absolvent der BA S verfügt der
Kläger über einen qualifizierten Studienabschluss und ist
berechtigt, die Berufsbezeichnung Diplom-Ingenieur (BA) zu
führen.
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b) Der Kläger hat eine freiberufliche
Tätigkeit auch tatsächlich ausgeübt. Diese war davon
geprägt, dass er für den freien Beruf des
Informatik-Ingenieurs typische Aufgaben wahrgenommen hat. Er war
unstreitig nicht fachfremd, sondern im Bereich der EDV
berufstätig. Nach den bindenden Feststellungen des FG hat er
als Systemadministrator Rechnernetze mit mehreren tausend Nutzern
überwacht, optimiert, betreut und verwaltet. Er war zudem
für die Fehleranalyse und -beseitigung verantwortlich.
Derartige Tätigkeiten werden vom Berufsbild des
Informatik-Ingenieurs erfasst.
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