Steuerberaterprüfung, abgeschlossene Berufsausbildung: Wer keine abgeschlossene Berufsausbildung erhalten hat, kann zur Steuerberaterprüfung auch dann nicht zugelassen werden, wenn er durch seine in praktischer Berufstätigkeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen über eine für die Prüfung und die spätere Tätigkeit als Steuerberater ausreichende "Vorbildung" verfügt. - Urt.; BFH 7.10.2009, VII R 45/07; SIS 09 34 33
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) möchte zur Steuerberaterprüfung zugelassen
werden. Er hat im Januar 2006 die Prüfung als Bilanzbuchhalter
bestanden und zuvor Rechtswissenschaft studiert, das Staatsexamen
jedoch nicht abgelegt. Aufgrund seiner in verschiedenen
Übungen erbrachten studienbegleitenden Prüfungsleistungen
hat ihm die Universität Freiburg bescheinigt, dass er die
Orientierungs- sowie die Zwischenprüfung bestanden habe und in
das zwölfte Fachsemester des Studienganges einzustufen
sei.
Bereits während seines Studiums hatte
der Kläger ein - später in eine GmbH, deren
Geschäftsführer der Kläger wurde, umgewandeltes -
Unternehmen gegründet. Darüber hinaus wirkte er nach den
Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in verschiedenen Unternehmen
sowie bei Verbänden „im steuerlichen
Bereich“.
Den 2004 vom Kläger gestellten Antrag
auf Zulassung zur Steuerberaterprüfung hat die damals
zuständige Behörde abgelehnt, weil der Kläger nicht
über die notwendige Vorbildung verfüge. Das dem
Kläger bescheinigte Bestehen der Zwischenprüfung sei
weder als Abschlussprüfung in einem kaufmännischen
Ausbildungsberuf noch als eine andere gleichwertige Vorbildung
anzusehen.
Die deswegen erhobene Klage hat das FG
durch das in EFG 2008, 412 = SIS 08 06 23 veröffentlichte
Urteil abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des
Klägers, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen
wird:
Der Kläger habe zwar nicht
gemäß § 36 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes
(StBerG) ein rechtswissenschaftliches oder
wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert und auch nicht
i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG die Prüfung für
einen kaufmännischen Ausbildungsberuf bestanden. § 36
Abs. 2 Nr. 1 StBerG lasse jedoch eine Zulassung zur Prüfung
auch bei einer „anderen gleichwertigen Vorbildung“ zu
und zeige mit dieser Wortwahl, dass der vollständige Abschluss
einer Ausbildung durch Prüfung nicht erforderlich sei. Dies
sei aus grundrechtlicher Sicht auch konsequent, da gerade der Fall
des Klägers zeige, wie groß die Diskrepanz zwischen
einer abgeschlossenen Berufsausbildung und der von ihm
nachgewiesenen beruflich bedingten Vorbildung sei. Ein
geprüfter Einzelhandelskaufmann, der unter Umständen
lediglich die Filiale eines Supermarktes geleitet habe, könne
(nach entsprechender Berufstätigkeit) zur
Steuerberaterprüfung zugelassen werden, wohingegen der
Kläger mit einer umfangreichen Berufserfahrung, die im
Wesentlichen von seiner Unternehmereigenschaft und den damit
verbundenen profunden steuerlichen Kenntnissen geprägt sei,
eine derartige Voraussetzung nach der Rechtsauffassung der
Senatsverwaltung nicht erfülle.
Zu Unrecht schließe das FG aus den
übrigen in § 36 StBerG aufgeführten
Tatbeständen, dass eine „Vorbildung“ nur durch ein
Abschlusszeugnis nachgewiesen werden könne. Das FG setze
voraus, dass der fehlende Kaufmannsgehilfenbrief schlechterdings
durch keine andere Voraussetzung ersetzt werden könne; das
widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, weil der
Kaufmannsgehilfenbrief keine zwingende Berufszugangsvoraussetzung
sei und eine Vielzahl beruflicher Positionen ohne dessen Vorlage
ausgeübt werden könne. Das FG habe zudem die
fachspezifische Berufserfahrung des Klägers von 20
Berufsjahren völlig unberücksichtigt gelassen.
Es sei zwischen dem Interesse an einer
ordnungsgemäßen Steuerrechtspflege und der Freiheit der
Berufswahl abzuwägen. Entscheidend für die Wahrung des
öffentlichen Interesses sei dabei die
Steuerberaterprüfung, während das zusätzliche
Kriterium des § 36 StBerG „andere gleichwertige
Vorbildung“ eine geringere Bedeutung habe. Insoweit
müssten die Vorbildungskriterien „entsprechend weit
ausgelegt werden“. Die Ausbildung des Klägers sei
deutlich anspruchsvoller als die in § 36 StBerG zugelassenen
Ausbildungsgänge. Es sei unverhältnismäßig,
als Vorbildung im Sinne der Vorschrift nur eine abgeschlossene
Ausbildung anzusehen.
Die Senatsverwaltung an deren Stelle zum
1.7.2009 die Steuerberaterkammer als Beklagte und Revisionsbeklagte
getreten ist (§ 157a Abs. 3 StBerG), ist der Meinung, die vom
Kläger ausgeübten Tätigkeiten, zumal in seinem
eigenen Unternehmen, könnten mit einem kaufmännischen
Ausbildungsabschluss schon deshalb nicht gleichgesetzt werden, weil
für diese Tätigkeiten eine kaufmännische Vorbildung
nicht vorgeschrieben gewesen sei. Zudem sei es der Finanzverwaltung
ohne Vorlage von Abschlusszeugnissen nicht möglich zu
beurteilen, ob eine vergleichbare Vorbildung vorhanden sei.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht
(§ 118 Abs. 1 FGO).
Nach § 36 Abs. 1 und 2 StBerG setzt die
Zulassung zur Steuerberaterprüfung - neben der Ausübung
einer praktischen Tätigkeit für eine bestimmte Zeit und
abgesehen von der hier nicht interessierenden Alternative des
§ 36 Abs. 2 Nr. 2 StBerG - in allen Alternativen voraus, dass
der Zulassungsbewerber eine (gleichsam theoretische)
Berufsausbildung erhalten hat, nämlich entweder ein
Hochschulstudium (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StBerG) oder eine
kaufmännische Berufsausbildung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 1.
Alternative StBerG) absolviert, eine Ausbildung als
Bilanzbuchhalter oder Steuerfachwirt erhalten (§ 36 Abs. 2 Nr.
1 3. Alternative StBerG) oder „eine andere gleichwertige
Vorbildung“ (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative
StBerG) erworben hat. Dass auch diese andere gleichwertige
Vorbildung in einem Berufsausbildungsgang erworben sein muss und
nicht etwa lediglich auf den durch praktische Berufstätigkeit
erlangten Kenntnissen und Fähigkeiten beruhen kann, wird daran
deutlich, dass § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG, der im Fall des
Klägers allein in Betracht kommt, schon seinem Wortlaut nach
auch für eine „andere gleichwertige
Vorbildung“ verlangt, dass der Prüfungsbewerber nach
„Abschluss der Ausbildung“ zehn Jahre
berufstätig gewesen ist, ebenso wie bei der folgenden 3.
Alternative des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG verlangt wird, dass
die praktische Berufstätigkeit eines geprüften
Bilanzbuchhalters oder Steuerfachwirts auf einer
„erfolgreich abgelegten Prüfung“, mithin
einer theoretischen Ausbildung zu diesem Beruf beruht.
Es fehlt nach Wortlaut und Systematik der
Vorschriften des § 36 Abs. 1 und 2 StBerG jeder
vernünftige Anhaltspunkt für die Annahme, zur
Steuerberaterprüfung könne auch zugelassen werden, wer
keinerlei abgeschlossene Berufsausbildung erhalten hat, wenn er nur
durch die in praktischer Berufstätigkeit erworbenen Kenntnisse
und Erfahrungen über eine für die Prüfung und die
spätere Tätigkeit als Steuerberater ausreichende
„Vorbildung“ verfügt. Nach der klaren und
eindeutigen Konzeption des StBerG steht die
Steuerberaterprüfung vielmehr auf steuerlichem Gebiet
lediglich angelernten Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung
nicht offen.
Diese gesetzliche Regelung ist nach Art. 12
Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zu beanstanden. Dieses Grundrecht
gewährleistet zwar dem Einzelnen das Recht, jede
Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, zur Grundlage
seiner Lebensführung, also zum Beruf zu machen.
Einschränkungen des Grundrechts sind aber aus Gründen des
Gemeinwohls zulässig; sie stehen allerdings unter dem Gebot
der Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit.
Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter
gehen, als die sie legitimierenden öffentlichen Interessen -
hier: das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden
Steuerrechtspflege und der Schutz des Publikums vor zur
Steuerberatung nicht hinreichend qualifizierten Personen (vgl. dazu
Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 18.6.1980 1 BvR
697/77, BVerfGE 54, 301 = SIS 80 03 68) - es erfordern.
Den Beruf des Steuerberaters als
Ausbildungsberuf (mit Zusatzprüfung nach langjähriger
Berufstätigkeit) auszugestalten, liegt indes im Rahmen der
Gestaltungsfreiheit, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung
subjektiver Berufszugangsvoraussetzungen in Anspruch nehmen kann;
deren Grenzen wären nur dann überschritten (vgl. schon
Beschluss des BVerfG vom 17.7.1961 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, 97),
wenn die Auffassung des Gesetzgebers, die Steuerberatung müsse
besonders qualifizierten, beruflich in einem einschlägigen
Ausbildungsgang vorgebildeten Personen vorbehalten werden,
offensichtlich fehlsam wäre. Die Annahme des Gesetzgebers, es
sei erforderlich, Gefahren vorzubeugen, die für die
Steuerrechtspflege und den Steuerbürger von fachlich zur
Steuerberatung ungeeigneten Personen ausgehen könnten, ist
indes ebenso wenig offensichtlich fehlsam, wie es die Grenzen der
gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit als zur Abwehr einer solchen
Gefahr ungeeignetes oder unverhältnismäßiges Mittel
überschreitet, von angehenden Steuerberatern neben
Berufserfahrung und in einer Prüfung nachzuweisenden
steuerlichen Kenntnissen zu verlangen, dass sie eine fachlich
einschlägige Berufsausbildung genossen haben. Solchen Gefahren
wird zwar nicht in erster Linie durch das Erfordernis des
erfolgreichen Abschlusses einer bestimmten Berufsausbildung,
sondern dadurch begegnet, dass die Bestellung zum Steuerberater
regelmäßig die Ablegung der Steuerberaterprüfung
voraussetzt. Denn das für den Steuerberater erforderliche
steuerliche Fachwissen wird im Rahmen der in § 36 Abs. 1 und 2
StBerG genannten Ausbildungsgänge in der Regel nicht oder doch
nicht in ausreichendem Umfang vermittelt. Gleichwohl ist eine
solche erste Berufsausbildung geeignet, die fachliche Grundlage
für die spätere Aneignung der theoretischen und
praktischen steuerlichen Fachkenntnisse zu legen, die der
Steuerberater benötigt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom
28.8.1990 VII R 25/89, BFHE 162, 159, BStBl II 1991, 154 = SIS 91 03 48).
Die Entscheidung des Gesetzgebers, auf
steuerlichem, kaufmännischem oder sonstigem wirtschaftlichen
Gebiet lediglich angelernten Personen den Zugang zur
Steuerberaterprüfung - und damit den Zugang zum Beruf des
Steuerberaters - zu verwehren, ist auch nicht deshalb, wie offenbar
die Revision meint, zu beanstanden, weil gemessen an den hohen
Anforderungen der Steuerberaterprüfung die durch eine
Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf erworbenen
theoretischen Kenntnisse nicht besonders ins Gewicht fallen
mögen und Prüfungsbewerber, die auf dem durch § 36
Abs. 2 Nr. 1 StBerG eröffneten Berufsweg die Zulassung als
Steuerberater anstreben, einen großen Teil der für eine
solche Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und
Erfahrungen nicht in ihrer ursprünglichen Berufsausbildung als
Kaufmann, Bilanzbuchhalter, Steuerfachwirt oder durch eine andere,
einer kaufmännischen Ausbildung gleichwertige Ausbildung,
sondern durch ihre langjährige praktische Berufstätigkeit
erworben haben werden. Denn abgesehen davon, dass Bewerber, die
eine solche Berufsausbildung genossen haben, dem Kläger
zumindest etwas an theoretischer Fundierung der angestrebten
Tätigkeit als Steuerberater voraus haben, konnte der
Gesetzgeber - worauf die Senatsverwaltung mit Recht
sinngemäß hingewiesen hat - dem Umstand Bedeutung
beimessen, dass der Abschluss einer solchen Berufsausbildung
für die Zulassungsbehörde leicht überprüfbar
ist und übrigens zudem die Vermutung rechtfertigt, dass die im
Anschluss daran ausgeübte berufliche Tätigkeit an den
Prüfungsbewerber Anforderungen stellte, die seiner zuvor
genossenen Berufsausbildung entsprachen, während sich im
Allgemeinen allein aufgrund einer praktischen Tätigkeit
für bestimmte Arbeitgeber oder gar für ein eigenes
Unternehmen nicht klar und eindeutig feststellen lässt, ob der
Prüfungsbewerber die erforderliche
„Vorbildung“ für eine erfolgversprechende
Teilnahme an der Steuerberaterprüfung und für eine
spätere Tätigkeit als Steuerberater besitzt.
In der Regel wird zudem dem angehenden
Steuerberater ohne weiteres zugemutet werden können,
zunächst eine der in § 36 StBerG aufgeführten oder
eine andere vergleichbare Berufsausbildung zu durchlaufen. Aber
auch wo dies auf Schwierigkeiten stößt, weil die
Möglichkeit, Steuerberater zu werden, erst spät ins
Blickfeld kommt, kann der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen
für verpflichtet gehalten werden, durch eine § 36 StBerG
ergänzende „Öffnungsklausel“ für
atypische Fälle wie den des Klägers - trotz der
Schwierigkeiten deren verwaltungsmäßigen Vollzugs -
solchen Spätberufenen den Zugang zum Beruf trotz Fehlens einer
entsprechenden Ausbildung zu ermöglichen.
Der Kläger kann schließlich die
Zulassung zur Steuerberaterprüfung auch nicht etwa deshalb
beanspruchen, weil er während seines rechtswissenschaftlichen
Studiums an Übungen teilgenommen hat, weil die erfolgreiche
Teilnahme daran offenbar überprüft und weil aufgrund
dieser Umstände von der Universität ein (offenbar
fiktives) Bestehen einer Orientierungs- und Zwischenprüfung
bescheinigt worden ist. Denn ungeachtet der Vergleichbarkeit der in
universitären Übungen erbrachten Prüfungsleistungen
mit der Abschlussprüfung eines Berufsausbildungsganges und
ungeachtet auch der vom FG nicht näher erörterten
Prüfungsgegenstände und ihrer Gleichwertigkeit mit einer
kaufmännischen Ausbildung bedarf es keiner näheren
Ausführung, dass ein solches abgebrochenes Hochschulstudium,
wie es der Kläger betrieben hat, keine abgeschlossene
Berufsausbildung in dem Sinne ist, wie sie § 36 Abs. 1 und 2
StBerG fordert.
Die Revision ist daher zurückzuweisen
(§ 126 Abs. 2 FGO).