Familienheimflug, Entfernungspauschale: 1. Der Umstand, dass der Gesetzgeber Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. - 2. Mit dem Abzug der tatsächlichen Flugkosten wahrt der Gesetzgeber das objektive Nettoprinzip in besonderer Weise und trägt folgerichtig dem Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit Rechnung. - 3. Soweit die Entfernungspauschale als entfernungsabhängige Subvention und damit als Lenkungsnorm wirkt, ist es gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber aus verkehrs- und umweltpolitischen Motiven Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat. - 4. Mit dem Abzug der tatsächlichen Flugkosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG verstößt der Gesetzgeber nicht wegen eines normativen Vollzugsdefizits gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 31.8.2009, IV C 5 - S 2351/09/10002, BStBl 2009 I S. 891 = SIS 09 28 51) - Urt.; BFH 26.3.2009, VI R 42/07; SIS 09 18 62
I. Streitig ist, ob Aufwendungen der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für
Heimflüge im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung in
Höhe der Entfernungspauschale angesetzt werden
können.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) hat im Einkommensteuerbescheid 2002 die
tatsächlichen Flugkosten zum Werbungskostenabzug zugelassen.
Einspruchs- und Klageverfahren, in denen die Klägerin den
Ansatz der Entfernungspauschale auch für die mit dem Flugzeug
zurückgelegte Wegstrecke begehrte, blieben ohne Erfolg (vgl.
SIS 07 00 70).
Mit der vom Senat zugelassenen Revision
rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts,
insbesondere einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des
Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie, wegen eines normativen
Vollzugsdefizits, gegen das Willkürverbot.
Die Kläger beantragen,
zunächst das Verfahren vorab nach Art.
100 Abs. 1 GG auszusetzen und wegen Verletzung des
Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG eine
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
einzuholen,
sodann das Urteil des Finanzgerichts (FG)
Nürnberg vom 18.7.2006 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2002 vom 27.1.2004 - in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 17.1.2005 - dahingehend abzuändern,
dass zur Abgeltung von 44 Familienheimfahrten Werbungskosten wegen
doppelter Haushaltsführung in Höhe von 11.246,40 EUR -
unter Abzug der bisher für diese Fahrten berücksichtigten
Aufwendungen - angesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat Werbungskosten der Klägerin
für Heimflüge im Rahmen einer doppelten
Haushaltsführung zu Recht nicht nach der Entfernungspauschale
bemessen.
1. Werbungskosten sind auch notwendige
Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus
beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung
entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen
die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird (§ 9 Abs.
1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Art. 1
Nr. 7 des Steueränderungsgesetzes 2003 - StÄndG 2003 -
vom 15.12.2003, BGBl I 2003, 2645 - EStG -, die nach § 52 Abs.
23b EStG in allen noch nicht formell bestandskräftigen
Fällen anzuwenden ist). Aufwendungen für die Wege vom
Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und
zurück (Familienheimfahrten) können jeweils nur für
eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden (§ 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
Satz 4 EStG 2002). Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine
Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,40 EUR
für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des
eigenen Hausstands und dem Beschäftigungsort anzusetzen
(§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Satz
3 Nr. 5 Satz 5 EStG 2002). Dies gilt nicht für eine
Flugstrecke (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. Nr. 4 Satz
3 EStG bzw. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6 i.V.m. Nr. 4 Satz 3
EStG 2002).
Das FG hat die Vorschriften über die
steuerrechtliche Berücksichtigung von Familienheimfahrten
zutreffend angewendet. Auf der Grundlage der einfachgesetzlichen
Rechtslage sind Aufwendungen für Flüge zwischen
Beschäftigungs- und Wohnort im Rahmen einer doppelten
Haushaltsführung auch dann nur in Höhe der
tatsächlichen Kosten dem Werbungskostenabzug zugänglich,
wenn sich bei Anwendung der Entfernungspauschale ein höherer
Abzugsbetrag ergäbe.
2. Der Umstand, dass der Gesetzgeber
Flugstrecken nicht in die Entfernungspauschale einbezogen hat,
begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierauf hat schon
die Vorinstanz zutreffend hingewiesen. Insbesondere
verstößt die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG nicht gegen Art. 3
Abs. 1 GG. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG kommt im
Streitfall daher nicht in Betracht.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs.
1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für
ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche
Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben
sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen
unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom
bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Im
Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des
Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen
weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche
Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an
die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als
rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich
des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander
verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der
Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und
durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Die für die
Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche
finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache
Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip.
Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das
Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen
einerseits und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen
sowie den (privaten) existenzsichernden Aufwendungen andererseits
(BVerfG-Urteil vom 9.12.2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2
BvL 2/08, BFH/NV 2009, 338 = SIS 08 43 42, m.w.N.).
Diesen verfassungs- wie einfachrechtlichen
Maßstäben wird die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG gerecht.
Schließlich lässt der Gesetzgeber Aufwendungen für
Flüge zwischen Beschäftigungs- und Wohnort im Rahmen
einer doppelten Haushaltsführung in Höhe der
tatsächlichen Kosten und nicht nur beschränkt durch die
Entfernungspauschale zum Werbungskostenabzug zu. Damit wahrt der
Gesetzgeber das objektive Nettoprinzip in besonderer Weise und
trägt folgerichtig dem Gebot der Besteuerung nach der
finanziellen Leistungsfähigkeit Rechnung.
b) Aber auch soweit die Entfernungspauschale
als entfernungsabhängige Subvention und damit als Lenkungsnorm
wirkt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.5.2005 VI R
70/03, BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785 = SIS 05 36 03), kommt
eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG wegen ihrer Versagung
im Streitfall nicht in Betracht.
Der Steuergesetzgeber ist grundsätzlich
nicht gehindert, außerfiskalische Förderungs- und
Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen. Er
darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch
mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft
gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht
rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet,
erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten
Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines
erwünschten Verhaltens ein Motiv, sich für ein bestimmtes
Tun oder Unterlassen zu entscheiden. Nur dann jedoch, wenn solche
Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren
gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie auch
geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche
Belastungen oder Entlastungen zu liefern. Weiterhin muss der
Förderungs- und Lenkungszweck gleichheitsgerecht ausgestaltet
sein, und auch Vergünstigungstatbestände müssen
jedenfalls ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung
aufweisen (BVerfG-Urteil in BFH/NV 2009, 338 = SIS 08 43 42,
m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben begegnet der
Umstand, dass der Gesetzgeber Flugstrecken nicht in die
Entfernungspauschale einbezogen hat, keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken.
Lenkungswirkung entfaltet die
Entfernungspauschale, wenn die tatsächlichen Wegekosten
niedriger sind als der nach der Pauschale bemessene Aufwand (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 209, 508, BStBl II 2005, 785 = SIS 05 36 03).
Dies ist in erster Linie bei der Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel, bei der Sammelbeförderung durch den
Arbeitgeber und bei Fahrgemeinschaften der Fall.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, in diesen
Fällen eine Steuervergünstigung zu gewähren, ist
erkennbar von umwelt- und verkehrspolitischen Zielen getragen. Die
Entfernungspauschale soll insbesondere die Chancengleichheit
zwischen den Verkehrsträgern erhöhen und die Bildung von
Fahrgemeinschaften honorieren (BTDrucks 14/4242, 5). Es ist deshalb
gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die
Entfernungspauschale in Fällen, die - wie das Flugzeug -
Fahrgemeinschaften nicht zugänglich sind, für entbehrlich
hält. Ebenfalls mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist es, wenn
bei der Benutzung eines Flugzeugs die tatsächlichen Kosten und
bei der Benutzung der Bahn Aufwendungen in Höhe der
Entfernungspauschale steuermindernd berücksichtigt werden. Der
Umstand, dass die Bahn gegenüber dem Flugzeug in Bezug auf den
Primärenergieverbrauch und den Ausstoß von
Treibhausgasen das umweltfreundlichere Verkehrsmittel ist, erlaubt
eine unterschiedliche Behandlung der beiden Verkehrsmittel im
Rahmen der umwelt- und verkehrspolitisch motivierten (BTDrucks
14/4242, 5) Entfernungspauschale. Insbesondere ist darin keine
willkürliche Differenzierung nämlicher Sachverhalte zu
erblicken.
Im Übrigen sucht der Gesetzgeber mit
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 4 Satz 3 EStG unerwünschte Mitnahmeeffekte, insbesondere
bei Familienheimfahrten, zu verhindern (BTDrucks 14/4242, 6). Er
konnte typisierend davon ausgehen, dass mit dem Flugzeug in der
Regel größere Entfernungen zurückgelegt werden und
deshalb steuerliche Entlastung bei Anwendung der
Entfernungspauschale und tatsächliche Wegekosten in besonderem
Maße gegenläufig wären. Die Versagung der
Entfernungspauschale für Flugstrecken ist damit auch insoweit
sachlich gerechtfertigt.
c) Schließlich verstößt
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 4 Satz 3 EStG nicht wegen eines normativen Vollzugsdefizits
gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Insoweit verkennen die
Kläger, dass es im Fall der Werbungskosten für
Familienheimfahrten nicht ausschließlich auf die
Erklärung des Steuerpflichtigen ankommt, ob er
wahrheitsgemäß die tatsächlichen Flugkosten oder
die Entfernungspauschale geltend macht. Insbesondere hat der
Gesetzgeber insoweit nicht auf die Möglichkeit der
Verifikation verzichtet. Schließlich muss im
Veranlagungsverfahren der Steuerpflichtige steuermindernde
Abzugstatbestände nachweisen und damit gegebenenfalls auch
belegen, mit welchem Verkehrsmittel er im Rahmen der doppelten
Haushaltsführung Familienheimfahrten durchgeführt hat.
Dies ist insbesondere auch dann erforderlich, wenn der
Steuerpflichtige die Wegekosten nach der Entfernungspauschale
berechnet und eine hohe Fahrleistung behauptet oder in Frage steht,
ob der Steuerpflichtige Familienheimfahrten mit einem im Rahmen
einer Einkunftsart überlassenen Kraftfahrzeug
zurückgelegt hat (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6
EStG).