Revisionsverfahren, bestimmende Schriftsätze, elektronische Signatur: Die monetäre Beschränkung einer qualifizierten elektronischen Signatur steht der Wirksamkeit einer nach § 52 a Abs. 1 FGO elektronisch übermittelten Revisionseinlegung und Erledigungserklärung nicht entgegen. - Urt.; BFH 19.2.2009, IV R 97/06; SIS 09 15 28
I. Mit Gesellschaftsvertrag vom 4.12.2000
gründete die Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) zusammen mit N. eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts (im Folgenden: GbR). Gegenstand der GbR war der Handel mit
...bedarf, die Organisation und Durchführung von ...kursen,
die Organisation und Durchführung von Ausstellungen, der
Betrieb eines ...salons sowie die Erbringung von ...leistungen. Zum
30.4.2004 schied N. aus der GbR aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ordnete im Jahr 2005 die Durchführung einer
Außenprüfung bei der GbR betreffend die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Einkünften, die Umsatzsteuer
sowie die Gewerbesteuer jeweils für den Zeitraum 2001 bis 2003
an. Einwendungen gegen die Prüfungsanordnung wurden nicht
erhoben.
Nachdem das FA Ende Juni 2005 mit der
angeordneten Prüfung begonnen hatte, erweiterte es mit
weiterer Prüfungsanordnung vom 14.7.2005 den
Prüfungszeitraum auf das Jahr 2004. Die Prüfungsanordnung
vom 14.7.2005 gab das FA sowohl N. als auch der Klägerin
jeweils „als ehemalige Gesellschafter der zum 30.04.2004
aufgelösten GbR für“ die GbR bekannt.
Der dagegen von der Klägerin
eingelegte Einspruch war erfolglos.
Mit von ihrem Prozessbevollmächtigten
auf elektronischem Wege übermittelten und von diesem mit einer
digitalen Signatur versehenen Dokument erhob die Klägerin
daraufhin Klage. Die Verifikation der Signatur ergab u.a., dass
für das der Signatur zugrunde liegende Zertifikat eine
„monetäre Beschränkung“ von 100 EUR
eingetragen war.
Im Verlauf des Klageverfahrens fand eine
Besprechung beim FA statt. Dabei verständigten sich die
Beteiligten u.a. auch darauf, alle anhängigen
finanzgerichtlichen Verfahren in der Hauptsache für erledigt
zu erklären. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
übermittelte daraufhin unter Bezugnahme auf die erzielte
Verständigung im Rahmen des sog. Elektronischen Gerichts- und
Verwaltungspostfaches (EGVP-Verfahren) auf elektronischem Wege eine
von ihm mit einer qualifizierten Signatur versehene
Erledigungserklärung.
Da laut „Prüfprotokoll für
den Empfänger“ nicht geprüft worden war, ob der bei
der Signatur verwendete Signaturschlüssel nach Art und Umfang
beschränkt war, hat das Finanzgericht (FG) mit Schriftsatz vom
7.9.2006 gebeten, ergänzend mitzuteilen, ob für die
Nutzung des verwendeten Signaturschlüssels eine
Anwendungsbeschränkung, insbesondere eine monetäre
Beschränkung, gelte und - wenn dies zutreffe - nähere
Angaben zu dieser zu machen sowie ggf. die digital
übermittelte Erklärung noch einmal handschriftlich
unterzeichnet im Original oder per Fax zu übermitteln. Dieser
Bitte entsprach der Bevollmächtigte der Klägerin
nicht.
Das FA hat mit Schriftsatz vom 14.9.2006
die Hauptsache für erledigt erklärt.
Das FG hat die Klage als unzulässig
abgewiesen. Das Urteil ist in EFG 2007, 55 = SIS 06 47 08
veröffentlicht. Zur Begründung hat es ausgeführt,
die Erledigungserklärung der Klägerin sei unwirksam, weil
nicht feststehe, ob für die dabei verwendete Signatur eine
„monetäre Beschränkung“ bestanden habe. Die
Klage sei unzulässig, da das Rechtsschutzbedürfnis im
Hinblick auf die mit dem FA erzielte
„Verständigung“ nicht mehr bestehe und die
Klägerin in der mündlichen Verhandlung keine
Sachanträge gestellt habe.
Der Bevollmächtigte der Klägerin
hat die Revision zusammen mit deren Begründung fristgerecht
elektronisch im EGVP-Verfahren übermittelt und qualifiziert
signiert. Laut „Prüfprotokoll für den
Empfänger“ wurden Beschränkungen der Nutzung des
Signaturschlüssels nach Art und Umfang nicht geprüft. Die
Klägerin rügt die Verletzung formellen Rechts.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und
die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
II. Die zulässige Revision der
Klägerin ist begründet; das Urteil ist daher aufzuheben
und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Die Revision der Klägerin ist
zulässig; sie hat die Revision wirksam eingelegt.
a) Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die
Revision schriftlich einzulegen. Die Rechtsprechung verlangt
grundsätzlich die eigenhändige (handschriftliche)
Unterschrift unter das entsprechende Schriftstück (z.B.
Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.1.2002 X B
143/01, BFH/NV 2002, 669 = SIS 02 62 54, m.w.N.; vom 10.7.2002 VII
B 6/02, BFH/NV 2002, 1597 = SIS 03 02 63). Mit Hilfe des
Unterschriftserfordernisses soll der Aussteller unzweifelhaft
identifiziert werden; ferner soll sichergestellt sein, dass es sich
bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt,
sondern eine verbindliche Prozesserklärung dem Gericht
zugeleitet wird (BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R 22/06, BFHE 215,
47, BStBl II 2007, 276 = SIS 07 00 35, unter II.1. der Gründe,
m.w.N.).
Gemäß dem ab 1.4.2005 geltenden
§ 52a Abs. 1 FGO können die Beteiligten dem Gericht
elektronische Dokumente - und damit auch die Revisionseinlegung
(vgl. § 120 Abs. 1 Satz 4 FGO) - übermitteln, soweit dies
für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch
Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierungen
zugelassen worden ist (Satz 1). Die Rechtsverordnung bestimmt den
Zeitpunkt, von dem an Dokumente an ein Gericht elektronisch
übermittelt werden können, sowie die Art und Weise, in
der elektronische Dokumente einzureichen sind (Satz 2). Für
Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden
Schriftstück gleichstehen, ist eine qualifizierte
elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes -
SigG - (BGBl I 2001, 876) vorzuschreiben (Satz 3). Neben der
qualifizierten elektronischen Signatur kann auch ein anderes
sicheres Verfahren zugelassen werden, das die Authentizität
und die Integrität des übermittelten elektronischen
Dokuments sicherstellt (Satz 4).
Ihrer Rechtsnatur nach ist die Signatur ein
Funktionsäquivalent zur eigenhändigen Unterschrift
(BFH-Urteil in BFHE 215, 47, BStBl II 2007, 276 = SIS 07 00 35,
unter II.1. der Gründe, m.w.N.).
b) Nach § 1 der Verordnung über den
elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim
Bundesfinanzhof - ERVVOBVerwG/BFH - (BGBl I 2004, 3091) können
beim BFH ab dem 1.12.2004 in allen Verfahrensarten elektronische
Dokumente eingereicht werden.
c) Die vom Prozessbevollmächtigten der
Klägerin elektronisch übermittelte und mit einer
qualifizierten Signatur versehene Revision genügt diesen
Anforderungen. Eine eventuell bestehende monetäre
Beschränkung der Signatur ist ohne Bedeutung.
aa) Gemäß § 2 Nr. 1 SigG sind
„elektronische Signaturen“ im Sinne dieses
Gesetzes Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen
Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und
die zur Authentifizierung dienen. „Fortgeschrittene
elektronische Signaturen“ sind elektronische Signaturen
nach Nr. 1, die ausschließlich dem
Signaturschlüssel-Inhaber zugeordnet sind, die Identifizierung
des Signaturschlüssel-Inhabers ermöglichen, mit Mitteln
erzeugt werden, die der Signaturschlüssel-Inhaber unter seiner
alleinigen Kontrolle halten kann, und mit den Daten, auf die sie
sich beziehen, so verknüpft sind, dass eine nachträgliche
Veränderung der Daten erkannt werden kann (§ 2 Nr. 2
SigG). Gemäß § 2 Nr. 3 SigG sind
„qualifizierte elektronische Signaturen“
elektronische Signaturen nach Nr. 2, die auf einem zum Zeitpunkt
ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und
mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt werden.
Nach § 2 Nr. 6 SigG sind
„Zertifikate“ elektronische Bescheinigungen, mit
denen Signaturprüfschlüssel einer Person zugeordnet
werden und die Identität dieser Person bestätigt wird.
„Signaturprüfschlüssel“ sind
elektronische Daten wie öffentliche kryptographische
Schlüssel, die zur Überprüfung einer elektronischen
Signatur verwendet werden (§ 2 Nr. 5 SigG).
„Qualifizierte Zertifikate“ sind nach § 2
Nr. 7 SigG elektronische Bescheinigungen nach Nr. 6 für
natürliche Personen, die die Voraussetzungen des § 7 SigG
erfüllen und von Zertifizierungsdiensteanbietern ausgestellt
werden, die mindestens die Anforderungen nach den §§ 4
bis 14 oder § 23 SigG und der sich darauf beziehenden
Vorschriften der Rechtsverordnung nach § 24 SigG
erfüllen.
Ein qualifiziertes Zertifikat muss nach §
7 Abs. 1 SigG bestimmte im Einzelnen aufgeführte Angaben
enthalten und seinerseits eine qualifizierte elektronische Signatur
tragen; notwendig sind gemäß Nr. 7 Angaben darüber,
ob die Nutzung des Signaturschlüssels auf bestimmte
Anwendungen nach Art oder Umfang beschränkt ist, und
gemäß Nr. 9 nach Bedarf Attribute des
Signaturschlüssel-Inhabers.
bb) Gemäß § 5 Abs. 2 SigG kann
ein qualifiziertes Zertifikat auf Verlangen eines Antragstellers
Angaben über seine Vertretungsmacht für eine dritte
Person sowie berufsbezogene oder sonstige Angaben zu seiner Person
(Attribute) enthalten.
Attribute sind besondere Eigenschaften,
Stellungen oder Beschränkungen des Zertifikatsinhabers.
Derartige Attribute können als zusätzliche Information in
das Zertifikat (auch Hauptzertifikat oder
Signaturschlüsselzertifikat genannt) aufgenommen werden, das
den öffentlichen Schlüssel des Zertifikatsinhabers
enthält, oder als eigenständiges Attribut-Zertifikat von
der Zertifizierungsstelle für den Kunden generiert werden
(§ 7 Abs. 2 SigG). Sowohl die Eintragung von Attributen in das
Zertifikat als auch die Erstellung von Attribut-Zertifikaten sind
für den Kunden optional.
cc) Die sog. monetäre Beschränkung
ist ein solches Attribut. Der Antragsteller kann bezüglich der
monetären Beschränkung lediglich angeben, ob und in
welcher Höhe eine Beschränkung eingetragen werden soll.
Weitere Spezifizierungsmöglichkeiten bestehen nicht.
Die monetäre Beschränkung bezieht
sich auf unmittelbare finanzielle Transaktionen (z.B. auf
Überweisungsvorgänge und andere Geldgeschäfte).
Dieser Funktion entsprechend ist eine monetäre
Beschränkung unbeachtlich, wenn die Signatur verwendet wird,
um einen (bestimmenden) Schriftsatz an das Gericht zu
übermitteln. In diesem Fall geht es nicht um eine finanzielle
Transaktion, sondern allein um den Nachweis der Urheberschaft des
Schriftsatzes und des prozessualen Erklärungswillens des
Absenders. Die Signatur wird dann nicht für Geldgeschäfte
(z.B. Kauf) eingesetzt, sondern für eine Prozesshandlung. Die
monetäre Beschränkung hat in diesem Zusammenhang keine
Bedeutung; die Signatur erfüllt ihren Zweck, indem die
Authentizität der Herkunft des Dokuments gewährleistet
wird (BFH-Urteil in BFHE 215, 47, BStBl II 2007, 276 = SIS 07 00 35, unter II.2.c der Gründe).
2. Die Revision ist begründet. Das FG hat
zu Unrecht durch Prozessurteil die Klage als unzulässig
abgewiesen. Denn die Erledigungserklärung der Klägerin
ist - entgegen der Auffassung des FG - wirksam. Die Beteiligten
haben die Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt; der Rechtsstreit wurde dadurch beendet. Das FG
hätte demnach lediglich nach § 138 FGO eine
Kostenentscheidung treffen dürfen.
a) Die Klägerin hat die Hauptsache durch
die von ihrem Prozessbevollmächtigten elektronisch
übermittelte, mit einer qualifizierten Signatur versehene
Erklärung wirksam für erledigt erklärt.
aa) Die Erledigung kann in der mündlichen
Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu
Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden (§ 155
FGO i.V.m. § 91a Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -
; Brandt in Beermann/ Gosch, FGO § 138 Rz 99;
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 138 Rz
13; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung,
§ 138 FGO Rz 19; Schwarz in Hübschmann/ Hepp/Spitaler,
§ 138 FGO Rz 51).
bb) In Ausübung der Ermächtigung des
§ 52a Abs. 1 FGO können nach § 1 Abs. 2, § 2
Abs. 2 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr
bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande
Nordrhein-Westfalen - ERVVO VG/FG - (GV NRW 2005, 926) bei den
Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen elektronische
Dokumente über den elektronischen Gerichtsbriefkasten in allen
Verfahren ab dem 1.1.2006 eingereicht werden.
cc) Eine eventuelle monetäre
Beschränkung der vom Bevollmächtigten der Klägerin
verwendeten qualifizierten Signatur stand der Wirksamkeit der
Erledigungserklärung nicht entgegen (vgl. II.1.c cc).
b) Auch das FA hat die Hauptsache für
erledigt erklärt.
c) Durch die übereinstimmende
Erledigungserklärung der Beteiligten wurde der Rechtsstreit
beendet (BFH-Urteil vom 16.11.2000 XI R 28/99, BFHE 193, 494, BStBl
II 2001, 303 = SIS 01 06 12, unter II.1. der Gründe, m.w.N.).
Das FG hätte demnach lediglich nach § 138 FGO eine
Kostenentscheidung treffen dürfen. Das FG hat jedoch
verfahrensfehlerhaft die Erledigungserklärung als unwirksam
erachtet und die Klage durch Urteil als unzulässig abgewiesen
(vgl. BFH-Beschluss vom 30.5.2007 III B 12/06, BFH/NV 2007, 1905 =
SIS 07 32 53).