Deutsche Telekom, Bonusaktien, Sammelauskunftsersuchen: 1. Die allgemeine, nach der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen nicht erklärt werden, genügt nicht, um Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung als "hinreichend veranlasst" und nicht als Ausforschung "ins Blaue hinein" erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr der Darlegung einer über die bloße allgemeine Lebenserfahrung hinausgehenden, erhöhten Wahrscheinlichkeit, unbekannte Steuerfälle zu entdecken. - 2. Sind die durch den Bezug von Bonusaktien der Deutschen Telekom AG erzielten Einkünfte in der von der Bank ihren Kunden übersandten Erträgnisaufstellung nicht erfasst worden, die Kunden aber durch ein Anschreiben klar und unmissverständlich dahin informiert worden, dass diese Einkünfte nach Auffassung der Finanzverwaltung einkommensteuerpflichtig sind, stellt dies keine für eine Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung dar, die etwa mehr als bei Kapitaleinkünften aus bei Banken gehaltenen Wertpapierdepots sonst dazu herausfordert, solche Einkünfte dem Finanzamt zu verschweigen. - Urt.; BFH 16.1.2009, VII R 25/08; SIS 09 14 87
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine Bank, hat Kunden Bonusaktien aus dem sog.
zweiten und dritten Börsengang der Deutschen Telekom AG
(Telekom) zugeteilt und in deren Depots aufgenommen. Bereits bei
der ersten Zuteilung hat sie die betroffenen Kunden darauf
hingewiesen, dass die Zuteilungen nach Auffassung des
Bundesministeriums der Finanzen der Einkommensteuerpflicht
unterlägen. In die Erträgnisaufstellung für 2000
nahm die Klägerin die Erträge - 43,40 EUR pro Treueaktie
- jedoch nicht auf, fügte dieser aber eine Erläuterung
bei, in der erneut darauf hingewiesen wurde, dass der vorgenannte
Betrag in der Anlage KAP der Einkommensteuererklärung
anzugeben sei. Ähnlich waren die Erträgnisaufstellungen
für 2002 gestaltet; der steuerlich maßgebliche Wert
wurde dort mit 17,60 EUR angegeben.
Die Steuerfahndungsstelle des Beklagten und
Revisionsklägers (Finanzamt - FA - ) hat bei einem Kunden der
Klägerin festgestellt, dass dieser Einkünfte aus der
Zuteilung von fünf Treueaktien nicht in seiner
Steuererklärung für 2000 angegeben hat. Ferner hat die
Steuerfahndungsstelle eines baden-württembergischen Finanzamts
bei zwei dortigen Banken Prüfungen durchgeführt und der
dem Finanzamt übergeordneten Oberfinanzdirektion (OFD) 1.500
bis 2.000 Kontrollmitteilungen betreffend den Bezug von Treueaktien
im Veranlagungszeitraum 2000 übermittelt. Deren Auswertung
wurde von der OFD den Veranlagungs-Finanzämtern
überlassen. Bei dem beklagten FA führte die - offenbar
noch nicht abgeschlossene - Auswertung zu dem Ergebnis, dass zehn
Kunden dieser anderen Banken Selbstanzeige erstattet haben und dass
gegen sechs von deren Kunden Ermittlungen eingeleitet wurden. Das
durchschnittliche steuerliche Mehrergebnis beläuft sich
insoweit auf rd. 190 EUR.
Mit Schreiben vom 22.8.2006 hat das FA die
Klägerin aufgefordert, Name, Anschrift und Geburtsdatum der
Depotinhaber mit Wohn- und/oder Geschäftssitz im Freistaat
Sachsen, denen Treueaktien der Telekom aus den Tranchen II und III
zugeteilt worden waren, sowie die Anzahl der jeweils
gutgeschriebenen Treueaktien und den Einbuchungstag
mitzuteilen.
Die dagegen von der Klägerin erhobene
Klage hatte Erfolg (vgl. SIS 08 16 08). Das Finanzgericht (FG)
urteilte, die Steuerfahndungsstelle des FA habe keinen
hinreichenden Anlass zur Einholung der strittigen Auskünfte.
Ihr Vorgehen ziele darauf, alle Kunden der Klägerin und in
Zukunft auch die anderer Kreditinstitute aufzuspüren, welche
Bonusaktien erhalten haben, und zwar mit dem Ziel, die steuerlich
korrekte Erfassung der Aktien unabhängig von ihrer Zahl oder
sonstigen Besonderheiten zu überprüfen. Dies stelle eine
unzulässige Rasterfahndung dar. Das Anlage- und
Erklärungsverhalten der Kunden der beiden in
Baden-Württemberg geprüften Bankhäuser lasse keine
Rückschlüsse auf das Anlage- und Erklärungsverhalten
der Kunden der Klägerin zu, weil die Kundenstruktur nicht
vergleichbar sein dürfte. Hinsichtlich der Kunden der
Klägerin lägen keine Anhaltspunkte für ein
Nichtbefolgen der steuerlichen Erklärungspflichten vor. Denn
die Klägerin habe ihre Kunden auf ihre Steuerpflicht
hingewiesen. Das Verhalten eines einzigen Kunden lasse keine
Rückschlüsse auf das Erklärungsverhalten von
Tausenden anderer Kunden zu.
Überdies sei die wirtschaftliche
Bedeutung der Fälle, in denen Steuern nacherhoben werden
könnten, verschwindend gering. Nachdem für jeweils zehn
Stück Altaktien eine Treueaktie zugeteilt worden sei,
hätten die Kunden der Klägerin im Durchschnitt nur wenige
Aktien erhalten, zumal die Kapitalkraft der Anleger in Sachsen
nicht mit denen der Steuerpflichtigen in Baden-Württemberg
vergleichbar sei. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass bei
der Mehrzahl der Kunden steuerstrafrechtliche Ermittlungen nicht in
Frage kämen. Beim dritten Börsengang betrage der
steuerpflichtige Wert für private Anleger sogar nur 8,80 EUR,
sodass sich die maßgeblichen Beträge noch erheblich
gegenüber dem zweiten Börsengang verminderten.
Schließlich sei, was den zweiten
Börsengang angehe, davon auszugehen, dass bei einem
Großteil der betroffenen Steuerpflichtigen
Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Denn der Nachweis des
Vorsatzes dürfte kaum zu führen sein, nachdem erst der
Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 7.12.2004 VIII R 70/02 (BFHE
208, 546, BStBl II 2005, 468 = SIS 05 17 53) geklärt habe,
dass überhaupt steuerpflichtige Einkünfte
vorliegen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision des FA, die im Wesentlichen folgendermaßen
begründet wird:
Weder durch empirische Studien noch durch
die allgemeine Lebenserfahrung sei die Annahme des FG belegt, dass
sich das Erklärungsverhalten von Steuerpflichtigen aus Sachsen
signifikant von dem Steuerpflichtiger aus Baden-Württemberg
unterscheide. Die aufgrund der Kontrollmitteilungen aus
Baden-Württemberg getroffenen Feststellungen des FA zeigten
darüber hinaus, dass auch Steuerpflichtige aus Sachsen ihren
Erklärungspflichten nicht nachgekommen seien. Die Annahmen des
FG in diesem Zusammenhang seien insgesamt spekulativer Natur; die
Ansässigkeit eines Bankinstituts und des Wohn- oder
Geschäftssitzes des Kunden sowie die Kundenstruktur seien
keine Differenzierungskriterien.
Ferner habe das FG übersehen, dass
auch die beiden in Baden-Württemberg geprüften
Bankinstitute ihre Kunden ausdrücklich auf ihre Steuerpflicht
hingewiesen hätten. Das FA habe dies ausdrücklich
vorgetragen und die betreffenden Schreiben der Banken dem FG
vorgelegt. Da zudem hinsichtlich eines Kunden der Klägerin
Erkenntnisse über ein steuerunehrliches
Erklärungsverhalten vorlägen, bestünden hinreichende
Anhaltspunkte für das strittige Auskunftsersuchen. Das
Nichtbefolgen der Erklärungspflicht durch den vorgenannten
Kunden stelle zudem deshalb einen ausreichenden Anhaltspunkt dar,
weil es sich um einen typischen Geschehensablauf handle; die
allgemeine Lebenserfahrung spreche dafür, dass der
Steuerpflichtige auf die Vollständigkeit der
Erträgnisaufstellung vertraue und deren Werte in die
Steuererklärung übertrage, auch wenn er deutlich auf die
Steuerpflicht von nicht in der Erträgnisaufstellung
enthaltenen Kapitalerträgen hingewiesen werde.
Die Erwägungen des Urteils des FG zu
der wirtschaftlichen Bedeutung der Fälle, in denen Steuer
nacherhoben werden könne, seien spekulativ. Die Klägerin
habe 800.000 Bonusaktien erhalten. Wie viel davon auf Kunden in
Sachsen entfallen seien, sei nicht bekannt. Die angeblich geringe
Kapitalkraft der Sachsen sage über deren konkretes
Anlageverhalten nichts aus. Wegen der dem Grunde nach zu bejahenden
Steuerpflicht der Erträge sei unbeachtlich, ob die
Sparerfreibeträge überschritten würden.
Eine Eingrenzung des Auskunftsersuchens auf
eine bestimmte Zahl von Bonusaktien sei nicht vertretbar, weil
ungewiss sei, in welchem Umfang der Sparerfreibetrag der
betroffenen Steuerpflichtigen bereits anderweit ausgeschöpft
worden ist. Es sei jedenfalls vertretbar gewesen anzunehmen, dass
eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Kunden über
einen erheblichen Bestand an Aktien der Telekom verfüge und
entsprechend viele Bonusaktien bezogen habe, zumal ein solcher
Bezug eine Zusatzrendite von 10 % bei ein bis eineinhalb Jahre
Haltefrist versprochen habe.
Auch das Überschreiten des
Freistellungsauftrags sei kein geeignetes Abgrenzungskriterium
gewesen, weil der Klägerin die finanziellen Verhältnisse
ihrer Kunden lediglich insoweit bekannt seien, als sie selbst deren
Vermögen verwalte. Die übergroße Mehrzahl der
Steuerpflichtigen führe jedoch Konten bei verschiedenen
Kreditinstituten. Im Übrigen könne sich die Klägerin
als auskunftsverpflichtetes Kreditinstitut nicht pauschal auf eine
angeblich nicht bestehende Steuerpflicht ihrer Kunden berufen. Das
strafrechtliche Legalitätsprinzip kenne einen
„Schwellenwert“ ohnehin nicht.
Weiter sei die Annahme des FG spekulativ,
dass bei einer Vielzahl von Kunden Festsetzungsverjährung
eingetreten sei. Eines konkreten Tatverdachts bedürfe es
für ein Auskunftsersuchen im Rahmen von Vorfeldermittlungen
auch nicht; es genüge die Möglichkeit einer
Steuerverkürzung. Insofern sei von Bedeutung, dass die Anleger
auf ihre steuerliche Erklärungspflicht ausdrücklich
hingewiesen worden seien.
Die Klägerin beruft sich auf den
Beschluss des Senats vom 21.3.2002 VII B 152/01 (BFHE 198, 42,
BStBl II 2002, 495 = SIS 02 09 17) und rügt, dass das FA
anders als in dem dort entschiedenen Fall keinerlei Ermittlungen
angestellt habe, um zu prüfen, ob ein Anlass für das
Auskunftsersuchen bestehe. Das FA habe weder Steuererklärungen
danach ausgewertet, ob Bonusaktien angegeben worden seien, noch
Ermittlungen darüber, wie viele Bonusaktien an Personen mit
Wohn- oder Geschäftssitz in Sachsen ausgegeben worden seien,
durchgeführt. Informationen, die eine bestimmte Bank
beträfen, dürften nicht auf eine andere übertragen
werden. Es fehle an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass
sächsische Kunden überhaupt Bonusaktien erhalten
hätten, ebenso, dass sie ggf. deren Erträge nicht in der
Steuererklärung erfasst hätten. Die Ermittlungsergebnisse
des FG Baden-Württemberg in dem Beschluss vom 14.7.2005 4 V
24/04 (EFG 2005, 1822 = SIS 05 43 70) seien im Hinblick auf die
Klägerin nicht maßgebend.
Das vom FA festgestellte Verhalten eines
einzigen Kunden vermöge ein Sammelauskunftsersuchen nicht zu
begründen. Das FA könne sich insofern auch nicht auf das
Urteil des Senats vom 5.10.2006 VII R 63/05 (BFHE 215, 40, BStBl II
2007, 155 = SIS 07 04 78) berufen, weil dort zu den sechs bekannten
Fällen von Steuerverkürzungen Besonderheiten
hinzugetreten seien, die hier fehlten. Überdies fehle es an
jeglichen Erkenntnissen für den von dem Auskunftsersuchen
ebenfalls betroffenen zweiten Börsengang der Telekom (also das
Jahr 2002).
Die Klägerin weist ferner darauf hin,
dass das FA in seinem Auskunftsersuchen keine
Erheblichkeitsschwelle festgelegt habe. Eine sinnvolle
Erheblichkeitsschwelle hätte nach Auffassung der Klägerin
etwa sein können, nur die Aktionäre zu erfassen, deren
Kapitaleinkünfte über den Freibeträgen liegen oder
bei denen allein durch die Bonusaktien der Sparerfreibetrag bereits
ausgeschöpft worden ist oder die einen Freistellungsauftrag in
Höhe des gesamten Sparerfreibetrags erteilt haben. Obwohl das
FA dies bestreite, diene sein Auskunftsersuchen einer
Totalerfassung der finanziellen Verhältnisse der Kunden der
Klägerin. Das sei eine unzulässige
Rasterfahndung.
Im Übrigen, so trägt die
Klägerin vor, sei in dem Urteil des BFH in BFHE 208, 546,
BStBl II 2005, 468 = SIS 05 17 53 nur entschieden worden, dass im
Rahmen des zweiten Börsengangs der Erhalt der Bonusaktien
versteuert werden müsse. Eine höchstrichterliche
Entscheidung über die Steuerpflicht im dritten Börsengang
gebe es nicht. Der Erlös aus diesem Börsengang sei dem
Bund zugeflossen; daher sei die Bonusaktie nicht zusätzliches
Einkommen, sondern entweder öffentlich-rechtliche Subvention,
die nicht steuerpflichtig sei, oder Minderung des Erwerbspreises
(Nachlass). Folglich fehle es insoweit von vornherein an einem
steuerrechtlich erheblichen Fall i.S. von § 208 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 der Abgabenordnung (AO). Das Auskunftsersuchen sei schon
deshalb rechtswidrig.
Es genüge ferner nicht allgemeinen
rechtsstaatlichen Erfordernissen. Die wirtschaftliche Bedeutung der
Angelegenheit sei gering; weshalb das FA anders als für
Baden-Württemberg mit seinen einkommensstärkeren
Bürgern zu einem höheren durchschnittlichen
Steuermehrergebnis als 190 EUR komme, sei nicht nachvollziehbar.
Überdies sei die besondere Belastung des
Vertrauensverhältnisses der Klägerin zu ihren Kunden bei
einer derart geringen wirtschaftlichen Auswirkung zu beachten.
Dieses Gebot sei in § 30 Abs. 1 AO manifestiert.
Schließlich seien die Ermittlungen
des FA auch aufgrund eingetretener Festsetzungsverjährung
unverhältnismäßig. Für den zweiten
Börsengang habe die regelmäßige
Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2004 geendet, für
den dritten Börsengang 2006. Eine Verlängerung der
Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO komme nicht in
Betracht, weil den Kunden der Klägerin Leichtfertigkeit nicht
nachgewiesen werden könne: Angesichts der Tatsache, dass bis
heute nicht entschieden sei, ob überhaupt eine Steuerpflicht
für die Aktien aus dem dritten Börsengang bestehe und
eine Steuerpflicht für den zweiten Börsengang erst mit
Urteil vom 7.12.2004 festgestellt worden sei, könne der
Nachweis der Leichtfertigkeit nicht gelingen. Erst recht nicht
dürfte der Nachweis eines Vorsatzes und einer damit
verbundenen Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre
gelingen.
II. Die zulässige Revision ist nicht
begründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1
FGO).
1. Der durch die AO für die Prüfung,
welcher das angefochtene Auskunftsersuchen standhalten muss,
bezeichnete rechtliche Rahmen ist in dem Urteil des FG zutreffend
wiedergegeben.
Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben auch
andere Personen als die Beteiligten eines
Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur
Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen
Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Solche
Auskunftsersuchen, auch Sammelauskunftsersuchen der hier
vorliegenden Art (vgl. dazu schon Senatsurteil vom 24.3.1987 VII R
30/86, BFHE 149, 404, BStBl II 1987, 484 = SIS 87 14 50), darf auch
die Steuerfahndungsstelle zur Ermittlung eines Sachverhalts im
Rahmen ihres Aufgabenbereichs, zu dem nach § 208 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 AO die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle
gehört, um die es hier geht, ausbringen (§ 208 Abs. 1
Satz 2 AO).
Dass das strittige Auskunftsersuchen i.S. des
§ 93 Abs. 1 Satz 1 AO auf einen „für die
Besteuerung erheblichen Sachverhalt“ zielt, ist entgegen
der Ansicht der Klägerin zweifelsfrei. Die Zuteilung von
Bonusaktien der Telekom im Jahr 2000 hat zu steuerpflichtigen
Einkünften aus Kapitalvermögen geführt, wie der BFH
in dem Urteil in BFHE 208, 546, BStBl II 2005, 468 = SIS 05 17 53
entschieden hat. Diese Feststellung genügt für die
Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 1 AO, ohne dass sich der
erkennende Senat mit den gegen die vorgenannte Entscheidung von der
Klägerin vorgebrachten Einwendungen auseinandersetzen
müsste. Ob für die Zuteilung von Bonusaktien im Jahr 2002
das Gleiche gilt, wie es nach den Entscheidungsgründen jenes
Urteils allemal nahe liegt, muss der erkennende Senat ebenfalls
nicht näher prüfen und entscheiden. Die Finanzverwaltung
ist - ungeachtet von Differenzierungen in der Begründung -
jedenfalls mit vertretbaren Erwägungen dieser Auffassung; dann
kann es ihr nicht verwehrt sein, der Frage nachzugehen, ob die
ihrer Ansicht nach steuerpflichtigen Einnahmen aus dem Bezug
solcher Bonusaktien von den betroffenen Steuerpflichtigen
erklärt worden sind, und ggf. in dem gegen entsprechende
Veranlagungsbescheide eröffneten Rechtsbehelfsverfahren
über diese Frage eine gerichtliche Entscheidung
herbeizuführen. Ein „für die Besteuerung
erheblicher Sachverhalt“ ist mit anderen Worten, anders
als die Klägerin offenbar meint, nicht nur ein Sachverhalt,
der zweifelsfrei besteuert werden kann oder über dessen
Besteuerung bereits eine höchstrichterliche Entscheidung
vorliegt, sondern jeder Sachverhalt, dessen steuerliche Bedeutung
nach dem Gesetz und der dazu vorliegenden Rechtsprechung ernstlich
in Betracht kommt. Jedenfalls dies ist auch bei den 2002
zugeteilten Bonusaktien der Fall.
Die Rechtmäßigkeit des von dem FA
gestellten Auskunftsersuchens setzt, wie das FG bereits zutreffend
näher ausgeführt hat, weiter voraus, dass ein solches
Auskunftsersuchen auszubringen im Rahmen der Aufgaben der
Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO lag und dass
dem FA die Befugnis zustand, ein solches Auskunftsersuchen an die
Klägerin zu richten (vgl. statt aller Senatsbeschluss in BFHE
198, 42, BStBl II 2002, 495 = SIS 02 09 17). Ersteres hängt
insbesondere davon ab, ob für Ermittlungen des FA mit dem
Ziel, zu prüfen, ob durch den Bezug von Bonusaktien
angefallene steuerpflichtige Einkünfte von den betroffenen
Steuerpflichtigen vollständig erklärt worden sind, ein
hinreichender Anlass bestand; Letzteres, ob zur Erreichung dieses
Zieles sich des, wie erwähnt, der Steuerfahndung
grundsätzlich zur Verfügung stehenden Instruments des
Auskunftsersuchens zu bedienen, dem rechtsstaatlichen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, an dem
sich jedwede Maßnahme der Finanzbehörden
grundsätzlich messen lassen muss (vgl. Senatsurteil vom
4.11.2003 VII R 28/01, BFHE 204, 15, BStBl II 2004, 1032 = SIS 04 09 32).
Ein hinreichender Anlass für ein
(Sammel-)Auskunftsersuchen fehlt nach der Rechtsprechung des BFH,
wenn sich solche Ermittlungen als bloße
„Ausforschung“, als Rasterfahndung oder
Ermittlung „ins Blaue hinein“ darstellen (vgl.
statt aller Senatsbeschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495 =
SIS 02 09 17); ein hinreichender Ermittlungsanlass liegt hingegen
vor, so hat der Senat u.a. in der eben angeführten
Entscheidung ausgeführt, wenn aufgrund entweder konkreter
Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die
Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt,
wobei dies die Prognoseentscheidung, also eine vorweggenommene
Beweiswürdigung erfordert, dass Ermittlungsmaßnahmen zur
Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können.
Angesichts dieses
„prognostischen“ Charakters der hier
anzustellenden Überlegungen ist der vielfach von der Revision
vorgebrachte Einwand, die Überlegungen des angefochtenen
Urteils seien „spekulativ“, allenfalls insofern
berechtigt, als damit geltend gemacht werden soll, auch die
prognostische Einschätzung der Erfolgsaussichten von
Fahndungsmaßnahmen dürfe nicht von schlechterdings
ungesicherten Annahmen ausgehen, wie sie dann vorlägen, wenn
das FG dahin zu verstehen sein sollte, bei sächsischen
Steuerpflichtigen sei im Allgemeinen mit über den Freibetrag
hinausgehenden Einkünften aus Kapitalvermögen von
vornherein nicht zu rechnen.
2. Das FG hat im Ergebnis zu Recht erkannt,
dass es bei der gegebenen Sachlage an einem hinreichenden Anlass
dafür fehlt, zu überprüfen, ob die Kunden der
Klägerin ihre (nach Auffassung des FA) in Form des Bezuges von
Bonusaktien erzielten steuerpflichtigen Einnahmen vollständig
erklärt haben.
Nicht überzeugend ist allerdings die vom
FG in diesem Zusammenhang sinngemäß angestellte
Erwägung, infolge der vom FA eingeleiteten Ermittlungen
festgestellte, von den Steuerpflichtigen nicht erklärte
Einkünfte aus dem Bezug von Bonusaktien könnten wegen
Festsetzungsverjährung ohnehin nicht mehr der Besteuerung
unterworfen werden, weil die reguläre Festsetzungsfrist
abgelaufen ist und eine verlängerte Festsetzungsfrist
gemäß § 169 Abs. 2 AO möglicherweise nicht in
Betracht komme, weil der Nachweis des Vorsatzes einer
Steuerhinterziehung „kaum“ zu führen sein
dürfte. Wer wie die Kunden der Klägerin in einer zusammen
mit der Erträgnisaufstellung übersandten Erläuterung
klar und deutlich darauf hingewiesen worden ist, dass die
Finanzverwaltung bestimmte Einkünfte für steuerpflichtig
hält, und gleichwohl solche Einkünfte in seiner
Steuererklärung verschweigt, handelt im Allgemeinen mit dem
Vorsatz einer Steuerhinterziehung; er kann sich jedenfalls nicht
darauf berufen, die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung nicht
geteilt zu haben, und er kann sich insbesondere, wenn deren
Rechtsauffassung später von der Rechtsprechung gebilligt wird,
nicht auf einen schuldausschließenden unvermeidbaren
Verbotsirrtum berufen. Ob es in einzelnen Fällen Kunden der
Klägerin, sollten diese ihre Einkünfte in Form der
Bonusaktien nicht erklärt haben, gleichwohl gelingen
würde, den Vorwurf der Steuerhinterziehung dadurch
auszuräumen, dass sie mit Erfolg geltend machen, die
Erläuterungen zu der Erträgnisaufstellung nicht gelesen
oder nicht verstanden zu haben, kann dahinstehen; denn eine solche
Möglichkeit kann das FA jedenfalls nicht daran hindern, den
Sachverhalt aufzuklären und zu prüfen und es ggf. dem
Rechtsbehelfsverfahren zu überlassen, zu klären, ob gegen
die Betroffenen mit Recht der Vorwurf einer Steuerhinterziehung
erhoben werden kann. Diese ohnehin nur im Einzelfall mögliche
Entscheidung kann in diesem Verfahren nicht vorweggenommen
werden.
Zutreffend hat das FG hingegen darauf
aufmerksam gemacht, dass der Streitfall - anders als der dem Urteil
des FG Baden-Württemberg vom 8.5.2007 4 K 209/04 (EFG 2007,
1483 = SIS 07 29 39) zugrunde liegende - dadurch gekennzeichnet
ist, dass die Kunden der Klägerin bei der Übersendung der
Erträgnisaufstellung, also in einem engen zeitlichen oder doch
jedenfalls sachlichen Zusammenhang mit der Abgabe ihrer
Steuererklärung und in nicht zu übersehender Weise darauf
hingewiesen worden sind, dass der Bezug der Bonusaktien (zumindest
möglicherweise) zu steuerpflichtigen Einnahmen geführt
hat, die sie über die in der Erträgnisaufstellung
enthaltenen Beträge hinaus bei ihrer Steuererklärung
angeben müssten. Nicht nur weil die reguläre
Festsetzungsfrist für die beiden Streitjahre 2000 und 2002
für alle Kunden der Klägerin bereits bei Ergehen des
Auskunftsersuchens abgelaufen war und erst recht heute abgelaufen
ist, sondern vor allem wegen dieses ausdrücklichen und
unmissverständlichen Hinweises der Klägerin bei der
Übersendung der Erträgnisaufstellung kann das strittige
Auskunftsersuchen also nur darauf zielen, diejenigen
Steuerpflichtigen zu ermitteln, die hinsichtlich der Bonusaktien
Steuern hinterzogen haben. Es bedürfte deshalb eines
hinreichenden Anlasses in dem vorgenannten Sinne zu vermuten und
eine Prognoseentscheidung dahin zu treffen, dass Kunden gerade der
Klägerin in dieser Weise vorsätzlich ihre Einkommensteuer
verkürzt haben.
Die allgemeine, in jedwedem Zusammenhang nach
der Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass Steuern nicht
selten verkürzt und steuerpflichtige Einnahmen nicht
erklärt werden - insbesondere wenn die
Entdeckungswahrscheinlichkeit gering ist, wie bei Einkünften
der hier vom Streit betroffenen Art -, genügt in diesem
Zusammenhang nicht, um die Ermittlungsmaßnahmen des FA als
„hinreichend veranlasst“ und nicht als
Ausforschung „ins Blaue hinein“ erscheinen zu
lassen, wenn anders die in der ständigen Rechtsprechung des
BFH vorgenommene Unterscheidung zwischen solchen Ermittlungen und
sog. „Rasterfahndungen“ einerseits und
andererseits durch hinreichende, konkrete Anhaltspunkte, welche die
Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen in besonderem Maße
wahrscheinlich erscheinen lassen, veranlassten Ermittlungen jede
Bedeutung verlieren soll. Denn mit der Begründung, es
könne nicht ausgeschlossen werden, dass Kunden eines
Bankinstituts Einkünfte aus Kapitalvermögen dem FA mit
Hinterziehungsvorsatz verschwiegen haben, ließe sich jedwedes
Auskunftsersuchen über Einkünfte aus bankseitig
verwahrtem Kapitalvermögen rechtfertigen.
Eine solche, über die bloße
allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, erhöhte
Entdeckungswahrscheinlichkeit ist vielmehr Voraussetzung eines
Sammelauskunftsersuchens der hier streitigen Art. Ob das Gleiche
auch für Kontrollmitteilungen über Zufallserkenntnisse im
Rahmen einer Außenprüfung bei einer Bank gelten
würde oder insoweit auch anlasslose, gleichsam
stichprobenweise Ermittlungen zulässig sind, bedarf hier
keiner Erörterung.
Anhaltspunkte dafür, dass bei
prognostischer Beurteilung gerade bei der Behandlung der
Einkünfte in Form des Bezuges von Bonusaktien durch die Kunden
der Klägerin eine in diesem Sinne erhöhte
Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Einkünfte
vorsätzlich verschwiegen worden sind, vermag der Senat auf der
Grundlage der vom FG getroffenen bindenden tatsächlichen
Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht zu erkennen. Der
Streitfall unterscheidet sich nämlich insofern
maßgeblich von dem dem Urteil in EFG 2007, 1483 = SIS 07 29 39 zugrunde liegenden. Der hinreichende Anlass für
Ermittlungen des FA ergab sich nämlich dort nicht etwa aus dem
Verdacht, die Kunden der betroffenen Banken könnten in Bezug
auf die Bonusaktien der Telekom eine vorsätzliche
Steuerhinterziehung begangen haben, sondern aus der
Fehleranfälligkeit des Vorgehens der dort betroffenen Banken,
die steuerpflichtigen Beträge weder in die
Erträgnisaufstellungen aufzunehmen noch im Zusammenhang mit
der Übersendung der Erträgnisaufstellungen auf deren
Ergänzungsbedürftigkeit unmissverständlich
hinzuweisen. Der hinreichende Ermittlungsanlass ergab sich dort aus
der Überlegung, dass der bei Zuteilung der Bonusaktien - also
in der Regel einige Zeit vor Abgabe der Steuererklärung -
gegebene Hinweis auf die Steuerpflicht solcher Bezüge bei
einer Vielzahl von Steuerpflichtigen bis zur Abgabe der
Steuererklärung in Vergessenheit geraten sein könnte und
diese hätten verleitet sein können, ohne sich dieses
Hinweises zu erinnern, nur die Beträge aus der von der Bank
übersandten Erträgnisaufstellung in die Anlage KAP zu
übernehmen. Darum handelt es sich vorliegend aber nicht; die
Notwendigkeit, Einkünfte durch den Bezug der Bonusaktien
über die in der bankseits erstellten Erträgnisaufstellung
enthaltenen Beträge hinaus zu erklären, konnte den Kunden
der Klägerin aufgrund der solche Erinnerungslücken
ausschließenden Handhabung der Klägerin bei der
Übersendung der Erträgnisaufstellung schwerlich verborgen
bleiben, welche deshalb auch nicht als
„fehleranfällig“ angesehen werden kann. Sie
konnte von ihnen allenfalls in der Absicht der Steuerhinterziehung
ignoriert werden.
Dass ein einziger von dem FA entdeckter Fall
einer Steuerhinterziehung eines Kunden der Klägerin im
Zusammenhang mit den Bonusaktien keinen hinreichenden Anlass
für ein Sammelauskunftsersuchen der hier streitigen Art
bietet, bedarf keiner eingehenderen Erörterung. Denn bereits
die Klägerin hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der
Hinweis des FA auf das Urteil des Senats in BFHE 215, 40, BStBl II
2007, 155 = SIS 07 04 78 in diesem Zusammenhang unbehelflich ist,
weil der Senat dort das Auskunftsersuchen nicht maßgeblich
wegen der zuvor entdeckten sechs Fälle von Steuerhinterziehung
für zulässig erachtet hat, sondern in der Annahme einer
für eine Steuerhinterziehung besonders anfälligen Art der
Geschäftsabwicklung. Darum geht es hier aber nicht; die
Einkünfte durch den Bezug von Bonusaktien zu verschweigen,
fordert die Geschäftsabwicklung der Klägerin nicht mehr
heraus, als dies bei Kapitaleinkünften aus bei Banken
gehaltenen Wertpapierdepots gemeinhin der Fall ist. Die dadurch
allerdings bedingten steuerlichen Vollzugsdefizite durch anlasslose
Ausforschungen zu kompensieren, bietet § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr.
3 AO keine Handhabe, ganz abgesehen davon, dass ein solcher
Kompensationsversuch, der allenfalls punktuell die zutreffende
Besteuerung herstellen könnte, zwar nicht wegen des
Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes beanstandet
werden könnte, der von Verfassungs wegen geforderten sog.
Herstellung der Gleichheit im steuerlichen Belastungserfolg jedoch
faktisch kaum förderlich wäre.
Da sich die vom FG getroffene Entscheidung
schon aus diesen Erwägungen als im Ergebnis zutreffend
erweist, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob
zusätzlich zulasten des FA ins Gewicht fällt, dass - wie
das FG offenbar meint - die für die einzelnen
Steuerpflichtigen ggf. zu erwartende Mehrbelastung in aller Regel
gering sein dürfte, was freilich über die fiskalische
Bedeutung einer etwaigen bisher unterbliebenen Besteuerung der
Bonusaktien nichts besagte und möglicherweise auf einem dann
allerdings unzutreffenden Rechtsgedanken beruht, die Steuerfahndung
dürfe Steuerhinterziehung bei geringem steuerlichen
Mehrergebnis nicht durch Auskunftsersuchen gegenüber Banken
aufzuklären versuchen, was mit der Steuergleichheit und
Steuergerechtigkeit unvereinbar wäre, auf welche
Gesichtspunkte der Senat bereits in seinem Beschluss in BFHE 198,
42, BStBl II 2002, 495 = SIS 02 09 17 hingewiesen hat. Allerdings
wird unter dem eingangs erwähnten Gesichtspunkt der
rechtlichen Begrenzung der Ermittlungsbefugnisse des FA gerade bei
sog. Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO von
Rechts wegen zu berücksichtigen sein, ob der durch ein
Sammelauskunftsersuchen der hier streitigen Art ausgelöste
Ermittlungsaufwand in einem angemessenen Verhältnis zu der
Bedeutung der Angelegenheit steht, insbesondere zu dem von den
Ermittlungen zu erwartenden fiskalischen Ertrag; anderenfalls
wäre der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
verletzt, der nicht nur verlangt, dass Auskunftsersuchen geeignet
sind, das von der Finanzbehörde (rechtmäßig)
festgelegte Ziel zu erreichen, und das die Belange des
Auskunftspflichtigen am besten schonende Mittel zur Erreichung
dieses Ziels zu wählen, sondern dass solche Ersuchen auch
verhältnismäßig im engeren Sinne sind, also dem
Auskunftspflichtigen auch unter Berücksichtigung der
betroffenen Belange der Allgemeinheit nichts Unzumutbares
abverlangen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 18.2.1997 VIII R 33/95, BFHE
183, 45, BStBl II 1997, 499 = SIS 97 13 01). Es kann indes mangels
Entscheidungserheblichkeit unerörtert bleiben, ob die
angefochtene Verfügung des FA unter diesem Gesichtspunkt
beanstandet werden könnte und ob die Anforderungen des
Verhältnismäßikeitsgrundsatzes bei
Auskunftsersuchen über Bankkunden aufgrund des § 30a AO
strengere sind als die gegenüber jedermann geltenden.