Einkünfte aus Kapitalvermögen, Arbeitszimmer: 1. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für ein häusliches Arbeitszimmer sind nicht deshalb bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in voller Höhe abzuziehen, weil der Steuerpflichtige Anlageentscheidungen ausschließlich im Arbeitszimmer trifft. - 2. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 2006 geltenden Fassung ist gemäß § 9 Abs. 5 EStG auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass bei der Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit auf die gesamte der Erzielung von Einkünften dienende Tätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen ist. - Urt.; BFH 27.3.2009, VIII B 184/08; SIS 09 13 26
I. Die Kläger und
Beschwerdeführer (Kläger) begehren den Abzug der Kosten
für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei
den Einkünften aus Kapitalvermögen sowie den Freibetrag
nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die
tarifbegünstigte Besteuerung einer Abfindungszahlung.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet
und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5
Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Arbeitszimmer
Die Rechtssache hat insoweit keine
grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Den Klägern ist zuzugeben, dass über
die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen bisher
höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist. Die Frage
hat aber gleichwohl keine grundsätzliche Bedeutung, da sie
nicht klärungsbedürftig ist. An der
Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf
die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und
Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder wenn - wie im Streitfall - die
Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das
Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.1.2007 X B 38/06, BFH/NV 2007, 757
= SIS 07 09 86, und vom 31.5.2007 III B 109/06, BFH/NV 2007, 1867 =
SIS 07 32 21; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl.,
§ 115 Rz 28).
a) Nach der Grundregel in § 9 Abs. 1 Satz
1 EStG können die Aufwendungen für ein häusliches
Arbeitszimmer durch die Erzielung von Einkünften aus
Kapitalvermögen veranlasst und deshalb Werbungskosten sein.
Voraussetzung ist, dass der Arbeitsraum so gut wie
ausschließlich zur Einkünfteerzielung und nicht privat
genutzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 21.1.1966 VI 92/64, BFHE 85, 18,
BStBl III 1966, 219 = SIS 66 01 27). Trotzdem sind die Aufwendungen
für ein solches Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
6b EStG grundsätzlich nur beschränkt abziehbar. Nur wenn
das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und
beruflichen Tätigkeit bildet, können die Aufwendungen in
vollem Umfang abgezogen werden. Diese Regelung gilt nach § 9
Abs. 5 EStG sinngemäß auch für alle
Überschusseinkunftsarten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1
Nrn. 4 bis 7 EStG). Die Abzugsbeschränkung verstößt
nicht gegen das objektive Nettoprinzip; sie ist
verfassungsgemäß (vgl. BFH-Urteil vom 27.9.1996 VI R
47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68 = SIS 97 02 34).
b) Die Verweisung in § 9 Abs. 5 EStG
(„gilt sinngemäß“) bedeutet, dass
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auch bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen anzuwenden ist. Die von den Klägern
offenbar beabsichtigte Nichtanwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 6b EStG auf Einkunftsarten, bei denen nicht die Tätigkeit
des Steuerpflichtigen, sondern die
„Nutzenziehung“ im Vordergrund steht
(Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und
Verpachtung sowie - teilweise - sonstige Einkünfte), kommt
daher nicht in Betracht. Dem steht nicht entgegen, dass § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG seinem Wortlaut nach auf den Mittelpunkt
der gesamten „betrieblichen und beruflichen
Tätigkeit“ abstellt und dass im natürlichen
Sprachgebrauch durchaus zwischen der Ausübung eines Berufs und
der Verwaltung des privaten Vermögens unterschieden wird.
Für eine nach den Einkunftsarten unterschiedliche steuerliche
Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches
Arbeitszimmer spricht nichts. Vielmehr ist § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 6b EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen -
ebenso wie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
(vgl. dazu Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 21 Rz 100
Stichwort „Arbeitszimmer“) - mit der
Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass nicht im
Wortsinne auf die betriebliche oder berufliche Tätigkeit,
sondern in einem umfassenden Sinne auf die gesamte der Erzielung
von Einkünften dienende Tätigkeit des Steuerpflichtigen
abzustellen ist.
c) Damit ist der Streitfall nicht anders zu
beurteilen als andere Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger
seine der Einkünfteerzielung dienende Tätigkeit nicht nur
im häuslichen Arbeitszimmer, sondern auch an anderen Orten
ausübt oder bei denen der Steuerpflichtige verschiedene (auch
verschiedenen Einkunftsarten zuzurechnende) Tätigkeiten
ausübt und dafür (ganz oder teilweise) ein
häusliches Arbeitszimmer nutzt. Die sich in diesem
Zusammenhang stellenden Rechtsfragen zur Bestimmung des
Mittelpunkts der gesamten Tätigkeit sind
höchstrichterlich geklärt.
aa) Die Rechtsfrage, unter welchen
Voraussetzungen das häusliche Arbeitszimmer eines
Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und
teilweise außer Haus ausübt, den Mittelpunkt der
gesamten beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG), ist höchstrichterlich
hinreichend geklärt. Hierzu liegt eine umfangreiche
Rechtsprechung des BFH vor (vgl. die Nachweise in den
Beschlüssen vom 23.12.2005 VI B 62/05, BFH/NV 2006, 737 = SIS 06 15 16, und vom 24.7.2006 VI B 112/05, BFH/NV 2006, 2071 = SIS 06 41 59). Danach bestimmt sich der Mittelpunkt der
Berufstätigkeit nach dem inhaltlichen (qualitativen)
Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen.
Diese Rechtsprechung ist auf alle Berufsgruppen anzuwenden (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 15.12.2005 XI B 87/05, BFH/NV 2006, 2045 =
SIS 06 41 38, und vom 22.10.2007 XI B 12/07, BFH/NV 2008, 47 = SIS 08 04 70).
bb) Auch die Frage nach der Bestimmung des
Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen
Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, der neben einer
Vollzeitbeschäftigung aufgrund eines Dienstverhältnisses
einer weiteren Tätigkeit nachgeht, ist nicht mehr
klärungsbedürftig, seit der BFH mit Urteilen vom
17.6.2004 IV R 33/02 (BFH/NV 2005, 174 = SIS 05 07 50) und vom
16.12.2004 IV R 19/03 (BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212 = SIS 05 08 82) entschieden hat, dass der Haupttätigkeit indizielle
Bedeutung für die Beurteilung des qualitativen Schwerpunkts
der Gesamttätigkeit zukommt. Insofern besteht auch kein Bedarf
für eine weitere Rechtsfortbildung durch den BFH (vgl.
Beschluss vom 22.2.2006 IV B 10/05, BFH/NV 2006, 1088 = SIS 06 21 13).
d) Das FG ist ersichtlich von diesen
Grundsätzen ausgegangen und hat keine davon abweichenden
Grundsätze aufgestellt. In der Sache hat das FG darauf
abgestellt, dass der Kläger im Streitjahr außerhalb des
häuslichen Arbeitszimmers anderen Haupttätigkeiten (als
Geschäftsführer und Steuerberater) nachgegangen ist. Es
hat deshalb den unbeschränkten Abzug der Aufwendungen für
ein Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
- im Ergebnis zu Recht - verneint.
2. Abfindung
Für die vom Kläger im Streitjahr
bezogene Abfindung begehren die Kläger für einen
erstrangigen Teilbetrag den Freibetrag von 24.000 DM
gemäß § 3 Nr. 9 EStG sowie nachrangig - für
den, den Freibetrag übersteigenden Teil der Abfindung - die
ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG.
a) Freibetrag (§ 3 Nr. 9 EStG)
Hinsichtlich der Versagung des Freibetrags
durch das FG liegen Gründe für die Zulassung der Revision
nicht vor.
aa) Das Urteil des FG weicht von der
Rechtsprechung des BFH nicht ab. Der BFH hat entschieden, dass eine
vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung des
Dienstverhältnisses beim Auslaufen eines befristeten
Dienstverhältnisses nicht vorliegt (vgl. BFH-Urteile vom
18.9.1991 XI R 8/90, BFHE 165, 285, BStBl II 1992, 34 = SIS 91 22 36, und vom 10.9.2003 XI R 9/02, BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349 =
SIS 04 05 36). In diesen Fällen sei die Auflösung nicht
vom Arbeitgeber veranlasst, sondern beruhe auf der früheren
Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das FG hat
keinen davon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Es hat vielmehr
festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers
durch Zeitablauf gemäß der Vereinbarung im Dienstvertrag
vom 17.5.1989 am 30.6.1999 beendet worden ist.
bb) Soweit die Kläger dagegen einwenden,
der Dienstvertrag des Klägers vom 17.5.1989 habe nur den
ursprünglichen Dienstvertrag vom 6.6.1973 ersetzt, nach
welchem der Kläger - entsprechende Vertragsverlängerungen
vorausgesetzt - bis zum Erreichen der Altersgrenze am 30.9.1999
hätte weiterbeschäftigt werden müssen, machen sie
sinngemäß die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Rechtssache
hat jedoch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung. Zwar ist
der Gedanke des Klägers nachvollziehbar, dass der Anlass
für die Verkürzung seiner Gesamtbeschäftigungsdauer
um drei Monate zumindest mittelbar der Sphäre seines
Arbeitgebers entstammte, der den Vertrag vom 17.5.1989 auf genau 10
Jahre begrenzen wollte. Dadurch ergab sich im Vergleich zu dem bis
dahin mit dem Kläger Vereinbarten eine Verkürzung seiner
gesamten Beschäftigungsdauer um drei Monate und für den
Arbeitgeber die Notwendigkeit der Vereinbarung einer
Abfindungsregelung, was im Vertrag vom 8.6.1999 auch geschehen ist.
Die danach von den Klägern sinngemäß aufgeworfene
Rechtsfrage, ob eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung des
Dienstverhältnisses auch dann vorliegt, wenn das
Dienstverhältnis zwar durch Zeitablauf entsprechend einer
einvernehmlichen Befristung endet, diese (einvernehmliche)
Befristung aber ursprünglich einem Wunsch des Arbeitgebers
entsprach, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung
mehr, denn sie betrifft auslaufendes Recht. § 3 Nr. 9 EStG ist
mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben worden und
nach der Übergangsregel in § 52 Abs. 4a EStG nur noch auf
Altfälle weiterhin anwendbar. Betrifft die Rechtsfrage
ausgelaufenes Recht, müssen besondere Gründe geltend
gemacht werden und vorliegen, die ausnahmsweise eine Abweichung von
der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht
betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche
Bedeutung mehr zukommt (BFH-Beschluss vom 24.11.2005 II B 46/05,
BFH/NV 2006, 587 = SIS 06 12 23; Lange in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 98 ff. und §
116 FGO Rz 178, jeweils m.w.N.). Entsprechende Gründe (vgl.
etwa BFH-Beschluss vom 14.2.2007 IX B 177/06, BFH/NV 2007, 1099 =
SIS 07 15 44) haben die Kläger nicht dargelegt; sie sind
für den beschließenden Senat auch nicht ersichtlich.
b) Tarifermäßigung (§ 34 Abs.
1 EStG)
Die Revision ist auch nicht zuzulassen, soweit
das FG die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes
gemäß § 34 Abs. 1 EStG abgelehnt hat. Es hat dies
im Wesentlichen damit begründet, dass es im Streitfall an
einer Zusammenballung von Einkünften fehle. Die Abfindung habe
etwa drei Monatsgehältern entsprochen. Da die Zahlung auch im
hypothetischen Fall der Weiterbeschäftigung in demselben
Veranlagungszeitraum geleistet worden wäre, sei den
Klägern durch die Einmalzahlung keine steuerliche
Mehrbelastung entstanden.
Mit dieser Begründung weicht das FG nicht
von der Rechtsprechung des BFH ab. Nach der ständigen
Rechtsprechung des BFH sind außerordentliche Einkünfte
i.S. des § 34 Abs. 1 EStG grundsätzlich nur gegeben, wenn
die zu begünstigenden Einkünfte in einem
Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung
von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen
(BFH-Urteile vom 6.9.2000 XI R 19/00, BFH/NV 2001, 431 = SIS 01 58 19; vom 19.10.2005 XI R 24/04, BFH/NV 2006, 928 = SIS 06 17 26;
vgl. auch Schmidt/Seeger, a.a.O., § 34 Rz 17 ff.). Das war
nach den auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde für
den BFH bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) des FG
nicht der Fall.