Turnhalle, Vermietung an Verein, USt-Freiheit: Die Umsätze aus der langfristigen Vermietung eines Turnhallengebäudes an einen Verein, der steuerfreie Leistungen ausführt, sind gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1999 steuerfrei, wenn abgesehen von der Überlassung von Betriebsvorrichtungen keine weiteren Leistungen ausgeführt werden. - Urt.; BFH 17.12.2008, XI R 23/08; SIS 09 12 94
I. Strittig ist zwischen den Beteiligten,
ob bei einer langfristigen Vermietung einer Turnhalle
Vorsteuerbeträge auch insofern abgezogen werden können,
als diese die Herstellungskosten des Gebäudes
betreffen.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein. Er
ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er in mehreren
Bauabschnitten verschiedene Gebäude zum Betrieb einer Schule
errichtete. Mit Mietvertrag vom 1.6.1992 vermietete er das
Grundstück und - jeweils ab Bezugsfertigkeit - die noch zu
errichtenden Gebäude an den Verein „X e.V.“
(Verein). Dieser betreibt dort eine Schule. Der Mietvertrag wurde
auf eine Dauer von 25 Jahren fest geschlossen und kann von den
Vertragsparteien frühestens zum 1.6.2017 gekündigt
werden.
In den Jahren 2001 und 2002 errichtete der
Kläger auf dem Grundstück eine Turnhalle, die er ab
1.10.2002 zu einem monatlichen Mietzins von 7.113,83 EUR
zuzüglich Umsatzsteuer an den Verein vermietete. Die ihm im
Streitjahr 2002 im Zusammenhang mit der Errichtung der Turnhalle in
Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 85.118,92 EUR
machte er in vollem Umfang als Vorsteuer geltend.
Anlässlich einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin die
Auffassung, die Überlassung des Turnhallengebäudes an den
Verein stelle eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) steuerfreie
Grundstücksvermietung dar, die den Vorsteuerabzug
ausschließe. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung sei nicht
möglich, weil der Verein das Turnhallengebäude nicht
ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger
Umsätze verwende. Nur soweit die geltend gemachten Vorsteuern
auf die steuerpflichtige Überlassung von Betriebsvorrichtungen
entfielen, sei ein Vorsteuerabzug in Höhe von 10.255,58 EUR
möglich. Eine Minderung der Steuer um die - zu Unrecht -
für die Überlassung des Turnhallengebäudes erhobene
Steuer, komme erst nach Vorlage entsprechend berichtigter
Rechnungen in Betracht.
Dieser Auffassung folgend versagte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) mit
Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 29.4.2004 den Abzug von
Vorsteuerbeträgen aus der Herstellung der Turnhalle insoweit,
als diese nicht die Betriebsvorrichtungen betrafen.
Einspruch und Klage hiergegen hatten keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass die Umsätze aus
der langfristigen Vermietung des Turnhallengebäudes an den
Verein in eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG
steuerfreie Grundstücksvermietung und eine steuerpflichtige
Vermietung von Betriebsvorrichtungen aufzuteilen seien. Ein
Verzicht auf die Steuerfreiheit sei nach § 9 Abs. 2 Satz 1
UStG ausgeschlossen, weil der Verein als Leistungsempfänger
das Grundstück zur Ausführung von nach § 4 Nr. 21
Buchst. a UStG steuerfreien, den Vorsteuerabzug
ausschließenden Umsätzen verwende. Das Urteil ist
abgedruckt in EFG 2008, 1337 = SIS 08 29 51.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung
führt er im Wesentlichen aus, es liege eine einheitliche
Leistung vor, die nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr.
12 Satz 1 Buchst. a UStG falle und daher nach den allgemeinen
Vorschriften zu besteuern sei. Der Vorsteuerabzug werde hierdurch
nicht - auch nicht teilweise - ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben sowie den
Bescheid über Umsatzsteuer 2002 vom 29.4.2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 27.4.2005 dahingehend abzuändern,
dass weitere Vorsteuerbeträge in Höhe von 74.863,34 EUR
zum Abzug zugelassen werden.
Das FA beantragt sinngemäß, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass die streitgegenständlichen Vorsteuerbeträge nicht
abziehbar sind.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG
gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige
Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom
Vorsteuerabzug jedoch ausgeschlossen die Steuer für die
Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von
Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der
Unternehmer zur Ausführung von steuerfreien Umsätzen
verwendet.
Im Streitfall ist die Vermietung des
Turnhallengebäudes eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a
UStG steuerfreie Grundstücksvermietung. Der Vorsteuerabzug ist
daher gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG i.V.m.
§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ausgeschlossen. Daran
ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger neben der
Überlassung des Turnhallengebäudes dem Verein noch
Betriebsvorrichtungen zur Verfügung stellte. Denn auch dies
führt nicht zu einer steuerpflichtigen
Grundstücksüberlassung. Diese wäre nur dann
steuerpflichtig, wenn sie Teil einer steuerpflichtigen
einheitlichen Leistung wäre. Das ist aber nicht der Fall.
1. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn
mehrere Leistungen so aufeinander abgestimmt sind, dass sie aus
Sicht eines Durchschnittsverbrauchers ihre Selbständigkeit
verlieren und wirtschaftlich etwas selbständiges
„Drittes“ bilden oder wenn es sich um eine
Haupt- und eine Nebenleistung handelt (vgl. Urteil des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 27.10.2005 Rs.
C-41/04 - Levob Verzekeringen und OV Bank -, Slg. 2005, I-9433 =
SIS 06 02 01, Randnrn. 19 bis 22, sowie Martin in
Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 30).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der
EuGH im Urteil vom 18.1.2001 Rs. C-150/99 - Stockholm
Lindöpark - (Slg. 2001, I-493 = SIS 01 05 42) zur Besteuerung
von Sportanlagen Stellung genommen. Danach ist es
grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass die
Zurverfügungstellung von Räumen für die
Ausübung von Sport oder die Körperertüchtigung unter
besonderen Umständen eine Vermietung eines Grundstücks
darstellen und damit in den Anwendungsbereich der Befreiung nach
Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern fallen kann (vgl.
EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-493 = SIS 01 05 42, Randnr. 22).
Jedoch sind die Dienstleistungen, die mit
Sport und Körperertüchtigung zusammenhängen,
möglichst als Gesamtheit zu würdigen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass das Betreiben einer Sportanlage im
Allgemeinen nicht nur die passive Zurverfügungstellung des
Grundstücks, sondern außerdem seitens des
Dienstleistenden eine Vielzahl geschäftlicher Tätigkeiten
wie Aufsicht, Verwaltung und ständige Unterhaltung,
Zurverfügungstellung anderer Anlagen u.Ä. umfasst. Sofern
nicht ganz besondere Umstände vorliegen, kann die Vermietung
des Grundstücks daher nicht die ausschlaggebende
Dienstleistung darstellen (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-493, =
SIS 01 05 42 Randnr. 26, konkret zur Vermietung eines Golfplatzes;
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31.5.2001 V R 97/98, BFHE
194, 555, BStBl II 2001, 658 = SIS 01 11 12).
Der EuGH weist ferner darauf hin, dass die
Zurverfügungstellung einer Sportanlage gewöhnlich nach
Gegenstand und Dauer der Benutzung beschränkt sein könne.
Insoweit ergebe sich aus seiner Rechtsprechung, dass die Dauer der
Grundstücksnutzung ein Hauptelement eines Mietvertrags bilde
(vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-493 = SIS 01 05 42, Randnr.
27).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die
Vermietung des Turnhallengebäudes samt Betriebsvorrichtungen
an einen einzigen Vertragspartner jedenfalls keine einheitliche
Leistung, die steuerpflichtig ist. Sie ist mit den Umsätzen
des Betreibers einer Sportanlage, der eine Vielzahl von
unterschiedlichen Leistungen erbringt, nicht vergleichbar. Vielmehr
gäbe hier die steuerfreie Grundstücksvermietung der
Leistung des Klägers das Gepräge.
Der Mietvertrag war auf die Dauer von 15
Jahren und damit langfristig geschlossen. Die Mietdauer ist - wie
dargestellt - aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ein
geeignetes Kriterium, um eine selbständige Vermietungsleistung
von einer einheitlichen sonstigen Leistung abzugrenzen (vgl. auch
EuGH-Urteil vom 18.11.2004 Rs. C-284/03 - Temco Europe -, Slg.
2004, I-11237 = SIS 05 07 23, Randnr. 20, m.w.N.).
Die Grundstücksüberlassung
beschränkte sich auch nicht auf die Zeiten, in denen in der
Turnhalle tatsächlich Sport ausgeübt wurde, sondern das
Gebäude stand dem Verein ununterbrochen und
ausschließlich zur Verfügung. Die Leistung des
Klägers bestand allein in der „passiven“
Zurverfügungstellung des Turnhallengebäudes und der darin
befindlichen Betriebsvorrichtungen.
Sofern der Kläger ausführt, im
Streitfall würden neben der Überlassung des
Turnhallengebäudes samt Betriebsvorrichtungen Leistungen wie
z.B. Wartung, Hausmeister usw. in nicht unerheblichem Umfang
erbracht, hat das FG derartige Leistungen nicht festgestellt. Der
BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO an den vom FG festgestellten
Sachverhalt gebunden; Verfahrensrügen hat der Kläger
nicht erhoben.
Der Senat kann offenlassen, ob die Vermietung
des Turnhallengebäudes und der Betriebsvorrichtungen
entsprechend der Auffassung des FG und des FA unter
Berücksichtigung von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG als zwei
selbständige Leistungen zu qualifizieren sind und das FA
für die Betriebsvorrichtungen zu Recht einen anteiligen
Vorsteuerabzug gewährt hat (vgl. zur Einschränkung des
sog. Aufteilungsgebots Klenk in Sölch/ Ringleb, a.a.O., §
4 Nr. 12 Rz 19). Denn selbst wenn abweichend von der Ansicht des FG
eine einheitliche Leistung anzunehmen wäre, wäre diese
jedenfalls steuerfrei. Die steuerfreie Grundstücksvermietung
wäre als die Hauptleistung und die Überlassung der
Betriebsvorrichtungen als untergeordnete Nebenleistung anzusehen
(vgl. zur einheitlichen Vermietungsleistung auch BFH-Urteil vom
24.1.2008 V R 12/05, BFHE 221, 310 = SIS 08 14 79). Diese Frage ist
aber nicht entscheidungserheblich, weil das FA dem Kläger
einen anteiligen Vorsteuerabzug gewährt hat und eine sog.
Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren unzulässig
ist.