Einnahmen-Überschussrechnung, einmalige Wahl: Der Steuerpflichtige muss die dem FA gegenüber wirksam getroffene Entscheidung, den Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln, nicht jährlich wiederholen. - Urt.; BFH 24.9.2008, X R 58/06; SIS 09 00 43
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Im Jahr 1994 erwarb die Klägerin ein unbebautes
Grundstück und parzellierte es. Die einzelnen Parzellen
verkaufte sie - bis auf ein Grundstück mit einer
Größe von 2.029 qm - noch im gleichen Jahr. Den dabei
entstandenen Gewinn aus gewerblichem Grundstückshandel
ermittelte sie gemäß § 4 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Anschaffungskosten für das
unparzellierte Grundstück setzte sie als Betriebsausgaben
an.
Das nicht veräußerte
Grundstück bebaute die Klägerin 1995 mit einem
Doppelhaus. Die beiden Haushälften wurden im September 1995
für die Zeit ab dem 1.12.1995 vermietet. Die Mietverträge
enthielten keine Befristung und schlossen die Kündigung des
Mietverhältnisses vor Ablauf von drei bzw. fünf Jahren
aus. Den Mietern wurde eine bis zum 1.12.1998 befristete Kaufoption
eingeräumt. Eine der Doppelhaushälften wurde am
12.12.1998 verkauft; der Kaufpreis wurde im Januar 1999
gezahlt.
Für 1995 erklärte die
Klägerin Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung
und Verpachtung der beiden Doppelhaushälften in Höhe von
75.535 DM. Als Werbungskosten machte sie u.a. Absetzungen für
Abnutzung (AfA) in Höhe von 56.818 DM geltend. Einkünfte
aus Gewerbebetrieb - betreffend den gewerblichen
Grundstückshandel - erklärte die Klägerin für
1995 nicht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
- ) setzte im Bescheid vom 4.8.1999 die Einkommensteuer in
Höhe von 0 DM fest. Dabei wurden negative Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung in Höhe von 71.940 DM
berücksichtigt. Für die Jahre 1996 bis 1998 erklärte
die Klägerin ebenfalls Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung. Für 1999 wurde zunächst kein Gewinn aus der
Veräußerung der Doppelhaushälfte erklärt.
Aufgrund einer im Jahr 2000 begonnenen Außenprüfung
vertrat das FA die Ansicht, das vermietete Grundstück sei bis
zu seiner Veräußerung Betriebsvermögen des
gewerblichen Grundstückshandels geblieben, allerdings im Jahr
1995 Anlagevermögen geworden. Während der
Außenprüfung legte die Klägerin eine
Einnahmen-Überschussrechnung für 1999 vor, in der sie den
durch die Veräußerung entstandenen Gewinn aus dem
gewerblichen Grundstückhandel ermittelte.
Das FA nahm ausgehend von einer
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG aus dem Übergang
vom Umlaufvermögen zum Anlagevermögen für 1995 eine
Gewinnauswirkung in Höhe der auf das Grundstück
entfallenden anteiligen Anschaffungskosten von 355.075 DM an.
Gleichzeitig wurden die als Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung erklärten Beträge als Einkünfte aus dem
gewerblichen Grundstückshandel berücksichtigt. Daraus
ergab sich im Bescheid vom 15.7.2002 eine Einkommensteuer für
1995 in Höhe von 106.076 DM = 54.235,80 EUR.
Im Einspruchsverfahren machten die
Kläger geltend, das zurückbehaltene Grundstück habe
nach wie vor zum Umlaufvermögen des gewerblichen
Grundstückshandels gezählt, da die Verkaufsabsicht nie
aufgegeben worden sei. Die Klägerin habe sich über das
Jahr 1995 hinaus stets um eine Veräußerung des
Grundstücks bemüht. Zum Beleg für die
Verkaufsbemühungen 1995 und 1996 legten die Kläger
verschiedene Unterlagen vor.
Im Klageverfahren brachten sie weiter vor,
der Klägerin sei aufgrund steuerrechtlicher Beratung die
Bedeutung eines gewerblichen Grundstückshandels bewusst
gewesen. Sie habe sich im Rahmen der Einkommensteuererklärung
1994 für eine Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs.
3 EStG entschieden. Für die Folgejahre habe sie an dieser
einmal gewählten Gewinnermittlungsart festgehalten. Eine
Verpflichtung zur Buchführung habe angesichts des geringen
Umfanges der gewerblichen Betätigung nicht bestanden. Das FA
habe sie nicht zur Buchführung und Bilanzierung aufgefordert.
Weder zu Beginn des Jahres 1995 noch der folgenden Jahre habe sich
die Klägerin für eine andere Gewinnermittlungsart
entschieden.
Die Kläger beantragten zuletzt, den
Einkommensteuerbescheid 1995 vom 15.7.2002 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 7.11.2003 zu ändern und die
Einkommensteuer um 54.235,80 EUR niedriger auf 0 EUR
festzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
dem in EFG 2006, 631 = SIS 06 18 94 veröffentlichten Urteil
als unbegründet ab.
Es ließ dahingestellt bleiben, ob das
bebaute Grundstück 1995 zu Anlagevermögen geworden sei.
Allerdings nahm das FG einen Wechsel der Gewinnermittlungsart an.
Weil die Klägerin ihr Recht, die Art der Gewinnermittlung zu
wählen, nicht zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraumes 1995
zu Gunsten einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
ausgeübt habe, sei der Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5
EStG zu ermitteln gewesen. Der Umstand, dass der Gewinn 1994 nach
§ 4 Abs. 3 EStG ermittelt worden sei, lasse nicht den Schluss
zu, das bestehende Wahlrecht sei 1995 in gleicher Weise
ausgeübt worden. Es lasse sich nicht feststellen, dass die
Klägerin zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraumes 1995 das
Bewusstsein gehabt habe, (weiterhin) Einkünfte aus
Gewerbebetrieb - also Gewinneinkünfte - zu erzielen. Die
Angaben in der Einkommensteuererklärung 1995 ließen den
Schluss zu, die Klägerin sei davon ausgegangen, der
gewerbliche Grundstückshandel sei 1994 abgeschlossen gewesen.
Dementsprechend seien hinsichtlich der beiden
Doppelhaushälften Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung erklärt und AfA in Ansatz gebracht worden. Auch
die Einkommensteuererklärungen der Jahre 1996 bis 1999
deuteten nicht darauf hin, dass der Klägerin bewusst gewesen
sei, weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erzielen. Der
Wechsel der Gewinnermittlungsart habe zu einem Übergangsgewinn
in Höhe von 355.075 DM geführt, der durch die
vorgenommenen AfA nicht habe geschmälert werden
dürfen.
Mit der Revision bringen die Kläger
vor, das angefochtene Urteil verletze materielles Recht. Das FG
habe außer Acht gelassen, dass die Klägerin ihr
Wahlrecht bereits 1994 bewusst zugunsten einer
Einnahmen-Überschussrechnung ausgeübt und für das
Streitjahr 1995 daran festgehalten habe.
Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG sowie den Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 15.7.2002 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7.11.2003 aufzuheben und die
Einkommensteuer auf 0 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das
Urteil des FG wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Entgegen der Ansicht des FG hat die
Klägerin die Gewinnermittlungsart nicht gewechselt und
infolgedessen keinen Übergangsgewinn erzielt. Entgegen der
Auffassung des FA ist das mit dem Doppelhaus bebaute
Grundstück trotz Bebauung als Umlaufvermögen zu
behandeln.
1. § 4 Abs. 3 EStG ermöglicht den
Steuerpflichtigen, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften
verpflichtet sind, Bücher zu führen und
regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die keine
Bücher führen und keine Abschlüsse machen, als
Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die
Betriebsausgaben anzusetzen. Von dieser Möglichkeit hat die
Klägerin für das dem Streitjahr 1995 vorangehende Jahr
1994 berechtigterweise Gebrauch gemacht.
a) Die Klägerin war zur
Überschussrechnung befugt, weil sie weder
buchführungspflichtig war, noch eine Eröffnungsbilanz
erstellt und eine ordnungsmäßige kaufmännische
Buchführung eingerichtet, noch aufgrund von Bestandsaufnahmen
einen Abschluss gemacht hatte. Vielmehr hat sie für den
Veranlagungszeitraum 1994 den erstmals von ihr erzielten Gewinn aus
Gewerbebetrieb durch eine Einnahmen-Überschussrechnung
ermittelt. Damit hat sie ihr Wahlrecht ausgeübt (vgl. dazu
z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2.3.1978 IV R 45/73,
BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431 = SIS 78 02 42; vom 29.4.1982 IV R
95/79, BFHE 136, 94, BStBl II 1982, 593 = SIS 82 16 27; vom
20.5.1988 III R 217/84, BFH/NV 1990, 17 = SIS 88 24 11; vom
19.10.2005 XI R 4/04, BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509 = SIS 06 02 11; vom 2.3.2006 IV R 32/04, BFH/NV 2006, 1457 = SIS 06 30 41). Das
hat sie durch die entsprechende Steuererklärung gegenüber
dem FA bekundet.
b) Entgegen der Auffassung des FG muss das
Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG nicht jährlich neu
ausgeübt werden. Die Entscheidung für eine bestimmte
Gewinnermittlungsart ist eine
„Grundentscheidung“, die nicht jährlicher
Wiederholung bedarf. Die Forderung der Rechtsprechung, der
Steuerpflichtige müsse die Entscheidung, seinen Gewinn durch
Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln, in dem Bewusstsein
treffen, Gewinneinkünfte zu erzielen (BFH-Urteile vom
30.9.1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301 = SIS 81 12 12; vom 1.10.1996 VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403 = SIS 97 11 26;
vom 9.2.1999 VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195 = SIS 99 50 13; eher
abgeschwächt: BFH-Urteil vom 29.8.1985 IV R 111/83, BFH/NV
1986, 158), mag für die erstmalige Ausübung des
Wahlrechts berechtigt sein. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass
sich dieses Bewusstsein wiederholt in der Steuererklärung
niederschlagen muss und dann zu verneinen ist, wenn der
Steuerpflichtige in Folgejahren eine Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 3 EStG nicht ausdrücklich dokumentiert hat. Es kann davon
ausgegangen werden, dass der Steuerpflichtige, der
Gewinneinkünfte erzielt, so lange bei der einmal
gewählten Gewinnermittlungsart bleibt, bis er Gegenteiliges
bekundet. Dafür sprechen auch Gründe der
Praktikabilität. Der Steuerpflichtige, der sein Wahlrecht in
der Vergangenheit bereits ausgeübt hat, kann somit davon
absehen, deutlich zu machen, dass er im späteren
Veranlagungszeitraum den Gewinn auf die gleiche Weise durch
Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt.
2. Danach hat die Klägerin nach der
für 1994 vorgenommenen Gewinnermittlung keine abweichende Wahl
der Gewinnermittlungsart getroffen.
a) Sie hat weder für 1995 noch für
spätere Jahre eine Eröffnungsbilanz erstellt oder eine
ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung
eingerichtet oder aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss
gemacht. Sie hat also auf keine Weise bekundet, dass sie von der im
Vorjahr getroffenen Entscheidung abweichen wolle, den Gewinn nach
§ 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Daher muss, nachdem die
Klägerin im Jahr 1994 ihren gewerblichen Gewinn nach § 4
Abs. 3 EStG ermittelt hatte und keine durchgreifenden abweichenden
Anhaltspunkte vorliegen, davon ausgegangen werden, dass sie in der
Folgezeit diese Gewinnermittlungsart beibehalten wollte (vgl.
Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4
Rz D 39). Anders als das FA hat das FG dies verkannt und einen
Wechsel der Gewinnermittlungsart angenommen. Dazu bestand kein
Anlass.
b) Entgegen der Auffassung des FG hat die
Klägerin den gewerblichen Grundstückshandel nicht dadurch
mit Ablauf des Jahres 1994 aufgegeben, dass sie das verbliebene
Grundstück bebaut und im Rahmen einer Zwischennutzung
vermietet hat. Auch nach der Bebauung war das verbliebene
Grundstück weiterhin zur Veräußerung bestimmt. Das
ergibt sich trotz der zwischenzeitlichen Vermietung auf jeweils
unbestimmte Zeit - und damit nicht langfristig - aus entsprechenden
Verkaufsbemühungen und nicht zuletzt daraus, dass den Mietern
der Doppelhaushälften eine Kaufoption eingeräumt war,
deren Wahrnehmung die Klägerin zum Verkauf des Objekts
gezwungen hätte, selbst wenn sie ihre
Veräußerungsabsicht zwischenzeitlich aufgegeben
hätte. Insoweit bestand für die Klägerin kein
Anlass, das Grundstück nach der Bebauung mit dem Doppelhaus
dem Anlagevermögen ihres gewerblichen Grundstückshandels
zuzuordnen. Es blieb Umlaufvermögen wie vor der Bebauung.
c) Dass die Klägerin im Streitjahr 1995
und in den folgenden Jahren Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung erklärt hat, rechtfertigt nicht die Annahme des
FG, die Klägerin habe sich für eine andere Art der
Gewinnermittlung entschieden. Der in den Steuererklärungen zum
Ausdruck kommende möglicherweise vorhandene Irrtum der
Klägerin, keine Gewinneinkünfte zu erzielen, ist vor dem
Hintergrund der im Jahr 1994 getroffenen Entscheidung, den Gewinn
nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln, und des Fehlens der
Bekundung eines gegenteiligen Willens als unbeachtliche rechtliche
Würdigung der Einkunftsart zu werten (so auch Morsbach, EFG
2006, 633) und nicht als Bekundung des Willens, künftig den
Gewinn aus dem gewerblichen Grundstückshandel nicht mehr nach
§ 4 Abs. 3 EStG ermitteln zu wollen. Vielmehr ist davon
auszugehen, dass ein Steuerpflichtiger bei der von ihm bewusst
gewählten Gewinnermittlungsart bleiben will, solange seine
Einkünfte objektiv als Gewinneinkünfte zu beurteilen
sind. Dem steht aufgrund der von der Klägerin im Jahr 1994
ausdrücklich getroffenen Wahl der Gewinnermittlungsart nicht
entgegen, dass im Allgemeinen die Erklärung von
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht allein deshalb
als Wahl der Gewinnermittlungsart des § 4 Abs. 3 EStG
anzusehen ist, weil sowohl Überschusseinkünfte (vgl.
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) als auch der Gewinn gemäß
§ 4 Abs. 3 EStG nach Zu- und Abflussgesichtspunkten (vgl.
§ 11 EStG) ermittelt werden (BFH-Urteile vom 26.11.1996 IX R
51/94, BFH/NV 1997, 404 = SIS 97 11 14; und in BFH/NV 1999, 1195 =
SIS 99 50 13). Das hat das FG außer Acht gelassen.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das
FG hat keine Feststellungen über die Herstellungskosten des
Doppelhauses getroffen, die Betriebsausgaben des gewerblichen
Grundstückshandels der Klägerin sind, weil das
Grundstück trotz seiner Bebauung weiterhin zum
Umlaufvermögen gehört. Bei der erneuten Entscheidung muss
das FG den Ansatz eines Übergangsgewinns unterlassen, die im
Streitjahr für das Doppelhaus angefallenen Herstellungskosten
als Betriebsausgaben berücksichtigen und die von der
Klägerin zu Unrecht vorgenommenen AfA auf das Doppelhaus
korrigieren. Weiter hat das FG zu beachten, das Streitgegenstand
nur die Einkommensteuerfestsetzung für 1995 ist, wie sich aus
dem Antrag der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren
ergibt.