Vermögensverwaltende Personengesellschaft, Feststellung bei Vermietung an Gesellschafter: Die Einkünfte einer vermögensverwaltenden Gesellschaft aus der Vermietung von Räumen an eine freiberuflich tätige Anwaltsgemeinschaft sind auch dann auf der Ebene der Gesellschaft einheitlich und gesondert festzustellen, wenn ein Gesellschafter zugleich an der Anwaltsgemeinschaft beteiligt ist und sein Grundstücksanteil als Sonderbetriebsvermögen im Rahmen der selbständigen Tätigkeit zu erfassen ist. - Urt.; BFH 9.10.2008, IX R 72/07; SIS 08 41 93
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Grundstücksgemeinschaft in der
Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie
besteht aus zwei Eheleuten, die je zur Hälfte Eigentümer
des Grundstücks sind. Nach Fertigstellung des Gebäudes
(im Streitjahr 2002) wurde das Dachgeschoss an eine
Rechtsanwaltskanzlei vermietet. Als Mitglied dieser Anwaltskanzlei
bezieht der Ehemann Einkünfte aus selbständiger Arbeit,
die vom Finanzamt S einheitlich und gesondert festgestellt
werden.
Im Juni 2004 reichte die Klägerin
für die Jahre 2001 und 2002 (Streitjahre) Erklärungen zur
einheitlichen und gesonderten Feststellung für die
Grundstücksgemeinschaft ein. Zu diesem Zeitpunkt waren die
Eheleute bereits bestandskräftig zur Einkommensteuer 2001
zusammen veranlagt. Dabei sind die Einkünfte aus der
Beteiligung an der Anwaltssozietät nach der Mitteilung des
Finanzamts S erfasst worden. Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung sind in die Einkommensteuerfestsetzung 2001 nicht
eingegangen. Die Eheleute hatten entsprechende Einkünfte in
ihrer Einkommensteuererklärung nicht geltend gemacht; sie
waren auch nicht Bestandteil der Feststellungserklärung der
Sozietät. Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2002
berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) lediglich den Anteil der Ehefrau an den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Das FA lehnte die Durchführung einer
einheitlichen und gesonderten Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen ab. Die Klage war erfolgreich. Das
Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA in seinem in EFG 2008, 511
= SIS 07 29 38 veröffentlichten Urteil dazu, die
Einkünfte der Klägerin einheitlich und gesondert
festzustellen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die
Feststellung für die Grundstücksgemeinschaft - was den
Ehemann angehe - nicht für seine Einkommensteuerveranlagung,
sondern nur für die einheitliche und gesonderte Feststellung
der Sozietätseinkünfte bindend sei. Die Beteiligung
stelle Sonderbetriebsvermögen des Ehemanns im Rahmen seiner
Beteiligung dar. Es sei für die einheitliche und gesonderte
Feststellung der Einkünfte der Klägerin aber nicht
erforderlich, dass die Einkünfte bei allen Beteiligten
derselben Einkunftsart zuzuweisen seien. Es liege im Streitfall
auch kein Fall von geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 Nr. 2 der
Abgabenordnung - AO - ) vor, weil die Feststellung für die
klagende Grundstücksgemeinschaft bezüglich der
einheitlichen und gesonderten Feststellung der Anwaltssozietät
verbindlich sei.
Hiergegen wendet sich die Revision des FA,
mit der es die Verletzung von § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 15 Abs.
1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (EStG)
sowie von § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst.
a AO rügt. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs.
4 Satz 2 EStG ordne die anteiligen Einkünfte des Ehemannes
zwingend dem Feststellungsbereich der Rechtsanwaltskanzlei zu.
Dadurch verblieben bei der Grundstücksgemeinschaft lediglich
die der Ehefrau zuzurechnenden Einkünfte.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist
nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG das FA verpflichtet, die
Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung
einheitlich und gesondert festzustellen.
1. Nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden einkommensteuerpflichtige
Einkünfte einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an den
Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte
diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Im Bereich der
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist eine einheitliche
und gesonderte Feststellung vorzunehmen, wenn mehrere Personen -
wie hier in der Form einer GbR - gemeinschaftlich den Tatbestand
der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklichen und
dadurch Einkünfte erzielen. Ist ein Gesellschafter betrieblich
beteiligt, wandeln sich die ihm zuzurechnenden
Beteiligungseinkünfte in betriebliche Einkünfte um. Diese
Umqualifizierung vollzieht sich außerhalb der Gemeinschaft
auf der Ebene des Gesellschafters. Verwirklicht er mit der
Vermietungstätigkeit außerhalb der Beteiligung zugleich
die Voraussetzungen der § 18 Abs. 4 Satz 2, § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG, so treten diese Tatbestandsmerkmale zu den
gemeinschaftlich erfüllten und verbindlich festgestellten
Besteuerungsgrundlagen hinzu und gehören deshalb nicht in den
Regelungsbereich des Grundlagenbescheids, sondern in jenen des
Folgebescheids (vgl. dazu Beschluss des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.4.2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399,
BStBl II 2005, 679 = SIS 05 31 02, unter C. 3. b).
a) Dabei kann Folgebescheid ein weiterer
Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
Einkünften sein, wenn die Grundstücksgemeinschaft - wie
im Streitfall die Klägerin - Räume an eine freiberuflich
tätige Anwaltsgemeinschaft vermietet, an der einer ihrer
Gesellschafter beteiligt ist. Hier müssen die gemeinschaftlich
verwirklichten Besteuerungsmerkmale auf der Ebene der GbR
festgestellt werden, während die Umqualifizierung der
Vermietungseinkünfte in Gewinnanteile bei der
Anwaltsgemeinschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 18 Abs.
4 Satz 2 EStG) im Rahmen der einheitlichen und gesonderten
Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit
vorzunehmen ist.
b) Aus der sog. Bruchteilsbetrachtung, nach
der ein Mietvertrag zwischen einer GbR und einem Gesellschafter
steuerrechtlich nicht anzuerkennen ist, wenn und soweit diesem das
Grundstück nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zuzurechnen
ist (BFH-Urteil vom 18.5.2004 IX R 83/00, BFHE 206, 162, BStBl II
2004, 898 = SIS 04 27 55), kann die Revision nichts Gegenteiliges
herleiten. Denn im Streitfall ist nicht der Gesellschafter (hier
der Ehemann) Mieter, sondern die Anwaltsgemeinschaft. Auf dieser
Ebene - also auf der Ebene des Mieters - gilt aber nicht die
Zuordnungsvorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, sondern die
vorrangige Zurechnung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 18
Abs. 4 Satz 2 EStG.
c) Auch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG folgt entgegen der Revision
nichts anderes. Wenn danach die die Mitunternehmerschaft
betreffenden Sachverhalte in die Gewinnermittlung der
Mitunternehmerschaft einzubeziehen sind (Zurechnungsnorm, so
BFH-Urteil vom 18.7.1979 I R 199/75, BFHE 128, 516, BStBl II 1979,
750 = SIS 79 03 87), der dem Gesellschafter nach § 39 Abs. 2
Nr. 2 AO zuzuordnende Grundstücksanteil zugleich dessen
Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Anwaltsgemeinschaft
ist (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2005 IV R 29/04, BFHE 211, 305,
BStBl II 2006, 173 = SIS 06 02 13, m.w.N.), so lassen diese
Auswirkungen auf der Ebene der Anwaltsgemeinschaft das - in Form
der Grundstücksgesellschaft - gemeinschaftliche Verwirklichen
von Besteuerungsgrundlagen unberührt. Denn insoweit
unterscheidet sich der Fall nicht von demjenigen, in dem ein an der
Grundstücksgesellschaft Beteiligter allein z.B. im Rahmen
eines gewerblichen Grundstückshandels gewerblich tätig
ist (so der Fall, der dem Beschluss des Großen Senats des BFH
in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 = SIS 05 31 02 zugrunde lag).
Auch in diesem Fall ist der dem Beteiligten nach § 39 Abs. 2
Nr. 2 AO zuzurechnende Anteil an dem vermieteten Grundstück
zugleich beim ihm - und nur bei ihm - Betriebsvermögen. Mehr
bewirkt auch § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, 2. Halbsatz EStG
nicht, ist es doch gerade der Zweck dieser Norm, den Mitunternehmer
einem Einzelunternehmer anzunähern (einhellige Auffassung,
vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 15 Rz 161 und 561,
m.w.N. aus der Rechtsprechung).
2. Nach diesen Maßstäben hat das FG
das FA zutreffend verpflichtet, die Einkünfte der
Klägerin aus Vermietung und Verpachtung einheitlich und
gesondert festzustellen. Dem FG ist auch darin beizupflichten, dass
insbesondere wegen der unterschiedlichen Bindungswirkung
(einerseits für das Feststellungsverfahren der
Anwaltsgemeinschaft, andererseits gegenüber der
Einkommensteuerveranlagung) kein Fall von geringer Bedeutung i.S.
von § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO vorliegt (vgl. in diesem Sinne auch
BFH-Urteil vom 16.3.2004 IX R 58/02, BFH/NV 2004, 1211 = SIS 04 32 37).