Aufforderung zur Abgabe einer SchenkSt-Erklärung, Verjährung: Fordert die Finanzbehörde nach Anzeigeerstattung gemäß § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG die Einreichung einer Schenkungsteuererklärung, endet die Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Steuerentstehung. - Urt.; BFH 27.8.2008, II R 36/06; SIS 08 38 84
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) erhielt von seinem Onkel (O) aufgrund einer
privatschriftlichen Vereinbarung vom 29.10.1994 schenkweise einen
Anteil von 600.000 DM an einem dem O gegen eine KG zustehenden
Darlehensanspruch. Dieser Vertrag wurde dem Beklagten und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) mit einem bei ihm am
15.11.1995 eingegangenen Schreiben übersandt. Das FA forderte
daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 22.11.1995
gemäß § 31 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zur Abgabe der
Schenkungsteuererklärung auf; diese Erklärung ging am
13.2.1996 beim FA ein.
Durch Bescheid vom 26.6.2000 setzte das FA
für den Erwerb aus der Darlehensübertragungsvereinbarung
vom 29.10.1994 sowie für weitere Erwerbe Schenkungsteuer gegen
den Kläger fest. Der Einspruch, mit dem der Kläger
Festsetzungsverjährung geltend machte, führte aus hier
nicht streitigen Gründen zu einer Herabsetzung der
Schenkungsteuer. Das FA verneinte den Eintritt der
Festsetzungsverjährung, weil die vierjährige
Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 1996, in dem die
Steuererklärung des Klägers bei ihm eingegangen war, zu
laufen begonnen habe.
Das Finanzgericht (FG) nahm mit seinem in
DStRE 2007, 505 = SIS 06 29 46 veröffentlichten Urteil
hinsichtlich des Erwerbs des Klägers aus dem
Darlehensübertragungsvertrag vom 29.10.1994
Festsetzungsverjährung an und setzte die Schenkungsteuer ohne
Berücksichtigung dieses Erwerbs antragsgemäß herab.
Der Kläger sei seiner Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1
ErbStG ordnungsgemäß nachgekommen. Der Beginn der
Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der
Abgabenordnung (AO) sei durch die Anforderung der
Steuererklärung nicht hinausgeschoben worden.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 5 Nr. 2
AO.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der
Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Entgegen der Rechtsauffassung des FG war der mit dem
Erlass des angefochtenen Bescheids geltend gemachte Steueranspruch
nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung
erloschen.
1. Nach § 47 AO erlöschen
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis u.a. durch
Verjährung. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung und
Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die
Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die
Festsetzungsfrist beträgt für die Schenkungsteuer
regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AO). Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres,
in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 1. Alt. AO).
Bei einer Schenkung unter Lebenden entsteht die Schenkungsteuer mit
dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1
Nr. 2 ErbStG). Im Streitfall wurde die Schenkung mit Abschluss der
Darlehensübertragungsvereinbarung vom 29.10.1994
ausgeführt.
2. Abweichend von § 170 Abs. 1 AO beginnt
gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die
Festsetzungsfrist dann, wenn eine Steuererklärung oder eine
Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist,
mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung, die
Anmeldung oder die Anzeige eingereicht bzw. erstattet wird,
spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das
auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Ist
die gemäß § 30 Abs. 1 oder 2 ErbStG bestehende
Anzeigepflicht erfüllt worden und fordert das FA daraufhin
gemäß § 31 Abs. 1 ErbStG die Abgabe einer
Schenkungsteuererklärung, endet die Anlaufhemmung erst mit
Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung
eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten
Kalenderjahres nach dem Jahr der Steuerentstehung.
a) Nach dem Wortlaut des § 170 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 AO wird die Anlaufhemmung alternativ durch die
Einreichung der Steuererklärung bzw. -anmeldung oder durch die
Erstattung der Anzeige beendet. Diese Vorschrift enthält keine
ausdrückliche Regelung der Frage, ob bereits eine
ordnungsgemäß eingereichte Anzeige i.S. des § 30
Abs. 1 oder 2 ErbStG die Anlaufhemmung endgültig beendet oder
ob - sofern das FA nach Anzeigeerstattung zur Abgabe einer
Schenkungsteuererklärung auffordert - diese Rechtsfolge erst
in dem Zeitpunkt eintritt, in dem die Steuererklärung
eingereicht wird und der Dreijahreszeitraum der Anlaufhemmung nicht
schon vorher abgelaufen ist. Diese Frage ist im letzteren Sinne zu
beantworten.
b) § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO soll
verhindern, dass durch eine späte Einreichung der
Steuererklärung, -anmeldung oder Anzeige die der
Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit
(ggf. gezielt) verkürzt wird (Urteile des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 29.1.2003 I R 10/02, BFHE 202, 1, BStBl II 2003, 687 =
SIS 03 32 15; vom 6.7.2005 II R 9/04, BFHE 210, 65, BStBl II 2005,
780 = SIS 05 39 35; vom 6.6.2007 II R 54/05, BFHE 217, 393, BStBl
II 2007, 954 = SIS 07 34 56). Diesen Sicherungszweck - und damit
die Verlängerung der vom Gesetzgeber grundsätzlich
für ausreichend gehaltenen Vierjahresfrist - verknüpft
§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit der Erfüllung einer dem
Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter bzw. der für ihn zum
Handeln Verpflichteten auferlegten Handlungspflicht (BFH-Beschluss
vom 7.12.1999 II B 79/99, BFHE 190, 220, BStBl II 2000, 233 = SIS 00 03 36). Diese Handlungspflicht erstreckt sich nach dem Wortlaut
des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gleichermaßen auf die
Einreichung einer Anzeige als auch - nach Aufforderung durch das FA
- auf die Einreichung einer Steuererklärung.
c) Sofern das FA nach Erstattung der Anzeige
zur Einreichung einer Steuererklärung gemäß §
31 Abs. 1 ErbStG auffordert, rechtfertigt sich eine (weitere)
Anlaufhemmung aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzungen der
Anzeige (§ 30 Abs. 1 und 2 ErbStG) einerseits und der
Steuererklärung (§ 31 ErbStG) andererseits (ebenso
Moench/Kien-Hümbert, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 30
Rz 15). Für diesen Fall kann § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO
nicht entnommen werden, dass der Verpflichtung zur Abgabe einer
Steuererklärung im Hinblick auf die Anlaufhemmung keine
Bedeutung zukommen soll.
aa) Die Anzeigepflicht soll - lediglich - die
möglichst vollständige Erfassung aller Erwerbe
sicherstellen und dient in erster Linie dazu, dem FA die
Prüfung zu erleichtern, ob und wen es im Einzelfall zur Abgabe
einer Steuerklärung aufzufordern hat. Demgegenüber hat
die Steuererklärung ein Verzeichnis der zum Nachlass
gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die
Feststellung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs
erforderlichen Angaben zu enthalten (§ 31 Abs. 2 ErbStG) und
soll so die Erbschaftsteuer- bzw. Schenkungsteuerfestsetzung
ermöglichen (BFH-Urteile vom 16.10.1996 II R 43/96, BFHE 181,
351, BStBl II 1997, 73 = SIS 97 03 12; vom 10.11.2004 II R 1/03,
BFHE 208, 33, BStBl II 2005, 244 = SIS 05 11 94).
bb) Diesen unterschiedlichen Zwecksetzungen
der Anzeige bzw. der Steuererklärung ist bei der Anwendung des
§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO dadurch Rechnung zu tragen, dass
bei einer ordnungsgemäßen Erstattung der Anzeige erst
die dem FA nachfolgend durch die Einreichung der angeforderten
Steuererklärung vermittelte Kenntnis zur (endgültigen)
Beendigung der Anlaufhemmung führt. Nach den Wertungen des
§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO rechtfertigt sich der Beginn der
Festsetzungsfrist nicht schon deshalb, weil das FA den
Steuerpflichtigen bereits aufgrund der Anzeige zur Abgabe einer
Steuererklärung auffordern und diese Aufforderung (etwa durch
Anwendung von Zwangsmitteln, §§ 328 ff. AO) auch ggf.
durchsetzen kann (a.A. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher,
ErbStG, § 30 Rz 37a). Die Rechtsprechung zum Begriff der
Kenntnis i.S. des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO, wonach die
Finanzbehörde schon aufgrund der Anzeige regelmäßig
die Schenkungsteuer - ggf. im Wege der Schätzung (§ 162
AO) - festsetzen oder von den Möglichkeiten des § 165
Abs. 1 Satz 1 und 4 AO Gebrauch machen könne (BFH-Urteil in
BFHE 217, 393, BStBl II 2007, 954 = SIS 07 34 56), kann nicht auf
die Auslegung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO übertragen
werden. Dem steht der von § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO abweichende
Wortlaut des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, der
ausdrücklich auf die Einreichung einer Steuererklärung
abstellt, entgegen.
Die Vorentscheidung war, da sie den
vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht entspricht,
aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif.
Der Kläger ist durch den angegriffenen
Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt.
Zwar ist der Kläger seiner aus § 30
Abs. 1 ErbStG folgenden Verpflichtung zur Anzeige der mit O
geschlossenen privatschriftlichen
Darlehensübertragungsvereinbarung vom 29.10.1994 durch das
beim FA am 15.11.1995 eingegangene Schreiben nachgekommen. Aufgrund
der beim FA am 13.2.1996 eingegangenen
Schenkungsteuererklärung, die der Kläger entsprechend der
Anforderung des FA eingereicht hat, hat aber die Festsetzungsfrist
erst mit Ablauf des Jahres 1996 zu laufen begonnen und mit Ablauf
des Jahres 2000 geendet. Dem angegriffenen Schenkungsteuerbescheid
vom 26.6.2000 steht demgemäß Festsetzungsverjährung
nicht entgegen.