Betriebsstätte im Außenbereich, InvZul: Die Belegenheit einer Betriebsstätte im Außenbereich steht der Gewährung von Investitionszulage nicht entgegen, wenn durch eine Bescheinigung der Gemeindebehörde nachgewiesen wird, dass die Betriebsstätte nicht in einem Gebiet liegt, das durch Bebauungsplan oder sonstige städtebauliche Satzung als Industriegebiet, Gewerbegebiet oder als Sondergebiet i.S. des § 11 Abs. 3 BauNVO festgesetzt ist oder in dem auf Grund eines Aufstellungsbeschlusses entsprechende Festsetzungen getroffen werden sollen oder das aufgrund der Bebauung der näheren Umgebung einem dieser Gebiete entspricht. - Urt.; BFH 29.5.2008, III R 3/05; SIS 08 31 14
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen
Großhandel für Nahrungs- und Genussmittel. Sie
begründete im Streitjahr 1999 neben ihrer bisherigen
Betriebsstätte in A eine weitere Betriebsstätte als
Hauptgeschäftssitz in einer angemieteten Lagerhalle in
B.
Für das Streitjahr beantragte sie u.a.
für die Anschaffung einer „Einbruchmeldeanlage,
Türen und Telefonanlage mit Installation“
Investitionszulage aus einer Bemessungsgrundlage von 305.000 DM
(Pos. 27 des Investitionszulagenantrags). Dem Antrag fügte sie
eine Bescheinigung der Gemeinde B nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
Satz 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 bei, wonach
sich die Betriebsstätte in B nicht in einem Industriegebiet,
Gewerbegebiet oder Sondergebiet i.S. des § 11 Abs. 3 der
Baunutzungsverordnung (BauNVO) befinde und das Gebiet auch nicht
aufgrund der Bebauung der näheren Umgebung einem dieser
Gebiete entspreche. Nach einer auf der Bescheinigung angebrachten
Bemerkung befindet sich die Betriebsstätte
zulässigerweise im Außenbereich.
Nach einer
Investitionszulagensonderprüfung im Jahre 2001 vertrat der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die
Auffassung, bei der Einbruchmeldeanlage handele es sich um ein aus
verschiedenen Teilen bestehendes integriertes System. Die Anlage
sei kein bewegliches Wirtschaftsgut, sondern ein wesentlicher
Gebäudebestandteil und daher nach § 2 InvZulG 1999 nicht
investitionszulagenbegünstigt. Das FA setzte daher die
Investitionszulage u.a. ohne Berücksichtigung der Aufwendungen
für die Einbruchmeldeanlage fest. Der Einspruch blieb im
Streitpunkt ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab
(Urteil vom 8.12.2004 5 K 3013/02, EFG 2005, 894 = SIS 05 19 34).
Es führte aus: Der Betrieb der Klägerin liege im
Außenbereich, also nicht innerhalb des räumlichen
Geltungsbereichs eines Bebauungsplans i.S. des § 30 Abs. 1 und
2 des Baugesetzbuchs (BauGB) oder innerhalb der im Zusammenhang
bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB). Daher sei der Betrieb nicht -
wie es § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 voraussetze - in
der Innenstadt belegen. Die vorgelegte Bescheinigung sei für
die Investitionszulagenfestsetzung nicht bindend. Da die
Begünstigung im Außenbereich belegener
Betriebsstätten dem Ziel der Investitionszulagenförderung
widerspreche, sei § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999
einschränkend dahin auszulegen, dass der Belegenheitsnachweis
nur durch eine Bescheinigung geführt werden könne, die
sich auf den beplanten oder unbeplanten Innenbereich i.S. von
§§ 30 bis 34 BauGB beziehe.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die fehlerhafte Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 InvZulG 1999.
Die Klägerin beantragt, das
finanzgerichtliche Urteil sowie die Einspruchsentscheidung
aufzuheben und unter Änderung des Investitionszulagenbescheids
1999 vom 6.2.2002 die Bemessungsgrundlage für die
Investitionszulage um 284.550 DM zu erhöhen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das FG hat zu Unrecht die von der
Klägerin vorgelegte Bescheinigung nicht als
Belegenheitsnachweis i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3
InvZulG 1999 anerkannt.
1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG
1999 sind bewegliche Wirtschaftsgüter begünstigt, die
während des Fünfjahreszeitraums in kleinen und mittleren
Betrieben des Groß- oder Einzelhandels und in
Betriebsstätten des Groß- oder Einzelhandels in den
Innenstädten verbleiben. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
Satz 3 InvZulG 1999 liegt eine Betriebsstätte in der
Innenstadt, wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung
der zuständigen Gemeindebehörde nachweist, dass die
Betriebsstätte nicht in einem Gebiet liegt, das durch
Bebauungsplan oder sonstige städtebauliche Satzung als
Industriegebiet, Gewerbegebiet oder als Sondergebiet i.S. des
§ 11 Abs. 3 BauNVO festgesetzt ist oder in dem auf Grund eines
Aufstellungsbeschlusses entsprechende Festsetzungen getroffen
werden sollen oder das auf Grund der Bebauung der näheren
Umgebung einem dieser Gebiete entspricht.
2. Die von der Klägerin vorgelegte
Bescheinigung genügt den formalen und inhaltlichen
Anforderungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999.
Sie wurde von der zuständigen Gemeindebehörde ausgestellt
und bestätigt unter Wiedergabe des Wortlauts des § 2 Abs.
2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999, dass die Betriebsstätte
der Klägerin nicht in einem dort näher umschriebenen
Gebiet liegt. Der Zusatz, die Betriebsstätte befinde sich im
Außenbereich, schränkt den bescheinigten Sachverhalt
nicht ein.
3. Entgegen der Auffassung des FG ist die der
Klägerin erteilte Bescheinigung als Nachweis für die
Belegenheit ihrer Betriebsstätte in der Innenstadt i.S. von
§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 anzuerkennen.
a) Die Bescheinigung der Gemeindebehörde
nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 ist
materiell-rechtliche Voraussetzung für die Festsetzung der
Investitionszulage und unterliegt weder in rechtlicher noch in
tatsächlicher Hinsicht der Nachprüfung durch die
Finanzbehörde, soweit es sich um außersteuerliche
Beurteilungen handelt (Senatsbeschluss vom 28.5.2003 III B 87/02,
BFH/NV 2003, 1218 = SIS 03 37 57, m.w.N.). Ausgehend vom Wortlaut
der Regelung hat die Klägerin daher den Belegenheitsnachweis
ordnungsgemäß erbracht.
b) Der Senat teilt nicht die Meinung des FG,
dass der Belegenheitsnachweis nur durch eine Bescheinigung
geführt werden könne, die sich auf den beplanten oder
unbeplanten Innenbereich nach §§ 30 bis 34 BauGB beziehe.
Die Voraussetzungen für eine derartige vom Wortlaut des §
2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 abweichende Auslegung
liegen nicht vor.
Eine Vorschrift ist ihrem Zweck entsprechend
einzuschränken, wenn sich der Wortlaut - gemessen am
Gesetzeszweck - als planwidrig zu weit erweist (sog. teleologische
Reduktion oder Restriktion). Eine teleologische Reduktion scheidet
aus, wenn der weite Wortlaut Folge einer bewussten
rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist (Senatsurteil
vom 18.5.2006 III R 21/03, BFHE 213, 183, BStBl II 2006, 776 = SIS 06 37 09).
Wie sich aus der Entstehungsgeschichte des
§ 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1996, der
Vorgängerregelung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3
InvZulG 1999, ergibt, sollte der mittelständische Groß-
und Einzelhandel wegen der hohen Investitionskosten in
innerstädtischen Lagen zur Wahrung seiner
Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Handelsketten und
großflächigen Einkaufszentren vor den Toren der
Städte und Gemeinden begünstigt werden. Durch das
Bescheinigungsverfahren sollte sichergestellt werden, dass
Investitionen von großflächigen Handelsbetrieben in
baurechtlich durch Bebauungsplan usw. festgelegten und in
faktischen Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten aus der
Förderung ausgeschlossen blieben und Investitionen im
innerstädtischen Bereich begünstigt wurden. Dadurch
sollte gleichzeitig ein Beitrag zur Wiederbelebung der
Innenstädte geleistet werden (BTDrucks 13/1558, 170). In
§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 wurde dieses Ziel
beibehalten (BTDrucks 13/7792, 13).
Mit der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr.
3 InvZulG 1999 wollte der Gesetzgeber zwar in erster Linie den
Innenstadtbereich im Sinne des Mittelpunkts einer Stadt
fördern. Er hat den Begriff „Innenstadt“
aber nicht in diesem Sinne definiert. Denn zur Innenstadt i.S. von
§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 InvZulG 1999 gehören
aufgrund der Definition, die nur Industrie-, Gewerbe- oder
Sondergebiete i.S. von § 11 Abs. 3 BauNVO ausschließt,
auch die in § 1 Abs. 2 BauNVO aufgeführten weiteren
Baugebiete, wie Kleinsiedlungsgebiete, reine, allgemeine und
besondere Wohngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete sowie die nicht
in § 11 Abs. 3 BauNVO aufgeführten sonstigen
Sondergebiete wie Erholungsgebiete i.S. von § 10 BauNVO. Diese
Gebiete sind jedoch nicht generell mit dem Innenstadtbereich im
Sinne des Mittelpunkts einer Stadt deckungsgleich, so dass z.B.
auch eine in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) oder in
einem der Erholung dienenden Sondergebiet (§ 10 BauNVO)
belegene Betriebsstätte unter die Förderung fallen kann,
ohne dass damit - vergleichbar mit einer Förderung im
Außenbereich - die Förderzwecke der Entlastung von hohen
Innenstadtinvestitionskosten oder der Innenstadtbelebung erreicht
werden.
Insbesondere daraus, dass der Gesetzgeber
ausdrücklich nur die Sondergebiete i.S. des § 11 Abs. 3
BauNVO, nicht auch andere Sondergebiete, z.B. Erholungsgebiete i.S.
von § 10 BauNVO, von der Förderung ausgenommen hat, wird
deutlich, dass ihm die Problematik der Abgrenzung des
geförderten Gebiets unter Verwendung der baurechtlichen
Begriffe bewusst war. Es kann nicht angenommen werden, im
Gesetzgebungsverfahren sei übersehen worden, im
Außenbereich belegene Betriebsstätten von der
Förderung auszunehmen. Vielmehr ist aufgrund der
gewählten, ins Einzelne gehenden Formulierung davon
auszugehen, dass der Gesetzgeber die Abgrenzungsfrage erkannt hat
und mit der getroffenen Wortwahl die Förderbarkeit von
Betriebsstätten im Außenbereich im Grundsatz nicht
ausgeschlossen hat. Dafür, dass die Formulierung bewusst so
getroffen wurde, spricht auch, dass sie nicht unverändert aus
der Vorgängerregelung (§ 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 InvZulG
1996) übernommen, sondern sprachlich abgewandelt wurde. Dabei
ist auch zu bedenken, dass Begünstigungsfälle im
Außenbereich in der Praxis ohnehin kaum vorkommen. Denn
entsprechende Vorhaben (Groß- und Einzelhandelsbetriebe) sind
im Außenbereich nach § 35 BauGB nur eingeschränkt
zulässig. Grundsätzlich ist ein entsprechender
Bebauungsplan erforderlich, nach dessen Festsetzungen sich die
Förderbarkeit entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 3
InvZulG 1999 bestimmt.
4. Das auf der abweichenden Rechtsauffassung
des FG beruhende Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das FG
zurückverwiesen. Dieses wird die Voraussetzungen der
Investitionszulagenförderung im Einzelnen zu prüfen
haben.