Vorsteuervergütung, Unternehmerbescheinigung: 1. Die von einem anderen Mitgliedstaat für das Vorsteuervergütungsverfahren erteilte Unternehmerbescheinigung begründet die Vermutung, dass das betreffende Unternehmen in dem Mitgliedstaat, dessen Steuerverwaltung ihm die Bescheinigung ausgestellt hat, steuerpflichtig und ansässig ist. Die inländische Steuerverwaltung ist grundsätzlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an die Angaben dieser Bescheinigung gebunden (EuGH-Urteil vom 28.6.2007 Rs. C-73/06 - Planzer Luxembourg Sarl -, Slg. 2007 I-5655 = SIS 07 28 65). - 2. Die Bindungswirkung der Unternehmerbescheinigung entfällt, wenn die inländische Steuerverwaltung bei Zweifeln an deren Richtigkeit aufgrund von Aufklärungsmaßnahmen (z.B. eigene Auskünfte des Steuerpflichtigen, Amtshilfe) Informationen erhält, aus denen hervorgeht, dass die in der Bescheinigung angegebene Anschrift weder dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen entspricht noch die einer festen Niederlassung ist, von der aus der Steuerpflichtige seine Umsätze tätigt. - Urt.; BFH 14.5.2008, XI R 58/06; SIS 08 27 67
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahr 1997
gegründete Kapitalgesellschaft englischen Rechts. Laut der
Unternehmerbescheinigung der britischen Behörde für
„HM Customs and Excise“ vom 31.7.1998 ist ihr
Geschäftszweck die Durchführung einer „Business-
und Management“-Beratung („Consultancy“). In
ihrem Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer bezeichnet sie
ihre Aktivitäten als „Incentive Dienstleistungen;
Vertrieb (von) Yachten für Charter- und Incentivezwecke und
Industrieberatung“. Nach ihren eigenen Angaben
beschäftigte sie sich darüber hinaus mit dem Vertrieb von
„Yachtkonzepten“; ferner arbeitete sie für
Fachzeitschriften und als Dienstleister im Bereich von Reportagen
und Testberichten. Schließlich verkaufte bzw. vercharterte
sie den „V Trawler“, eine Schiffsart.
Das Stammkapital der Klägerin betrug
1.000 £; von diesem Betrag waren 2 £ einbezahlt.
Direktoren waren die deutschen Eheleute A und B. Beide hielten je 1
£ des Stammkapitals. Die Klägerin erzielte nach ihrer
vorgelegten Buchführung im Streitjahr 1998 einen Umsatz von
rd. 34.000 £ (entspricht ca. 52.000 EUR), dem allerdings
Vertriebskosten in etwa der gleichen Höhe
gegenüberstanden, so dass sie insgesamt einen Verlust von ca.
553 £ (entspricht 850 EUR) erzielt hatte. Als Prokurist der
Klägerin war C bestellt.
Die Klägerin hatte im Streitjahr 1998
ihren Sitz in Großbritannien angemeldet. Sie verwendete im
Streitjahr dieselbe Adresse und Telefonnummer wie die „B
Ltd.“ Direktor dieser Firma war ebenfalls C. Nach ihren
eigenen Angaben beschäftigte die Klägerin außer dem
Prokuristen keine Arbeitnehmer. Die Verwaltung lag nach ihren
Angaben in der Hand der „B Ltd.“ Diese Firma stellte
die gesamte Infrastruktur wie auch das Telefon entgeltlich zur
Verfügung; die Räumlichkeiten waren von ihr angemietet.
Der Vertrag mit der „B Ltd.“ war nach Auskunft der
Klägerin lediglich mündlich geschlossen worden.
Am 14.10.1998 beantragte die Klägerin
die Vorsteuervergütung nach § 18 Abs. 9 des
Umsatzsteuergesetzes 1993 in der im Streitjahr geltenden Fassung
(UStG) beim Bundesamt für Finanzen (BfF), dem
Rechtsvorgänger des Beklagten und Revisionsbeklagten
(Beklagter), für den Vergütungszeitraum Januar bis
September 1998 in Höhe von insgesamt 6.592,98 DM. Sie
fügte dem Antrag die von der britischen Behörde „HM
Customs and Excise“ erstellte Unternehmerbescheinigung vom
31.7.1998 bei.
Die eingereichten Rechnungen bezogen sich
im Wesentlichen auf Gebühren für die Anmietung einer
Motoryacht von der A Yachtcharter KG. Geschäftsführer der
zuletzt genannten Firma waren die Eheleute A und B. Zumindest eine
Rechnung dieser Firma vom 6.7.1998 erbat die Zahlung der
Chartergebühr auf ein Konto bei der Stadtsparkasse Y. Durch
Chartervertrag vom 18.2.1998, der in S (Deutschland) unterzeichnet
worden war, hatte die Klägerin die Motoryacht „X“
angemietet. Den Mietvertrag hatte für die KG Herr A und
für die Klägerin seine spätere Ehefrau
unterschrieben. Von diesem Schiff aus betrieb die Klägerin
ihre Geschäfte. Die Yacht diente gleichzeitig als
Vorführschiff für die zu verkaufenden bzw. zu
vercharternden „V Trawler“; der Name „V“
war ein Warenzeichen der Klägerin. Der Angebotsprospekt
für dieses Schiff war in Deutschland konzipiert und in
deutscher Sprache verfasst. Als Autoren des Prospektes und damit
als Anbieter des Schiffes waren die Klägerin und Herr A
genannt; der Kontakt sollte ausschließlich über eine
deutsche Telefon- oder Faxnummer zustande kommen; auch war die
Klägerin unter einem deutschen E-Mail-Anschluss zu erreichen.
Im Bootsprospekt waren als Ansprechpartner A und B genannt. Im
Falle eines Kaufes sollte das „Zuwasserlassen“ des
Schiffes in S stattfinden. Das Schiff, dessen Bugkabine zum
Büro ausgebaut worden war, war zumindest im Jahr 2000 im
Flaggenregister in Deutschland eingetragen.
Das BfF übermittelte der Klägerin
vier Aufklärungsverfügungen, die nach seiner Auffassung
jedoch nicht vollständig beantwortet wurden. Es lehnte mit
Bescheid vom 5.3.1999 die Vergütung von Vorsteuer ab.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des
Finanzgerichts (FG) ist in EFG 2007, 387 = SIS 07 01 84
veröffentlicht.
Zur Begründung der Revision macht die
Klägerin geltend, das FG habe die Vorschrift des § 18
Abs. 9 Satz 1 UStG unrichtig angewendet. Sie, die Klägerin,
sei in Großbritannien ansässig.
Die Entscheidung des Rechtsstreits
hänge von der Rechtsfrage ab, ob und inwieweit einer nach
§ 61 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993
in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStDV) vorgelegten
Unternehmerbescheinigung einer ausländischen Behörde
Bindungswirkung für das Vorsteuervergütungsverfahren in
Bezug auf das Merkmal der „Ansässigkeit“ im
ausstellenden Mitgliedstaat zukomme. Diese Rechtsfrage sei bislang
vom Bundesfinanzhof (BFH) nicht entschieden worden. Nur das
ausstellende Land und dessen Behörden hätten
tatsächlich die Möglichkeit, in ihrem Land befindliche
Unternehmungen auf bestimmte Unternehmensmerkmale hin zu
untersuchen. Die in Deutschland ansässigen Behörden und
Gerichte hingegen seien auf Auskünfte der Behörden des
Ausstellungslandes ggf. im Rahmen von Amtshilfeverfahren
angewiesen. Das FG habe diesen Umständen keine Rechnung
getragen.
Es sei auch zweifelhaft, ob und inwieweit
der Begriff der „Ansässigkeit“ durch die deutsche
Finanzgerichtsbarkeit überhaupt justiziabel sei. So könne
den Überprüfungsergebnissen des Merkmals
„Ansässigkeit“ des Landes, in welchem eine
Ansässigkeit vorgetragen werde, eine Bindungswirkung zukommen.
Nicht geklärt sei bislang die Frage, ob eine zwingende
Verpflichtung der Erstattungsbehörde zur Einholung einer
Auskunft von dem behaupteten Ansässigkeitsmitgliedstaat
bestehe; es sei ebenfalls nicht geklärt, wie diese eingeholten
Informationen zu verwerten seien.
Die Entscheidung des Rechtsstreits
könne schließlich von der Frage abhängen, wie der
Begriff der „Ansässigkeit“ auszulegen sei. Der BFH
habe mehrfach festgestellt, dass das Begriffsmerkmal
Ansässigkeit am Gemeinschaftsrecht auszurichten sei und damit
schlussendlich für alle Mitgliedstaaten verbindlich vom
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu
definieren sei. Dazu sei ein Vorlagebeschluss notwendig. Daher
werde eine Vorlage an den EuGH nach Art. 234 Satz 3 des Vertrags
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und
dementsprechend die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) angeregt.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils und des
ablehnenden Bescheides des BfF vom 5.3.1999 in Gestalt der hierzu
ergangenen Einspruchsentscheidung den Beklagten zu verpflichten,
die beantragte Umsatzsteuervergütung für das Kalenderjahr
1998 vorzunehmen.
Der Beklagte beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Er hält die Auffassung des FG für
zutreffend.
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet. Sie wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2
FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin kein
Anspruch auf Vorsteuervergütung zusteht.
1. Nach § 18 Abs. 9 UStG kann zur
Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der
Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die
Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im
Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 UStG
und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren
regeln. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in
§§ 59 ff. UStDV Gebrauch gemacht. Zum
Vergütungsverfahren bestimmt § 61 Abs. 3 UStDV, dass der
Unternehmer der zuständigen Finanzbehörde durch
behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig
ist, nachweisen muss, dass er als Unternehmer unter einer
Steuernummer eingetragen ist.
Diese nationalen Vorschriften beruhen - soweit
sie sich auf im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige
Ausländer beziehen - auf der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des
Rates vom 6.12.1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur
Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige
Steuerpflichtige - Richtlinie 79/1072/EWG - (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 331/11).
2. Der Vergütungsanspruch setzt
gemäß § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG zunächst voraus,
dass es sich um einen im Ausland ansässigen Unternehmer
handelt (§ 59 Abs. 1 i.V.m. § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV).
Als nicht im Inland ansässiger Unternehmer gilt nach Art. 1
der Richtlinie 79/1072/EWG derjenige Steuerpflichtige, der im
Inland weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch
eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Umsätze bewirkt
worden sind. Dem FG ist im Ergebnis darin zu folgen, dass das
Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht festgestellt werden
kann.
a) Die Klägerin hat zwar eine den
Anforderungen des § 61 Abs. 3 UStDV entsprechende
Bescheinigung der britischen Behörde „HM Customs and
Excise“ vom 31.7.1998 vorgelegt.
Damit hat sie zunächst auch die in Art. 3
Buchst. b und Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 79/1072/EWG genannten
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Gestalt des entsprechenden
Musters in Anhang B der Richtlinie 79/1072/EWG erfüllt.
Diese Bescheinigung begründet nach der
Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich die Vermutung, dass der
Betreffende nicht nur in dem Mitgliedstaat, dessen Steuerverwaltung
ihm die genannte Bescheinigung ausgestellt hat,
mehrwertsteuerpflichtig ist, sondern dass er dort auch
ansässig ist (EuGH-Urteil vom 28.6.2007 Rs. C-73/06 - Planzer
Luxembourg Sarl -, Slg. 2007, I-5655 = SIS 07 28 65).
b) Diese Vermutung ist aber widerlegbar und im
Streitfall tatsächlich entkräftet.
aa) Der EuGH hat in der genannten Entscheidung
zugleich hervorgehoben, dass es der Steuerverwaltung des Landes, in
dem die Erstattung der Vorsteuer beantragt wird, nicht verwehrt
werden darf, sich bei Zweifeln an der wirtschaftlichen
Realität des Sitzes, dessen Anschrift in dieser Bescheinigung
angegeben ist, zu vergewissern, ob diese Realität
tatsächlich gegeben ist, indem sie auf die
Verwaltungsmaßnahmen zurückgreift, die die
Gemeinschaftsregelung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer hierzu
vorsieht. Insoweit sei daran zu erinnern, dass die
Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität ein
grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen
Mehrwertsteuersystems sei (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-5655 =
SIS 07 28 65, Randnr. 43, und BFH-Urteil vom 6.12.2007 V R 61/05,
BFH/NV 2008, 907 = SIS 08 16 95). Außerdem sei nach
ständiger Rechtsprechung eine betrügerische oder
missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht
erlaubt. Eine solche läge vor, wenn ein Steuerpflichtiger nach
den in der Richtlinie 79/1072/EWG des Rates aufgestellten
Bedingungen in den Genuss des Erstattungssystems zu kommen
versuchte, obwohl der Sitz, dessen Anschrift in der dem Muster in
Anhang B dieser Richtlinie entsprechenden Bescheinigung genannt
werde, im Ausstellungsstaat keiner wirtschaftlichen Realität
entspreche. Habe die Steuerverwaltung des Erstattungsstaats
beispielsweise im Falle eines Verdachts auf Missbrauch steuerlicher
Gestaltungsmöglichkeiten Zweifel an der wirtschaftlichen
Realität des in dieser Bescheinigung angegebenen Sitzes,
könne sie zwar aufgrund der beschriebenen sich aus dieser
Bescheinigung ergebenden Vermutung nicht ohne weitere vorherige
Nachprüfung gegenüber dem Steuerpflichtigen die
Erstattung verweigern. Ihr stehe dann nach Art. 6 der Richtlinie
79/1072/EWG aber die Möglichkeit offen, den Steuerpflichtigen
zu zwingen, ihr die Auskünfte zu erteilen, die erforderlich
seien, um beurteilen zu können, ob der Erstattungsantrag
begründet sei, so etwa Informationen, von denen anzunehmen
sei, dass sie es ihr ermöglichten, die wirtschaftliche
Realität des in der Bescheinigung über die
Steuerpflichtigeneigenschaft genannten Sitzes zu bewerten. Der
Verwaltung stünden insoweit auch die gemeinschaftsrechtlichen
Instrumente der Verwaltungskooperation und der Amtshilfe zu Gebote,
die zur korrekten Festsetzung der Mehrwertsteuer und zum Kampf
gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung auf diesem Gebiete
erlassen worden seien (vgl. im Einzelnen EuGH-Urteil in Slg. 2007,
I-5655 = SIS 07 28 65, Randnr. 48).
Gehe aus den erhaltenen Informationen hervor,
dass die in der Bescheinigung über die
Steuerpflichtigeneigenschaft angegebene Anschrift weder dem Sitz
der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen
entspreche, noch die einer festen Niederlassung sei, von der aus
dieser Steuerpflichtige seine Umsätze tätige, sei die
Steuerverwaltung des Erstattungsstaats berechtigt, die vom
Steuerpflichtigen beantragte Erstattung zu verweigern (vgl.
EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-5655 = SIS 07 28 65, Randnrn. 44 bis
49, jeweils m.w.N.).
bb) Nach den für den Senat bindenden und
nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen
tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO)
haben die den genannten Vorgaben des EuGH entsprechenden
Nachprüfungen des BfF nach Art. 6 der Richtlinie 79/1072/EWG
im Streitfall ergeben, dass die Klägerin im Streitjahr
abweichend von der Unternehmerbescheinigung weder den Sitz ihrer
wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine Niederlassung, von der
aus sie ihre Umsätze tätigte, in Großbritannien
hatte.
aaa) Der Sitz einer wirtschaftlichen
Tätigkeit einer Gesellschaft ist der Ort, an dem die
wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung dieser
Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler
Verwaltung vorgenommen werden (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-5655,
Randnr. 63). Diese Definition hat der EuGH zwar im Zusammenhang mit
der Anwendung von Art. 1 Nr. 1 der Dreizehnten Richtlinie
86/560/EWG des Rates vom 17.11.1986 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
– Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im
Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige -
Richtlinie 86/560/EWG - (ABlEG Nr. L 326/40) getroffen. Da es sich
insoweit aber in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 86/560/EWG und Art. 1
der Richtlinie 79/1072/EWG um identische und in einem
ähnlichen Zusammenhang verwandte Begriffe handelt, ist diese
Definition auch auf die im Streitfall anwendbare Richtlinie
79/1072/EWG zu übertragen.
Der Begriff des Sitzes der wirtschaftlichen
Tätigkeit hat eine eigenständige Bedeutung gegenüber
demjenigen der festen Niederlassung, von wo aus die Umsätze
bewirkt worden sind (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-5655, Randnr. 58).
Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit
einer Gesellschaft ist eine Vielzahl von Faktoren zu
berücksichtigen, und zwar in erster Linie der statutarische
Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die
Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der
- gewöhnlich mit diesem übereinstimmende - Ort, an dem
die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt
wird. Andere Elemente, wie der Wohnsitz der
Hauptführungskräfte, der Ort, an dem die
Gesellschafterversammlung zusammentritt, der Ort, an dem die
Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt
werden, und der Ort, an dem die Finanz- und insbesondere die
Bankgeschäfte hauptsächlich wahrgenommen werden,
können ebenfalls in Betracht gezogen werden (EuGH-Urteil in
Slg. 2007, I-5655 = SIS 07 28 65, Randnr. 61). Dementsprechend
lässt sich eine fiktive Ansiedlung in Form einer
„Briefkastenfirma“ oder einer
„Strohfirma“ nicht als Sitz einer
wirtschaftlichen Tätigkeit einstufen (EuGH-Urteil in Slg.
2007, I-5655 = SIS 07 28 65, Randnr. 62).
Das FG hat zwar in den
Entscheidungsgründen seines Urteils keine ausdrückliche
selbstständige Aussage dahingehend getroffen, wo sich der
tatsächliche wirtschaftliche Sitz der Klägerin befand.
Vielmehr hat es sich auf Ausführungen zu der festen
Niederlassung der Klägerin beschränkt, von wo aus
tatsächlich Umsätze ausgeführt wurden (siehe dazu
nachfolgend unter 2.b, bb, bbb). Gleichwohl bedarf es aber insoweit
keiner Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG nach
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO, weil die tatsächlichen
Feststellungen des FG die Schlussfolgerung erlauben, dass nach dem
Gesamtbild der einzelnen Umstände der behauptete
wirtschaftliche Sitz der Klägerin sich nicht in
Großbritannien befand.
Denn die Klägerin, an deren Kapital
ausschließlich die deutschen Eheleute A und B beteiligt
waren, betrieb ihre Geschäfte - „Incentive
Dienstleistungen; Vertrieb (von) Yachten für Charter- und
Incentivezwecke und Industrieberatung“ sowie den Vertrieb
von Yachtkonzepten, die Arbeit für Fachzeitschriften und
Dienstleister im Bereich von Reportagen und Testberichten, Verkauf
und Vercharterung der Schiffsart „V Trawler“ -
von dem Schiff „X“ aus, das in Deutschland zu
Wasser gelassen worden war. Der Angebotsprospekt für dieses
Schiff war in Deutschland konzipiert und in deutscher Sprache
verfasst. Als Autoren des Prospektes und damit Anbieter des
Schiffes waren die Klägerin und Herr A genannt, der eine Firma
in Deutschland betrieb („Yachtcharter KG“) und
ein Bankkonto in Deutschland hatte. Der maßgebliche
Chartervertrag vom 18.2.1998 war ebenfalls in Deutschland
unterzeichnet worden. Im Bootsprospekt waren als Ansprechpartner
die deutschen Staatsangehörigen A und B genannt; der Kontakt
sollte ausschließlich über eine deutsche Telefon- oder
Faxnummer zustande kommen. Die Klägerin war unter einem
deutschen E-Mail-Anschluss zu erreichen. Ihre in ihrem
Geschäftskorrespondenzbriefkopf in Großbritannien
angegebene Adresse stimmte mit derjenigen einer anderen Firma
(„B Ltd.“) überein.
Aus diesen gesamten Umständen ergibt
sich, dass die Klägerin abgesehen von der in
Großbritannien ausgestellten Unternehmerbescheinigung zu
ihrem statutarischen Sitz in Großbritannien keine
hinreichenden Hinweise im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung
darauf hat geben können, dass sich auch ihr tatsächlicher
wirtschaftlicher Sitz dort befand.
bbb) Ferner hat das FG trotz zahlreicher
Nachfragen durch das BfF im Vorverfahren nicht feststellen
können, dass die Klägerin entsprechend den Angaben in der
Unternehmerbescheinigung eine feste Niederlassung in
Großbritannien hatte, von der aus tatsächlich
Umsätze ausgeführt wurden.
Die von dem FG in den
Entscheidungsgründen seines Urteils vorgenommene
Würdigung ist rechtlich möglich und weist keinen
Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze auf. Sie
ist daher für den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2
FGO).
ccc) Diesem Ergebnis steht auch nicht
entgegen, dass das BfF sich auf Nachfragen bei der Klägerin
i.S. von Art. 6 der Richtlinie 79/1072/EWG beschränkt hat und
nicht daneben auch noch weitere Möglichkeiten der
Zusammenarbeit der Verwaltungen der Mitgliedstaaten bzw. der
Amtshilfe ausgeschöpft hat. Denn der EuGH hat
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die bei der Anwendung
von Art. 6 der Richtlinie 79/1072/EWG erlangten Informationen
bereits eine Bewertung der wirtschaftlichen Realität des in
der Bescheinigung über die Steuerpflichtigeneigenschaft
genannten Sitzes ermöglichen können. Ist Letzteres nicht
möglich, stehen der Verwaltung daneben auch die
gemeinschaftsrechtlichen Instrumente der Verwaltungskooperation und
der Amtshilfe zu Gebote (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-5655, Randnrn.
47, 48).
Im Streitfall ergibt sich aus den
tatsächlichen Feststellungen des FG aber eindeutig, dass der
in der Bescheinigung über die Steuerpflichtigeneigenschaft
genannte Sitz nicht bestand, so dass ein Amtshilfeersuchen nicht
erforderlich war.
3. Ohne dass es hierauf noch entscheidend
ankäme, hat das FG betreffend die im Klageverfahren
nachgereichte Rechnung vom 23.10.1998 zutreffend darauf
hingewiesen, dass insoweit eine Vorsteuervergütung auch
deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Originalrechnung nicht
gleichzeitig mit dem Vergütungsantrag eingereicht wurde
(BFH-Urteil vom 18.1.2007 V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007,
430 = SIS 07 10 77, m.w.N.).
4. Außerdem kann unerörtert
bleiben, ob der Klägerin gemäß dem Vorbringen des
Beklagten auch deshalb kein Anspruch auf Vorsteuervergütung
zusteht, weil der entsprechende Antrag lediglich von ihrem
Prokuristen unterschrieben wurde.