Ansparrücklage, zulässiger Auflösungszeitpunkt: Ansparrücklagen nach § 7 g Abs. 3 EStG können bei Gewinnermittlung durch Überschussrechnung ebenso wie bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nur zum Ende, nicht aber während eines Wirtschaftsjahres aufgelöst werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 6.3.2003 IV R 23/01, BFHE 202 S. 250, BStBl 2004 II S. 187 = SIS 03 37 78). - Urt.; BFH 26.2.2008, VIII R 82/05; SIS 08 18 08
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob bei unterjähriger Auflösung einer Ansparrücklage
nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) der
Gewinnzuschlag gemäß § 7g Abs. 5 EStG für das
Auflösungsjahr voll zu berechnen ist.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Arzt und ermittelt seinen Gewinn durch
Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). In der
Gewinnermittlung für das Jahr 2002 berücksichtigte er die
Auflösung einer im Jahr 2000 nach § 7g EStG gebildeten
Ansparrücklage, die er in der laufenden Buchführung zum
31.10.2002 erfasst hatte. Wegen der Auflösung erklärte er
einen Gewinnzuschlag gemäß § 7g Abs. 5 EStG in
Höhe von 6 % (= 1.053,78 EUR) des aufgelösten Betrages.
Einen Gewinnzuschlag für das Jahr der Auflösung setzte er
nicht an, da die Rücklage insoweit nicht ein volles
Wirtschaftsjahr bestanden habe.
In dem Bescheid über die gesonderte
Feststellung des Gewinns aus selbständiger Arbeit für das
Streitjahr 2002 erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) den erklärten Gewinn um weitere
1.053,78 EUR und stellte den Gewinn in Höhe von 69.652 EUR mit
der Begründung fest, die Ansparrücklage habe für
zwei volle Wirtschaftsjahre bestanden. Einspruch und Klage hatten
keinen Erfolg (vgl. SIS 06 10 35).
Mit der Revision rügt der Kläger
Verletzung materiellen Rechts.
Schon nach dem Wortlaut des § 7g Abs.
5 EStG könne der Gewinnzuschlag nur für ein
Wirtschaftsjahr geltend gemacht werden, in dem die Rücklage
voll bestanden habe. Daran fehle es im Jahr der Auflösung der
Rücklage, wenn - wie im Streitfall - der nach § 7g Abs. 6
2. Halbsatz EStG maßgebliche Zeitraum durch unterjährige
Auflösung der Rücklage vor dem Abschluss des
Wirtschaftsjahres ende.
Der Kläger beantragt, das angefochtene
Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte
Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit im
Jahr 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Ansatz von
Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von
68.568 EUR zu ändern.
Das FA beantragt im Wesentlichen unter
Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Urteils, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
Zu Recht hat das Finanzgericht (FG) den
Gewinnzuschlag für die im Jahre 2000 gebildete und
buchungstechnisch am 31.10.2002 aufgelöste Rücklage nach
§ 7g EStG auch mit 6 % des Rücklagebetrages für das
Streitjahr 2002 und damit insgesamt (für die beiden Jahre, in
denen die Rücklage bestand) mit 12 % dieses Betrages
bemessen.
1. a) Gemäß § 7g Abs. 3 EStG
in der für das Streitjahr geltenden Fassung können
Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln,
für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen
beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den
Gewinn mindernde Rücklage bilden (§ 7g Abs. 3 Satz 1
EStG). Sie muss nach Maßgabe des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG
gewinnerhöhend aufgelöst werden, wenn sie am Ende des
zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden
ist; dabei ist der Gewinn im Wirtschaftsjahr der Auflösung um
6 % des aufgelösten Rücklagebetrages für jedes volle
Wirtschaftsjahr zu erhöhen, in dem die Rücklage bestanden
hat.
Diese Regelungen gelten für
Steuerpflichtige, die ihren Gewinn - wie der Kläger - durch
Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln,
entsprechend mit der Maßgabe, dass die Bildung der
Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung
als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist; der Zeitraum
zwischen Abzug und Zuschlag gilt als Zeitraum, in dem die
Rücklage bestanden hat (§ 7g Abs. 6 EStG).
b) § 7g Abs. 3 EStG (hier: für den
Fall der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung i.V.m. Abs.
6) eröffnet dem Steuerpflichtigen unter den dort festgelegten
Voraussetzungen ein Wahlrecht zur Bildung einer Ansparrücklage
und lässt darüber hinaus bei Aufgabe der
begünstigten und nicht realisierten Investitionsplanung zu,
die Ansparrücklage vorzeitig, d.h. bei Gewinnermittlung durch
Bestandsvergleich, bereits zum Ende des ersten Wirtschaftsjahres
nach ihrer Bildung, aufzulösen (Urteil des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 21.9.2005 X R 32/03, BFHE 211, 221, BStBl II 2006, 66 =
SIS 06 00 16; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF -
vom 25.2.2004 IV A 6 - S 2183 b - 1/04, BStBl I 2004, 337, 340 =
SIS 04 09 22 Tz. 28; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 7g Rz 89;
Blümich/Brandis, § 7g Rz 90). Der in diesem Zusammenhang
anzusetzende Gewinnzuschlag von 6 % des Rücklagenbetrages nach
§ 7g Abs. 5 EStG „für jedes volle
Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat“,
betrifft auch Rumpfwirtschaftsjahre, in denen es unterjährig
zu einer Betriebsaufgabe oder –veräußerung kommt
(BFH-Urteil vom 10.11.2004 XI R 56/03, BFH/NV 2005, 845 = SIS 05 21 91). Denn auch ein solches (Rumpf-)Wirtschaftsjahr ist ein
vollgültiges Wirtschaftsjahr (vgl. BFH-Urteil vom 23.8.1979 IV
R 95/75, BFHE 128, 533, BStBl II 1980, 8 = SIS 80 00 05).
c) Diese Grundsätze gelten nach der
Rechtsprechung auch für Ansparrücklagen bei
Gewinnermittlung durch Überschussrechnung. In diesem Fall
müssen die Steuerpflichtigen den Abzug als Betriebsausgabe bei
Aufgabe der Investitionsabsicht in der Gewinnermittlung für
das zweite auf die Bildung der Rücklage folgende
Wirtschaftsjahr durch einen entsprechenden Zuschlag als
Betriebseinnahme kompensieren, soweit sie dies nicht schon vorher -
z.B. im vorangegangenen Wirtschaftsjahr - getan haben (vgl.
BFH-Urteil vom 28.4.2005 IV R 30/04, BFHE 209, 496, BStBl II 2005,
704 = SIS 05 33 27).
Streitig ist, ob dieser Zuschlag dadurch
vermieden werden kann, dass die Rücklage unterjährig
aufgelöst wird (so FG Bremen, Urteil vom 12.8.2002 1 K 245/01
nicht veröffentlicht; Pohl, DB 2003, 960, 964; Lambrecht in
Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 7g Rz 53; ders. in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7g Rz G 13; Fuhrmann,
Kölner Steuerdialog - KÖSDI - 2004, Nr. 6, 14222, 14229;
Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7g EStG Rz 127
„Gewinnzuschlag“; ablehnend - wie die Vorinstanz
- FG Münster, Urteil vom 24.6.2003 2 K 4635/02 E, EFG 2003,
1719 = SIS 03 50 49; Hessisches FG, Urteil vom 6.12.2004 1 K
1516/04, EFG 2005, 1603 = SIS 05 34 52; BMF-Schreiben in BStBl I
2004, 337 = SIS 04 09 22 Tz. 39; Oberfinanzdirektion - OFD -
Koblenz, Verfügung vom 27.3.2003 S 2183 b A, DStR 2003, 880 =
SIS 03 23 64; Pauls/Weller, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 3,
13849 (7/2006), m.umf.N.; Roland in Bordewin/Brandt, § 7g EStG
a.F. Rz 77; Bröder, FR 2003, 1121, 1122; Rosarius, Die
Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer - INF
- 2003, 775, 778).
d) Der Senat folgt der Auffassung, nach der
der Zuschlag nicht aufgrund einer unterjährigen Auflösung
der Rücklage vermieden werden kann. Schon im Zusammenhang mit
der Frage, ob ein Steuerpflichtiger - mit Gewinnermittlung nach
§ 4 Abs. 3 EStG - eine Ansparrücklage wirksam gebildet
hatte, hat der BFH darauf hingewiesen, dass eine solche
Rücklage nicht während eines Wirtschaftsjahres
aufgelöst werden kann (BFH-Urteil vom 6.3.2003 IV R 23/01,
BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187 = SIS 03 37 78). Er hat damit die
Grundsätze seiner zu § 6b EStG ergangenen Rechtsprechung
(vgl. BFH-Urteil vom 26.10.1989 IV R 83/88, BFHE 159, 133, BStBl II
1990, 290 = SIS 90 07 18) auf den Anwendungsbereich des § 7g
Abs. 6 EStG übertragen.
aa) Für diese Auffassung spricht schon
der Zweck der Rücklage. Sie soll die Wettbewerbssituation
kleiner und mittlerer Betriebe dadurch verbessern, dass deren
Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt sowie
deren Investitions- und Innovationskraft durch den von ihr
bewirkten Steuerstundungseffekt gestärkt werden (BFH-Urteile
vom 14.8.2001 XI R 18/01, BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181 = SIS 02 84 89; vom 27.10.2004 VIII R 35/04, BFHE 207, 318 = SIS 05 04 75; vgl. auch BTDrucks 10/336, S. 13, 25/26; BTDrucks 11/257, S. 8
f.). Während der Steuerstundung ermöglicht es die
Rücklage, die liquiden Mittel produktiv zu verwenden oder zur
Tilgung von Verbindlichkeiten einzusetzen (BFH-Urteil in BFHE 198,
415, BStBl II 2004, 181 = SIS 02 84 89). Dieser Stundungseffekt
kommt einer Rücklage auch bei der Gewinnermittlung nach §
4 Abs. 3 EStG für das volle Wirtschaftsjahr der
Rücklagenauflösung zu, weil dieser Effekt erst mit der
Gewinnermittlung durch die zum Ende des Wirtschaftsjahres zu
erstellende Überschussrechnung endet (OFD Koblenz in DStR
2003, 880 = SIS 03 23 64; Rosarius, INF 2003, 775, 778).
bb) Dem Wortlaut des § 7g Abs. 6 2.
Halbsatz EStG ist eine entgegenstehende Regelungsabsicht des
Gesetzgebers nicht zu entnehmen.
Soweit der Gesetzgeber nämlich für
die Fälle der Überschussrechnung bestimmt hat, dass die
Rücklage durch Ansatz einer Betriebsausgabe (Abzug) gebildet
und durch Ansatz einer Betriebseinnahme (Zuschlag) aufgelöst
wird, hat er ersichtlich nur die Technik der Rücklagenbildung
regeln wollen, ohne insoweit eigene Tatbestandsmerkmale schaffen
oder abweichende Rechtsfolgen gegenüber einer
Rücklagenauflösung durch bilanzierende Steuerpflichtige
auslösen zu wollen (Roland in Bordewin/Brandt, a.a.O., §
7g EStG Rz 77; Bröder, FR 2003, 1121, 1122; Rosarius, INF
2003, 775, 778).
Dies gilt auch für die im 2. Halbsatz der
Regelung getroffene Anordnung, dass der Zeitraum zwischen Abzug und
Zuschlag als Zeitraum gilt, in dem die Rücklage bestanden
hat.
Diese Regelung ist nämlich nur deshalb
erforderlich, weil die in § 7g Abs. 6 1. Halbsatz EStG
angeordnete entsprechende Anwendung der Vorschriften für die
§ 7g-Rücklage bei bilanzierenden Steuerpflichtigen auf
solche mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG voraussetzt,
dass der Zeitraum, für den die Rücklage bestanden hat,
entsprechend § 7g Abs. 5 EStG definiert wird. Wann die
Auflösung der Rücklage indessen im Verlauf eines
Wirtschaftsjahres vorzunehmen ist, regelt die Vorschrift
ausdrücklich nicht.
Der insoweit maßgebliche Zeitpunkt
ergibt sich unmittelbar aus dem Umstand, dass die auf einem
Ansatzwahlrecht beruhende Ansparrücklage erst zum Schluss des
Wirtschaftsjahres bei der Aufstellung der Bilanz gebildet oder bei
der Erstellung der Einnahmen-Überschussrechnung als
Betriebsausgabe abgezogen werden kann (so BFH-Urteil in BFHE 202,
250, BStBl II 2004, 187 = SIS 03 37 78). Folgerichtig kann auch
ihre Auflösung bei Aufstellung der Bilanz des ersten oder
zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden
Wirtschaftsjahres oder bei Erstellung der
Einnahmen-Überschussrechnung zum Ende dieser Wirtschaftsjahre
erfolgen, weil frühestens zu diesen Zeitpunkten die
steuerstundende Wirkung der gebildeten Rücklage durch den
Steuerpflichtigen endet. Eine buchungstechnische Auflösung vor
diesem Zeitpunkt hat danach ebenso wenig Auswirkung auf den
Zeitpunkt der Wirksamkeit der Auflösung wie eine entsprechende
buchungstechnische Auflösung steuerfreier Rücklagen nach
§ 6b EStG vor Ablauf des Wirtschaftsjahres (vgl. dazu
BFH-Urteil in BFHE 159, 133, BStBl II 1990, 290 = SIS 90 07 18).
2. Nach diesen Maßstäben ist die
angefochtene Entscheidung aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden.
Die vom Kläger geltend gemachte
Auflösung der Rücklage nach § 7g EStG im Oktober des
Streitjahres hat deren steuerstundende Wirkung erst durch ihre
Erfassung im Rahmen der Überschussrechnung nach § 4 Abs.
3 EStG zum Ende des Wirtschaftsjahres 2002 beendet, so dass auch
für dieses Wirtschaftsjahr nach Maßgabe des § 7g
Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 EStG ein Zuschlag zum Gewinn in Höhe von
6 % der Rücklage anzusetzen ist.