Müllentsorgung des Dualen Systems: Die von einem Betrieb gewerblicher Art für die Nutzung öffentlicher Flächen an seine Trägerkörperschaft entrichteten Sondernutzungsentgelte mindern den Gewinn des Betriebes gewerblicher Art (Änderung der Rechtsprechung). - Urt.; BFH 6.11.2007, I R 72/06; SIS 08 16 54
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine Stadt, hat sich gegenüber einer von
mehreren Entsorgungsunternehmen gegründeten
Arbeitsgemeinschaft Duales System X (A) vertraglich zum Einsammeln
von Altglas, Papier und Leichtverpackungen durch Aufstellung
entsprechender Depotcontainer an verschiedenen Standorten im
Stadtgebiet sowie durch Zurverfügungstellung von Papiertonnen
und Kunststoffsäcken verpflichtet (Tätigkeit im Rahmen
des § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung - sog. Duales System
- ). Die Container werden durch beauftragte Unternehmen, die
sonstigen Behälter durch eigene Bedienstete der Klägerin
geleert. Die Klägerin behandelte diese gegen Entgelt
ausgeübte Tätigkeit für die A in den Streitjahren
1997 bis 2001 als Betrieb gewerblicher Art (§ 4 Abs. 1 i.V.m.
§ 1 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -
).
Für die Nutzung der öffentlichen
Straßen und Plätze erteilte die Klägerin dem
Betrieb gewerblicher Art eine Sondernutzungserlaubnis nach §
18 Abs. 1 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes
Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 23.9.1995 (StrWG NRW) und
erhob zugleich Sondernutzungsgebühren nach Maßgabe der
einschlägigen Gebührensatzung. In den Streitjahren fielen
Sondernutzungsgebühren von 504.880 DM in 1997 sowie jeweils
503.700 DM in den Jahren 1998 bis 2000 an.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) vertrat die Auffassung, die
Sondernutzungsgebühren seien wie verdeckte
Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln.
Der Klage gegen die hiernach ergangenen
Steuerbescheide gab das Finanzgericht (FG) Düsseldorf mit
Urteil vom 10.8.2006 15 K 3204/04 K,G,F, veröffentlicht in EFG
2007, 288 = SIS 07 02 33, statt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine
Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Der
Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet
und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten
Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus,
dass die Tätigkeit der Klägerin für A als ein
Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m.
§ 4 Abs. 1 KStG zu beurteilen ist und die Klägerin als
dessen Trägerkörperschaft mit dem durch den Betrieb
erzielten Einkommen der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer
unterliegt. Zwar sind gemäß § 15 Abs. 1 des
Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung
der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen vom
27.9.1994 (BGBl I 1994, 2705) die Gebietskörperschaften
verpflichtet, die in ihrem Gebiet anfallenden Abfälle aus
privaten Haushaltungen zu beseitigen, so dass die Erfüllung
dieser Pflicht durch juristische Personen des öffentlichen
Rechts als Hoheitsbetrieb zu werten ist (Senatsurteil vom
23.10.1996 I R 1-2/94, BFHE 181, 322, BStBl II 1997, 139 = SIS 97 04 20). Durch die Verordnung über die Vermeidung und
Verwertung von Verpackungsabfällen vom 21.8.1998 - VerpackV -
(BGBl I 1998, 2379) ist diese Pflicht jedoch zum Teil auf die
private Wirtschaft übergegangen. Die Hersteller und Vertreiber
von Verpackungen sind verpflichtet, außerhalb der
öffentlichen Abfallentsorgung Verpackungen zurückzunehmen
und zu verwerten. Diese Verpflichtung entfällt, soweit sie
sich an einem System beteiligen, das eine regelmäßige
Abholung gebrauchter Verkaufspackungen beim privaten Endverbraucher
oder in dessen Nähe sicherstellt (§ 6 Abs. 1 VerpackV).
Erbringen bei der Müllentsorgung im Rahmen des sogenannten
Dualen Systems nach § 6 Abs. 3 VerpackV juristische Personen
des öffentlichen Rechts Leistungen gegen Entgelt
gegenüber den entsorgungspflichtigen Unternehmen,
begründen sie hierdurch einen Betrieb gewerblicher Art und
keinen Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 KStG (vgl. auch R 10
Abs. 6 Satz 6 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 2004; Urteil
des FG Münster vom 16.3.2001 9 K 7607/98 K,G, EFG 2001, 849 =
SIS 02 82 65; Reimann, DB 1999, 1088; Bott in Ernst & Young,
KStG, § 4 Rz 200; Krämer in Dötsch/Jost/Pung/Witt,
Die Körperschaftsteuer, § 4 KStG Rz 142 „Duales
System“).
2. Die an die Trägerkörperschaft
entrichteten Entgelte für die Sondernutzung öffentlicher
Flächen sind nicht wie vGA zu behandeln.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des
Senats sind Minderungen des Betriebsvermögens eines Betriebes
gewerblicher Art zu Gunsten des übrigen Vermögens der
Trägerkörperschaft bei der Gewinnermittlung nach den
Grundsätzen zu beurteilen, die für Leistungen einer
Kapitalgesellschaft an ihren Alleingesellschafter gelten. Es wird
somit in diesem Zusammenhang fingiert, der Betrieb gewerblicher Art
sei ein selbständiges Steuerrechtssubjekt in der Rechtsform
einer Kapitalgesellschaft und die Trägerkörperschaft
deren Alleingesellschafterin (Senatsurteil vom 17.5.2000 I R 50/98,
BFHE 192, 92, BStBl II 2001, 558 = SIS 00 11 40, m.w.N.).
Daher sind interne Vereinbarungen zwischen der
Trägerkörperschaft und ihrem Betrieb gewerblicher Art bei
der Gewinnermittlung grundsätzlich zu beachten, wenn die
Vereinbarung - unterstellt, sie wäre zwischen einer
Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter
abgeschlossen worden - auch bei der Besteuerung der
Kapitalgesellschaft zu beachten wäre. Eine Ausnahme gilt
jedoch für Vereinbarungen, aufgrund derer eine
Trägerkörperschaft ihren Betrieb gewerblicher Art mit
Miet- oder Pachtzinsen für Wirtschaftsgüter belastet, die
der Trägerkörperschaft gehören, wenn die
Trägerkörperschaft dem Betrieb wesentliche
Betriebsgrundlagen zur Nutzung überlassen hat. Derartige
Vereinbarungen dürfen nicht der Besteuerung zu Grunde gelegt
werden, da sonst der Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, die
Betriebe der öffentlichen Hand gegenüber den
Gewerbebetrieben der Privatwirtschaft steuerlich nicht zu
begünstigen, vereitelt würde. Die zu vermeidende
Begünstigung besteht darin, dass die
Trägerkörperschaft bei steuerrechtlicher
Berücksichtigung der Vereinbarung den durch den Betrieb
gewerblicher Art erzielten Gewinn um die Miet- oder Pachtzinsen
mindern könnte und diese in der Regel nicht versteuern
müsste, während der Alleingesellschafter einer
Kapitalgesellschaft, der der Gesellschaft wesentliche
Betriebsgrundlagen vermietet oder verpachtet, nach den
Grundsätzen der Betriebsaufspaltung die durch die Vermietung
oder Verpachtung erzielten Einkünfte als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb zu versteuern hat (Senatsurteil in BFHE 192, 92,
BStBl II 2001, 558 = SIS 00 11 40, m.w.N.).
Soweit die Minderung des dem Betrieb
gewerblicher Art gewidmeten Vermögens auf einer Vereinbarung
zwischen dem Betrieb und seiner Trägerkörperschaft
beruht, die der Besteuerung nicht zu Grunde zu legen ist, wird die
Vermögensminderung bei der Gewinnermittlung wie eine vGA
(§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) behandelt (Senatsurteil in BFHE 192,
92, BStBl II 2001, 558 = SIS 00 11 40, m.w.N.).
b) Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht
unter anderem festgestellt, dass für den Betrieb gewerblicher
Art die zur Sondernutzung überlassenen Flächen des
öffentlichen Straßennetzes von besonderem Gewicht waren
und der Betrieb gewerblicher Art für die Sammlung des
Mülls auf die Standflächen für die Container
angewiesen war. Sie bildeten daher - wie das FG zu Recht
ausgeführt hat - für den Betrieb gewerblicher Art
wesentliche Betriebsgrundlagen.
c) Gleichwohl sind die hierfür an die
Klägerin entrichteten Entgelte nicht wie vGA zu behandeln.
aa) Wie vom FG zutreffend ausgeführt, ist
die Erlaubnis zur Nutzung der Standflächen für die
Glascontainer und die Belastung des Betriebes gewerblicher Art mit
dem Sondernutzungsentgelt nach der einschlägigen
Gebührensatzung dem hoheitlichen Bereich der Klägerin
zuzuordnen. Die Landesgesetze, so auch § 19a StrWG NRW,
ermöglichen es, für die über den Gemeingebrauch
hinausgehende Sondernutzung öffentlicher Straßen
Gebühren zu erheben. Bei der Bemessung sind Art und
Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den
Gemeingebrauch sowie das wirtschaftliche Interesse des
Gebührenschuldners zu berücksichtigen. Obzwar es sich dem
wirtschaftlichen Gehalt nach auch bei Sondernutzungsgebühren
um eine Art „Miete“ für die Benutzung
öffentlicher Straßen handelt (Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 15.7.1988 7 C 5/87, BVerwGE 80, 36),
ist die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, die entweder in Form
eines begünstigenden Verwaltungsaktes oder durch Abschluss
eines verwaltungsrechtlichen Vertrages begründet wird
(Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 2, 6. Aufl., § 79
II Rz 8), dem hoheitlichen und nicht dem fiskalischen Bereich einer
Gebietskörperschaft zuzurechnen. Hierdurch erzielte Einnahmen
fallen demnach in einem Hoheitsbetrieb (§ 4 Abs. 5 KStG) und
nicht in einem Betrieb gewerblicher Art an. Eine hoheitliche
Tätigkeit kann sich aber nicht allein deshalb in eine
erwerbswirtschaftliche Tätigkeit wandeln, weil die
Körperschaft die Sondernutzung für sich selbst
beansprucht und dafür ihren Betrieb gewerblicher Art mit den
entsprechenden Gebühren belastet. Wie das FG mit Recht
ausführt, ist dies jedoch Voraussetzung für die
Hinzurechnung der Sondernutzungsentgelte als vGA. Denn diese
Hinzurechnung ist nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom
14.3.1984 I R 223/80 (BFHE 140, 560, BStBl II 1984, 496 = SIS 84 12 36) lediglich aus Vereinfachungsgründen vorzunehmen, um die
eigentlich gebotene Erfassung eines weiteren Betriebes gewerblicher
Art „Verpachtung“ entsprechend den Fällen
der Betriebsaufspaltung zu vermeiden.
Unerheblich ist, ob der Betrieb gewerblicher
Art auf die Sondernutzung öffentlicher Straßen
angewiesen ist. Auch wenn die gewerblichen Zwecke auf nicht dem
öffentlichen Verkehr gewidmeten Grundstücken verwirklicht
werden könnten, werden doch die Nutzungsentgelte
tatsächlich für die Sondernutzung öffentlicher
Straßen und nicht auf privatrechtlicher Grundlage
erhoben.
bb) Eine Hinzurechnung der
Sondernutzungsgebühren als vGA ist auch nicht aus
Wettbewerbsgründen geboten. Unternehmen der Privatwirtschaft
können von ihren Gesellschaftern keine Sondernutzungsrechte an
öffentlichen Straßen eingeräumt werden. Hierzu
bedarf es vielmehr stets einer straßenbehördlichen
Erlaubnis, die nach einheitlichen Maßstäben,
insbesondere unter Beachtung des Gleichheitssatzes, zu erteilen
ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Sondernutzung
öffentlichen Raums für eigene gewerbliche Zwecke der
Gebietskörperschaft in Anspruch genommen wird oder Dritten
erteilt wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin
ihrem Betrieb gewerblicher Art höhere
Sondernutzungsgebühren in Rechnung gestellt hat als nach der
Satzung vorgesehen oder sie von anderen Nutzern verlangt hat, sind
nicht ersichtlich. Auch hat die Klägerin nicht
ausschließlich für sich selbst Sondernutzungsrechte in
Anspruch genommen. Nach den Feststellungen des FG hat sie vielmehr
Sondernutzungsgebühren unabhängig davon erhoben, ob die
Altglasentsorgung mittels Sammelcontainer durch Privatunternehmen
oder durch ihren Betrieb gewerblicher Art durchgeführt wurde.
Würde im letzteren Fall der Betriebsausgabenabzug versagt,
könnte der Betrieb gewerblicher Art „Duales
System“ die durch den Betrieb veranlassten
Sondernutzungsentgelte - anders als private Entsorgungsunternehmen
- nicht als Betriebsausgaben geltend machen. Dadurch würden
Betriebe der öffentlichen Hand gegenüber privaten
Unternehmen ohne sachlichen Grund benachteiligt (ebenso Leippe,
Zeitschrift für Kommunalfinanzen 2001, 122, 126).
An seiner abweichenden Auffassung im Urteil in
BFHE 192, 92, BStBl II 2001, 558 = SIS 00 11 40 (m.w.N.) hält
der Senat nicht fest.