Vorbehaltsnießbrauch, spätere entgeltliche Ablösung, Schenkungsteuer: Behält sich die Schenkerin bei einer freigebigen Zuwendung eines Grundstücks den Nießbrauch vor und löst der Bedachte später den Nießbrauch gegen Entgelt ab, hat dies - abgesehen vom Wegfall der Stundung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG - keinen Einfluss auf die Schenkungsteuer, die für die Grundstücksübertragung festzusetzen war. - Urt.; BFH 19.12.2007, II R 34/06; SIS 08 11 73
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Alleinerbe seiner im Mai 1999 verstorbenen Mutter
(M). Diese hatte ihm im August 1993 ein bebautes Grundstück
mit einem Einheitswert von 250.500 DM schenkweise übertragen
und sich dabei den lebenslänglichen Nießbrauch
vorbehalten. Im August 1997 ist dieser gegen Zahlung von 750.000 DM
abgelöst worden. Die Zahlungspflicht hatten der Kläger
und seine Ehefrau übernommen. M verwendete das Geld
überwiegend zur Tilgung der auf dem Grundstück
abgesicherten Kredite; diese Schulden waren vom Kläger bei der
Übertragung des Grundstücks im Jahr 1993 nicht
übernommen worden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erließ am 14.1.2005 einen geänderten
Erbschaftsteuerbescheid, mit dem er die Steuer bei einem Erwerb von
1.143.312 DM nach Abzug der Freibeträge gemäß den
§§ 16 und 13 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) von 420.000 DM auf 91.550 DM
(46.808 EUR) festsetzte. Dabei waren die Grundstücksschenkung
des Jahres 1993 mit (1,4 x 250.500 =) 350.700 DM gemäß
§ 14 Abs. 1 ErbStG als Vorerwerb und eine anrechenbare Steuer
von (260.700 x 6,5/100 =) 16.945 DM (8.663 EUR) berücksichtigt
worden.
Einspruch und Klage, mit denen der
Kläger geltend gemacht hatte, die
Grundstücksübertragung dürfe wegen der entgeltlichen
Ablösung des Nießbrauchs nicht als Vorerwerb
berücksichtigt werden, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht
(FG) vertrat in dem in EFG 2006, 912 = SIS 06 28 20
veröffentlichten Urteil die Ansicht, die
Grundstücksübertragung im Jahr 1993 habe gemäß
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 trotz des
Nießbrauchsvorbehalts der M eine freigebige Zuwendung
dargestellt, die mit dem 1,4-fachen des Einheitswerts zu bewerten
gewesen sei. Die zunächst erforderlich gewesene Stundung
gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 sei mit der
Ablösung des Nießbrauchs im Jahr 1997 entfallen. Dass
die Ablösung gegen Entgelt erfolgt sei, sei unbeachtlich. Sie
stelle ein selbständiges Rechtsgeschäft dar, das die
schenkungsteuerrechtlichen Folgen der 1993 getätigten
freigebigen Zuwendung selbst dann nicht rückwirkend beseitigen
könne, wenn die Ablösesumme dem Verkehrswert des
Grundstücks entsprochen haben sollte. Der Kläger berufe
sich überdies zu Unrecht auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
sowie auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.3.2004 II R
3/01 (BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429 = SIS 04 16 90).
Mit der Revision rügt der Kläger
fehlerhafte Anwendung der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1
und 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. Es widerspreche dem
Bereicherungsprinzip der §§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und 10 Abs. 1
Satz 1 ErbStG, ein Erlöschen der Belastung i.S. des § 25
Abs. 1 Satz 2 ErbStG auch dann anzunehmen, wenn der Bedachte
für den Wegfall der Belastung ein Entgelt zahle. Da dem
Bereicherungsprinzip im Streitfall anders als in dem Sachverhalt,
der dem Urteil in BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429 = SIS 04 16 90
zugrunde gelegen habe, nicht bei einer zweiten Schenkung -
nämlich einem unentgeltlichen Verzicht auf den
Nießbrauch - Rechnung getragen werden könne, müsse
dies bei der Besteuerung des ursprünglich belasteten Erwerbs
geschehen.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den
geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 14.1.2005 sowie die
Einspruchsentscheidung vom 8.11.2005 mit der Maßgabe zu
ändern, dass die Grundstücksschenkung aus dem Jahr 1993
nicht als Vorerwerb erfasst wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und
zur Herabsetzung der Steuer auf (79.818 DM) 40.810 EUR. Die
Grundstücksschenkung aus dem Jahr 1993 ist zwar bei der
Besteuerung des Erbfalls zu Recht als Vorerwerb berücksichtigt
worden; die anzurechnende Steuer ist jedoch zu Unrecht auf der
Grundlage der zur Zeit des Vorerwerbs geltenden (Tarif-)Vorschrift
berechnet worden.
1. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1
ErbStG werden mehrere innerhalb von 10 Jahren von derselben Person
anfallende Vermögensvorteile bei der Besteuerung des
Letzterwerbs in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten
Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert
zugerechnet werden. Fiel ein Vorerwerb unter die Regelung des
§ 25 Abs. 1 ErbStG (oder der gleichlautenden
Vorgängervorschrift des ErbStG 1974), weil sich der Schenker
die Nutzungen des zugewendeten Vermögens vorbehalten hatte,
war er ohne Berücksichtigung dieser Belastung zu besteuern.
Allerdings war die Steuer, die auf den Kapitalwert der Belastung
entfiel, bis zu deren Erlöschen zu stunden. Trotz dieser
Stundung hat die Zurechnung eines solchen Vorerwerbs nach § 14
Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit dem Bruttowert - d.h. ohne
Berücksichtigung der Belastung - zu erfolgen (BFH-Urteil vom
8.3.2006 II R 10/05, BFHE 213, 106, BStBl II 2006, 785 = SIS 06 25 16). Das gilt erst recht, wenn die Belastung vor dem Letzterwerb
bereits erloschen ist.
Der Zusammenrechnung der
Grundstücksschenkung aus dem Jahre 1993 mit dem Erwerb von
Todes wegen steht hier nicht entgegen, dass das von der Schenkerin
vorbehaltene Nießbrauchsrecht durch den Kläger im Jahr
1997 entgeltlich abgelöst wurde. Denn die entgeltliche
Ablösung des Nießbrauchsrechts wirkt rechtlich nicht in
der Weise auf die Grundstücksschenkung zurück, dass diese
nachträglich zu einem entgeltlichen Vorgang wird und damit die
Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG ausscheidet. Denn der im
Jahre 1997 an die Schenkerin entrichtete Betrag wurde nicht
(nachträglich) für den Erwerb des Grundstücks,
sondern für den ohne diese Geldleistung schenkungsteuerbaren
Rechtsverzicht der Schenkerin (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFHE 204,
311, BStBl II 2004, 429 = SIS 04 16 90) gezahlt. Eine auf
wirtschaftlicher Betrachtung beruhende saldierende Bewertung der
beiden Verträge zwischen dem Kläger und M vermag an den
für die Erbschaft- und Schenkungsteuer allein
maßgeblichen rechtlichen Gegebenheiten, insbesondere an der
rechtlichen Selbständigkeit beider Vorgänge nichts zu
ändern.
2. Bei der solchermaßen
durchzuführenden Besteuerung des Letzterwerbs ist
gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG von der Steuer
für den Gesamtbetrag - also nach Zurechnung der Vorerwerbe -
die Steuer abzuziehen, die jeweils für die früheren
Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers
und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des
letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Bei einem nach §
25 Abs. 1 ErbStG zu besteuernden Vorerwerb ist die abzuziehende
Steuer ebenfalls nach dem Bruttowert des Vorerwerbs zu berechnen
(BFH in BFHE 213, 106, BStBl II 2006, 785 = SIS 06 25 16).
Infolgedessen ist es wiederum unerheblich, ob die Belastung bereits
erloschen und daher die Steuerstundung nach § 25 Abs. 1 Satz 2
ErbStG beendet ist oder nicht. Bei einem Erlöschen der
Belastung gilt dies unabhängig davon, ob die Belastung
zwischenzeitlich dadurch erloschen ist, dass der Schenker auf sie
(unentgeltlich) verzichtet hat, oder dadurch, dass der Erwerber sie
gegen Entgelt abgelöst hat (vgl. zu Letzterem: Gebel in
Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 25 Rz 47; Weinmann in
Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 25 Rz
33).
3. Auch liegt hier anders als in dem
Urteilsfall in BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429 = SIS 04 16 90
keine dem Bereicherungsprinzip widersprechende doppelte Erfassung
des Nießbrauchsrechts vor, die zu einer vom Kläger
begehrten Korrektur zwänge. Denn das Nießbrauchsrecht
wurde nur einmal, nämlich bei der Grundstücksschenkung im
Jahre 1993 als Folge der von § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG
vorgeschriebenen Nichtberücksichtigung als Abzugsposten
angesetzt. Dem das Nießbrauchsrecht betreffenden
entgeltlichen Vorgang im Jahre 1997 kommt schenkungsteuerrechtlich
keine Bedeutung zu; dieser ist nicht
tatbestandsmäßig.
Soweit der BFH mit Urteil in BFHE 204, 311,
BStBl II 2004, 429 = SIS 04 16 90 für den Fall eines
vorzeitigen unentgeltlichen Verzichts auf ein vorbehaltenes
Nießbrauchsrecht verlangt hat, bei der Besteuerung der in dem
Verzicht liegenden freigebigen Zuwendung die Bemessungsgrundlage um
den Wert zu mindern, der bei der Besteuerung des
nießbrauchsbelasteten Grundstücks dem tatsächlich
unberücksichtigt gebliebenen Nießbrauch zugekommen ist,
ist die Minderung nämlich nicht bei der Besteuerung des
schenkweisen Erwerbs des (ursprünglich) belasteten
Grundstücks vorgenommen worden, sondern bei der mit dem
Verzicht bewirkten zweiten freigebigen Zuwendung. Dass bei einem
entgeltlichen Verzicht auf den zunächst vorbehaltenen
Nießbrauch - und damit bei einer Ablösung - eine
derartige Minderung der Bemessungsgrundlage mangels einer
freigebigen Zuwendung nicht möglich ist, kann - entgegen der
Vorstellung des Klägers - nicht dazu führen, die
Korrektur nunmehr bei der Schenkung des (ursprünglich)
belasteten Gegenstandes mit der Begründung vorzunehmen,
letztlich sei dieser Gegenstand unbelastet gegen Entgelt erworben
worden.
4. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist
jedoch die abzuziehende Steuer für die Vorerwerbe auf der
Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs
zu berechnen. Das haben das FA und ihm folgend das FG
übersehen. Daher war die Vorentscheidung aufzuheben.
5. Die Sache ist spruchreif. Im Streitfall
liegt mit der Grundstücksschenkung im Jahr 1993 ein
Vermögensvorteil vor, den der Kläger durch M innerhalb
von zehn Jahren vor deren Tod erlangt hat. Dieser Vorerwerb ist
auch zutreffend nach seinem früheren Wert mit dem 1,4-fachen
des Einheitswerts und nicht etwa mit dem Grundstückswert
gemäß den §§ 138 ff. des Bewertungsgesetzes
angesetzt worden. Die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG
abzuziehende Steuer ist jedoch nicht auf der Grundlage der zur Zeit
des Vorerwerbs geltenden Tarifvorschrift, sondern auf der Grundlage
des beim Tod der M geltenden Tarifs - nämlich gemäß
§ 19 Abs. 1 ErbStG statt mit einem Steuersatz von 6,5 v.H. mit
einem solchen von 11 v.H. - zu berechnen.