ErbSt, Zusammenrechnung mit Vorerwerb, der mit nicht abziehbarer Belastung beschwert war, Stundung: 1. Ist ein mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abziehbaren Belastung beschwerter Erwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit einem späteren Erwerb zusammenzurechnen, ist der Bruttowert des Vorerwerbs sowohl dieser Zusammenrechnung als auch der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ErbStG abzuziehenden Steuer zugrunde zu legen. - 2. Soweit diese Berechnung zur Festsetzung einer höheren Steuer für den Letzterwerb führt als bei einer Berücksichtigung der Belastung des Vorerwerbs, ist der Mehrbetrag auch dann nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stunden, wenn die Belastung bei der Entstehung der Steuer für den Letzterwerb noch nicht erloschen ist. - Urt.; BFH 8.3.2006, II R 10/05; SIS 06 25 16
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) erhielt von ihrer Mutter (M) 1989 Bargeld in
Höhe von 45.000 DM und 1994 einen Miteigentumsanteil an einem
Grundstück unter Vorbehalt des lebenslänglichen
unentgeltlichen Nießbrauchs geschenkt. Da diese Zuwendungen
den der Klägerin seinerzeit zustehenden Freibetrag von 90.000
DM (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes - ErbStG - a.F.) nicht erreichten, wurde
dafür keine Schenkungsteuer festgesetzt.
1997 verzichtete M gegenüber der
Klägerin auf die Rückzahlung von Darlehen über
350.000 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -
FA - ) setzte dafür unter Hinzurechnung der Vorerwerbe ohne
Berücksichtigung des vereinbarten Nießbrauchs
Schenkungsteuer in Höhe von 2.443 DM fest. Eine teilweise
zinslose Stundung der Steuer bis zum Erlöschen des
Nießbrauchs nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG lehnte er ab.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) stundete durch das
in EFG 2005, 966 = SIS 05 20 35 veröffentlichte Urteil die
Schenkungsteuer in Höhe von 1.372 DM mit der Begründung,
die Steuer für den Letzterwerb sei aufgrund des Abzugsverbots
des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG um diesen Betrag höher
festgesetzt worden als bei einem Abzug des Werts der Belastung
durch den Nießbrauch von der Bemessungsgrundlage der Steuer.
Dies müsse durch eine entsprechende zinslose Stundung nach
§ 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ausgeglichen werden.
Das FA rügt mit der Revision
Verletzung der §§ 14 und 25 Abs. 1 ErbStG. Die Ansicht
des FG sei mit der auch bei einer Berechnung der Steuer für
den Letzterwerb nach § 14 Abs. 1 ErbStG unberührt
bleibenden Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen
Erwerbe unvereinbar.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die für den
Verzicht auf die Rückzahlung der Darlehen festgesetzte
Schenkungsteuer teilweise zu stunden sei.
1. Ist ein Erwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1
ErbStG mit einem früheren Erwerb zusammenzurechnen, der mit
einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht abziehbaren
Belastung beschwert ist, ist der Vorerwerb mit dem Bruttowert, d.h.
ohne Berücksichtigung der Belastung, anzusetzen.
Dieser Bruttowert ist auch der Berechnung
sowohl der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven
Steuer als auch der nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG statt der
fiktiven Steuer abzuziehenden tatsächlich für den
Vorerwerb zu entrichtenden Steuer zugrunde zu legen. Die Auffassung
der Finanzverwaltung, wonach die für den Vorerwerb
tatsächlich zu entrichtende Steuer i.S. des § 14 Abs. 1
Satz 3 ErbStG lediglich die für den Vorerwerb nach § 25
Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG sofort zu entrichtende Steuer
zuzüglich des Ablösebetrags nach § 25 Abs. 1 Satz 3
ErbStG ist (H 85 Abs. 3 zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien - ErbStR
- 2003 i.d.F. der gleich lautenden Erlasse der obersten
Finanzbehörden der Länder vom 23.9.2004, BStBl I 2004,
939 = SIS 04 39 72), und zwar auch dann, wenn der Erwerber die
Ablösung nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nicht beantragt
hat (Erlass der Finanzbehörde Hamburg vom 6.9.2004,
Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge - ZEV -
2004, 504, DStR 2005, 249; weitere Nachweise zur
Verwaltungsauffassung bei Korezkij, ZEV 2005, 242), ist mit §
14 Abs. 1 Satz 3 und § 25 Abs. 1 ErbStG nicht vereinbar. Diese
Berechnungsweise führt dazu, dass dem Erwerber der Vorteil aus
einer Steuerstundung für den Vorerwerb nach § 25 Abs. 1
Satz 2 ErbStG oder aus einer Ablösung der zu stundenden Steuer
mit dem Barwert nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bei einer
Zusammenrechnung dieses Erwerbs mit einem späteren Erwerb
wieder entzogen wird, ohne dass es dafür einen sachlichen
Grund gibt (Korezkij, ZEV 2005, 242; Gebel, ZEV 2004, 98, 102, und
in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 25 Tz. 35; kritisch auch
Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, § 14 Tz. 62). Die
Regelungen in § 25 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ErbStG über
die Stundung der Mehrsteuer, die sich aufgrund des Abzugsverbots
des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergibt, und die Ablösung
des zu stundenden Betrags sind ein (teilweiser) Ausgleich für
die Wirkungen des Abzugsverbots, das systemwidrig in die Ermittlung
des steuerpflichtigen Erwerbs nach § 10 ErbStG eingreift
(Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.5.1984 1 BvR 464/81
u.a., BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608 = SIS 84 14 04; vgl. auch
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6.7.2005 II R 34/03, BFHE
210, 463, BStBl II 2005, 797 = SIS 05 42 02). Diese Milderung der
Folgen des Abzugsverbots für die Besteuerung des früheren
Erwerbs darf dem Erwerber auch nicht im Rahmen der Besteuerung
eines späteren Erwerbs nach § 14 Abs. 1 ErbStG wieder
entzogen werden. Die von der Finanzverwaltung gesehene Parallele
zum BFH-Urteil vom 16.1.2002 II R 15/00 (BFHE 197, 275, BStBl II
2002, 314 = SIS 02 05 96) besteht nicht. Diese Entscheidung
betrifft die Berechnung der dem Erwerb nach § 10 Abs. 2 ErbStG
hinzuzurechnenden Steuer, wenn sich der Zuwendende, der seinem Sohn
ein Grundstück schenkt, einen lebenslänglichen
Nießbrauch daran vorbehält und die anfallende
Schenkungsteuer übernimmt, und somit eine andere
Problematik.
2. Soweit die Berechnung der Steuer für
den Letzterwerb nach diesen Grundsätzen zu einer höheren
Festsetzung als bei einem Ansatz des Vorerwerbs mit dem Nettowert
führt, ist der Mehrbetrag entgegen der Auffassung des FG nicht
nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stunden (Gebel, ZEV 2004,
98, 101 f.).
Das Abzugsverbot nach § 25 Abs. 1 ErbStG
ist nur im Rahmen der Ermittlung der steuerrechtlichen Bereicherung
nach § 10 ErbStG bei dem Erwerb zu berücksichtigen, der
mit einer Nutzungs- oder Rentenlast belastet ist (BFH-Urteil vom
17.3.2004 II R 3/01, BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429 = SIS 04 16 90). Mit der Berücksichtigung von Vorerwerben trifft § 14
Abs. 1 ErbStG lediglich eine besondere Anordnung für die
Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb
innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist. Weder werden
die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung
für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die
einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem
einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift ändert nichts
daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige
steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer
unterliegen (BFH-Urteil vom 2.3.2005 II R 43/03, BFHE 209, 153,
BStBl II 2005, 728 = SIS 05 29 93). Liegen daher beim Letzterwerb
selbst die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 ErbStG nicht vor,
scheidet eine Stundung aus, auch dann, wenn die Belastung des
Vorerwerbs bei Entstehen der Steuer für den Letzterwerb noch
nicht erloschen ist.
Ist nicht nur ein Vorerwerb, sondern auch der
Letzterwerb mit einer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht
abziehbaren Belastung beschwert, ist die Steuer für den
Letzterwerb nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nur zu stunden,
soweit die Mehrsteuer auf der nicht berücksichtigten Belastung
des Letzterwerbs beruht. Die Belastung des Vorerwerbs bleibt auch
in diesem Fall für die Stundung außer Betracht (a.A.
Gebel, ZEV 2004, 98, 102).
3. Da das FG von anderen Grundsätzen
ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Der Klägerin steht die begehrte Stundung nicht zu.
Die Klage war daher abzuweisen.