Ausfuhrerstattung, nachträglich vorgelegtes Beförderungspapier: Erklärt die Ausgangszollstelle einen von ihr gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. c VO Nr. 800/1999 erteilten Sichtvermerk für unzutreffend, weil sich das vorgelegte Beförderungspapier als nicht ordnungsgemäß erwiesen hat, kann der Ausführer den Mangel durch Nachreichen des ordnungsgemäß ausgestellten Beförderungspapiers heilen, ohne dabei an die im Verfahren für die Zahlung der Erstattung vorgeschriebenen Vorlagefristen gebunden zu sein. - Urt.; BFH 13.11.2007, VII R 51/05; SIS 08 05 59
I. Die Rechtsvorgängerin der
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin)
führte von September 1999 bis Oktober 2000 mit 13
Ausfuhranmeldungen kakaohaltigen Brotaufstrich unter
Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattung auf dem Seeweg in
verschiedene Drittländer aus. Im März 2001 wies das
Hauptzollamt X den Beklagten und Revisionsbeklagten (das
Hauptzollamt - HZA - ) darauf hin, dass es die
Ausgangsbestätigungen für die Warensendungen zu Unrecht
erteilt habe und diese zurückzunehmen seien, da Ermittlungen
ergeben hätten, dass die vorgelegten bills of lading (B/L)
z.T. nicht und z.T. von der Exportsachbearbeiterin der
Rechtsvorgängerin (B), aber nicht von den Verfrachtern
unterzeichnet gewesen seien, die allerdings für einige
Ausfuhrfälle erklärt hätten, B zur Zeichnung der
jeweiligen Kopie bevollmächtigt zu haben. Das HZA forderte
daraufhin mit 13 Berichtigungsbescheiden die gewährten
Erstattungen zurück und setzte mit einem weiteren Bescheid
eine Sanktion in Höhe von 50 % des Rückforderungsbetrags
fest.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg
(vgl. SIS 05 09 73). Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass nach
Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr.
800/1999) i.V.m. § 4 Abs. 4 der Ausfuhrerstattungsverordnung
(AusfErstVO) vom 24.5.1996 (BGBl I 1996, 766) bei einer Ausfuhr auf
dem Seeweg das Dokument über das Verlassen des Zollgebiets der
Gemeinschaft (Ausgangsbestätigung) nur gegen Vorlage des
Beförderungspapiers mit Angabe einer Endbestimmung
außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft erteilt werde. Das
Beförderungspapier müsse nach Art. 49 Abs. 2 VO Nr.
800/1999 innerhalb von zwölf Monaten nach Annahme der
Ausfuhranmeldung eingereicht werden. Im Streitfall seien aber
innerhalb dieser Frist Beförderungspapiere vorgelegt worden,
die wegen der Unterzeichnung durch eine hierfür nicht befugte
Person nicht hätten anerkannt werden dürfen. Dass B als
Vertreter des Verfrachters unterzeichnet habe, lasse sich den B/L
nicht entnehmen; ein solches Vertretungsverhältnis habe auch
offenbar nicht bestanden, denn die B/L seien in jedem Ausfuhrfall
im Original vom Verfrachter unterzeichnet worden; entsprechende B/L
habe die Rechtsvorgängerin im finanzgerichtlichen Verfahren
vorgelegt. Auch hätten in einigen Fällen die Verfrachter
bzw. ihre Agenten dem HZA Kopien der von ihnen unterzeichneten B/L
vorgelegt. B habe somit Kopien noch nicht unterzeichneter B/L
unterschrieben und damit den Anschein erweckt, sie selbst habe sie
ausgestellt. Diese Fälschung zerstöre den
Nachweischarakter des Beförderungspapiers. Die Vorlage der vom
Verfrachter bzw. seinem Vertreter unterzeichneten B/L im
Klageverfahren sei erst nach Ablauf der insoweit vorgeschriebenen
Fristen erfolgt. Die Einhaltung dieser Vorlagefristen sei auch
nicht etwa nur eine Nebenpflicht. Vertrauensschutz könne nicht
geltend gemacht werden, weil die Rechtsvorgängerin hätte
wissen müssen, dass sie die B/L nicht unterzeichnen
dürfe.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
geltend, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für
den Erstattungsanspruch erfüllt seien, insbesondere seien die
Erzeugnisse innerhalb der Ausfuhrfrist von 60 Tagen aus dem
Zollgebiet der Gemeinschaft ausgeführt worden. Es sei
unschädlich, dass im Zeitpunkt der Erteilung der
Ausgangsbestätigung die vorgelegten Beförderungspapiere
nicht ordnungsgemäß unterzeichnet gewesen seien, denn
die Unterschrift des Frachtführers sei nach der Rechtsprechung
des FG ohne erstattungsrechtliche Relevanz. Jedenfalls hätten
die von den Verfrachtern unterzeichneten B/L nachgereicht werden
dürfen. Die Vorlagefrist des Art. 49 Abs. 2 VO Nr. 800/1999
sei keine Ausschlussfrist im Sinne einer materiellen
Anspruchsvoraussetzung, sondern lediglich eine verfahrensrechtliche
Nebenpflicht im Rahmen des „Verfahrens für die Zahlung
der Erstattung“, so dass die Frist bei einer
Rückforderung endgültig gewährter Ausfuhrerstattung,
die allein vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der materiellen
Anspruchsvoraussetzungen abhänge, unbeachtlich sei.
Das HZA folgt der Auffassung des FG, dass
die nachträgliche Vorlage ordnungsgemäßer
Beförderungspapiere außerhalb der insoweit vorgesehenen
Fristen erfolgt sei, und ist der Ansicht, dass diese Vorlagefristen
auch im Rückforderungsverfahren beachtlich seien, weil die
Rechtsvorgängerin nicht gutgläubig gehandelt habe, denn
sie habe der Ausgangszollstelle gefälschte
Beförderungspapiere vorgelegt.
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
sowie der angefochtenen Verwaltungsakte (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil des FG
verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die
angefochtenen Berichtigungsbescheide und der Sanktionsbescheid sind
rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten
(§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die Erstattungsbeträge sind nicht
zurückzuzahlen, weil die Ausfuhrerstattungen der
Rechtsvorgängerin nicht zu Unrecht gewährt worden sind
(Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 800/1999).
Zu den Erstattungsvoraussetzungen (Allgemeine
Bestimmungen) gehört nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr.
800/1999, dass die Erzeugnisse, für die die Ausfuhranmeldung
angenommen wurde, spätestens 60 Tage nach dieser Annahme das
Zollgebiet der Gemeinschaft in unverändertem Zustand verlassen
haben. Erfolgt die Ausfuhr - wie im Streitfall - auf dem Seeweg,
gelten nach Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 Sonderbestimmungen. Die
Erzeugnisse müssen entweder innerhalb der 60-Tage-Frist das
Zollgebiet der Gemeinschaft von einem Gemeinschaftshafen aus
verlassen oder dürfen (außer im Fall höherer
Gewalt) für höchstens 28 Tage zur Umladung in einem
anderen Hafen der Gemeinschaft verbleiben (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a
VO Nr. 800/1999). Der Ausführer hat für seinen
Erstattungsanspruch entweder zu erklären, dass die Erzeugnisse
nicht in einem anderen Gemeinschaftshafen umgeladen wurden, oder
anhand der Beförderungspapiere nachzuweisen, dass die
Erzeugnisse nicht in einem anderen Gemeinschaftshafen umgeladen
wurden oder dass - falls dies der Fall war - die Erzeugnisse zum
Umladen in einem anderen Gemeinschaftshafen für höchstens
28 Tage verblieben sind oder jedenfalls den letzten
Gemeinschaftshafen innerhalb der 60-Tage-Frist verlassen haben
(Art. 9 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 800/1999).
Um dieses (nachträgliche)
Nachweisverfahren gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. b VO Nr.
800/1999 zu vermeiden, kann der Mitgliedstaat, in dem die
Ausgangsbestätigung verwendet wird, nach Art. 9 Abs. 1 Buchst.
c VO Nr. 800/1999 vorsehen, dass die Ausgangsbestätigung auf
dem Kontrollexemplar T5 bzw. der Ausfuhranmeldung nur gegen Vorlage
eines Beförderungspapiers mit Angabe einer Endbestimmung
außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft mit einem
Sichtvermerk „Beförderungspapier mit Bestimmung
außerhalb der EG wurde vorgelegt“ versehen wird.
Eine entsprechende nationale Vorschrift findet sich in § 4
Abs. 4 AusfErstVO.
Das Beförderungspapier ist die Urkunde,
die über den den Transport der Ware betreffenden Frachtvertrag
ausgestellt worden ist und den ganzen Transportweg abdeckt
(Senatsurteile vom 8.8.2006 VII R 19/05, ZfZ 2007, 77 = SIS 07 07 48 und VII R 20/05, BFHE 215, 406, ZfZ 2007, 17 = SIS 06 47 43). Im
Seefrachtverkehr kommt insoweit das Konnossement (B/L) - oder eine
andere Form des Seefrachtbriefs - in Betracht, das vom Verfrachter
unterschrieben sein muss (ebenso: Abs. 40a Unterabs. 1 der
Dienstvorschrift zum Ausfuhrerstattungsrecht - ErstDV -,
Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung - VSF - M 35
65).
Bei der Ausfuhr auf dem Seeweg kann die
Ausgangsbestätigung auf der Ausfuhranmeldung somit nur erteilt
werden, wenn ein vom Verfrachter unterschriebenes (und den
Anforderungen des Art. 9 Abs. 1 Buchst. c VO Nr. 800/1999
entsprechendes) Beförderungspapier vorgelegt wird. Im
Streitfall hätte daher die Ausgangszollstelle seinerzeit keine
Ausgangsbestätigung auf den 13 Ausfuhranmeldungen mit dem
Vermerk „Beförderungspapier mit Bestimmung
außerhalb der EG wurde vorgelegt“ erteilen
dürfen (Abs. 40a Unterabs. 2 ErstDV).
Die von der Ausgangszollstelle zu erteilende
Ausgangsbestätigung ist keine zollrechtliche Entscheidung i.S.
des Art. 4 Nr. 5 des Zollkodex (ZK), denn es handelt sich nicht um
eine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des Zollrechts zur
Regelung eines Einzelfalls mit Rechtswirkung für eine oder
mehrere bestimmte oder bestimmbare Personen, sondern allein um eine
Wissenserklärung ohne Regelungscharakter und ohne
Außenwirkung (vgl. dazu: Senatsurteil vom 17.2.1987 VII R
45/83, BFHE 149, 280, BStBl II 1987, 504, ZfZ 1987, 205 = SIS 87 20 47), die lediglich verwaltungsintern erfolgt, indem die
Ausgangszollstelle das mit dem Ausfuhrvermerk versehene Exemplar
Nr. 1 der Ausfuhranmeldung dem HZA übersendet (vgl. Abs. 42
ErstDV i.V.m. Abs. 22 der Dienstvorschrift zur Herstellung,
Erteilung und Erledigung von Kontrollexemplaren, VSF M 90 26). Die
Ausgangszollstelle kann daher, ohne eine zollrechtliche
Entscheidung gemäß Art. 8 ZK förmlich
zurücknehmen zu müssen, die von ihr erteilte
Ausgangsbestätigung für unzutreffend erklären, wenn
sie - wie im Streitfall - nachträglich feststellt, dass das
erforderliche Beförderungspapier nicht vorlag oder - was dem
gleichkommt - das vorgelegte Beförderungspapier den zu
stellenden formalen oder inhaltlichen Anforderungen nicht
entsprach.
Allerdings lässt sich weder den
maßgebenden rechtlichen Vorschriften noch der ErstDV
entnehmen, dass die Ausgangszollstelle in solchen Fällen nur
die Möglichkeit hat, die Ausgangsbestätigung für
unzutreffend zu erklären. Vielmehr kann davon ausgegangen
werden, dass, wenn die Ausfuhr überwacht worden ist und es
lediglich an der Vorlage eines ordnungsgemäßen
Beförderungspapiers mangelt, der Ausführer dem Mangel
abhelfen kann, um die zunächst unzutreffend erteilte
Ausgangsbestätigung nachträglich zu heilen. Hiervon geht
offenbar auch die Zollverwaltung aus, da das Hauptzollamt X,
nachdem der Fehler entdeckt worden war, die Rechtsvorgängerin
hierauf hingewiesen und ihr Gelegenheit gegeben hat, vom
Verfrachter unterschriebene B/L vorzulegen, und da auch das HZA das
Nachreichen ordnungsgemäßer Beförderungspapiere,
wenn auch nur innerhalb der Vorlagefristen gemäß Art. 49
Abs. 2 und Art. 50 Abs. 2 VO Nr. 800/1999, für
grundsätzlich zulässig hält.
Anders als das FG und das HZA meinen, ist der
Ausführer, wenn er ordnungsgemäß ausgestellte
Beförderungspapiere nachreicht, die bei der Ausfuhr
zunächst gefehlt haben, nicht an diese Fristen gebunden. Art.
49 Abs. 2 und Art. 50 Abs. 2 VO Nr. 800/1999 betreffen, wie die
Überschrift des Titels IV der VO Nr. 800/1999 zeigt, das
„Verfahren für die Zahlung der Erstattung“
und beziehen sich deshalb ausdrücklich (Art. 49 Abs. 2 VO Nr.
800/1999) auf die „Unterlagen für die Zahlung der
Erstattung“, mithin auf diejenigen Unterlagen, die dem
HZA vorzulegen sind. Im Streitfall waren die B/L jedoch
nicht dem HZA im Rahmen des Erstattungsverfahrens vorzulegen, da es
sich nicht um die Zahlung differenzierter Erstattung handelte (vgl.
Art. 16 Abs. 3 VO Nr. 800/1999, der nur für die differenzierte
Erstattung gilt). Die B/L waren vielmehr allein der
Ausgangszollstelle zum Zweck der Erteilung der
Ausgangsbestätigung vorzulegen, die nach Erteilung der
Bestätigung und des Sichtvermerks die ihr vorgelegten
Beförderungspapiere auch nicht etwa an das HZA weiterleitete,
sondern bei sich behielt (vgl. Abs. 42a ErstDV).
Wenn in einem solchen Fall die
Ausgangszollstelle nach erteilter Ausgangsbestätigung meint,
dass diese unzutreffend sei, weil ihr kein oder ein nicht
ordnungsgemäß ausgestelltes Beförderungspapier
vorgelegen habe, so betrifft diese Frage sowie die Frage einer
evtl. Heilung des Mangels durch Vorlage des
ordnungsgemäßen Beförderungspapiers das
Verhältnis zwischen dem Ausführer und der
Ausgangszollstelle und ist in erster Linie unter diesen Beteiligten
zu klären, ohne dass insoweit Fristen zu wahren sind.
Anders verhält es sich auch dann nicht,
wenn das HZA von sich aus den mit der Ausgangsbestätigung
erteilten Sichtvermerk anzweifelt oder - wie im Streitfall - nach
einem entsprechenden Hinweis der Ausgangszollstelle die Sache zur
weiteren Klärung an sich zieht. Es handelt sich insoweit um
ein Verfahren der Würdigung der dem HZA vorgelegten
Erstattungsnachweise, in dem der Ausführer, wenn er das HZA
von der Richtigkeit der Ausgangsbestätigung und des erteilten
Sichtvermerks durch Vorlage weiterer Nachweise überzeugen
will, nicht an die Fristen der Art. 49 Abs. 2 und Art. 50 Abs. 2 VO
Nr. 800/1999 gebunden ist.
Nach den Feststellungen des FG hat die
Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren für alle
streitigen Ausfuhrfälle Kopien der von den Verfrachtern
unterzeichneten B/L vorgelegt. Zweifel daran, dass es sich um die
Kopien der (Original-)Beförderungspapiere handelt, sind weder
von Seiten des HZA vorgetragen noch ersichtlich. Die dem HZA
übersandten Ausgangsbestätigungen erweisen sich daher im
Nachhinein als richtig. Da auch die übrigen
Erstattungsvoraussetzungen vorliegen, sind der
Rechtsvorgängerin die Ausfuhrerstattungen nicht zu Unrecht
gewährt worden, weshalb die angefochtenen
Berichtigungsbescheide sowie der Sanktionsbescheid in Gestalt der
Einspruchsentscheidung aufzuheben sind.