Ausfuhr, CMR-Frachtbrief als Beförderungspapier: Das Beförderungspapier ist eine Urkunde, die über den den Transport der Ware betreffenden Frachtvertrag ausgestellt worden ist und den ganzen Transportweg abdeckt; hierfür kommt ein CMR-Frachtbrief in Betracht, wenn er nach Maßgabe des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr ausgestellt ist. Ein Frachtbrief, der die in Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens vorgesehenen Angaben nur teilweise enthält, ist jedenfalls dann kein Beförderungspapier, wenn die Unterschrift des Frachtführers fehlt. - Urt.; BFH 8.8.2006, VII R 20/05; SIS 06 47 43
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) hat im März 1999 Käse zur Ausfuhr nach
Russland angemeldet. Der Beklagte und Revisionskläger (das
Hauptzollamt - HZA - ) hat ihr für diese Ware auf ihren Antrag
einen Vorschuss auf die Ausfuhrerstattung gewährt, die je nach
Bestimmungsland in unterschiedlicher Höhe festgesetzt war. Mit
dem Zahlungsantrag hat die Klägerin einen CMR-Frachtbrief
über den Transport der Ware bis nach Litauen vorgelegt.
Über die Weiterbeförderung der Ware von Litauen nach
Moskau hat sie - nach Fristverlängerungsantrag vom Februar
2000 - im Juni 2000 einen Anschlussfrachtbrief vorgelegt, der
jedoch in Feld 23 des CMR-Formulars keine Unterschrift des
Frachtführers, sondern lediglich dessen Stempelabdruck
enthielt. Den vollständig ausgefüllten Frachtbrief
für diese Strecke hat die Klägerin erst im November 2000
dem HZA übergeben.
Dieses hat von ihr die Ausfuhrerstattung
zuzüglich eines 15 %-igen Zuschlages wegen der fehlenden
vollständigen Ausfüllung des Anschlussfrachtbriefes
zurückgefordert. Die dagegen erhobene Klage hatte im
Wesentlichen Erfolg (vgl. SIS 05 24 17). Das Finanzgericht (FG)
urteilte, die Klägerin müsse zwar eine Kürzung der
Erstattung um 15 % zuzüglich eines 15 %-igen Zuschlages
hinnehmen, weil sie den Frachtbrief Litauen-Moskau nicht innerhalb
der vorgeschriebenen Zwölf-Monats-Frist, sondern erst
innerhalb einer daran anschließenden Sechs-Monats-Frist
vorgelegt habe, ohne dass die Voraussetzungen für eine
Verlängerung der Frist um diese sechs Monate vorgelegen
hätten. Hingegen sei der Bescheid des HZA rechtswidrig, soweit
darüber hinaus die vorschussweise gewährte Erstattung
zuzüglich Zuschlages zurückgefordert werde. Denn der
Anschlussfrachtbrief Litauen-Moskau sei trotz unvollständiger
Ausfüllung nicht zu beanstanden. In einem
Beförderungspapier seien nämlich nur die Angaben von
erstattungsrechtlicher Bedeutung, die für die
Nämlichkeitssicherung relevant sind; das
Beförderungspapier müsse folglich nicht alle im
Übereinkommen vom 19.5.1956 über den
Beförderungsvertrag im internationalen
Straßengüterverkehr - CMR-Übereinkommen - (BGBl II
1961, 1120) genannten Angaben enthalten. Felder des Frachtbriefes,
die sich wie Feld 23 mit der Unterschrift des Frachtführers
allein auf diesen bezögen, seien irrelevant; sie sagten nichts
über die lückenlose Beförderung der Ware bis zum
Bestimmungsort aus. Entscheidend für den
Nämlichkeitsnachweis sei nämlich nicht, wer die Ware zum
Bestimmungsort befördert hat, sondern dass sie zum
Bestimmungsort befördert worden ist. Im Übrigen ergebe
sich aus weiteren Unterlagen (Feld 5 des CMR-Frachtbriefes), dass
kein vernünftiger Zweifel an der Nämlichkeit der
angemeldeten und der im Bestimmungsland abgefertigten Ware
bestehe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom
erkennenden Senat zugelassene Revision des HZA, zu deren
Begründung das HZA auf das Urteil des Senats vom 24.8.2004 VII
R 50/02 (BFHE 206, 488, ZfZ 2005, 23 = SIS 04 39 39) Bezug nimmt,
wonach das von Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO
Nr. 3665/87) verlangte Beförderungspapier nach Maßgabe
des CMR-Übereinkommens ausgestellt sein müsse. Dazu
gehöre, dass der Frachtführer mit seiner Unterschrift in
Feld 23 die Übernahme des Frachtgutes bestätige. Hingegen
betrachte das HZA das Fehlen der Unterschrift des Empfängers
(Feld 24 des CMR-Frachtbriefes) oder das Fehlen der Angaben zu den
Beförderungskosten (Felder 19 und 28 des CMR-Frachtbriefes)
als für den Erstattungsanspruch unschädlich. Eine
Ersetzung der Unterschrift des Frachtführers sei nach dem
CMR-Übereinkommen nur zulässig, soweit das Recht des
Staates es zulasse, in dem der Brief ausgestellt worden ist;
demnach wäre nur die Verwendung einer Stempelabbildung der
Unterschrift des Frachtführers, nicht eines Firmenstempels
zulässig gewesen (§ 408 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs -
HGB - ).
Das HZA rügt ferner, dass das FG zu
Unrecht davon ausgegangen sei, dass sämtliche in Feld 5 des
CMR-Frachtbriefes aufgeführten Unterlagen
(Veterinärzertifikate, Lieferschein, Rechnung und Packliste)
von der Klägerin dem HZA vorgelegt worden seien;
tatsächlich habe die Klägerin, was auch zulässig
sei, lediglich Packlisten und das Gewichtszertifikat zusammen mit
der Ausfuhranmeldung vorgelegt. Das sei anhand der Sachakten klar
ersichtlich gewesen. Im Übrigen würde die vom FG
befürwortete Heranziehung ergänzend vorgelegter
Unterlagen anstelle entsprechender Angaben im CMR-Frachtbrief zu
einer unübersichtlichen, uneinheitlichen und äußert
aufwendigen Handhabung bei der Anerkennung von
Beförderungspapieren führen.
Das HZA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben, soweit das FG den Änderungsbescheid vom 5.1.2001
aufgehoben hat, und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
des HZA zurückzuweisen.
Sie trägt vor, Mängel in der
Ausfüllung des CMR-Frachtbriefes beeinträchtigten nicht
ohne weiteres dessen Funktion, die Beförderung der Ware zum
Drittlandsempfänger nachzuweisen, sondern seien u.U.
erstattungsrechtlich unwesentlich. Nach den von der
Europäischen Kommission zur Anwendung der VO Nr. 3665/87
aufgestellten, vom HZA selbst vorgelegten Regeln gehörten zu
den wesentlichen Kernangaben nur Angaben über Menge und
Bezeichnung der Waren, die Angabe des Beförderungsmittels, des
Abgangsortes und -tages sowie des Bestimmungsortes. Jedenfalls
könnten darüber hinaus gehende, unwesentliche Angaben
noch nach Ablauf der Fristen der Art. 47 Abs. 2 und 48 Abs. 3
Buchst. b VO Nr. 3665/87 nachgeholt werden. Das gelte insbesondere
für die Unterschrift des Frachtführers, welche nicht zu
den „Kerneintragungen“ gehöre, zumal sie nach Art.
5 Abs. 1 Satz 2 CMR-Übereinkommen grundsätzlich durch
einen Stempelabdruck ersetzt werden könne, was im Streitfall
geschehen sei.
Die Möglichkeit der Nachholung nach
Fristablauf müsse jedenfalls in den Fällen bestehen, in
denen die Zollverwaltung wie im Streitfall gegen ihre Pflichten aus
§ 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) verstoßen
habe. Die Klägerin habe im Streitfall vor Ablauf der Frist des
Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 darauf hingewiesen, sie habe nach
ihrer Einschätzung vollständige Unterlagen vorgelegt, und
das HZA gebeten, ihr mitzuteilen, wenn z.B. der
Beförderungsnachweis noch fehle. Hierauf habe das HZA erst im
Oktober 2000 nach Ablauf aller Fristen geantwortet und auf die
fehlende Unterschrift des Frachtführers in dem
Anschlussfrachtbrief hingewiesen.
II. Die Revision des HZA ist begründet
und führt zur Änderung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage, auch soweit dieser in jenem Urteil
stattgegeben worden ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil des FG verletzt
Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO) und ist auch im Ergebnis nicht
richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in
BFHE 206, 488, ZfZ 2005, 23 = SIS 04 39 39 erkannt und hält
daran fest, dass mit dem in Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87
erwähnten Beförderungspapier, dessen Vorlage nach Art. 16
Abs. 1, Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 bei je nach Bestimmung
unterschiedlichen Erstattungssätzen (differenzierter
Erstattung) erforderlich ist, wenn der Ausführer die Zahlung
einer Erstattung begehrt, eine Urkunde gemeint ist, die über
den den Transport der Ware betreffenden Frachtvertrag ausgestellt
worden ist und den ganzen Transportweg abdeckt. Im
grenzüberschreitenden Verkehr kommt dafür ein
CMR-Frachtbrief in Betracht, wenn er nach Maßgabe des
CMR-Übereinkommens ausgestellt ist. Kein
Beförderungspapier i.S. der vorgenannten Vorschriften ist
jedoch ein Frachtbrief, der die in Art. 6 Abs. 1 des vorgenannten
Übereinkommens vorgesehenen Angaben nur teilweise
enthält, jedenfalls wenn Name und Anschrift des
Frachtführers oder dessen Unterschrift fehlen.
Vergeblich beruft sich die Klägerin
demgegenüber auf die Hinweise der Kommission der
Europäischen Gemeinschaften in dem Dokument K (2000) 2255
endg. Denn abgesehen davon, dass selbst solche Hinweise nicht gegen
Rechtsirrtum gefeit sind, sprechen sie vorliegend ausdrücklich
davon, dass das als Beförderungspapier anzuerkennende Dokument
die „zur Feststellung der ordnungsgemäßen
Durchführung des Transportvorganges“ erforderlichen
Angaben enthalten müsse. Von daher liegt die Annahme des HZA
nahe, dass bei den nach vorgenannter Wendung in Klammern genannten
Angaben (Menge und Bezeichnung der Waren, Angabe des
Beförderungsmittels, Abgangsort und -tag sowie Bestimmungsort)
als selbstverständlich unterstellt worden ist, dass diese
Angaben von demjenigen beweiskräftig als richtig
bestätigt werden, der für die Durchführung des
Beförderungsvorgangs verantwortlich war, nämlich dem
Frachtführer.
Im Streitfall hat die Klägerin keine
vollständigen Beförderungspapiere fristgerecht (Art. 47
Abs. 2 VO Nr. 3665/87) vorgelegt, obwohl sie die Gewährung
einer Erstattung für Erzeugnisse begehrt, für die je nach
Bestimmung unterschiedliche Erstattungssätze festgelegt sind.
Der von der Klägerin vorgelegte CMR-Frachtbrief für die
Anschlussstrecke Litauen-Moskau wird den Anforderungen an das von
Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 verlangte Beförderungspapier
nicht gerecht. Denn nach den Feststellungen des FG enthielt dieser,
so wie er dem HZA zunächst vorgelegt worden ist, keine
Unterschrift des Frachtführers. Diese ist indes für die
Nachweisfunktion des Frachtbriefes - anders als möglicherweise
etwa Angaben über die Beförderungskosten und anders als
die, wie das HZA mit Recht anmerkt, anderweit ohnehin vorzulegende
Ankunftsbestätigung des Abnehmers - unverzichtbar; ohne diese
wäre das Beförderungspapier nicht mehr als ein
substantiierter Beförderungsplan des Versenders, anhand dessen
die tatsächliche Durchführung der so geplanten
Beförderung schwerlich „festgestellt“
werden kann.
Selbst wenn im Streitfall die Voraussetzungen
vorliegen mögen, unter denen die Unterschrift des
Frachtführers durch einen Stempelabdruck hat ersetzt werden
können, so ist doch nicht festgestellt und nicht einmal
behauptet, dass dies in gehöriger Form, nämlich durch
einen Faksimilestempel der Unterschrift des Frachtführers,
geschehen wäre.
Ob eine erst nach Ablauf der in Art. 47 Abs. 2
VO Nr. 3665/87 festgesetzten Frist erfolgte Ergänzung des
Frachtbriefes um Eintragungen, die in ihm hätten enthalten
sein müssen, ungeachtet des Fristablaufs noch
berücksichtigt werden kann, hat der Senat in vorgenannter
Entscheidung dahinstehen lassen. Diese Frage ist indes
offensichtlich zu verneinen. Das Gemeinschaftsrecht enthält
differenzierte Regelungen darüber, unter welchen
Umständen die Überschreitung der vorgeschriebenen
Vorlagefristen entschuldigt bzw. diese verlängert werden
können (vgl. Art. 47 Abs. 4 VO Nr. 3665/87). Diese Regelungen
wären sinnlos, wenn ihrer ungeachtet das HZA nachträglich
vorgelegte Unterlagen bei seiner Entscheidung über die
Gewährung einer Erstattung berücksichtigen müsste.
Überdies liegt auf der Hand, dass in einem - auch im Interesse
der Exporteure - auf schnelle Abwicklung angelegten Massenverfahren
aufgestellte formelle Regeln wie die, wann welche Unterlagen
vorzulegen sind, grundsätzlich strikter Beachtung
bedürfen und nicht etwa beiseite geschoben werden können,
wenn in dem einen oder anderen Fall klar zu Tage getreten ist, dass
die materiellen Erstattungsvoraussetzungen gegeben sind und nunmehr
auch formgerecht nachgewiesen werden können.
Der Umstand, dass das HZA zunächst die
vorgelegten angeblichen Beförderungspapiere unter den von dem
erkennenden Senat für wesentlich gehaltenen Gesichtspunkten
nicht beanstandet hat, sondern sich dazu erst nach Ablauf der
Vorlagefrist geäußert hat, rechtfertigt es nicht, der
Klägerin die ihr als Vorschuss gewährte Ausfuhrerstattung
endgültig zu belassen (vgl. auch dazu schon das Urteil in BFHE
206, 488, ZfZ 2005, 23 = SIS 04 39 39). § 25 VwVfG kommt der
Klägerin nicht zugute, weil die Vorlage des
Beförderungspapiers nicht im Sinne dieser Vorschrift - aus der
insofern maßgeblichen Sicht des HZA - offensichtlich nur
versehentlich bzw. aus Rechtsunkenntnis unterblieben ist, sondern
das HZA davon ausgehen konnte, dass die mit den Vorschriften des
Erstattungsrechts vertraute Klägerin das vorgelegte Papier
nach Prüfung für ausreichend hielt, den
gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu genügen, wie es nach
ihrem Klagevortrag ja auch tatsächlich der Fall war.
Der Senat kann, da die Anwendung der
Vorschrift schon daran scheitert, auch in dieser Entscheidung
unerörtert lassen, ob § 25 VwVfG vom HZA verlangt, die
ihm eingereichten Unterlagen vor Ablauf etwaiger Fristen zu
prüfen, um dem Erstattungsantragsteller ggf. eine
Vervollständigung seiner Antragsunterlagen vor Fristablauf zu
ermöglichen, und ob eine etwaige Verletzung sich aus § 25
VwVfG ergebender Verfahrenspflichten des nationalen Rechts dazu
führen würde, dass trotz Fehlens der
gemeinschaftsrechtlich festgelegten Erstattungsvoraussetzungen
Ausfuhrerstattung zu gewähren ist.
Der erkennende Senat hält die von ihm
vorgenommene Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts
für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer
Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) besteht daher nicht (vgl. EuGH-Urteil vom
6.10.1982 Rs. 283/81 - C.I.L.F.I.T. -, EuGHE 1982, 3415).