Fiktiver Zugewinnausgleich, Berechnung, Inflation, ErbSt: Bei der Berechnung des fiktiven Anspruchs auf Zugewinnausgleich nach § 5 Abs. 1 ErbStG sind die Anfangsvermögen und die diesen hinzuzurechnenden späteren Erwerbe zum Ausgleich der Geldentwertung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH zu indexieren. - Urt.; BFH 27.6.2007, II R 39/05; SIS 07 31 14
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin der
während des Klageverfahrens verstorbenen Erblasserin …
(E), die ihrerseits Alleinerbin ihres im Jahr 2000 verstorbenen
Ehemannes (M) gewesen war. Die seit 1970 miteinander verheirateten
Eheleute hatten im gesetzlichen Güterstand der
Zugewinngemeinschaft gelebt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte die Erbschaftsteuer für den Erwerb
der E als Erbin des M in der Einspruchsentscheidung auf 9.567.580
EUR (18.712.560 DM) fest. Bei der Berechnung des nicht als Erwerb
i.S. des § 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes
(ErbStG) geltenden fiktiven Anspruchs der E auf Zugewinnausgleich
(§ 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) ließ das FA die infolge des
Kaufkraftschwunds nur nominale Wertsteigerung des
Anfangsvermögens beider Ehegatten und des nach § 1374
Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dem
Anfangsvermögen des M hinzuzurechnenden Vermögens
außer Ansatz, indem es nach R 11 Abs. 3 Satz 3 der
Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) vom 21.12.1998 (BStBl I
SonderNr. 2/1998, 2) und H 11 Abs. 3 der Hinweise zu den ErbStR vom
21.12.1998 (BStBl I 1998, 1529) die Anfangsvermögen und die
hinzuzurechnenden Vermögensgegenstände mit dem
Lebenshaltungskostenindex zur Zeit der Beendigung des
Güterstandes multiplizierte und durch die für den
Zeitpunkt des Beginns des Güterstandes bzw. des
nachträglichen Erwerbs geltende Indexzahl dividierte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit
der sich die Klägerin gegen diese Indexierung gewandt hatte,
durch das in EFG 2005, 1548 = SIS 05 42 45 veröffentlichte
Urteil mit der Begründung ab, die Berechnung des fiktiven
Zugewinnausgleichsanspruchs stimme mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH) überein. Der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids stehe
die bis Ende 1998 in den gleichlautenden Erlassen der obersten
Finanzbehörden der Länder vom 20.12.1974/10.3.1976 (BStBl
I 1976, 145) für den Steuerpflichtigen vorgesehene
Möglichkeit, abweichend von dieser Rechtsprechung zur
Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung das
Anfangsvermögen und die diesem zuzurechnenden
Vermögensgegenstände mit dem Nominalwert anzusetzen,
nicht entgegen.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung des § 5 Abs. 1 ErbStG. Bei der
Berechnung des fiktiven Zugewinnausgleichsanspruchs sei keine
Indexierung vorzunehmen, da es dafür keine zivilrechtliche
Grundlage gebe und ein Verstoß gegen das Nominalwertprinzip
vorliege. Zudem habe die Verwaltung die in den Erlassen in BStBl I
1976, 145 vorgesehene Möglichkeit, sich für eine
Berechnung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung ohne
Indexierung zu entscheiden, nicht ohne gesetzliche Grundlage
streichen dürfen, jedenfalls nicht ohne
Übergangsregelung.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Erbschaftsteuer auf 6.607.664,78
EUR herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht angenommen,
dass das FA den fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch der E
zutreffend berechnet hat.
1. Wird der Güterstand der
Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB) durch den Tod eines
Ehegatten beendet und wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe
und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, so kann er
gemäß § 1371 Abs. 2 BGB Ausgleich des Zugewinns
nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB
verlangen. Diese Vorschriften für den Ausgleich des Zugewinns
gelten nach § 1372 BGB auch, wenn der Güterstand auf
andere Weise als durch den Tod eines Ehegatten, also etwa durch
Ehescheidung, beendet wird. In beiden Fällen unterliegt die
Ausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten und deren
Erfüllung nicht der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, wie
§ 5 Abs. 2 ErbStG klarstellend regelt.
Wird im Todesfall der Zugewinn nicht nach
§ 1371 Abs. 2 BGB ausgeglichen, weil der überlebende
Ehegatte Erbe wird oder ihm ein Vermächtnis zusteht, gilt
gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Betrag, den der
überlebende Ehegatte nach Maßgabe des § 1371 Abs. 2
BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als
Erwerb i.S. des § 3 ErbStG. Obwohl in diesem Fall dem
überlebenden Ehegatten güterrechtlich keine
Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB zusteht, wird eine solche
für die Erbschaftsteuer fiktiv errechnet und vom Erwerb
abgezogen. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bewirkt
danach, dass der Erwerb des überlebenden Ehegatten
vorbehaltlich der in § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 ErbStG
getroffenen Sonderregelungen zu dem Anteil nicht mit
Erbschaftsteuer belastet wird, der ihm bei einer gedachten
güterrechtlichen Lösung als Ausgleichsforderung
zugestanden hätte (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
29.6.2005 II R 7/01, BFHE 210, 455, BStBl II 2005, 873 = SIS 05 44 26). Der über diese fiktive Ausgleichsforderung hinausgehende
Erwerb unterliegt der normalen Besteuerung (BFH-Urteil vom
10.3.1993 II R 87/91, BFHE 171, 321, BStBl II 1993, 510 = SIS 93 13 13). Damit wird eine Angleichung der erbschaftsteuerrechtlichen
Behandlung von erbrechtlicher und güterrechtlicher Lösung
bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines
Ehegatten erreicht, soweit § 5 Abs. 1 Sätze 2 bis 5
ErbStG nichts anderes bestimmen. Diese Angleichung setzt voraus,
dass der fiktive Zugewinnausgleichsanspruch nach denselben
zivilrechtlichen Grundsätzen berechnet wird wie ein
tatsächlich geltend gemachter. Für die Auslegung und
Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über die
Berechnung des Zugewinnausgleichs ist dabei vorrangig die
Rechtsprechung des BGH als des für Familienrecht
zuständigen obersten Gerichtshofs des Bundes
maßgebend.
2. Durch die Geldentwertung eingetretene, nur
nominelle Wertsteigerungen des Anfangsvermögens und der
Vermögensgegenstände, die diesem zuzurechnen sind,
führen nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu einem Anspruch
auf Zugewinnausgleich (Urteile vom 14.11.1973 IV ZR 147/72, BGHZ
61, 385; vom 13.10.1983 IX ZR 106/82, NJW 1984, 434, und vom
20.5.1987 IVb ZR 62/86, BGHZ 101, 65). Der durch den
Kaufpreisschwund des Geldes verursachte, unechte Zugewinn ist nach
dieser Rechtsprechung dadurch von der Berechnung der
Zugewinnausgleichsforderung auszunehmen, dass die nach § 1374
Abs. 1 BGB anzusetzenden (positiven) Anfangsvermögen beider
Ehegatten mit dem Preisindex für die Lebenshaltung bei
Beendigung des Güterstandes multipliziert und durch den Index
bei Beginn des Güterstandes dividiert werden. Bei den dem
Anfangsvermögen nach § 1374 Abs. 2 BGB hinzuzurechnenden
Vermögensgegenständen ist statt des Preisindexes bei
Beginn des Güterstandes der für den Zeitpunkt des Erwerbs
maßgebende zu berücksichtigen. Die Inflationsbereinigung
ist auch geboten, soweit Geldforderungen oder Geldschulden
betroffen sind (BGH-Urteil vom 18.10.1989 IVb ZR 82/88, BGHZ 109,
89).
Die Rechtsprechung des BGH zur
Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Berechnung des
Anspruchs auf Zugewinnausgleich verstößt nicht gegen das
Nennwertprinzip (Nominalismus). Aus diesem der Währungsordnung
zugrunde liegenden Prinzip folgt, dass Geldbetrags- oder
Geldsummenschulden zum Nennwert in der gesetzlichen
Währungseinheit erfüllbar sind. Im vorliegenden
Zusammenhang geht es aber nicht um diese Fragestellung, sondern um
den Vergleich von zeitlich auseinander liegenden
Vermögenslagen und die dem Sinn der Zugewinngemeinschaft
entsprechende Berücksichtigung der Geldentwertung zwischen den
Bewertungszeitpunkten (BGH-Urteil in BGHZ 61, 385, 392).
In der Praxis hat sich die Rechtsprechung des
BGH allgemein durchgesetzt. Sie wird in der Literatur heute weit
überwiegend gebilligt (Thiele in Staudinger (2000), BGB,
§ 1373 Rz 9 ff.; Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl., § 1376 Rz
9 f.; MünchKommBGB/ Koch, 4. Aufl., § 1373 Rz 5 ff.;
Finke in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 1376 Rz 17 ff.;
Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1376 Rz 25 ff.;
J. Mayer in Bamberger/Roth, BGB, § 1376 Rz 39 ff.;
Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 1376 Rz 11; Limbach in
Anwaltkommentar zum BGB, § 1376 Rz 37 ff.; Weinreich in
Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 1374 Rz 6 ff.; Jaeger in
Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 1376 BGB Rz 20 ff.;
Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl., S. 408 f.;
Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 3. Aufl., S. 1517 ff.).
Der Geldwertschwund ist nicht nur bei der
Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft durch
Ehescheidung, sondern auch bei der Beendigung durch den Tod eines
Ehegatten zu berücksichtigen. Wie bereits dargelegt, gelten
für die Berechnung des Zugewinnausgleichs in beiden
Fällen die Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390
BGB, die u.a. den Zugewinn, das Anfangsvermögen, das
Endvermögen und die Wertermittlung des Anfangs- und
Endvermögens betreffen. Entgegen der Ansicht der Klägerin
fehlt es bei der Beendigung des Güterstandes der
Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten auch nicht an
einer unterschiedlichen Interessenlage; sie besteht in diesem Fall
zwischen dem überlebenden Ehegatten, der nicht Erbe wird und
dem auch kein Vermächtnis zusteht, und dem/den
ausgleichspflichtigen Erben.
3. Die Rechtsprechung des BGH zur
Berücksichtigung der Geldentwertung bei der Berechnung des
Anspruchs auf Zugewinnausgleich ist auch für die Auslegung und
Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG maßgebend (ebenso
Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 5 Rz 33;
Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 5 ErbStG Rz 26;
Kapp/Ebeling, ErbStG, § 5 Rz 35; Hübner in
Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl., § 5 ErbStG
Rz 22; Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 5 Rz
19 f.; Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer, S. 82; a.A. Meincke,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl.,
§ 5 Rz 14). Nur so lässt sich die von § 5 Abs. 1
ErbStG gewollte Angleichung der erbschaftsteuerrechtlichen
Behandlung von erbrechtlicher und güterrechtlicher Lösung
bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines
Ehegatten erreichen. Nach dieser Vorschrift soll der nicht als
Erwerb i.S. des § 3 ErbStG geltende Anspruch auf den fiktiven
Zugewinnausgleich vorbehaltlich der in § 5 Abs. 1 Sätze 2
bis 5 ErbStG getroffenen Sonderregelungen dem Anspruch entsprechen,
der sich bei einem tatsächlich durchgeführten
güterrechtlichen Zugewinnausgleich ergäbe. Bei Letzterem
bestünde aber der Ausgleichsanspruch nur in dem Umfang, der
durch die vom BGH vorgenommene Gesetzesauslegung bestimmt wird.
Dies schließt die Indexierung ein.
Soweit sich die Klägerin
demgegenüber hinsichtlich des Nominalwertprinzips auf die
BFH-Urteile vom 27.7.1967 IV 300/64 (BFHE 89, 422, BStBl III 1967,
690 = SIS 67 04 29) und vom 14.5.1974 VIII R 95/72 (BFHE 112, 546,
BStBl II 1974, 572 = SIS 74 03 25) beruft, kann ihr nicht gefolgt
werden. Diese Urteile betreffen allein die Besteuerung der
Kapitalzinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§
20 des Einkommensteuergesetzes) mit dem Nominalwert. Sie sind
für die Berechnung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich, bei
der die Vermögensgegenstände zu u.U. weit auseinander
liegenden Zeitpunkten zu vergleichen sind, ohne Bedeutung.
4. Der Anwendung der Rechtsprechung des BGH
zur Indexierung des Anfangsvermögens steht auch die bis 1998
nach Abschn. 2.1 Buchst. c der Erlasse in BStBl I 1976, 145
bestehende Möglichkeit des Steuerpflichtigen, zwischen der
Berücksichtigung und Nichtberücksichtigung des
Inflationsausgleichs zu wählen, nicht entgegen. Die
Finanzverwaltung war berechtigt, die Verwaltungsvorschriften mit
Wirkung für künftige Erbfälle an die mittlerweile
gefestigte Rechtsprechung des BGH und die dieser entsprechende
zivilrechtliche Praxis anzupassen.
Der Klägerin stand insoweit kein
Vertrauensschutz zu. Soweit Verwaltungsvorschriften überhaupt
einen Vertrauensschutz begründen sollten (grundsätzlich
ablehnend BFH-Urteil vom 23.10.2003 V R 24/00, BFHE 203, 523, BStBl
II 2004, 89 = SIS 03 52 07, unter II. 3.; BFH-Beschluss vom
10.2.2005 IX B 182/03, BFH/NV 2005, 1058 = SIS 05 25 81, je
m.w.N.), könnte dieser jedenfalls nicht weiter reichen als der
Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand gesetzlicher
Vorschriften. Die unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche
Rückanknüpfung von Gesetzesänderungen, die dann
vorliegt, wenn das Gesetz nur auf gegenwärtige, noch nicht
abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die
Zukunft einwirkt, ist jedoch grundsätzlich zulässig
(Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5.2.2002 2 BvR 305/93
u.a., BVerfGE 105, 17, 37 ff. = SIS 02 09 34; BFH-Urteile vom
1.3.2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398 = SIS 05 18 68, und VIII R 25/02, BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436 = SIS 05 18 67; vom 18.1.2006 II R 64/04, BFH/NV 2006, 948 = SIS 06 17 44).
Danach können Verwaltungsvorschriften jedenfalls mit Wirkung
für künftige Erbfälle an die gesetzliche Rechtslage
angepasst werden (vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S.
168 ff.; Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 4 Rz
183; Maurer in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV,
3. Aufl., § 79 Rz 130). Eine solche Anpassung entspricht der
Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes,
§ 85 Satz 1 der Abgabenordnung) und bedarf daher keiner
speziellen gesetzlichen Grundlage. Die zeitliche Beschränkung
der Anwendbarkeit der geänderten Verwaltungsvorschrift auf
künftige Erbfälle enthält eine
Übergangsregelung, da davon abgesehen wird, die bereits seit
langem bestehende Rechtsprechung des BGH auf alle noch offenen
Erbschaftsteuerfälle anzuwenden.