Beiträge an Freikirche, Anrechnung auf besonderes Kirchgeld: Auf das in Nordrhein-Westfalen erhobene besondere Kirchgeld sind Beiträge des Ehegatten des Kirchensteuerpflichtigen an eine freikirchliche Gemeinde, der er angehört, auch dann anzurechnen, wenn er sie ohne Rechtspflicht freiwillig entrichtet hat. - Urt.; BFH 16.5.2007, I R 38/06; SIS 07 28 46
I. Streitpunkt ist, ob Zahlungen des
Ehegatten des Kirchensteuerpflichtigen an eine freikirchliche
Gemeinde auf das in Nordrhein-Westfalen erhobene besondere
Kirchgeld anzurechnen sind.
Die in Nordrhein-Westfalen wohnhafte
Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war in den
Streitjahren 2002 und 2003 Mitglied der Evangelischen Kirche. Ihr
Ehemann gehörte der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in X
(Freikirche X) an.
Die Freikirche X ist Mitglied im Bund
Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts, die keine
Kirchensteuern erhebt. Sie hat eine Gemeindeordnung, die unter Nr.
10 („Gemeindehaushalt“) folgende Bestimmungen
enthält:
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„10.1
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Die Gemeinde erstrebt keinen finanziellen
Gewinn.
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10.2
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Die erforderlichen Geldmittel werden durch
freiwillige Beiträge, Sammlungen, Spenden und Erträge aus
dem Vermögen aufgebracht.
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10.3
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Die Gemeindemitglieder leisten durch
Opferbereitschaft entsprechend ihrem Einkommen ihre Beiträge.
...“
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Der Beklagte und Revisionskläger
(Beklagter), der Evangelische Kirchenkreis Y, bestätigte durch
ablehnende Einspruchsentscheidung die vom zuständigen
Finanzamt für die Streitjahre gegen die Klägerin
festgesetzten Kirchensteuern in Form eines besonderen Kirchgeldes.
Die Festsetzung erfolgte ohne Anrechnung der in den Streitjahren
vom Ehemann der Klägerin geleisteten, das festgesetzte
besondere Kirchgeld jeweils übersteigenden Zahlungen an die
Freikirche X. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat der
hiergegen gerichteten Klage stattgegeben und die Bescheide
über die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes ersatzlos
aufgehoben. Sein Urteil vom 28.4.2006 1 K 1778/05 Ki ist in EFG
2006, 1455 = SIS 06 29 44 abgedruckt. Gegen das Urteil richtet sich
die Revision des Beklagten, der die Verletzung materiellen Rechts
rügt.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu
Recht entschieden, dass die vom Ehemann der Klägerin in den
Streitjahren an die Freikirche X geleisteten Zahlungen auf das die
Klägerin betreffende besondere Kirchgeld anzurechnen sind.
1. Gemäß § 1 des Gesetzes
über die Erhebung von Kirchensteuern im Land
Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.4.1975
- KiStG NW - (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land
Nordrhein-Westfalen - GVBl NW - 1975, 438), zuletzt geändert
durch Gesetz vom 6.3.2001 (GVBl NW 2001, 103), erheben die
Katholische Kirche und die Evangelische Kirche im Land
Nordrhein-Westfalen Kirchensteuern auf Grund eigener
Steuerordnungen. Von Kirchensteuerpflichtigen, deren Ehegatte nicht
kirchensteuerpflichtig ist, können Kirchensteuern
gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG NW als besonderes
Kirchgeld erhoben werden. Auf der Grundlage von § 1 KiStG NW
haben die evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen
(Rheinland/Westfalen/ Lippische Landeskirche) eine
Kirchensteuerordnung (KiStO NW) erlassen, die zum 1.1.2001 in Kraft
getreten ist. Auch diese bestimmt in § 6 Abs. 1 Nr. 5, dass
die Kirchensteuer bei kirchensteuerpflichtigen Gemeindemitgliedern,
deren Ehegatte nicht kirchensteuerpflichtig ist, als besonderes
Kirchgeld erhoben werden kann (vgl. zur
Verfassungsmäßigkeit des besonderen Kirchgeldes
Senatsurteil vom 19.10.2005 I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl II 2006,
274 = SIS 06 03 82).
Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6
Abs. 5 Satz 2 KiStO NW sind auf das besondere Kirchgeld die
Beiträge anzurechnen, die der nicht kirchensteuerpflichtige
Ehegatte als Mitglied einer öffentlich-rechtlichen
Religionsgemeinschaft, die keine Kirchensteuern erhebt, entrichtet
hat.
2. Danach ist die Klägerin zwar mangels
Kirchensteuerpflicht ihres Ehemannes grundsätzlich zum
besonderen Kirchgeld gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG
NW, § 6 Abs. 1 Nr. 5 KiStO NW heranzuziehen. Jedoch sind
gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5
Satz 2 KiStO NW die von ihrem Ehemann in den Streitjahren an die
Freikirche X geleisteten, das besondere Kirchgeld jeweils
übersteigenden Zahlungen auf dieses anzurechnen, so dass kein
festzusetzendes besonderes Kirchgeld mehr verbleibt.
a) Wie auch der Beklagte nicht bezweifelt, ist
die Freikirche X eine öffentlich-rechtliche
Religionsgemeinschaft gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG
NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW, die keine Kirchensteuern
erhebt.
b) Bei den Zahlungen des Ehemannes der
Klägerin handelt es sich um „Beiträge“
i.S. von § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2
KiStO NW.
aa) Der Senat hat die landesrechtlichen
Bestimmungen des Kirchensteuergesetzes und der Kirchensteuerordnung
in eigener Zuständigkeit auszulegen und ist nicht an die
Interpretation des FG gebunden. Denn es handelt sich
gemäß § 118 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 33 Abs. 1
Nr. 4 FGO um revisibles Landesrecht, weil § 14 Abs. 4 Satz 1
KiStG NW in den die Festsetzung der Kirchensteuer betreffenden
Streitigkeiten den Finanzrechtsweg eröffnet und § 14 Abs.
4 Satz 2 KiStG NW die Vorschriften der FGO insgesamt für
anwendbar erklärt (vgl. Senatsurteil vom 7.8.1985 I R 309/82,
BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42 = SIS 86 05 34; Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8.3.1995 II R 10/03, BFHE 177, 276,
BStBl II 1995, 432 = SIS 95 13 31, und II R 58/93, BFHE 177, 288,
BStBl II 1995, 438 = SIS 95 13 32).
bb) Das FG hat § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG
NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW zutreffend dahin ausgelegt,
dass unter den Begriff „Beiträge“ nicht nur
solche Zuwendungen fallen, zu deren Zahlung der Ehegatte
gegenüber der betreffenden Religionsgemeinschaft rechtlich
verpflichtet ist. Vielmehr sind darunter auch ohne Rechtspflicht
geleistete Beiträge zu fassen.
aaa) Weder umgangssprachlich noch im
juristischen Sprachgebrauch schließt der Begriff
„Beiträge“, soweit damit Geldzuwendungen
gemeint sind, auf freiwilliger Basis erbrachte Leistungen aus. Auch
die vom Beklagten für seine gegenteilige Sicht in Bezug
genommene Definition aus dem Brockhaus-Lexikon, wonach
Beiträge „regelmäßige Zahlungen auf Grund
von Mitgliedschaft in Vereinen, Parteien, Versicherungen oder eine
besondere Art von Abgaben“ sind, lässt keine
Beschränkung auf solche Zahlungen erkennen, zu denen der
Leistende rechtlich verpflichtet ist. Wäre es anders,
wäre die nicht selten - im Übrigen auch vom Beklagten -
verwendete Begriffskombination „freiwilliger
Beitrag“ (vgl. etwa § 55 Abs. 2 Nr. 1 des VI. Buches
Sozialgesetzbuch - SGB VI - ; § 23 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, §
24 Abs. 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte)
in sich widersprüchlich. Der ebenfalls gebräuchliche
Ausdruck „Pflichtbeitrag“ (z.B. § 43 Abs. 4
Nr. 3, § 60 SGB VI; § 10 Abs. 7 Satz 1, § 18 Abs. 1
Satz 1, § 19 des Abgeordnetengesetzes des Landes
Nordrhein-Westfalen) wäre ein Pleonasmus. Diese Beispiele aus
der Gesetzessprache zeigen, dass der allgemeine Ausdruck
„Beitrag“ grundsätzlich als Oberbegriff
aufzufassen ist, der sowohl freiwillige als auch auf rechtlicher
Verpflichtung beruhende Leistungen umfassen kann.
Dagegen spricht nicht der Umstand, dass im
Rahmen der Begriffstrias des Abgabenrechts (Steuern, Gebühren
und Beiträge) unter Beiträgen die hoheitlich zur
Finanzbedarfsdeckung auferlegten - mithin rechtlich verbindlichen -
Aufwendungsersatzleistungen verstanden werden (vgl. Lang in
Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 3 Rz 20). Die
Begriffstrias dient der Unterscheidung ausschließlich
zwangsweise auferlegter Zahlungspflichten; denn auch Steuern und
Gebühren werden auf rechtlich verpflichtender Grundlage
erhoben. Der Beitragsbegriff dient in diesem Zusammenhang also
nicht der Abgrenzung rechtlich verbindlicher Zahlungspflichten von
freiwilligen Leistungen. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass in
anderen Zusammenhängen - etwa im hier relevanten Bereich von
Zuwendungen, die auf der Zugehörigkeit zu einer
Glaubensgemeinschaft basieren - auch solche Leistungen als
„Beiträge“ verstanden werden, die ohne
rechtlich durchsetzbare Verpflichtung erbracht werden.
bbb) Auch der Zweck der in § 4 Abs. 4
Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW statuierten
Anrechnungspflicht umfasst die vom Wortlaut getragene
Berücksichtigung freiwillig geleisteter Beitragszahlungen.
Nach der Gesetzesbegründung der Landesregierung sollte mit der
Anrechnungspflicht „den Einwendungen der Freikirchen
Rechnung getragen werden, die eine Reduzierung der freikirchlichen
Beitragszahlungen durch den Kirchenangehörigen
befürchten, wenn dessen Ehegatte künftig ein besonderes
Kirchgeld zahlen muss“ (Landtag Nordrhein-Westfalen,
Drucks 13/439, S. 17). Eine Beitragskürzung durch den
Angehörigen einer Freikirche, der die Anrechnungspflicht nach
dem Willen des Gesetzgebers sonach entgegenwirken soll, ist aber
gerade in den Fällen zu befürchten, in denen es der
Angehörige der Freikirche selbst in der Hand hat, seine
Beitragszahlungen zu reduzieren, weil er seine Beiträge
freiwillig erbringt. Besteht demgegenüber eine rechtlich
durchsetzbare Beitragspflicht, ist für die Besorgnis einer
durch die Einführung des besonderen Kirchgeldes
ausgelösten Beitragskürzung des Angehörigen einer
Freikirche im Grunde kein Raum. Der Gesetzeszweck lässt
demnach die Anrechnung freiwilliger Beitragszahlungen des
Angehörigen einer Freikirche nicht nur zu, sondern ist hierauf
sogar in besonderem Maße ausgerichtet.
Ein zusätzlicher Beleg hierfür ist
die vom FG hervorgehobene Äußerung des seinerzeitigen
Vorsitzenden des Finanz- und Haushaltausschusses des
nordrhein-westfälischen Landtags in der Landtagssitzung vom
14.2.2001, wonach zu begrüßen sei, dass im Gesetzentwurf
§ 4 Abs. 4 enthalten sei, der die freiwilligen Beiträge
zu religiösen Organisationen, die keine Kirchensteuern
erheben, berücksichtige.
ccc) Soweit der Beklagte demgegenüber
darauf verweist, die Anrechnungspflicht sei aufgrund einer
Intervention der Mennonitengemeinde Z in das Gesetz aufgenommen
worden, deren Mitglieder ausweislich deren Gemeindeordnung
Pflichtbeiträge zu leisten hätten, spricht das nicht
entscheidend gegen die hier vertretene Auslegung. Denn diese
Umstände lassen keinen Schluss darauf zu, dass der
Gesichtspunkt der Beitragspflicht der Angehörigen dieser
Gemeinde ein für den Gesetzgeber maßgeblicher
Gesichtspunkt gewesen ist und er den Ehegatten der Mitglieder
anderer Freikirchen, die ihre Beiträge auf freiwilliger Basis
leisten, eine Anrechnung versagen wollte. Im Übrigen
lässt der Beklagte außer Acht, dass ausweislich Nr. 10.3
ihrer Gemeindeordnung auch die im Streitfall betroffene Freikirche
X von ihren Mitgliedern Beitragszahlungen „entsprechend
ihrem Einkommen“ erwartet. Es besteht kein Anhalt
dafür, dass der Gesetzgeber auf derartigen Regeln
gründende Beitragsleistungen von der Anrechnung auf das
besondere Kirchgeld hat ausschließen wollen, nur weil sie
nicht als rechtlich durchsetzbare Zahlungspflichten gestaltet
sind.
Schließlich ergibt sich Abweichendes
auch nicht aus dem Erlass des Finanzministeriums
Nordrhein-Westfalen vom 8.8.2001 zur Einführung des besonderen
Kirchgeldes (EStG-Kartei NW Kist Nr. 2 = SIS 01 13 43), der als
Verwaltungsanweisung den Senat ohnehin nicht binden würde.
Soweit dort hinsichtlich des Nachweises der Beitragszahlung des
Ehegatten auf Abschn. 101 der Einkommensteuer-Richtlinien verwiesen
wird, lässt sich daraus für die Auslegung von § 4
Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW nichts
gewinnen.
cc) Nach den nicht angegriffenen und den Senat
gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des
FG sind die streitbefangenen Zahlungen des Ehemannes der
Klägerin in den allgemeinen Haushalt der Freikirche X
geflossen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist somit davon
auszugehen, dass es sich um Beiträge i.S. von Nr. 10.3 der
Gemeindeordnung der Freikirche X - und nicht um zweckbezogene
Spenden - gehandelt hat, die nach allem gemäß § 4
Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW auf das
besondere Kirchgeld der Klägerin anzurechnen sind.