Aufstockung einer GmbH-Beteiligung in 2001, Schuldzinsenabzug: Im Jahr 2001 zur Finanzierung der Aufstockung einer GmbH-Beteiligung geleistete Schuldzinsen sind auch dann in vollem Umfang als Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen abziehbar, wenn die GmbH im Jahr 2001 keine offenen Gewinnausschüttungen vorgenommen hat. Das Halbabzugsverbot des § 3 c Abs. 2 EStG gilt insoweit nicht. - Urt.; BFH 27.3.2007, VIII R 10/06; SIS 07 25 21
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden als Ehegatten im Streitjahr (2001) zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt. In ihren
Einkommensteuererklärungen machten sie als Werbungskosten
Finanzierungskosten von 39.015 DM für zwei im Mai 2001
aufgenommene Darlehen über 200.000 DM und 300.000 DM geltend.
Die Darlehen dienten der Finanzierung des zusätzlichen
Anteilserwerbs (40 v.H.) des Klägers an der X-GmbH. Die GmbH
nahm im Jahr 2001 keine offenen Gewinnausschüttungen
vor.
Im Einkommensteuerbescheid für 2001
ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -
) unter Hinweis auf § 3c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in
der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (EStG) nur
die Hälfte der Schuldzinsen für 2001 zum
Werbungskostenabzug zu. Der Einspruch der Kläger blieb
erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen
erhobene Klage mit Urteil vom 19.1.2006 15 K 328/04 E,Ki (EFG 2006,
572 = SIS 06 23 40) ab.
Mit ihrer Revision rügen die
Kläger die fehlerhafte Anwendung von § 3c Abs. 2
EStG.
Sie beantragen, das Urteil des FG
aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 13.12.2002 in
der Weise zu ändern, dass weitere 19.507 DM als Werbungskosten
bei den Kapitaleinkünften berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Entgegen der Auffassung der Kläger
hänge die erstmalige Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG nicht
von der erstmaligen Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG für
Gewinnausschüttungen im gleichen Kalenderjahr ab. Die
Zinsaufwendungen des Klägers stünden in Zusammenhang mit
(zukünftigen) gemäß § 3 Nr. 40 EStG zur
Hälfte steuerfreien Einnahmen.
II. Die Revision ist begründet.
Gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und
die Einkommensteuer antragsgemäß herabzusetzen. Entgegen
der Auffassung des FG ist § 3c Abs. 2 EStG auf die dem
Kläger im Streitjahr 2001 entstandenen Schuldzinsen nicht
anwendbar.
1. Gemäß § 3c Abs. 2 EStG
dürfen u.a. Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40
EStG zugrunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang
stehen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte
abgezogen werden, und zwar unabhängig davon, in welchem
Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen.
a) Dieses Halbabzugsverbot gilt
gemäß § 52 Abs. 8a EStG erstmals für die
Aufwendungen, die mit Erträgen in wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen, auf die § 3 Nr. 40 EStG erstmals
anzuwenden ist. § 3 Nr. 40 EStG ist nach § 52 Abs. 4a Nr.
1 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung
(heute § 52 Abs. 4b EStG) erstmals anzuwenden für
Gewinnausschüttungen, auf die bei der ausschüttenden
Körperschaft der durch Art. 3 des Gesetzes zur Senkung der
Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung
(StSenkG 2001/2002) vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433) aufgehobene
Vierte Teil des Körperschaftsteuergesetzes
(Anrechnungsverfahren) nicht mehr anzuwenden ist. Die Vorschriften
des früheren Anrechnungsverfahrens sind gemäß
§ 34 Abs. 10a Satz 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes
i.d.F. des StSenkG 2001/2002 - KStG 2001 - (heute § 34 Abs. 12
Satz 1 Nr. 1 KStG) letztmals für offene
Gewinnausschüttungen anzuwenden, die in dem ersten
Wirtschaftsjahr erfolgen, für das das KStG 2001 erstmals
anzuwenden ist; dies ist das Jahr 2001 (§ 34 Abs. 1 KStG
2001).
b) Nach diesen Anwendungsregelungen gilt das
Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 EStG
erstmals für offene Ausschüttungen, die dem
Gesellschafter im Jahr 2002 zugeflossen sind. Dementsprechend
besteht ein die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG
eröffnender wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. von § 52
Abs. 8a EStG mit solchen Gewinnausschüttungen auch erst
für Ausgaben, die der Gesellschafter im Jahr 2002 geleistet
hat. Für Ausgaben, die schon im Jahr 2001 geleistet worden
sind, besteht ein solcher Zusammenhang dagegen grundsätzlich
nicht (zu den Ausnahmen s. unter II. 1. c der Gründe dieses
Urteils).
aa) Dafür spricht zunächst der
Wortlaut des § 52 Abs. 8a EStG. Dort ist lediglich von einem
„wirtschaftlichen Zusammenhang“ zwischen
Aufwendungen und Erträgen die Rede. In dieser Vorschrift fehlt
hingegen die in § 3c Abs. 2 EStG enthaltene ergänzende
Regelung „... unabhängig davon, in welchem
Veranlagungszeitraum die ... Einnahmen anfallen ...“.
Diese unterschiedlichen Gesetzesformulierungen beruhen auf einem
sachlichen Grund: Die Fassung des § 3c Abs. 2 EStG soll die
entsprechende Anwendung der zu Abs. 1 dieser Vorschrift ergangenen
Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
25.10.1966 I R 26/64, BFHE 87, 243, BStBl III 1967, 92 = SIS 67 00 51; vom 29.5.1996 I R 15/94, BFHE 180, 410, BStBl II 1997, 57 = SIS 96 15 45; I R 167/94, BFHE 180, 415, BStBl II 1997, 60 = SIS 96 15 46; I R 21/95, BFHE 180, 422, BStBl II 1997, 63 = SIS 96 15 44) und
die dadurch eröffneten periodenübergreifenden
Gestaltungsmöglichkeiten im Geltungsbereich des
Halbeinkünfteverfahrens verhindern (v. Beckerath in Kirchhof,
EStG, 6. Aufl., § 3c Rz 38; Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl.,
§ 3c Rz 37; zum „Ballooning“ vgl.
Rödder, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform
2001, S. 247 f.; Kraft, Festschrift für Helmut Debatin, S.
235). Deshalb ist in § 3c Abs. 2 EStG ausdrücklich
angeordnet, dass der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen
Aufwendungen und Einnahmen periodenübergreifend zu verstehen
ist. Im Anwendungsbereich des § 52 Abs. 8a EStG hat die
Eindämmung von Steuergestaltungen hingegen keine Bedeutung, so
dass das gegenüber § 3c Abs. 2 EStG offener gefasste
Merkmal „wirtschaftlicher Zusammenhang“ nicht
überperiodisch zu verstehen ist.
bb) Dass grundsätzlich nur für im
Jahr 2002, nicht aber für im Jahr 2001 geleistete Aufwendungen
ein wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. von § 52 Abs. 8a EStG
mit den erstmals im Jahr 2002 vom Halbeinkünfteverfahren
erfassten offenen Ausschüttungen besteht, folgt vor allem aus
dem Zweck der Vorschrift und ihrer systematischen Funktion als
Anwendungsregelung.
Die Vorschrift des § 52 EStG enthält
intertemporales Steuerrecht, das grundsätzlich keine
Regelungen des sachlichen Rechts beinhaltet. Es besagt nichts
darüber, wie die Besteuerung inhaltlich ausgestaltet sein
soll, sondern beschränkt sich darauf, Rechtsanwendungsregeln
bereitzustellen, welche die Kollision verschiedener Normen nach
zeitlichen Gesichtspunkten auflösen (v. Reden in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 52
Rz 3). Die Regelung des § 52 Abs. 8a EStG dient mithin dem
Zweck, für den Abzug von Aufwendungen eine trennscharfe und
praktisch handhabbare Grenzlinie zwischen dem alten
Anrechnungsverfahren und dem neuen Halbeinkünfteverfahren zu
ziehen. Dieser Zweck gebietet es, Aufwendungen eindeutig entweder
dem alten oder dem neuen Recht zuzuordnen. Dies wäre aber
nicht zu erreichen, wenn das Merkmal des „wirtschaftlichen
Zusammenhangs“ i.S. von § 52 Abs. 8a EStG ebenso wie
in § 3c Abs. 2 EStG periodenübergreifend zu verstehen
wäre; denn dann würde die von § 52 Abs. 8a EStG
gezogene Grenzlinie so verwischt, dass eine rechtssichere Zuordnung
von Aufwendungen zum Anrechnungs- oder zum
Halbeinkünfteverfahren nicht mehr möglich wäre:
Bezahlt ein Steuerpflichtiger im Jahr 2001 Zinsen zur Finanzierung
seiner Beteiligung, bekommt er daraus aber keine Ausschüttung,
so sind die Zinsen als vergebliche Werbungskosten bei der
Ermittlung seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen des
Jahres 2001 zu berücksichtigen. Bezieht der Steuerpflichtige
dann im folgenden Jahr 2002 eine offene Ausschüttung,
könnte es zwar vertretbar erscheinen, die Aufwendungen nunmehr
nicht mehr nur als vergebliche Werbungskosten des Jahres 2001,
sondern ebenso als vorab entstandene Werbungskosten im
wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen des Jahres 2002
(mit der Folge der Geltung des § 3c Abs. 2 EStG) zu beurteilen
(so neben der Vorentscheidung auch Urteil des FG Düsseldorf
vom 10.3.2003 13 K 5410/02 E, EFG 2003, 1070 = SIS 03 31 67 m. Anm.
Neu; ferner Haep/Nacke in Herrmann/ Heuer/Raupach, Steuerreform
1999/2000/2002, § 3c EStG Rz 2; Schmidt/Heinicke, a.a.O.,
§ 3c Rz 26, 37; Grammel in Erle/ Sauter, KStG, § 3c EStG
Rz 117; v. Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 3c Rz 3;
Verfügungen der Oberfinanzdirektion - OFD - Frankfurt a.M. vom
2.5.2003, DB 2003, 1412 = SIS 03 29 44; vom 19.4.2004, DB 2004,
1177; Verfügung der OFD Koblenz vom 19.3.2004, DB 2004, 733 =
SIS 04 16 86). Mit derselben Berechtigung ließe sich aber,
wenn dem Steuerpflichtigen bereits im Jahr 2000 eine offene
Gewinnausschüttung aus der Beteiligung zugeflossen war,
argumentieren, die Aufwendungen des ertraglosen Jahres 2001
stünden als nachträgliche Werbungskosten in
wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Gewinnausschüttung des
Vorjahres. Unlösbar bliebe die Frage, mit welchen
Erträgen die Aufwendungen des Jahres 2001 in
„wirtschaftlichem Zusammenhang“ stehen,
insbesondere auch dann, wenn ein Steuerpflichtiger weder 2001, noch
2002 Gewinnausschüttungen bezogen hat und die Beteiligung Ende
2002 (außerhalb des Anwendungsbereichs von §§ 17,
23 EStG) veräußert. Eine eindeutige Zuordnung der
Aufwendungen zu einem bestimmten Jahr wäre in diesem Fall
nicht möglich.
Vor diesem Hintergrund gebietet es der Zweck
des § 52 Abs. 8a EStG, der darauf gerichtet ist, eine
rechtssichere Abgrenzung zwischen Anrechnungs- und
Halbeinkünfteverfahren zu gewährleisten, das Merkmal des
„wirtschaftlichen Zusammenhangs“ in dieser
Vorschrift einschränkend auszulegen. Ein die Anwendung des
§ 3c Abs. 2 EStG eröffnender wirtschaftlicher
Zusammenhang von Aufwendungen mit vom Halbeinkünfteverfahren
erstmals (2002) erfassten offenen Gewinnausschüttungen ist
danach grundsätzlich erst dann gegeben, wenn der
Gesellschafter die Aufwendungen im Jahr 2002 geleistet hat (ebenso
Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und
EStG, Lfg.10.2003, § 3c EStG n.F. Rz 39; Schmitt in Ernst
& Young, KStG, § 3c EStG Rz 89; Hötzel, in:
Schaumburg/Rödder, a.a.O., S. 255; Strunk in Korn, § 3c
EStG Rz 2; Seifried, DStR 2001, 240, 241; Prinz/Ommerborn, FR 2001,
977, 980; Prinz/Otto, DStR 2003, 2099, 2101 f.;
Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2005, 1517, 1530 f.;
Herlinghaus, EFG 2005, 1596; Otto, Die Besteuerung von
gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern
nach dem Halbeinkünfteverfahren, S. 448, 450).
c) Allerdings gilt das Halbabzugsverbot des
§ 3c Abs. 2 EStG gemäß § 52 Abs. 8a EStG dann
für bereits im Jahr 2001 geleistete Aufwendungen, wenn ein
wirtschaftlicher Zusammenhang der Aufwendungen mit vom
früheren Anrechnungsverfahren erfassten - auch potenziellen -
Einnahmen von vornherein ausgeschlossen ist.
aa) So ist gemäß § 52 Abs. 4a
(heute Abs. 4b Satz 1) Nr. 1 EStG i.V.m. § 34 Abs. 10a Satz 1
Nr. 2 KStG 2001 (heute § 34 Abs. 12 KStG) für andere
Ausschüttungen (insbesondere verdeckte
Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen) und
sonstige Leistungen das Halbeinkünfteverfahren schon im Jahr
2001 anzuwenden. Danach gilt jedenfalls für Aufwendungen des
Jahres 2001, die allein mit anderen Ausschüttungen und
sonstigen Leistungen dieses Jahres zusammenhängen, das
Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG.
bb) Das Halbabzugsverbot des § 3c Abs. 2
EStG gilt gemäß § 52 Abs. 4a (heute § 52 Abs.
4b), Abs. 8a EStG auch dann für im Jahr 2001 geleistete
Aufwendungen, wenn der Steuerpflichtige sich an einer im Jahr 2001
neu gegründeten Gesellschaft beteiligt hat. Denn dann ist
für die Ausschüttungen dieser Gesellschaft
gemäß § 34 Abs. 10a KStG 2001 (heute § 34 Abs.
12 KStG) die Anwendung des früheren Anrechnungsverfahrens
ausgeschlossen (Prinz/Otto, DStR 2003, 2099, 2102; Dötsch in
Dötsch/Jost/ Pung/Witt, a.a.O., Lfg.10.2003, § 3c EStG Rz
39).
2. Nach diesen Maßstäben ist im
Streitfall, in dem keiner der vorstehend genannten
Ausnahmefälle gegeben ist, das Halbabzugsverbot des § 3c
Abs. 2 EStG auf die vom Kläger im Jahr 2001 geleisteten
Schuldzinsen nicht anwendbar.