Gemischt genutzter Pkw, nachträglicher Vorsteuerabzug, Eigenverbrauch: Hat ein Unternehmer im Jahr 2000 die ihm bei der Anschaffung eines sowohl betrieblich als auch privat genutzten PKW in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gemäß der damals geltenden Vorschrift des § 15 Abs. 1 b UStG (nur) in Höhe von 50 v.H. als Vorsteuer abgezogen und macht er im Jahr 2003 einen Teil der ursprünglich nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge gemäß § 15 a UStG nachträglich geltend, muss er die in diesem Jahr erfolgte private Verwendung des PKW versteuern. - Urt.; BFH 19.4.2007, V R 48/05; SIS 07 24 94
I. Streitig ist die Besteuerung der
privaten Verwendung eines im August 2000 erworbenen sowohl
unternehmerisch als auch privat genutzten PKW im Streitjahr
2003.
Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger), ein Steuerberater, erwarb im August 2000 einen PKW
sowohl zur beruflichen wie auch privaten Nutzung. Den
Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten und den laufenden
Betriebskosten des PKW nahm der Kläger für die Jahre 2000
bis 2002 gemäß § 15 Abs. 1b des
Umsatzsteuergesetzes 1999 in der bis zum 31.12.2003 gültigen
Fassung (UStG) nur zu 50 v.H. vor.
In seiner Umsatzsteuererklärung
für das Streitjahr 2003 machte der Kläger aus den
laufenden Betriebskosten für den PKW den vollen Vorsteuerabzug
geltend und nahm in Bezug auf die Anschaffungskosten eine
Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG zu seinen
Gunsten vor, indem er einen nachträglichen Vorsteuerabzug
geltend machte. Zugleich unterwarf er die private Verwendung des
PKW gemäß § 3 Abs. 9a UStG (in Höhe von 413,92
EUR) der Besteuerung.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) folgte der Erklärung.
Mit Schreiben vom 15.10.2004 beantragte der
Kläger, die Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 u.a. dahin
gehend zu ändern, dass die Besteuerung seiner privaten
Verwendung des PKW (Umsatzsteuer in Höhe von 413,92 EUR)
rückgängig gemacht wird.
Zur Begründung führte er aus,
gemäß der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 5
UStG in der seit dem 1.1.2004 geltenden Fassung seien u.a. § 3
Abs. 9a Satz 2 und § 15 Abs. 1b UStG in der jeweils bis
31.12.2003 geltenden Fassung auf Fahrzeuge anzuwenden, die nach dem
31.3.1999 und vor dem 1.1.2004 angeschafft worden seien und
für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG
vorgenommen worden sei.
Da diese Vorschrift exakt auf seinen im
Jahr 2000 angeschafften PKW zutreffe, sei durch das Gesetz
eindeutig geregelt, dass gemäß § 3 Abs. 9a Satz 2
UStG keine unentgeltliche Wertabgabe zu besteuern sei,
unabhängig davon, ob im Jahr 2003 bzw. in den Folgejahren eine
Vorsteuerberichtigung über § 15a Abs. 1 UStG vorgenommen
wurde oder nicht. § 27 Abs. 5 UStG sehe diese
Einschränkung weder für die Berichtigungsjahre noch
für die Folgejahre vor. Maßgeblich sei nur der
Anschaffungszeitraum und der gekürzte 50%ige Vorsteuerabzug im
Jahr der Anschaffung, nicht aber eine eventuelle
Vorsteuerberichtigung.
Das FA lehnte den Änderungsantrag
insoweit ab (Bescheid vom 29.10.2004 sowie Einspruchsentscheidung
vom 8.12.2004) und setzte die Umsatzsteuer für 2003 durch
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2003 vom 6.12.2004
dementsprechend unter Ansatz der Besteuerung der privaten
Verwendung des PKW auf 17.601,13 EUR fest.
Gegen den
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2003 vom 6.12.2004
erhob der Kläger mit Zustimmung des FA Sprungklage. Die Klage
hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte die Umsatzsteuer
für 2003 auf 17.187,21 EUR fest und führte zur
Begründung u.a. aus:
Die Nichtsteuerbarkeit der zwischen den
Beteiligten streitigen privaten Verwendung des betrieblichen PKW
ergebe sich für das Streitjahr 2003 unmittelbar aus dem Gesetz
selbst, nämlich aus § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG. Nach dieser
Vorschrift sei die private Verwendung eines dem Unternehmen
zugeordneten Fahrzeugs, bei dessen Anschaffung
Vorsteuerbeträge nur zu 50 v.H. abziehbar gewesen seien, nicht
zu versteuern. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift werde nicht
dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger mit Billigung der
Finanzverwaltung (Hinweis auf Tz. 6.2 des Schreibens des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 27.8.2004 IV B 7 - S
7300 - 70/04, BStBl I 2004, 864, UR 2004, 551 = SIS 04 35 01) eine
Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungskosten seines
betrieblichen PKW durchgeführt habe. Denn die Regelung des
§ 3 Abs. 9a Satz 2 UStG (sowie die des § 15 Abs. 1b UStG)
sei erst durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2000
(vom 15.12.2003, BGBl I 2003, 2645) mit Wirkung zum 1.1.2004
aufgehoben worden (Hinweis auf Art. 25 Abs. 4 StÄndG
2003).
Dennoch habe der Senat erwogen, § 3
Abs. 9a Satz 2 UStG einengend nicht für solche Fahrzeuge
anzuwenden, für die - wie vorliegend - mit dem Wegfall der
gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung ab dem 1.1.2003 eine
Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungskosten nach
§ 15a Abs. 1 UStG vorgenommen worden sei. Gegen eine solche
Auslegung spreche jedoch neben dem eindeutigen Wortlaut des
Gesetzes und dem zu beachtenden Grundsatz der
Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, dass der
Gesetzgeber auch für die Besteuerungszeiträume ab 2004
mit der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 5 UStG die
weitere Anwendung des § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG auf Fahrzeuge,
für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG
vorgenommen worden sei, nicht vom Verzicht auf eine
Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG abhängig
gemacht habe.
Das FG ließ die Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
Das Urteil ist u.a. in EFG 2005, 1570 = SIS 05 39 09 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts und macht dazu im Wesentlichen
geltend: Nach der Systematik des nationalen und des
europäischen Umsatzsteuerrechts müsse der Kläger
nach der Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß §
15a UStG nun auch den Eigenverbrauch der Umsatzbesteuerung
unterwerfen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft seine bisherigen
Ausführungen und macht darüber hinaus u.a. geltend, die
vom FG gefundene Lösung stehe zwar „nicht exakt“
im Einklang mit der grundsätzlichen Systematik des
Umsatzsteuersystems, wonach bei Wirtschaftsgütern, welche
unternehmerisch genutzt würden, ein ungekürzter
Vorsteuerabzug gegeben und folglich für die teilweise
unternehmensfremde bzw. private Nutzung eine unentgeltliche
Wertabgabe der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei. Aber dabei sei
seiner Meinung nach zu beachten, dass die vom 1.4.1999 bis
31.12.2002 gültige nationale Umsatzsteuerregelung der sog.
„Vorsteuerkappung“ gemäß § 15 Abs. 1b
UStG dieser Umsatzsteuer-Systematik ebenfalls widersprochen
habe.
Im Übrigen bleibe es im steuerlichen
Gesamtergebnis bei einer Benachteiligung deutscher Unternehmer
gegenüber anderen Unternehmern im Gemeinschaftsgebiet, die
einer solchen „Vorsteuerkappung“ nicht unterlegen
hätten. Die bis 2002 gültige Vorsteuerkappung werde
nämlich durch die vom FG getroffene Entscheidung
betragsmäßig nicht ausgeglichen, selbst dann nicht, wenn
in eventuellen Folgeverfahren für die Jahre ab 2004 eine
entsprechende Rechtsprechung erginge.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung
der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
- FGO - ).
Das FG hat zu Unrecht angenommen, die private
Verwendung des PKW im Streitjahr 2003 sei nicht steuerbar.
1. Nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG in
der bis 31.12.2003 geltenden Fassung wurde einer sonstigen Leistung
gegen Entgelt gleichgestellt die Verwendung eines dem Unternehmen
zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen
Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für
Zwecke, die außerhalb seines Unternehmens liegen.
Dies galt allerdings nach § 3 Abs. 9a
Satz 2 UStG u.a. nicht bei der Verwendung eines Fahrzeugs, bei
dessen Anschaffung Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1b
UStG nur zu 50 v.H. abziehbar waren. Diese Vorschrift greift
entgegen der Auffassung des FG und des Klägers im Streitfall
nicht ein.
a) Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a
Satz 2 UStG lagen zunächst vor. Bei Anschaffung des vom
Kläger sowohl unternehmerisch als auch privat genutzten PKW im
August 2000 war der ihm für den PKW in Rechnung gestellte
Vorsteuerbetrag gemäß § 15 Abs. 1b UStG nur zu 50
v.H. abziehbar. Entsprechend ist auch verfahren worden.
b) Der Kläger hat jedoch im Streitjahr
2003 diese Begrenzung des Vorsteuerabzugs gemäß §
15 Abs. 1b UStG teilweise rückgängig gemacht, indem er zu
seinen Gunsten eine entsprechende Vorsteuerberichtigung
gemäß § 15a UStG vorgenommen und den Vorsteuerabzug
teilweise nachgeholt hat.
aa) Hintergrund für den nachträglich
geltend gemachten Vorsteuerabzug war, dass die Ermächtigung
2000/186/EG des Rates der Europäischen Union vom 28.2.2000
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L
59/2000, 12), auf die die Einschränkung des Vorsteuerabzugs
gemäß § 15 Abs. 1b UStG in der bis 31.12.2003
geltenden Fassung gestützt worden war, zum 31.12.2002
ausgelaufen war. Deshalb konnte sich der Unternehmer für die
Zeit ab 1.1.2003 unmittelbar auf das für ihn günstigere
Recht des Art. 17 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977
zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG)
berufen (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften - EuGH - vom 29.4.2004 Rs. C-17/01, Sudholz, Slg.
2004, 4243, UR 2004, 315 = SIS 04 18 23; Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.7.2004 V R 30/00, BFHE 206, 465,
BStBl II 2004, 1025 = SIS 04 35 57; vom 30.6.2005 V R 29/00, BFH/NV
2006, 137 = SIS 06 03 42; BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 864, UR
2004, 551 = SIS 04 35 01 Rz 6.2).
bb) Ob im Streitfall die gesetzlichen
Voraussetzungen des § 15a UStG für eine
Vorsteuerberichtigung vorlagen (vgl. dazu Zugmaier, INF 2004, 222;
Meyer, EFG 2005, 1571 f.) - was das FG bejaht hat -, kann offen
bleiben, weil der Kläger diese Vorsteuerberichtigung im
Einvernehmen mit der Finanzverwaltung vorgenommen hat. Hierzu
heißt es im BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 864, UR 2004, 551
= SIS 04 35 01, unter Rz 6.2:
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„... Für nach dem 31.3.1999 und
vor dem 1.1.2003 angeschaffte Fahrzeuge kann der Unternehmer unter
Berufung auf Art. 17 der 6. EG-Richtlinie abweichend von § 15
Abs. 1b UStG ab 1.1.2003 den unbeschränkten Vorsteuerabzug
für die laufenden Kosten in Anspruch nehmen.
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Für Fahrzeuge, die zwischen dem
5.3.2000 und dem 31.12.2002 angeschafft worden sind, ist ab
1.1.2003 für die auf die Anschaffungskosten des Fahrzeuges
entfallenden Vorsteuern nur wegen des nunmehr unbeschränkt
möglichen Vorsteuerabzugs keine Vorsteuerberichtigung nach
§ 15a UStG vorzunehmen. Jedoch wird es in diesen Fällen
nicht beanstandet, wenn der Unternehmer eine Berichtigung des
Vorsteuerabzuges aus den Anschaffungskosten wegen Änderung der
für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen
Verhältnisse durchführt. Die nichtunternehmerische
Nutzung hat er dann der Besteuerung zu unterwerfen.
...“
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c) Die dementsprechend vom Kläger im
Streitjahr 2003 vorgenommene Vorsteuerberichtigung nach § 15a
UStG hat zur Folge, dass der durch § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG
angeordnete Ausschluss der Besteuerung einer privaten Verwendung
nicht gilt.
Das ergibt sich aus der gesetzlichen
Systematik des UStG und dem Sinn des § 3 Abs. 9a Satz 2
UStG.
Die Vorschrift will die nach § 3 Abs. 9a
Satz 1 Nr. 1 UStG eintretende Besteuerung ausschließen.
§ 3 Abs. 9a Satz 2 UStG steht dabei in systematischem
Zusammenhang mit § 15 Abs. 1b UStG. Diese Vorschrift geht bei
gemischt genutzten Fahrzeugen im Wege gesetzlicher Typisierung von
einer 50%igen Privatnutzung aus und schließt dafür
bereits den Vorsteuerabzug aus. Einer Korrektur dieses
Vorsteuerabzugs wegen privater Nutzung des Fahrzeugs über
§ 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG bedarf es demzufolge nicht mehr;
sie ist durch die Reduzierung des Vorsteuerabzugs um 50 v.H.
abgegolten (vgl. Probst in Hartmann/ Metzenmacher,
Umsatzsteuergesetz, § 3 Abs. 9a Rz 136).
Wird nun - wie im Streitfall - über
§ 15a UStG der bislang von § 15 Abs. 1b UStG
ausgeschlossene („gekappte“) Vorsteuerabzug
teilweise nachgeholt - und damit ein über die in § 15
Abs. 1b UStG vorgesehene Grenze von 50 v.H. hinausgehender
Vorsteuerabzug gewährt, so muss dies konsequenterweise eine
entsprechende Besteuerung der privaten Nutzung zur Folge haben
(vgl. auch Zugmaier, Inf 2004, 222, 225 f.; Meyer, EFG 2005, 1571
f.).
d) Dem vorstehenden Ergebnis steht - entgegen
der Auffassung des FG - nicht entgegen, dass der Gesetzgeber auch
für die Besteuerungszeiträume ab 2004 mit der
Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 5 UStG die weitere
Anwendung des § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG auf Fahrzeuge, für
die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b vorgenommen worden
ist, nicht vom Verzicht auf eine Vorsteuerberichtigung nach §
15a Abs. 1 UStG abhängig gemacht hat.
Denn im Falle einer Nachholung des
ursprünglich durch § 15 Abs. 1b UStG
„gekappten“ Vorsteuerabzugs im Wege der
Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG - wie im Streitfall -
ist nicht i.S. des § 27 Abs. 5 Satz 1 UStG „der
Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG vorgenommen
worden“.