Dividendenansprüche, phasengleiche Aktivierung: 1. Der Senat hält daran fest, dass ein beherrschender Gesellschafter Dividendenansprüche gegenüber der beherrschten Kapitalgesellschaft jedenfalls dann nicht schon vor Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses ("phasengleich") aktivieren kann, wenn nicht durch objektiv nachprüfbare Umstände belegt ist, dass er am maßgeblichen Bilanzstichtag unwiderruflich zur Ausschüttung eines bestimmten Betrages entschlossen war (Bestätigung des BFH-Beschlusses vom 7.8.2000 GrS 2/99, BFHE 192 S. 339, BStBl 2000 II S. 632 = SIS 00 12 43, und der Senatsurteile vom 20.12.2000 I R 50/95, BFHE 194 S. 185, BStBl 2001 II S. 409 = SIS 01 06 55, sowie vom 28.2.2001 I R 48/94, BFHE 195 S. 189, BStBl 2001 II S. 401 = SIS 01 07 66). - 2. Die Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO, der auf eine nach einer Rechtsprechungsänderung ergangene Verwaltungsanweisung gestützt wird, derzufolge die "bisherigen Grundsätze" für eine Übergangszeit weiter angewendet werden sollen, ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Begehren des Antragstellers auf der Grundlage der vor der Rechtsprechungsänderung gehandhabten Verwaltungspraxis ebenfalls abschlägig beschieden worden wäre. Es ist insoweit unerheblich, ob die damalige Verwaltungspraxis auf der Basis der von der früheren Rechtsprechung für zutreffend gehaltenen Rechtslage tragfähig war oder nicht. - Urt.; BFH 7.2.2007, I R 15/06; SIS 07 24 91
A. Streitpunkt ist, ob
die vormalige A-GmbH bereits im Streitjahr 1989 einen
Dividendenanspruch aufgrund einer das Streitjahr betreffenden
Gewinnausschüttung ihrer damaligen Tochtergesellschaft D-GmbH
- der späteren Rechtsnachfolgerin der A-GmbH und jetzigen
Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten
(Klägerin) - aktivieren durfte.
Sämtliche Geschäftsanteile der
A-GmbH wurden im März 1988 von Mitgliedern der Familie X
erworben. Diese veranlassten im Rahmen einer
Sachkapitalerhöhung im November 1989 die Einbringung der bis
dahin allein von einer ebenfalls im Besitz der Familie X
befindlichen Gesellschaft gehaltenen Anteile an der D-GmbH in das
Vermögen der A-GmbH. Bei beiden letztgenannten Gesellschaften
entsprach das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr.
Ausweislich eines in Fotokopie vorliegenden
Protokolls fassten die beiden damaligen Geschäftsführer
der A-GmbH auf einer außerordentlichen
Gesellschafterversammlung der D-GmbH am 22.12.1989 folgenden
Beschluss:
|
„Der sich zum 31.12.1989 ergebende
Bilanzgewinn wird an dem auf die Bilanzfeststellung folgenden Tag
ausgeschüttet, und zwar in der Höhe, in der die
Ausschüttung aus dem körperschaftsteuerlichen
Eigenkapitalanteil gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1
Körperschaftsteuergesetz möglich ist. Ein etwa
darüber hinausgehender Teilbetrag des Bilanzgewinns soll auf
neue Rechnung vorgetragen werden.“
|
In der ordentlichen
Gesellschafterversammlung der D-GmbH vom 26.11.1990 beschlossen die
Geschäftsführer der A-GmbH:
|
„1. Der Jahresabschluss 1989 ... wird
festgestellt.
|
|
|
|
2. In der außerordentlichen
Gesellschafterversammlung vom 22.12.1989 wurde eine
Gewinnausschüttung für das Geschäftsjahr 1989 in der
Höhe beschlossen, in der sie aus dem
körperschaftsteuerlichen Eigenkapitalanteil gemäß
§ 30 Abs. 1 Nr. 1 Körperschaftsteuergesetz möglich
ist. In Höhe des Ausschüttungsbetrages, der sich auf DM
2.651.750 beläuft, wurde der Bilanzgewinn verwendet; der
danach verbliebene, zum 31.12.1989 ausgewiesene Bilanzgewinn von DM
23,78 wird auf neue Rechnung vorgetragen.“
|
Die Gesellschafter der A-GmbH stellten
deren Jahresabschluss 1989 am 20.1.1991 fest. Er wies u.a.
Erträge aus Beteiligungen in Höhe von 4.142.360 DM aus.
In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1989 rechnete die
A-GmbH ihrem Einkommen unter Vorlage einer Steuerbescheinigung der
D-GmbH die das Streitjahr betreffende Gewinnausschüttung vom
27.10.1990 über 2.651.750 DM zzgl. anrechenbarer
Körperschaftsteuer von 1.491.609 DM zu und machte im
Übrigen Verlustvorträge aus den Jahren 1984 bis 1988 von
insgesamt 1.787.692 DM geltend.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) setzte die
Körperschaftsteuer der A-GmbH für das Streitjahr
zunächst erklärungsgemäß fest, woraus sich
eine Körperschaftsteuer von 1.327.791 DM und - unter
Berücksichtigung anrechenbarer Körperschaftsteuer und
Kapitalertragsteuer - ein Steuererstattungsbetrag von 826.755 DM
ergab.
Im Januar 1993 wurde die A-GmbH auf die
Klägerin verschmolzen. Nach einer bei dieser als
Rechtsnachfolgerin der A-GmbH durchgeführten
Betriebsprüfung änderte das FA im Januar 1996 die das
Streitjahr betreffenden Bescheide, weil der Dividendenanspruch aus
der Gewinnausschüttung der D-GmbH für 1989 nicht bereits
im Streitjahr, sondern erst im Jahr 1990 hätte aktiviert
werden dürfen. Auf dieser Grundlage setzte es die
Körperschaftsteuer der A-GmbH für 1989 bei einem zu
versteuernden Einkommen von ./. 19.012 DM auf 0 DM fest und
forderte mangels anrechenbarer Steuern die zuvor erstatteten
826.755 DM zurück. Entsprechend stellte das FA die
Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gemäß
§ 47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1984)
zum 31.12.1989 fest.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat
die Klägerin mit dem Begehren der Berücksichtigung der
Gewinnausschüttung der D-GmbH für das Streitjahr Klage
gegen die geänderten Steuerbescheide erhoben. Nachdem das FA
auch einen Antrag der Klägerin abgelehnt hat, die Steuern
gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) aus
Billigkeitsgründen abweichend festzusetzen, hat sie auch
hiergegen Klage erhoben. Das Finanzgericht (FG) Münster hat
beide Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung
verbunden und der gegen die geänderten Festsetzungs- und
Feststellungsbescheide gerichteten Klage stattgegeben. Die die
beantragte Billigkeitsmaßnahme betreffende Klage hat das FG
als unbegründet abgewiesen. Sein Urteil ist in EFG 2006, 899 =
SIS 06 19 03 abgedruckt.
Gegen dieses Urteil richten sich die
Revisionen beider Beteiligter.
Das FA beantragt (sinngemäß),
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt
(sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit
zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, und das FA unter Aufhebung
des Ablehnungsbescheids vom 20.10.2005 und der
Einspruchsentscheidung vom 27.10.2005 zu verpflichten, eine
abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO
dahingehend vorzunehmen, dass die Dividenden und Steueranrechnungsansprüche aufgrund der
Gewinnausschüttung der D-GmbH für 1989in der Bilanz der A-GmbH bereits
zum 31.12.1989 in Höhe von 4.143.360 DM aktiviert und als Beteiligungsertrag des Jahres 1989 erfasst werden.
Die Beteiligten beantragen wechselseitig
die Zurückweisung der Revision des Anderen.
B. Die Revision des FA ist begründet und
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Abweisung der gegen die
geänderten Festsetzungs- und Feststellungsbescheide des FA
gerichteten Klage. Das die Ablehnung der Billigkeitsentscheidung
betreffende Rechtsmittel der Klägerin ist gemäß
§ 126 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Zu Recht - und vom FA nicht beanstandet -
hat das FG die Klagebefugnis der Klägerin gemäß
§ 40 Abs. 2 FGO trotz des Umstandes bejaht, dass sie die
Festsetzung einer höheren Körperschaftsteuer begehrt als
sie vom FA in den angegriffenen Bescheiden angesetzt worden ist.
Die beantragte Steuerfestsetzung würde nämlich wegen der
mit der Aktivierung der Gewinnausschüttung ermöglichten
Steueranrechnung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des
Einkommensteuergesetzes - EStG 1987 - ) im Streitjahr insgesamt zu
einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis
führen, so dass die Klagebefugnis gegeben ist.
2. Keine Zulässigkeitsbedenken bestehen
auch im Hinblick darauf, dass die Klägerin die Anfechtung der
Steuerbescheide und die Klage auf Erlass einer
Billigkeitsentscheidung nebeneinander betreibt. Die Prüfung
der Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO ist formell
unabhängig von der Rechtmäßigkeitsprüfung;
eine zwingende Reihenfolge, in der die beiden - selbständigen
- Rechtsbehelfsverfahren betrieben werden müssten, besteht
nicht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.9.2000 IV R
54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178 = SIS 01 02 66; Klein/
Rüsken, AO, 9. Aufl., § 163 Rz 138).
II. In der Sache bleibt die Klage aber
insgesamt ohne Erfolg, weil das FA in der Steuerbilanz der A-GmbH
zu Recht keine Dividendenforderung gegen die D-GmbH betreffend das
Jahr 1989 aktiviert hat und weil es den Erlass der beantragten
Billigkeitsentscheidung ohne Ermessensfehler abgelehnt hat.
1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
durfte der streitige Dividendenanspruch in der Bilanz der A-GmbH
zum 31.12.1989 nicht aktiviert werden.
a) Wie es auch das FG nicht anders gesehen
hat, lag im Streitfall zum 31.12.1989 noch kein
Gewinnverwendungsbeschluss der D-GmbH vor, der zur rechtlichen
Entstehung einer Dividendenforderung der A-GmbH geführt haben
könnte.
Bei dem Beschluss der
Gesellschafterversammlung der D-GmbH vom 22.12.1989 handelt es sich
nur um die Ankündigung einer künftigen Gewinnverwendung,
nicht aber um einen den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften
entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss, der bereits einen
Rechtsanspruch der D-GmbH auf Auszahlung eines bestimmten Betrages
hätte begründen können. Dies folgt insbesondere
daraus, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Jahresabschluss
der D-GmbH für 1989, der einen ausschüttbaren
Bilanzgewinn hätte ausweisen können, noch nicht
aufgestellt und festgestellt war und auch noch nicht hätte
aufgestellt werden können, weil das Geschäftsjahr noch
nicht abgelaufen war. Der Beschluss vom 22.12.1989 kann auch nicht
als Vorabausschüttungsbeschluss im Hinblick auf den für
1989 erwarteten Gewinn verstanden werden, weil er ausdrücklich
auf eine Ausschüttung erst nach Bilanzfeststellung gerichtet
ist und außerdem keinen bestimmten, ohne Bilanzaufstellung
ermittelbaren Ausschüttungsbetrag festgelegt hat.
b) Dividendenansprüche aus einer am
Bilanzstichtag noch nicht beschlossenen Gewinnverwendung einer
Tochtergesellschaft kann eine Kapitalgesellschaft aber nach dem
Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7.8.2000 GrS 2/99
(BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 = SIS 00 12 43)
grundsätzlich nicht aktivieren (ebenso nachfolgend
Senatsurteile vom 20.12.2000 I R 50/95, BFHE 194, 185, BStBl II
2001, 409 = SIS 01 06 55; vom 28.2.2001 I R 48/94, BFHE 195, 189,
BStBl II 2001, 401 = SIS 01 07 66; zur phasengleichen Bilanzierung
bei Betriebsaufspaltung: BFH-Urteile vom 31.10.2000 VIII R 19/94,
BFH/NV 2001, 447 = SIS 01 05 23, und VIII R 17/94, HFR 2001,
582).
c) Entgegen der Sicht des FG liegen im
Streitfall nicht die Voraussetzungen vor, die nach dem Beschluss
des Großen Senats des BFH in äußerst seltenen
Fällen abweichend von dem vorstehenden Grundsatz ausnahmsweise
zu einer vorzeitigen („phasengleichen“)
Aktivierung des Dividendenanspruchs führen können.
aa) Eine Dividendenforderung kann danach am
Bilanzstichtag zum einen nur insoweit als eigenständiges
Wirtschaftsgut entstanden sein, als zum Bilanzstichtag ein Gewinn
der beherrschten Gesellschaft auszuweisen und der mindestens
ausschüttungsfähige Gewinn bekannt ist. Zum anderen muss
anhand objektiver Gesichtspunkte nachgewiesen sein, dass die
Gesellschafter jener Gesellschaft am Bilanzstichtag endgültig
entschlossen waren, eine bestimmte Gewinnverwendung künftig zu
beschließen. Überdies muss sich die
Ausschüttungsabsicht des beherrschenden Gesellschafters auf
einen genau festgelegten Betrag beziehen, wofür es nicht
ausreicht, dass die Höhe des auszuschüttenden Betrags nur
ungefähr feststeht und seine exakte Bezifferung von erst in
der Zukunft erkennbaren Umständen abhängig ist (dazu
Senatsurteil in BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409 = SIS 01 06 55).
Die Ausnahmevoraussetzungen müssen anhand objektiver,
nachprüfbarer und nach außen in Erscheinung tretender
Kriterien festgestellt werden können, die weder unterstellt
noch vermutet werden dürfen (BFH-Beschluss in BFHE 192, 339,
BStBl II 2000, 632 = SIS 00 12 43 unter C.II.3. der
Entscheidungsgründe). Bei der hiernach gebotenen Prüfung
ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch ein
beherrschender Gesellschafter oder ein Alleingesellschafter seine
am Bilanzstichtag bestehenden Absichten später ändern
kann (BFH-Beschluss in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 = SIS 00 12 43 unter C.II.4. der Entscheidungsgründe; Senatsurteil in
BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409 = SIS 01 06 55).
Schließlich kann der erforderliche feste
Ausschüttungswille nicht schon daraus geschlossen werden, dass
die phasengleiche Aktivierung einer Dividendenforderung es der
Muttergesellschaft ermöglichen würde, einen vom Verfall
bedrohten Verlustvortrag zu nutzen (Beschluss in BFHE 192, 339,
BStBl II 2000, 632 = SIS 00 12 43 unter C.II.9. der
Entscheidungsgründe; Senatsurteil in BFHE 194, 185, BStBl II
2001, 409 = SIS 01 06 55).
bb) Vor diesem Hintergrund kann die
Klägerin mit ihrem Begehren, die Dividendenforderung
gegenüber der D-GmbH in der Steuerbilanz auf den 31.12.1989 zu
aktivieren, im Ergebnis keinen Erfolg haben.
aaa) Allerdings hat das FG ohne erkennbaren
Rechtsfehler - und somit gemäß § 118 Abs. 2 FGO
für den Senat bindend - aufgrund des am 22.12.1989 gefassten
Gesellschafterbeschlusses festgestellt, dass die
Geschäftsführer der A-GmbH auch noch am 31.12.1989 den
festen Willen hatten, nach der noch vorzunehmenden
Bilanzfeststellung den voraussichtlichen Gewinn der D-GmbH zur
Ausschüttung zu bringen, soweit dies aus dem
körperschaftsteuerrechtlichen Eigenkapitalanteil
gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1984 möglich sein
würde.
bbb) Anders als das FG in bewusster Abkehr von
der BFH-Rechtsprechung meint, kann aber aus dem zum 31.12.1989
vorhandenen Ausschüttungswillen der Alleingesellschafterin
nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass dieser Wille
auch noch zu dem am Bilanzstichtag noch ungewissen Zeitpunkt der
Bilanzfeststellung vorhanden sein würde. Für die
Feststellung des endgültigen Ausschüttungswillens muss
vielmehr anhand objektiver Kriterien sicher darauf geschlossen
werden können, dass der Gesellschafter seinen Willen nicht
nachträglich wieder ändert (BFH-Beschluss in BFHE 192,
339, BStBl II 2000, 632 = SIS 00 12 43 unter C.II.4. der
Entscheidungsgründe; Senatsurteil in BFHE 194, 185, BStBl II
2001, 409 = SIS 01 06 55).
An diesem Erfordernis hält der Senat
fest. Soweit das FG dem entgegensetzt, auch eine bereits formell
beschlossene Gewinnausschüttung könne bis zum Vollzug der
Ausschüttung durch Gesellschafterbeschluss jederzeit wieder
rückgängig gemacht werden, wird dieser Vergleich den
unterschiedlichen Fragestellungen nicht gerecht. Bei Fassung eines
ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschlusses ist der
Dividendenanspruch zivilrechtlich entstanden und deshalb bei der
Muttergesellschaft als bestehende Forderung zu aktivieren, auch
wenn er theoretisch künftig wieder entfallen könnte. Bei
der Problematik einer phasengleichen Aktivierung rechtlich noch
nicht bestehender Dividendenansprüche geht es
demgegenüber um die hiervon zu unterscheidende Frage, ab
welchem Zeitpunkt sich die Aussicht auf eine künftige
Gewinnausschüttung so weit von dem Stammrecht der
Mitgliedschaft losgelöst hat, dass von einer wirtschaftlichen
Verselbständigung (Realisierung) ausgegangen werden kann (vgl.
BFH-Beschluss in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 = SIS 00 12 43
unter C.II.3. der Entscheidungsgründe). Aus demselben Grund
ist die Rechtsprechung zur Aktivierung von Zinsforderungen im
Zusammenhang mit Genussrechten (Senatsurteil vom 18.12.2002 I R
11/02, BFHE 201, 228, BStBl II 2003, 400 = SIS 03 18 29), auf die
sich das FG berufen hat, im Streitfall nicht von Bedeutung.
ccc) Im Streitfall fehlt es an einem
hinreichenden objektiven Anhalt für die Endgültigkeit des
am 31.12.1989 bestehenden Ausschüttungswillens der D-GmbH.
Einzig der Umstand, dass nach der Annahme des FG die bei der A-GmbH
vorhandenen Verlustvorträge aus den Jahren 1984 bis 1988 wegen
der Bestimmung des § 8 Abs. 4 KStG 1984 zwar noch im
Streitjahr, nicht aber mehr in der Folgezeit hätten
berücksichtigt werden können, könnte dafür ins
Feld geführt werden. Ein solcher drohender Verfall eines
Verlustvortrags allein reicht aber nach dem oben (unter B.II.1.c
aa) Gesagten nicht aus, um auf die Endgültigkeit des
Ausschüttungswillens schließen zu können.
Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus dem
Umstand, dass nach dem Vorbringen der Klägerin in der
Revisionserwiderung für die A-GmbH als vor dem 1.1.1986
entstandener Gesellschaft nicht die erst ab diesem Zeitpunkt
geltende Bestimmung des § 29 des Gesetzes betreffend die
Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) in der Fassung
des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) vom 19.12.1985 (BGBl I
1985, 2355), sondern die durch Art. 11 Abs. 2 BiRiLiG
eingeführte Übergangsbestimmung des Art. 12 § 7 des
Gesetzes zur Änderung des GmbHG und anderer handelsrechtlicher
Vorschriften vom 4.7.1980 Anwendung findet. Diese belässt es
für die am 1.1.1986 bereits eingetragenen Gesellschaften bei
dem zuvor in § 29 GmbHG a.F. statuierten
Vollausschüttungsprinzip (vgl. im Einzelnen Hueck/ Fastrich in
Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 29 Rz 97 ff.). Denn auch
unter Geltung des Vollausschüttungsprinzips entsteht das
Dividendenrecht des Gesellschafters erst aufgrund eines
Gewinnausschüttungsbeschlusses (vgl. Reichsgericht - RG -,
Urteile vom 17.11.1915 II 361/15, RGZ 87, 383, 386; vom 16.4.1920
II 396/19, RGZ 98, 318, 320) und kann die Gesellschafterversammlung
jedenfalls durch einstimmigen Beschluss anstatt einer
Ausschüttung auch beschließen, eine Gewinnrücklage
zu bilden oder den Gewinn vorzutragen (vgl. Bayerisches Oberstes
Landesgericht - BayObLG -, Beschluss vom 17.9.1987 3 Z 122/87,
BayObLGZ 1987, 314; Hueck/Fastrich, a.a.O., § 29 Rz 106).
Für die Beurteilung der Realisation des Dividendenanspruchs
ist es demnach nicht von wesentlicher Bedeutung, ob die
Tochtergesellschaft dem Vollausschüttungsgebot unterliegt oder
ob § 29 GmbHG n.F. anwendbar ist.
Ebenso wenig ergibt sich Abweichendes aus den
die phasengleiche Bilanzierung bei der Betriebsaufspaltung
betreffenden Urteilen des VIII. Senats des BFH in BFH/NV 2001, 447
= SIS 01 05 23 und in HFR 2001, 582. Soweit es dort heißt,
eine phasengleiche Aktivierung sei ausnahmsweise (u.a.) dann
möglich, wenn bereits eine Verpflichtung zu einer bestimmten
Gewinnausschüttung „z.B. infolge eines
Ausschüttungsgebots nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag,
eines Vorabausschüttungsbeschlusses, einer
Ausschüttungsvereinbarung etc.“ bestehe, sind damit
ersichtlich nur die Fälle gemeint, in denen sich aus Vertrag,
Gesetz usw. unmittelbar und für die Gesellschafter nicht mehr
abänderbar eine Ausschüttungspflicht in bestimmter
Höhe ergibt. Denn im Urteil in HFR 2001, 582 hat der VIII.
Senat die phasengleiche Aktivierung trotz eines
gesellschaftsvertraglich vereinbarten Vollausschüttungsgebots
abgelehnt, weil dieses noch unter dem Vorbehalt gestanden habe,
dass die Gesellschafter nichts anderes beschließen.
ddd) Unabhängig von der Frage der
Endgültigkeit des Ausschüttungswillens kommt auf der
Grundlage der Feststellungen des FG eine phasengleiche Aktivierung
im Streitfall auch deshalb nicht in Betracht, weil diesen nicht
entnommen werden kann, dass sich der im Beschluss vom 22.12.1989
dokumentierte Ausschüttungswille auf einen bezifferten
Ausschüttungsbetrag bezogen hat (vgl. Senatsurteil in BFHE
194, 185, BStBl II 2001, 409 = SIS 01 06 55 unter II.3.a der
Entscheidungsgründe). Der Senat hält auch an diesem, vom
FG in Zweifel gezogenen Erfordernis für eine phasengleiche
Aktivierung fest.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen des
FG hätte zwar zum 31.12.1989 anhand der zeitnah geführten
Buchhaltung der D-GmbH der für die Ausschüttung zur
Verfügung stehende Betrag bereits weitgehend genau ermittelt
werden können. Dass die Geschäftsführer der A-GmbH,
auf deren Willen in diesem Zusammenhang abzustellen ist, sich der
konkreten Höhe dieses Betrages zum Bilanzstichtag bewusst
waren, hat das FG aber nicht feststellen können. Darüber
hinaus sollte nach dem Inhalt des Gesellschafterbeschlusses vom
22.12.1989 der insgesamt zur Ausschüttung zur Verfügung
stehende Betrag nur insoweit ausgeschüttet werden,
„als eine Ausschüttung aus dem
körperschaftsteuerlichen Eigenkapital nach § 30 Abs. 1
Nr. 1 KStG möglich“ sei. Auch der konkreten
Höhe des Eigenkapitals der D-GmbH nach § 30 Abs. 1 Nr. 1
KStG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung hätten sich
die Geschäftsführer der A-GmbH demnach am Bilanzstichtag
bewusst sein müssen, um auf einen hinreichend konkretisierten
Ausschüttungswillen schließen zu können. Für
einen solchen Schluss fehlt es ebenfalls an einer Grundlage in den
tatrichterlichen Feststellungen.
2. Die auf eine Änderung der
Steuerfestsetzung durch Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO
gerichtete Klage hat das FG zu Recht als unbegründet
angesehen. Das FA hat den Erlass einer Billigkeitsentscheidung ohne
Ermessensfehler abgelehnt.
a) Allerdings sieht das Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 1.11.2000 (BStBl I 2000,
1510 = SIS 00 13 66), mit welchem die Finanzverwaltung auf den
Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 192, 339, BStBl
II 2000, 632 = SIS 00 12 43 zur phasengleichen Aktivierung von
Dividendenansprüchen reagiert hat, die weitere Anwendung der
„bisherigen Grundsätze zur phasengleichen Aktivierung
von Dividendenansprüchen“ für die Zeitdauer der
Anwendbarkeit des körperschaftsteuerrechtlichen
Anrechnungsverfahrens vor. Wäre nach diesen
„bisherigen Grundsätzen“ im Streitfall die
Aktivierung einer Dividendenforderung gegen die D-GmbH möglich
gewesen, würde eine abweichende Besteuerung durch
Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO in Betracht zu ziehen
sein (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.6.1984
GrS 4/82, BFHE 141, 405, 417, BStBl II 1984, 751, 757 = SIS 84 21 08; BFH-Urteile vom 26.2.1991 IX R 95/88, BFHE 163, 562, BStBl II
1991, 572 = SIS 91 12 10; vom 7.11.1996 IV R 69/95, BFHE 182, 56,
BStBl II 1997, 245 = SIS 97 09 12; BFH-Beschluss vom 1.10.2003 X B
75/02, BFH/NV 2004, 44 = SIS 03 52 69).
b) Nach der bis zum Beschluss des Großen
Senats in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 = SIS 00 12 43
geltenden Rechtsprechung und der Praxis der Finanzverwaltung
wäre die Dividendenforderung in der Steuerbilanz der A-GmbH
jedoch ebenfalls nicht als aktivierungsfähig angesehen worden,
weil die A-GmbH die Anteile an der D-GmbH erst im November 1989
erworben hat, die Beteiligung folglich nicht das gesamte
Wirtschaftsjahr 1989 über bestanden hat. Eine solche
Mindestbesitzzeit war nach der bis zum Vorlagebeschluss vom
16.12.1998 I R 50/95 (BFHE 187, 305, BStBl II 1999, 551 = SIS 99 07 18) vom Senat vertretenen Auffassung (Senatsurteile vom 21.5.1986 I
R 190/81, BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815 = SIS 86 18 55, und I R
199/84, BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794 = SIS 86 18 26;
Senatsbeschluss vom 11.4.1990 I R 80/89, BFH/NV 1991, 440)
zwingende Voraussetzung der phasengleichen Aktivierung. Hierauf
weist ausdrücklich auch der Vorlagebeschluss des Senats in
BFHE 187, 305, BStBl II 1999, 551 = SIS 99 07 18 hin (unter II.1.
und IV.1. der Beschlussgründe). Da die Finanzverwaltung
demnach den von der Klägerin nicht widerlegten Feststellungen
des FG in der Praxis gefolgt ist (Hinweis auf Verfügung der
Oberfinanzdirektion - OFD - Hannover vom 28.9.1999 KSt-Kartei ND
§ 8 KStG Karte A 24.1), gehörte das Erfordernis der
einjährigen Mindestbesitzzeit zu den „bisherigen
Grundsätzen“ für die Behandlung der
phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen. Hieran
würde es nichts ändern, wenn es sich - wie die
Klägerin meint - bei der Statuierung der Mindestbesitzzeit im
Senatsurteil in BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794 = SIS 86 18 26 um
ein obiter dictum handelte und wenn in dem durch das Senatsurteil
in BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815 = SIS 86 18 55 entschiedenen
Fall eine im Streitfall nicht mehr geltende Fassung des § 9
Abs. 1 KStG anwendbar gewesen wäre.
Schließlich ist es für die weitere
Anwendung der „bisherigen Grundsätze“ nach
Maßgabe des BMF-Schreibens vom 1.11.2000 unerheblich, dass
der Senat das Erfordernis der einjährigen Mindestbesitzzeit im
Vorlagebeschluss in BFHE 187, 305, BStBl II 1999, 551 = SIS 99 07 18 (unter IV.1. der Beschlussgründe) als nicht hinreichend
tragfähig erachtet und dessen Aufgabe angekündigt hat,
falls der Große Senat des BFH in der Grundsatzfrage im Sinne
einer Beibehaltung der phasengleichen Aktivierung von
Dividendenansprüchen entscheiden würde. Da nicht
ersichtlich ist, dass die Praxis der Finanzverwaltung sich vor der
Entscheidung des Großen Senats des BFH der geänderten
Sichtweise des I. Senats angeschlossen hat - die erwähnte
Verfügung der OFD Hannover vom 28.9.1999 belegt vielmehr das
Gegenteil -, kann die Auffassungsänderung keinen Eingang in
die im BMF-Schreiben vom 1.11.2000 in Bezug genommenen
„bisherigen Grundsätze“ gefunden haben.
Weder Vertrauensschutzgesichtspunkte noch der Aspekt der Gleichheit
der Besteuerung gebieten es aber, der Klägerin eine
phasengleiche Aktivierung des Dividendenanspruchs zu
ermöglichen, obwohl die Voraussetzungen hierfür nach der
durch den Großen Senat des BFH geänderten Rechtsprechung
nicht vorliegen und die Klägerin solches auch aufgrund der vor
der Entscheidung des Großen Senats des BFH praktizierten
Handhabung der Verwaltung nicht hätte erreichen
können.