Ausgleichsleistungsgesetz, Flächenerwerb, GrESt: Der Flächenerwerb im Rahmen des Flächenerwerbsprogramms nach § 3 AusglLeistG durch einen Käufer, dessen Rechtsvorgänger Vermögen durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist, ist auch dann nicht grunderwerbsteuerfrei, wenn der Erwerb vor Inkrafttreten des VermRErgG und der dadurch bewirkten Neufassung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG stattgefunden hat. - Urt.; BFH 15.3.2007, II R 80/05; SIS 07 20 81
I. Aufgrund notariell beurkundeten
Kaufvertrages vom 16.12.1996 erwarb der Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) als Wiedereinrichter nach dem
Flächenerwerbsprogramm der §§ 3 ff. des
Ausgleichsleistungsgesetzes (AusglLeistG) vom 27.9.1994 (BGBl I,
2624, 2628) von der BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH
Grundbesitz im Umfang von 420,6039 ha zum Gesamtkaufpreis von
734.643,65 DM. Der Grundbesitz bestand zu 416,7919 ha aus
Waldflächen mit einem Anteil hiebsreifer Bestände von
weniger als 10 v.H. Außerhalb des
Flächenerwerbsprogramms erwarb er eine weitere Fläche von
1,4200 ha zum Kaufpreis von 13.120,80 DM. Der erworbene Grundbesitz
gehörte ursprünglich im Wesentlichen der Familie der
Adoptivmutter des Klägers und ist dieser 1945 auf
besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage
entzogen worden. Der Kläger ist der Alleinerbe der inzwischen
verstorbenen Adoptivmutter.
Mit Bescheid vom 19.9.1997 setzte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - )
Grunderwerbsteuer von 26.171 DM gegen den Kläger fest. Nach
erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage, mit der
der Kläger geltend gemacht hatte, der Erwerbsvorgang sei
gemäß § 11 des Gesetzes über die
Übertragung des Eigentums und die Verpachtung volkseigener
landwirtschaftlich genutzter Grundstücke an Genossenschaften,
Genossenschaftsmitglieder und andere Bürger
(EigentÜbertrG) vom 22.7.1990 (GBl DDR I, 899) sowie
gemäß § 34 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung offener
Vermögensfragen (VermG) i.d.F. der Bekanntmachung des Gesetzes
vom 2.12.1994 (BGBl I, 3610) grunderwerbsteuerfrei, statt (vgl. SIS 06 18 67). Das FG war der Ansicht, es fehle bereits an einem
steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), da der Flächenerwerb Teil
des verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleichs für das den
Enteignungsopfern zugefügte Unrecht sei. Sollte dieser Ansicht
nicht zu folgen sein und der Kaufvertrag einen Rechtsvorgang i.S.
des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darstellen, wäre er
jedenfalls gemäß § 6 Abs. 2 AusglLeistG i.V.m.
§ 34 Abs. 3 Satz 1 und § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG
grunderwerbsteuerfrei. Die Steuerfreiheit erfasse auch den Erwerb
der außerhalb des Flächenerwerbsprogramms gekauften
Fläche von 1,4200 ha.
Mit der Revision rügt das FA eine
fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, des §
1 Abs. 8 Buchst. a VermG, der §§ 3 und 6 Abs. 2
AusglLeistG sowie der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) vom
20.12.1995 (BGBl I, 2072). Die Verordnungsermächtigung in
§ 4 Abs. 3 AusglLeistG habe es dem Verordnungsgeber
überlassen, den Flächenerwerb öffentlich-rechtlich
oder privatrechtlich abzuwickeln. Der Verordnungsgeber habe sich
für die privatrechtliche Abwicklung durch Kaufverträge
entschieden. Daraus folge im Einzelfall die Erfüllung des
Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der Wortlaut des
§ 6 Abs. 2 AusglLeistG, der auf das VermG verweise, habe zwar
zunächst noch keine ausdrückliche Beschränkung auf
die Durchführung der §§ 1, 2 und 5 AusglLeistG
enthalten - diese ausdrückliche Beschränkung sei erst
durch das Vermögensrechtsänderungsgesetz (VermRErgG) vom
15.9.2000 (BGBl I, 1382) erfolgt - ; gleichwohl sei der
Flächenerwerb des § 3 AusglLeistG auch schon vor der
Neufassung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG durch das VermRErgG
nicht von der Verweisung auf das VermG betroffen worden. Das
VermRErgG habe insoweit nur eine Rechtslage klargestellt, die schon
vorher bestanden habe. Für den Flächenerwerb habe es der
Verweisung auf das VermG nämlich nicht bedurft, weil für
die Durchführung des Flächenerwerbs in der FlErwV eine
besondere Regelung zur Verfügung gestanden habe. Diese
Regelung sei zwar nicht abschließend gewesen; soweit sie
Lücken enthalten habe, könnten diese aber nicht die
Grunderwerbsteuer betroffen haben und daher nicht durch § 34
Abs. 3 VermG geschlossen werden. Die Lücken müssten
vielmehr Verfahrensfragen betroffen haben; die Frage einer
Grunderwerbsteuerbefreiung sei jedoch materiell-rechtlicher Natur.
Dementsprechend schreibe § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG i.d.F. des
Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes
(2.VermRÄndG) vom 14.7.1992 (BGBl I, 1257) auch vor, dass das
VermG vorbehaltlich seiner Bestimmungen über
Zuständigkeiten und Verfahren nicht für Enteignungen von
Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder
besatzungshoheitlicher Grundlage gelte. Der Ausschluss jener
Enteignungen aus dem Regelungsbereich des VermG sei vom Gesetzgeber
mit der Nr. 1 Satz 1 der gemeinsamen Erklärung zur Regelung
offener Vermögensfragen vom 15.6.1990 begründet worden
(BTDrucks 11/7831, S. 1). Die gemäß Art. 3 des
Grundgesetzes (GG) gebotene Berücksichtigung auch dieser
Enteignungen sei durch das AusglLeistG erfolgt.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Er macht geltend, § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass der
Flächenerwerb durch einen Alteigentümer nach § 3
AusglLeistG keinen Erwerbstatbestand darstelle. Dies ergebe sich
aus dem Wiedergutmachungsgedanken der Regelung. Dieser
Gesichtspunkt rechtfertige auch eine analoge Anwendung des §
16 Abs. 2 GrEStG. Sollte ein derartiger Flächenerwerb doch
steuerbar sein, wäre er gemäß § 6 Abs. 2
AusglLeistG i.V.m. § 34 Abs. 3 VermG oder gemäß
§ 11 EigentÜbertrG steuerfrei. Letztere Vorschrift
wäre insbesondere dann einschlägig, wenn § 6 Abs. 2
AusglLeistG auf einen Flächenerwerb durch Alteigentümer
nicht anwendbar wäre. § 6 Abs. 2 AusglLeistG sei aber
zumindest in solchen Erwerbsfällen, die vor der Herausnahme
des § 3 AusglLeistG aus der Verweisung auf das VermG -
nämlich vor Inkrafttreten des VermRErgG - verwirklicht worden
seien, anwendbar. Dem VermRErgG komme insofern nicht lediglich
klarstellende Bedeutung zu; vielmehr habe es insoweit die
Rechtslage verändert. Die Beanstandungen des
Flächenerwerbsprogramms durch die EU-Kommission hätten
nicht den Erwerb durch Alteigentümer betroffen, sondern den
Erwerb durch Neueinrichter, und seien daher für den Streitfall
bedeutungslos.
II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Der Erwerbsvorgang vom 16.12.1996 ist steuerbar und nicht von der
Grunderwerbsteuer befreit.
1. Mit dem Kaufvertrag vom 16.12.1996 ist ein
Anspruch auf Übereignung der streitbefangenen Grundstücke
begründet worden. Damit ist der Erwerbstatbestand des § 1
Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Ein Rechtsträgerwechsel
bezüglich dieser Grundstücke auf den Kläger war
möglich und nicht etwa deshalb von vornherein ausgeschlossen,
weil dem Kläger bzw. seiner Rechtsvorgängerin in der
Vergangenheit das Eigentum an den nämlichen Grundstücken
durch entschädigungslose Enteignung auf besatzungsrechtlicher
oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden war. Die
Enteignungen auf dieser Grundlage sind durch keinen Rechtsakt
rückgängig gemacht, sondern im Gegenteil durch Art. 143
Abs. 3 GG i.d.F. des Art. 4 Nr. 5 des Einigungsvertrages
bestätigt worden (Urteil des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG - vom 23.4.1991 1 BvR 1170, 1174, 1175/90, BVerfGE 84, 90,
117, 126). Bei dieser Verfassungsrechtslage ist für eine
verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, die
diese Bestätigung negieren würde - darauf liefe die
Verneinung der Steuerbarkeit im Streitfall hinaus -, kein Raum.
2. Der Erwerbsvorgang ist auch
steuerpflichtig. Er erfüllt keinen gesetzlichen
Befreiungstatbestand.
a) Die Befreiungsvorschrift des § 11
EigentÜbertrG greift nicht ein, da der Kaufvertrag vom
16.12.1996 nicht der Durchführung dieses Gesetzes diente. Er
diente vielmehr der Durchführung des AusglLeistG, und zwar des
§ 3 dieses Gesetzes. Das AusglLeistG regelt den Sonderbereich
der staatlichen Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf
besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die
nicht mehr rückgängig gemacht werden können, und
stellt mit der Art und Weise des vorgesehenen Ausgleichs eine
Spezialkodifikation dar (vgl. Leiner in
Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Kommentar, Stand
März 2006, § 6 AusglLeistG Rz 31). Als solche ginge sie
dem EigentÜbertrG, das die Verwertung volkseigener land- und
forstwirtschaftlicher Nutzflächen gemäß § 1
Abs. 1 Satz 1 EigentÜbertrG i.V.m. § 1 Abs. 6 des
Treuhandgesetzes der DDR vom 17.6.1990 (GBl DDR I, 300) unter der
breiten Zielsetzung regelt, ökonomischen, ökologischen,
strukturellen und eigentumsrechtlichen Besonderheiten Rechnung zu
tragen, selbst dann vor, wenn das EigentÜbertrG als allgemeine
„Basiskodifikation“ anzusehen wäre.
Dieser Spezialnormcharakter des AusglLeistG
ergibt sich nicht nur aus der geregelten Sondermaterie, sondern
auch daraus, wie nach § 3 Abs. 7 AusglLeistG die Gegenleistung
für den Flächenerwerb zu berechnen ist, und zwar sowohl
für den Erwerb landwirtschaftlich genutzter Flächen als
auch für den Erwerb von Waldflächen. In dieser im
Vergleich zu den §§ 6 und 7 EigentÜbertrG bewusst
niedrig gehaltenen Gegenleistung i.S. des § 3 Abs. 7
AusglLeistG liegt der eigentliche Ausgleich für das erlittene
Enteignungsunrecht.
Entscheidend ist auch, dass § 6 Abs. 2
AusglLeistG für die Durchführung des Gesetzes auf die
Bestimmungen des VermG verweist. Damit bildet das VermG die
„Basiskodifikation“ zum AusglLeistG (so Leiner
in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/ Neuhaus, a.a.O., § 6
AusglLeistG Rz 31) und nicht das EigentÜbertrG. Für einen
Teilbereich des AusglLeistG, nämlich die Durchführung des
Flächenerwerbs nach § 3 AusglLeistG, sind allerdings auf
der Grundlage einer eigens dafür in § 4 Abs. 3 des
Gesetzes enthaltenen Ermächtigung besondere Regelungen
geschaffen worden, und zwar in Gestalt der FlErwV vom 20.12.1995.
Das VermG, das AusglLeistG und die FlErwV bilden somit ein
abgeschlossenes Regelwerk, das keinen Raum für einen
Rückgriff auf das EigentÜbertrG lässt. Auf den
Zeitpunkt des förmlichen Außerkrafttretens des
EigentÜbertrG kommt es daher ebenso wenig an wie auf die
Frage, ob dieses Gesetz bei seinem förmlichen
Außerkrafttreten noch an anderer Stelle einen
Anwendungsbereich hatte oder nicht.
b) Die Befreiungsvorschrift des § 34 Abs.
3 VermG ist ebenfalls nicht einschlägig. § 6 Abs. 2
AusglLeistG ordnete zwar ursprünglich an, dass für die
Durchführung des AusglLeistG die Bestimmungen des VermG
entsprechend gelten - das VermG sieht in § 34 Abs. 3 eine
Grunderwerbsteuerbefreiung für Grundstückserwerbe vor - ;
der erkennende Senat hat aber bereits in seiner Entscheidung vom
26.10.2006 II R 49/05 (BFH/NV 2007, 606 = SIS 07 06 04) Zweifel
daran angedeutet, ob die Verweisung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG
in seiner ursprünglichen Fassung auf das VermG für die
Fälle eines Flächenerwerbs i.S. des § 3 AusglLeistG
eine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG bewirkt
hat. Er hat diese Zweifel aber letztlich dahingestellt sein lassen,
weil die Verweisungsnorm des § 6 Abs. 2 AusglLeistG durch Art.
3 Nr. 4 Buchst. a VermRErgG dergestalt geändert worden ist,
dass die Durchführung des Flächenerwerbs nach § 3
AusglLeistG von der Verweisung ausgenommen worden ist, und weil
nach dem damaligen Sachverhalt schon die Neufassung des § 6
Abs. 2 AusglLeistG maßgeblich war.
Diese Neufassung findet jedoch auf den
Streitfall noch keine Anwendung. An dem Ergebnis, wonach § 34
Abs. 3 VermG nicht einschlägig ist, ändert sich dadurch
allerdings nichts. Seit der Neufassung des § 34 Abs. 3 VermG
durch Art. 15 § 2 Nr. 8 Buchst. b des
Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes (RegVBG) vom 20.12.1993
(BGBl I, 2182, 2225) gilt die Grunderwerbsteuerbefreiung
nämlich nur für solche Personen, deren
Vermögenswerte von Maßnahmen nach § 1 VermG
betroffen sind, sowie die Erben dieser Personen. Gemäß
§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG i.d.F. des 2.VermRÄndG gilt
das VermG jedoch vorbehaltlich seiner Bestimmungen über
Zuständigkeit und Verfahren nicht für Enteignungen von
Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder
besatzungshoheitlicher Grundlage. Dies hat zur Folge, dass die
Erwerber von Flächen aus dem Flächenerwerbsprogramm nach
§ 3 AusglLeistG, die Opfer derartiger Enteignungen waren, und
deren Erben auch nicht über den Umweg des § 6 Abs. 2
AusglLeistG in den Genuss des § 34 Abs. 3 VermG kommen
können. Die Vorschrift des § 34 Abs. 3 VermG gehört
nicht zu den vorbehaltenen Bestimmungen über
Zuständigkeiten und Verfahren, sondern stellt eine
materiell-rechtliche Bestimmung dar.
c) Eine unmittelbare oder entsprechende
Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG kommt im Streitfall ebenfalls
nicht in Betracht. Bezüglich der Nr. 1 der Vorschrift fehlt es
an der Wahrung der Zweijahresfrist. Bei diesem zeitlichen
Erfordernis handelt es sich um ein wesentliches Tatbestandsmerkmal
der Norm, das auch bei einer analogen Anwendung erfüllt sein
müsste. Bezüglich der Nr. 2 der Vorschrift stünde
von vornherein die Rechtswirksamkeit der - wenn auch
unrechtmäßigen - Enteignung einer sei es auch analogen
Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG entgegen. Bezüglich der
Nr. 3 fehlte es für eine (analoge) Anwendung an einem
anspruchsbegründenden Rechtsgeschäft, dessen
Vertragsbestimmungen nicht erfüllt sein könnten.
3. Ob die verschiedenen Regelungen über
eine Grunderwerbsteuerbefreiung für den Eigentumserwerb im
Zuge der Neuordnung und Privatisierung des Grund und Bodens in den
neuen Bundesländern - so die Vorschriften des § 11
EigentÜbertrG, des § 34 Abs. 3 VermG, des § 2 Abs. 3
des Mauergrundstücksgesetzes oder des § 67 des
Landwirtschaftsanpassungsgesetzes - einen gemeinsamen Grundgedanken
enthalten, kann auf sich beruhen. Sollte dem so sein, ließe
dies jedenfalls nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe mit der
Herausnahme des Flächenerwerbs durch Alteigentümer
gemäß § 3 AusglLeistG aus dem Geltungsbereich des
VermG (§ 1 Abs. 8 Buchst. a dieses Gesetzes) unbemerkt eine
Lücke aufgerissen, die unter Heranziehung eines derartigen
Grundgedankens zu schließen sei.
Wie sich inzwischen herausgestellt hat, ist
das Flächenerwerbsprogramm des § 3 AusglLeistG unter
Beihilfegesichtspunkten von europarechtlicher Relevanz. Die
EU-Kommission hat mit Entscheidung vom 20.1.1999 (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - vom 24.4.1999 L 107/21)
Teile des Flächenerwerbsprogramms wegen der verbilligten
Grundstücksveräußerung aus beihilferechtlichen
Gründen beanstandet (dazu Ludden in Zeitschrift für
Immobilienrecht 2001, 248). Die Beanstandungen der Kommission
betrafen zwar weder die eigentlichen Wiedergutmachungsfälle
noch die Erwerber forstwirtschaftlicher Flächen, sondern
vornehmlich die sog. Neueinrichter i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 1
AusglLeistG und auch diese nur insoweit, als ihnen der verbilligte
Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ermöglicht wurde. Der
verbilligte Erwerb forstwirtschaftlicher Flächen blieb
ausdrücklich unbeanstandet. Der Gesetzgeber des AusglLeistG
hatte aber das Bestreben, innerhalb des
Flächenerwerbsprogramms des § 3 AusglLeistG keine
Differenzierung nach den verschiedenen Erwerbergruppen vorzunehmen.
Dies steht der Annahme, das AusglLeistG enthalte bezüglich der
Grunderwerbsteuer für Alteigentümer eine Lücke,
entgegen.
a) Was den Erwerb landwirtschaftlicher
Flächen durch Neueinrichter anbelangt, hat die Kommission das
Überschreiten der sog. Intensitätshöchstgrenze
bemängelt. Gemäß Art. 92 Abs. 3 Buchst. c des
Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -
EGV - (jetzt Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG) können staatliche
Beihilfen zur Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder
Wirtschaftsgebiete genehmigt werden, die die Handelsbedingungen
nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse
zuwider läuft. Dabei ist insbesondere an Beihilfen zur
Beseitigung struktureller Schwächen gedacht. Bei Inkrafttreten
des AusglLeistG war es der Kommission gemäß Art. 35 Abs.
1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2328/91 des Rates
vom 15.7.1991 zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur
(ABlEG vom 6.8.1991 L 218/1) grundsätzlich möglich,
Beihilfen zum Kauf von landwirtschaftlichen Flächen als
Investitionsbeihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar
anzusehen und zu genehmigen, wenn die Beihilfeintensität 35
v.H. (bzw. 75 v.H. in benachteiligten Gebieten) nicht
überschritt (vgl. Entscheidung der EU-Kommission vom
24.4.1999, a.a.O., L 107/43).
Dies veranlasste den Gesetzgeber im Jahr 2000,
den § 3 Abs. 7 AusglLeistG, der im Rahmen des
Flächenerwerbsprogramms die Ermittlung des Kaufpreises regelt,
durch Art. 3 Nr. 1 Buchst. e aa VermRErgG dergestalt zu
ändern, dass der Kaufpreis für den Erwerb
landwirtschaftlicher Flächen nicht mehr - wie bisher - nach
dem Dreifachen des Einheitswerts der jeweiligen Flächen nach
den Wertverhältnissen vom 1.1.1935 zu berechnen ist, sondern
nach dem Verkehrswert abzüglich eines Ausgleichs von 35 v.H.
Diese neue Kaufpreisberechnung sollte nach der Begründung zum
Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem VermRErgG vom 29.10.1999
(BTDrucks 14/1932, S. 15) gewährleisten, „dass beim
Verkauf landwirtschaftlicher Flächen die Grenzen
zulässiger Beihilfeintensität in allen Fällen
eingehalten werden“.
b) Die europarechtliche Vorgabe, die
Intensitätshöchstgrenze für Beihilfen nicht zu
überschreiten, stand der zusätzlichen Gewährung
einer Grunderwerbsteuerbefreiung nicht erst seit der Entscheidung
der EU-Kommission, sondern von Anfang an entgegen. Da eine solche
Steuervergünstigung eine zusätzliche Beihilfe dargestellt
hätte, wäre die europarechtlich problematische
Verbilligung des Flächenerwerbs nach § 3 Abs. 7
AusglLeistG noch verstärkt worden. Der Begriff der Beihilfe
i.S. des Art. 92 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 87 Abs. 1 EG) umfasst
nämlich nicht nur positive Leistungen wie Subventionen,
sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die
Belastung vermindern, die ein Unternehmer normalerweise zu tragen
hat, und die einer Subvention nach Art und Weise gleichstehen. Dazu
gehören auch Abgabenbefreiungen, die den Begünstigten
besserstellen als die übrigen Abgabenpflichtigen (so
Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften
vom 19.5.1999 C-6/97, Slg. I-1999, 2981).
c) Obwohl dieser europarechtliche
Gesichtspunkt nicht den Erwerb durch Alteigentümer betraf,
wirkt er sich auch auf solche Personen aus, denen land- und
forstwirtschaftliches Vermögen durch Enteignung auf
besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage
entzogen worden ist und die nicht zu den Neu- oder
Wiedereinrichtern gehören. Der Gesetzgeber des AusglLeistG sah
sich nämlich von Anfang an genötigt, diese verschiedenen
Erwerbsgruppen aus innerdeutschen Gründen gleich zu
behandeln.
dd) Ungeachtet der grundsätzlich auf
Wiedergutmachung gerichteten Zielrichtung des AusglLeistG werden in
dessen § 3 (Flächenerwerb) zwei unterschiedliche
Regelungsbereiche zusammengefasst, nämlich neben einem
Wiedergutmachungsprogramm für Alteigentümer ein
eigenständiges Förderprogramm zum Aufbau der Land- und
Forstwirtschaft in den neuen Bundesländern (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 21.5.1996 1 BvR 1408/95, BVerfGE 94, 334,
349). Letzteres war ein besonderes Anliegen der neuen
Bundesländer, die dabei vornehmlich den Flächenerwerb
durch selbstwirtschaftende Pächter im Auge hatten und eine
Bevorzugung der Bodenreformopfer ablehnten (vgl. dazu Hauer in
Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 3
AusglLeistG Rz 24, sowie das Petitum des Landes Brandenburg,
über das das BVerfG mit Beschluss vom 29.4.1996 2 BvG 1/93,
BVerfGE 94, 297 zu entscheiden hatte). Bei dieser Ausgangslage war
es geboten, die Preisgestaltung für sämtliche
Erwerbsfälle einheitlich zu regeln und damit auch alle
gleichermaßen der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen. Dies
verstieß nicht gegen das Willkürverbot, zumal dem
Gesetzgeber auf dem Gebiet der Wiedergutmachung auch im Rahmen des
Art. 3 Abs. 1 GG ein besonders weites Beurteilungsermessen zukommt
(so Urteil des BVerfG vom 22.11.2000 1 BvR 2307/94, 1120, 1408,
2460, 2471/95, BVerfGE 102, 254, 299).