Eigenheimzulage für neu geschaffene Wohnung: 1. Da das EigZulG die Vermögensbildung durch die Herstellung oder Anschaffung von eigengenutztem Wohneigentum und zugleich die eigene Wohnung als Bestandteil der privaten Altersvorsorge fördern soll, ist die Neuschaffung einer Wohnung, nicht die von Wohnraum maßgebend. - 2. Werden die Wohnräume (je 12 qm oder 15 qm) einer Etage, ausgestattet mit einer Gemeinschaftsküche und einem Gemeinschaftsbad/WC, eines bisher als Studentenwohnheim genutzten Gebäudes insgesamt zu einer Eigentumswohnung umgebaut, wird durch die Baumaßnahmen eine Wohnung i.S. des EigZulG neu hergestellt. - Urt.; BFH 7.11.2006, IX R 19/05; SIS 07 08 86
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erwarb mit notariellem Vertrag vom Dezember 1999 eine
(noch im Umbau befindliche, zu erstellende) Eigentumswohnung im
vierten Obergeschoss eines Wohngebäudes, die er nach
Fertigstellung ab April 2000 selbst bewohnte und für die er
Eigenheimzulage beantragte. Das Gebäude war in den Jahren 1975
und 1976 als Studentenwohnheim errichtet worden. Es bestand vor dem
Umbau aus 65 einzelnen Wohnräumen mit einer Wohnfläche
von je 12 qm oder 15 qm, die über einen gemeinsamen Flur
erreichbar waren; jede Etage war mit einer Gemeinschaftsküche
und einem Gemeinschaftsbad mit WC ausgestattet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) gewährte zunächst
antragsgemäß ab 2000 einen Fördergrundbetrag in
Höhe von 5 v.H. der Bemessungsgrundlage, höchstens 5.000
DM, zzgl. Kinderzulage für vier Kinder; der Bescheid erging
hinsichtlich der Höhe der Eigenheimzulage vorläufig
gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).
Nach Eingang der Stellungnahme des Bausachverständigen (BSV),
der zu dem Ergebnis gelangte, dass „durch die
Umbaumaßnahme erstmalig Wohnungen entstanden“ seien,
erklärte das FA den Bescheid gemäß § 165 Abs.
2 AO 1977 für endgültig.
Mit Änderungsbescheid vom 1.10.2002
setzte das FA die Eigenheimzulage für die Jahre ab 2002 neu
fest und legte der Gewährung nur noch den reduzierten
Fördergrundbetrag von 2.500 DM zugrunde. Die Änderung
erfolge, da das FA die Stellungnahme des BSV seinerzeit falsch
ausgewertet habe; dies stelle einen materiellen Fehler i.S. des
§ 11 Abs. 5 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG)
dar.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das
Finanzgericht - FG - (Urteil in EFG 2005, 931 = SIS 05 28 21)
vertrat die Ansicht, die Voraussetzungen für eine
Neufestsetzung gemäß § 11 Abs. 5 EigZulG seien
erfüllt, denn die vom Kläger erworbene Eigentumswohnung
sei nicht (bautechnisch neu) hergestellt i.S. des § 2 Abs. 1
EigZulG. Die durchgeführten Renovierungs- und
Modernisierungsmaßnahmen reichten für eine
(Neu-)Herstellung nicht aus.
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1, § 11 Abs.
5 EigZulG).
Er beantragt sinngemäß, das
FG-Urteil, den Änderungsbescheid über Eigenheimzulage ab
2002 vom 1.10.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 14.1.2003
aufzuheben.
Das FA beantragt sinngemäß, die
Revision zurückzuweisen.
Zwar seien die bisherigen Studentenzimmer
keine Wohnungen (aber eben Wohnraum), auch lägen nach
Durchführung der Umbaumaßnahmen nunmehr Wohnungen vor;
indes sei entgegen dem Zweck des Eigenheimzulagengesetzes kein
bautechnisch neuer, bisher nicht vorhandener Wohnraum geschaffen
worden.
II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Zu Unrecht hat das FG dem Kläger nur die reduzierte
Eigenheimzulage für die Anschaffung der Eigentumswohnung
zugestanden; vielmehr kann der Kläger die ungekürzte
Eigenheimzulage in Höhe von 5.000 DM (zzgl. der unstrittigen
Kinderzulagen) beanspruchen, weil durch die Baumaßnahmen eine
Wohnung im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes neu hergestellt
wurde.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4
Satz 1 EigZulG ist die Herstellung oder Anschaffung einer
selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus begünstigt. Nach
§ 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG wird für die Anschaffung oder
Herstellung einer Wohnung jährlich ein Fördergrundbetrag
in Höhe von 5 v.H. der Bemessungsgrundlage, höchstens
5.000 DM, gewährt; bei Anschaffung der Wohnung nach Ablauf des
zweiten auf das Jahr der Herstellung folgenden Jah-res beträgt
gemäß Satz 2 der Vorschrift der Fördergrundbetrag
jährlich nur 2,5 v.H. der Bemessungsgrundlage, höchstens
2.500 DM.
a) Das Eigenheimzulagengesetz soll die
Vermögensbildung durch die Herstellung oder Anschaffung von
eigengenutztem Wohneigentum und zugleich die eigene Wohnung als
Bestandteil der privaten Altersvorsorge fördern (vgl. BTDrucks
13/2235, S. 1, 14). Maßgebend ist daher - entgegen der
Ansicht des FA - das Neuschaffen einer Wohnung, nicht das von
Wohnraum. Entsprechend bedeutet Herstellen einer Wohnung i.S. von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Schaffen einer neuen,
bisher nicht vorhandenen Wohnung (vgl. BFH-Urteile vom
15.5.2002 X R 36/99, BFH/NV 2002, 1158 = SIS 02 87 07; vom
29.1.2003 III R 53/00, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565 = SIS 03 26 66; vom 20.11.2003 III R 14/03, BFH/NV 2004, 616 = SIS 04 17 52;
s.a. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
21.12.2004, BStBl I 2005, 305 = SIS 05 08 36, Rz. 10); darunter ist
- neben der Zweitherstellung und der Wesensänderung jeweils
vorhandener Wohnungen - insbesondere die Neu- oder erstmalige
Herstellung einer Wohnung zu verstehen (vgl. dazu BFH-Urteil vom
23.11.2004 IX R 59/03, BFH/NV 2005, 543 = SIS 05 15 88, unter II.
1. a).
b) Hingegen sind Baumaßnahmen an einer
bereits bestehenden Wohnung in einem Gebäude nur dann
als Herstellung einer Wohnung anzusehen, wenn die
Baumaßnahmen einem Neubau gleichkommen, d.h. die Wohnung
bautechnisch neu ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1158 = SIS 02 87 07; in BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565 = SIS 03 26 66; BFH/NV
2004, 616 = SIS 04 17 52; s.a. BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 305 =
SIS 05 08 36, Rz. 10, 11). Auch umfangreiche Instandsetzungs-,
Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen an der Wohnung
führen dann ebenso wenig zur Neuherstellung wie eine sog.
Generalüberholung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 202, 57, BStBl II
2003, 565 = SIS 03 26 66; vom 5.6.2003 III R 49/01, BFH/NV 2003,
1400 = SIS 03 45 68).
c) Ob eine Wohnung im Sinne des
Eigenheimzulagengesetzes vorhanden ist, richtet sich nach dem
Wohnungsbegriff des Bewertungsrechts (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 22.10.2003 III B 59/03, BFH/NV 2004, 166 =
SIS 04 04 50; vom 6.4.2005 IX B 198/04, BFH/NV 2005, 1244 = SIS 05 31 59; BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 305 = SIS 05 08 36, Rz. 2).
Danach ist eine Wohnung eine Zusammenfassung mehrerer Räume,
in denen ein selbständiger Haushalt geführt werden kann;
sie müssen nach außen abgeschlossen und es müssen
wenigstens ein Bad oder eine Dusche und ein WC sowie eine
Küche oder Kochgelegenheit vorhanden sein (vgl. BFH-Urteile in
BFH/NV 2004, 616 = SIS 04 17 52; vom 27.10.1998 X R 157/95, BFHE
187, 445, BStBl II 1999, 91 = SIS 99 04 17, m.w.N.).
2. Diesen Grundsätzen entspricht die
Vorentscheidung nicht; sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Der Klage ist stattzugeben; denn im Streitfall hat der
Kläger eine neu hergestellte Eigentumswohnung angeschafft.
Entsprechend liegt auch kein materieller Fehler vor, der die
Anwendung des § 11 Abs. 5 EigZulG rechtfertigen
würde.
Nach den tatsächlichen und den Senat
bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hatten
die Zimmer im vierten Obergeschoss des bisher als Studentenwohnheim
genutzten Gebäudes eine Wohnfläche von je 12 m² oder
15 m². Sie waren ohne Kochgelegenheit und ohne sanitäre
Anlagen (wie Bad/Dusche, WC) und stellten mithin keine Wohnung(en)
dar (vgl. BFH-Urteile vom 2.4.1997 X R 141/94, BFHE 183, 104, BStBl
II 1997, 611 = SIS 97 16 12, zu § 10e des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ; vom 11.2.1987 II R 210/83, BFHE
148, 486, BStBl II 1987, 306 = SIS 87 08 07, zu § 5 Abs. 2
Grundsteuergesetz).
Hiernach kommt es entgegen der Ansicht des FG
nicht darauf an, ob die durchgeführten Baumaßnahmen
bautechnisch zu einem Neubau führten. Denn die
Eigentumswohnung des Klägers ist als Wohnung erstmals - wenn
auch unter Einbindung vorhandener Bausubstanz - und damit neu
hergestellt worden. Daher kann der Kläger den ungekürzten
Fördergrundbetrag beanspruchen.