Auflösung mehrerer Personengesellschaften unter Anwachsung bei einem Gesellschafter, GrESt-Verfahren: Werden mehrere Personengesellschaften mit identischem Gesellschafterbestand und Grundbesitz in den Bezirken verschiedener Finanzämter durch Kündigung zu einem bestimmten Termin aufgelöst und erwirbt einer der Gesellschafter die Gesellschaftsvermögen durch Anwachsung, sind die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer auch dann nicht zusammengefasst für die Personengesellschaften gesondert festzustellen, wenn die vormaligen Gesellschafter später eine unaufgegliederte Gesamtabfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters vereinbaren. - Urt.; BFH 26.10.2006, II R 32/05; SIS 07 04 45
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) und seine Schwester (S) waren in unterschiedlicher
Höhe an einer GbR mit Grundbesitz in H und an einer GbR mit
Grundbesitz in A sowie an einer GmbH & Co. KG und deren
Komplementär-GmbH beteiligt.
Mit Schreiben vom 30.12.1994 kündigte
S sämtliche Gesellschaftsverträge zum 31.12.1995. Der
Kläger wurde aufgrund vertraglicher Fortsetzungsklauseln mit
Wirksamwerden der Kündigungen durch Anwachsung entsprechend
§ 738 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Inhaber der
Gesellschaftsvermögen der beiden GbR. S übertrug ihre
Anteile an der KG und der GmbH ebenfalls auf den
Kläger.
Der Kläger teilte mit gesondertem
Schreiben vom 29.10.1996 dem Beklagten und Revisionskläger,
dem für die Grunderwerbsteuerfestsetzung für die
Grundstücke in H zuständigen Finanzamt (FA), und dem
für die Grunderwerbsteuerfestsetzung für die
Grundstücke in A zuständigen FA E die Kündigungen
mit.
Nach Einholung von Wertgutachten
vereinbarten der Kläger und S am 24.2.1998 abweichend von den
gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur Berechnung der
Auseinandersetzungsguthaben einen Gesamtkaufpreis in Höhe von
5 Mio. DM für den Übergang sämtlicher
Gesellschaftsbeteiligungen der S auf den Kläger, ohne den
Kaufpreis anteilig den einzelnen Beteiligungen zuzuordnen.
Das FA erließ am 11.12.2001
gegenüber dem Kläger einen Bescheid über die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die
Grunderwerbsteuer für den aufgrund Anwachsung erfolgten
Übergang der Grundstücke aus den Gesamthandsvermögen
der beiden GbR in das Alleineigentum des Klägers. Es
stützte die Steuerpflicht auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Als Bemessungsgrundlagen
für die Steuer setzte es die geschätzten Verkehrswerte
der jeweils übergegangenen Grundstücke an und nahm nach
§ 6 Abs. 2 GrEStG der Höhe der Beteiligungen des
Klägers an den beiden GbR entsprechende Anteile von der
Besteuerung aus. Feststellungsverjährung war nach seiner
Ansicht wegen des Fehlens hinreichender Anzeigen der
Erwerbsvorgänge noch nicht eingetreten. Der Einspruch blieb
erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hob den
Feststellungsbescheid durch das in EFG 2005, 1641 = SIS 05 38 59
veröffentlichte Urteil auf und führte zur Begründung
aus, das FA habe zwar zu Recht die Steuerbarkeit auf § 1 Abs.
1 Nr. 3 GrEStG gestützt und das Vorliegen der in § 17
Abs. 2 Alternative 2 GrEStG bestimmten Voraussetzungen für die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die
Grunderwerbsteuer bejaht. Die zunächst aufgrund der
Kündigungen vom 30.12.1994 gegebenen mehreren
Rechtsvorgänge seien durch die Vereinbarung einer
Gesamtabfindung im Vertrag vom 24.2.1998 nachträglich zu einer
Einheit zusammengefasst worden. Dem Erlass des
Feststellungsbescheids habe aber die mit Ablauf des Jahres 2000
eingetretene Feststellungsverjährung entgegengestanden. Die
Schreiben vom 29.10.1996 an das FA und das FA E hätten den
gesetzlichen Mindestanforderungen an eine Anzeige der
Erwerbsvorgänge genügt.
Das FA rügt mit seiner Revision
Verletzung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung
(AO 1977) i.V.m. § 19 Abs. 4 Satz 1 und § 17 Abs. 2
GrEStG. Nach seiner Ansicht war keine Verjährung
eingetreten.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen. Die Entscheidungsgründe der
Vorentscheidung ergeben zwar eine Verletzung des bestehenden
Rechts; die Entscheidung selbst stellt sich aber aus anderen
Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die
in § 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG geregelten Voraussetzungen
für den Erlass eines Feststellungsbescheids gegeben sind.
a) Nach dieser Vorschrift stellt in
Fällen, in denen sich ein Rechtsvorgang auf mehrere
Grundstücke bezieht, die in den Bezirken verschiedener FÄ
liegen, das FA, in dessen Bezirk das wertvollste Grundstück
oder der wertvollste Bestand an Grundstücken liegt, die
Besteuerungsgrundlagen gesondert fest. Mit dem Begriff
„Rechtsvorgang“ nimmt die Vorschrift Bezug auf
§ 1 GrEStG, der im Einzelnen regelt, welche
„Rechtsvorgänge“ der Grunderwerbsteuer
unterliegen. Ein „Rechtsvorgang“ i.S. des §
17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG kann danach nur ein nach § 1
GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang sein.
b) Ein solcher sich auf mehrere in den
Bezirken verschiedener FÄ belegene Grundstücke
beziehender Rechtsvorgang ist im Streitfall nicht gegeben.
Wie FA und FG zutreffend angenommen haben,
unterliegt der durch Anwachsung bewirkte Übergang der
Grundstücke aus den Gesamthandsvermögen der GbR in das
Alleineigentum des Klägers der Grunderwerbsteuer nach § 1
Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, da kein den Anspruch auf Übereignung
begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es
auch keiner Auflassung bedurfte (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 16.2.1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671 = SIS 77 03 75; vom 13.9.1995 II R 80/92, BFHE 178, 468, BStBl II 1995,
903 = SIS 96 03 08, und vom 16.7.1997 II R 27/95, BFHE 183, 259,
BStBl II 1997, 663 = SIS 97 21 21). Dabei liegen ebenso viele
Rechtsvorgänge i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG vor, wie
Grundstücke übergegangen sind (vgl. auch BFH-Urteil vom
29.11.1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162 = SIS 96 06 18). Davon ist auch das FG ausgegangen.
Diese Rechtsvorgänge waren mit dem
Übergang der Grundstücke in das Alleineigentum des
Klägers vollendet und führten nach § 38 AO 1977 zur
Entstehung der Steuer. Die Vereinbarung vom 24.2.1998 berührte
diese Rechtsvorgänge, die bereits mit Wirksamwerden der von S
zum 31.12.1995 ausgesprochenen Kündigungen abgeschlossen
waren, nicht und konnte sie daher auch nicht (rückwirkend) zu
einem Rechtsvorgang i.S. von § 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG
zusammenfassen.
Die Bemessungsgrundlage für die
Grunderwerbsteuer besteht bei durch Anwachsung bewirkten
Erwerbsvorgängen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, die
vor dem 1.1.1997 verwirklicht wurden und für die deshalb nach
§ 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG noch nicht gemäß § 8
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GrEStG i.d.F. des Gesetzes vom 20.12.1996 (BGBl
I, 2049) die Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer anzusetzen sind, in der anteiligen Gegenleistung
(§ 8 Abs. 1 GrEStG), die der übernehmende Gesellschafter
für das jeweils auf ihn übergegangene Grundstück zu
erbringen hat. Dazu gehören im Einzelnen der
gesellschaftsvertragliche oder gesetzliche Abfindungsanspruch des
ausscheidenden Gesellschafters, die Schulden der Gesellschaft,
für die der übernehmende Gesellschafter nunmehr allein
einzustehen hat, und der „bisherige
Gesellschaftsanteil“ des übernehmenden
Gesellschafters (BFH-Urteil in BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671 =
SIS 77 03 75). Gehen im Wege der Anwachsung nicht nur
Grundstücke, sondern auch weitere nicht der Grunderwerbsteuer
unterliegende Vermögensgegenstände auf den
Übernehmenden über, so ist die (Gesamt-)Gegenleistung
verhältnismäßig aufzuteilen (BFH-Urteil in BFHE
183, 259, BStBl II 1997, 663 = SIS 97 21 21). Die auf der Grundlage
der so ermittelten Gegenleistung als Bemessungsgrundlage errechnete
Steuer wird vorbehaltlich der in § 6 Abs. 4 GrEStG
vorgesehenen Einschränkungen nach § 6 Abs. 2 GrEStG in
Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Erwerber am
Vermögen der Gesamthand beteiligt war.
Wird nach dem Übergang der
Grundstücke in das Alleineigentum des übernehmenden
Gesellschafters durch Anwachsung statt des
gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen Abfindungsanspruchs
des ausscheidenden Gesellschafters ein davon abweichender
Ablösebetrag vereinbart, betrifft dies nur die
Bemessungsgrundlage der Steuer und nicht den/die der Besteuerung zu
Grunde liegenden Rechtsvorgang/Rechtsvorgänge. Bezieht sich
die nachträgliche Vereinbarung eines einheitlichen
Ablösebetrags - wie im Streitfall - auf mehrere
aufgelöste Personengesellschaften, ist sie danach nicht
geeignet, die einzelnen der Besteuerung unterliegenden
Rechtsvorgänge zu einem einheitlichen Rechtsvorgang
zusammenzufassen und so eine diese Personengesellschaften
umfassende gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer nach § 17 Abs. 2 Alternative 2
GrEStG zu begründen.
2. Da die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2
Alternative 2 GrEStG für den Erlass des Feststellungsbescheids
nicht vorlagen, hat ihn das FG im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Auf
die Frage der Feststellungsverjährung kommt es nicht an.