EWI-Sitzabkommen, Neuwagen, innergemeinschaftlicher Erwerb: Der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Kfz durch Bedienstete des EWI kann auch dann nach § 4 b Nr. 3 UStG 1993 i.V.m. Art. 10 des EWI-Sitzabkommens von der Umsatzsteuer befreit sein, wenn der PKW zwar erst nach Aufnahme der Beschäftigung beim EWI erworben, aber als Übersiedlungsgut innerhalb der Frist nach dieser Bestimmung des Abkommens "eingeführt" wurde. - Urt.; BFH 28.9.2006, V R 65/03; SIS 07 03 20
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch
die Kläger und Revisionskläger (Kläger) nach Art. 12
des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der
Europäischen Gemeinschaften vom 8.4.1965 -
Privilegienprotokoll - (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften Nr. L 152 vom 13.7.1967, S. 14) oder Art. 10 des
Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und
dem Europäischen Währungsinstitut über den Sitz des
Instituts vom 12.9.1995 - EWI-Sitzabkommen - (BGBl II 1996, 654) steuerfrei
ist.
Die Kläger, Eheleute und dänische
Staatsangehörige, wohnten bis Anfang März 1997 in
Dänemark. Nachdem der Klägerin vom Europäischen
Währungsinstitut (EWI), aus dem später die
Europäische Zentralbank (EZB) hervorgegangen ist, mit
Schreiben vom 6.12.1996 eine Anstellung beim EWI angeboten worden
war, nahm sie am 6.1.1997 ihre Tätigkeit in X - Bundesrepublik
- auf. Sie wohnte zunächst provisorisch in einem vom EWI
angemieteten Appartement in Y bei X, während der Kläger
in Dänemark den Umzug nach X organisierte.
Am 19.2.1997 kauften die Kläger
anlässlich eines Besuchs der Klägerin in Dänemark
unter Verwendung ihrer zukünftigen gemeinsamen Adresse in X
von einem dänischen Händler einen fabrikneuen PKW, wobei
die Lieferung des PKW von dem dänischen Händler als
innergemeinschaftliche Lieferung und demgemäß als von
der dänischen Umsatzsteuer befreit behandelt wurde. Der PKW
wurde am 26.2.1997 dem Kläger in Dänemark übergeben.
Am 1.3.1997 fuhr der Kläger in dem erworbenen PKW von
Dänemark zur neuen Wohnung in X. Aufgrund der Anmeldung des
PKW durch den Kläger bei der Zulassungsstelle der Stadt X
übersandte diese eine Kontrollmitteilung an das Finanzamt X
(FA X), das daraufhin den Kläger zur Abgabe einer
Umsatzsteuererklärung zur Durchführung der
Fahrzeugeinzelbesteuerung aufforderte. Daraufhin machten die
Kläger geltend, dass die Klägerin Mitarbeiterin des EWI
sei, so dass sie, die Kläger, gemäß Art. 12 Buchst.
e des Privilegienprotokolls berechtigt gewesen seien, den PKW in
die Bundesrepublik „einzuführen“, ohne deutsche
Umsatzsteuer entrichten zu müssen. Auf den vom FA X erhobenen
Einwand, dass nach Art. 12 Buchst. e des Privilegienprotokolls das
Fahrzeug im letzten Aufenthaltsland zu den Bedingungen des
Binnenmarkts hätte erworben werden müssen, trugen die
Kläger vor, nicht Art. 12 Buchst. e, sondern Art. 12 Buchst. d
des Privilegienprotokolls sei einschlägig; dieser stelle nicht
auf einen Erwerb zu den Bedingungen des Binnenmarkts im
Herkunftsland ab. Daneben beriefen sie sich auf Art. 10 des
EWI-Sitzabkommens.
Dem folgte das FA X nicht, sondern
erließ am 15.5.2002 einen an die Kläger gerichteten
Umsatzsteuerbescheid über die Fahrzeugeinzelbesteuerung und
setzte für den innergemeinschaftlichen Erwerb des PKW
Umsatzsteuer fest.
Die ohne Vorverfahren erhobene Klage
(Sprungklage) der Kläger, der das FA X zugestimmt hatte, wies
das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab (vgl. SIS 04 19 09).
Es vertrat in seinem Urteil die Auffassung, bei der
Überführung des in Dänemark umsatzsteuerfrei
erworbenen PKW nach Deutschland handele es sich um einen
innergemeinschaftlichen Erwerb eines neuen Fahrzeugs (§ 1 Abs.
1 Nr. 5, § 1b i.V.m. § 1a des Umsatzsteuergesetzes 1993 -
UStG 1993 - ), der weder nach § 4b Nr. 3 UStG 1993 noch
aufgrund von internationalen Abkommen steuerfrei sei.
Mit ihrer Revision rügen die
Kläger Verletzung des Art. 12 Buchst. d des
Privilegienprotokolls und des Art. 10 des EWI-Sitzabkommens. Sie
machen geltend, das FG habe den innergemeinschaftlichen Erwerb der
Kläger zu Unrecht als nicht von der Umsatzsteuer befreit
angesehen. Die Steuerbefreiung folge unmittelbar aus Art. 12
Buchst. d des Privilegienprotokolls und Art. 10 des
EWI-Sitzabkommens.
Während des Revisionsverfahrens hat
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
mitgeteilt, dass die Zuständigkeit im Streitfall auf ihn
übergegangen sei.
Die Kläger beantragen, die
Vorentscheidung und den Umsatzsteuerbescheid des FA X vom 15.5.2002
aufzuheben. Sie regen hilfsweise an, den Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) um eine Vorabentscheidung
zu ersuchen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Es verteidigt unter Wiederholung des
bisherigen Vorbringens des FA X die angefochtene
Vorentscheidung.
II. Die Revision der Kläger ist
begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist im
Streitfall zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Erwerb des PKW
durch die Kläger als innergemeinschaftlicher Erwerb in
Deutschland umsatzsteuerbar ist. Der innergemeinschaftliche Erwerb
ist aber - entgegen der Auffassung des FG - nach § 4b Nr. 3
UStG 1993 i.V.m. Art. 10 des EWI-Sitzabkommens von der Umsatzsteuer
befreit.
1. Revisionsbeklagter ist infolge gesetzlichen
Beteiligtenwechsels (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
10.8.2006 V R 55/04 = SIS 06 40 95, zur Veröffentlichung
bestimmt, unter II.1., m.w.N.) das FA geworden, weil aufgrund von
§ 2 Nr. 16 der Verordnung über die Zuständigkeiten
der hessischen Finanzämter vom 11.12.2003 (Gesetz- und
Verordnungsblatt für das Land Hessen I 2003, 335) die
Zuständigkeit auf das FA übergegangen ist.
2. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass
der Erwerb des PKW durch die Kläger als
innergemeinschaftlicher Erwerb im Inland steuerbar ist.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1993
unterliegt der deutschen Umsatzsteuer der innergemeinschaftliche
Erwerb im Inland gegen Entgelt.
§ 1a Abs. 1 UStG 1993 lautet wie
folgt:
„Ein innergemeinschaftlicher Erwerb
gegen Entgelt liegt vor, wenn die folgenden Voraussetzungen
erfüllt sind:
1.
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Ein Gegenstand gelangt bei einer Lieferung
an den Abnehmer (Erwerber) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in
das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen
Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebiete,
auch wenn der Lieferer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet
eingeführt hat; ... .
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2.
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der Erwerber ist
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a)
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ein Unternehmer, der den Gegenstand
für sein Unternehmen erwirbt, oder
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b)
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eine juristische Person, die nicht
Unternehmer ist oder die den Gegenstand nicht für ihr
Unternehmen erwirbt, und
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3.
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die Lieferung an den Erwerber
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a)
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wird durch einen Unternehmer gegen Entgelt
im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt und
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b)
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ist nach dem Recht des Mitgliedstaates, der
für die Besteuerung des Lieferers zuständig ist, nicht
auf Grund der Sonderregelung für Kleinunternehmer
steuerfrei.“
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b) Nach § 1b Abs. 1 UStG 1993 ist auch
der Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch einen Erwerber, der nicht zu
den in § 1a Abs. 1 Nr. 2 genannten Personen gehört, unter
den Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 1
innergemeinschaftlicher Erwerb. Fahrzeuge im Sinne dieser
Vorschrift sind u.a. motorbetriebene Landfahrzeuge mit einem
Hubraum von mehr als 48 Kubikzentimetern oder einer Leistung von
mehr als 7,2 Kilowatt (§ 1b Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993).
c) Der innergemeinschaftliche Erwerb wird nach
§ 3d Satz 1 UStG 1993 in dem Gebiet des Mitgliedstaates
bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung
oder Versendung befindet. Nach § 3 Abs. 6 Satz 2 UStG 1993 ist
Befördern jede Fortbewegung eines Gegenstandes. Eine
Beförderung liegt auch vor, wenn der Gegenstand der Lieferung
mit eigener Kraft fortbewegt wird, z.B. bei Kfz auf eigener Achse
(gl.A. Abschn. 30 Abs. 2 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR
- 1996/2005).
d) Ausgehend davon hat das FG zu Recht
angenommen, dass im Streitfall ein steuerbarer
innergemeinschaftlicher Erwerb des PKW in Deutschland bewirkt
wurde, weil nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die
Kläger mit dem dänischen Verkäufer des PKW
vereinbart hatten, dass Bestimmungsort des PKW X war, und der PKW
deshalb - wie sich aus dem Kaufvertrag, auf den das FG Bezug
genommen hat, ergibt - nur mit sog.
„Grenzkennzeichen“ versehen wurde. Dass die
Beförderung durch den Kläger vom 26.2.1997 bis zum
1.3.1997 kurzfristig unterbrochen wurde, ist insoweit
unschädlich (vgl. Stadie in Rau/ Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 3d Anm. 15 und § 1a Anm. 31; siehe
nunmehr auch Abschn. 42e Abs. 1 Satz 7 UStR 2002/2005 zu § 3b
Abs. 3 Satz 3 UStG 1999/2005). Diese Beurteilung trägt dem
Gedanken des Abschn. XVIa der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) Rechnung, dass die Steuereinnahmen auf den
Mitgliedstaat verlagert werden sollen, in dem der Endverbrauch der
gelieferten Gegenstände erfolgt (vgl. EuGH-Urteil vom 6.4.2006
C-245/04, EMAG Handel Eder OHG, BFH/NV 2006, Beilage 3, 294 = SIS 06 25 33, RandNrn. 30 f., 39 f.). Dies ist im Streitfall
Deutschland.
e) Der Erwerb erfolgte nach dem der Lieferung
zugrunde liegenden schuldrechtlichen Kaufvertrag durch beide
Kläger.
3. Die Vorentscheidung war jedoch aufzuheben,
weil das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass § 4b Nr. 3
UStG 1993 und Art. 10 des EWI-Sitzabkommens auf den
innergemeinschaftlichen Erwerb durch die Kläger nicht
anzuwenden sind.
a) Nach § 4b Nr. 3 UStG 1993, Art. 28c
Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ist steuerfrei der
innergemeinschaftliche Erwerb der Gegenstände, deren Einfuhr
(§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1993, Art. 2 Nr. 2, Art. 7 der
Richtlinie 77/388/EWG) nach den für die Einfuhrumsatzsteuer
geltenden Vorschriften (§ 5 UStG 1993, Art. 14 Abs. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei wäre.
b) Nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG ist u.a. steuerfrei:
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„…
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d)
|
die endgültige Einfuhr von
Gegenständen, für die eine andere als im Gemeinsamen
Zolltarif vorgesehene Zollbefreiung gilt. …
|
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g)
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die Einfuhr von Gegenständen
…
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-
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…
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|
|
-
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durch internationale Einrichtungen, die von
den Behörden des Aufnahmelandes als solche anerkannt sind,
sowie von den Mitgliedern dieser Einrichtungen, und zwar in den
Grenzen und zu den Bedingungen, die in den internationalen
Übereinkommen über die Gründung dieser Einrichtungen
oder in den Abkommen über den Sitz festgelegt sind.
…“
|
c) Soweit hier von Interesse, bestimmt das
EWI-Sitzabkommen:
„Art. 10 Befreiung von Einfuhrabgaben für
Bedienstete
Bei erstmaliger Aufnahme ihrer
Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland werden
Bedienstete des EWI und die in ihrem Haushalt lebenden
Familienmitglieder hinsichtlich der Einfuhr von in ihrem Besitz
befindlichem Übersiedlungsgut von der Zahlung von
Einfuhrabgaben befreit. Das gleiche gilt für Kraftfahrzeuge,
jedoch hinsichtlich deren Einfuhr aus Drittländern nur, wenn
sie dort vor der Einfuhr mindestens für einen Zeitraum von
sechs Monaten von dem Bediensteten benutzt worden sind. Derartige
Waren sind in der Regel innerhalb von zwölf Monaten nach der
ersten Einreise solcher Personen in die Bundesrepublik Deutschland
einzuführen; in begründeten Fällen wird diese
Zeitspanne jedoch verlängert. …“
Dieses Abkommen hat Deutschland durch Art. 1
der Verordnung zum EWI-Sitzabkommen vom 24.4.1996 (BGBl II 1996,
653) in Kraft gesetzt.
d) Entgegen der Auffassung des FG liegen die
Voraussetzungen für eine Anwendung des § 4b Nr. 3 UStG
1993 i.V.m. Art. 10 des EWI-Sitzabkommens im Streitfall vor.
aa) Das FG hat § 4b UStG 1993, der nach
deutschem Recht die Steuerbefreiung des innergemeinschaftlichen
Erwerbs allgemein regelt, im Streitfall nicht für
einschlägig gehalten. Hinsichtlich des Art. 10 des
EWI-Sitzabkommens ist es davon ausgegangen, dass diese
Vertragsbestimmung im Streitfall nicht zugunsten der Kläger
anwendbar sei, weil der PKW erst nach der erstmaligen Aufnahme der
Beschäftigung beim EWI am 6.1.1997 durch die Klägerin in
Dänemark gekauft und in Besitz genommen worden sei. Damit
handele es sich bei dem PKW nicht, wie Art. 10 des
EWI-Sitzabkommens für die Befreiung von den Einfuhrabgaben
voraussetze, um ein Kfz, das sich bei der erstmaligen Aufnahme der
Beschäftigung durch die Klägerin in deren Besitz befand;
es sei auch nicht gerechtfertigt, Art. 10 des EWI-Sitzabkommens
über seinen Wortlaut hinaus zugunsten der Kläger
auszudehnen.
bb) Dies hält bereits hinsichtlich der
Nichtanwendung des § 4b Nr. 3 UStG 1993 einer
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die
Steuerbefreiung des innergemeinschaftlichen Erwerbs folgt nicht
unmittelbar aus dem Privilegienprotokoll oder dem EWI-Sitzabkommen.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH die Einfuhrumsatzsteuer
eine Einfuhrabgabe (BFH-Urteil vom 23.5.2006 VII R 49/05, BFH/NV
2006, 1781 = SIS 06 31 71, unter II.2., letzter Absatz. gl.A.
Witte, Zollkodex, Art. 4 Rz. 2, Stichwort
„Einfuhrabgaben“; a.A. vgl. Lux/Lichtenberg in
Dorsch, Zollrecht, Art. 4 ZK Rz. 27). Dies gilt jedoch nicht
für die Umsatzsteuer auf innergemeinschaftliche Erwerbe, wie
Art. 28c Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG belegt, den der
deutsche Gesetzgeber durch § 4b Nr. 3 UStG 1993 umgesetzt hat.
Nur aufgrund der Verweisung dieser Normen führt eine Befreiung
von Einfuhrumsatzsteuer oder Einfuhrabgaben zu einer
Steuerbefreiung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs.
cc) Soweit das FG weiter die Auffassung
vertreten hat, Art. 10 Satz 1 und 2 des EWI-Sitzabkommens setzten
voraus, dass sich das Kfz bereits „bei erstmaliger
Aufnahme der Beschäftigung“ im Besitz der
Begünstigten befunden haben müsse, folgt der Senat auch
dieser Beurteilung nicht. Art. 10 Satz 1 des EWI-Sitzabkommens
setzt nach seinem Wortlaut lediglich voraus, dass sich das
Übersiedlungsgut „bei der Einfuhr“ im
Besitz der Begünstigten befindet. Die Einfuhr muss innerhalb
der durch Art. 10 Satz 3 des EWI-Abkommens vorgesehenen Frist von
12 Monaten nach der ersten Einreise erfolgen, ohne dass es
hierfür auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Beschäftigung
ankäme. Auch für die Berechnung der Sechsmonatsfrist des
Art. 10 Abs. 2 Halbsatz 2 des EWI-Sitzabkommens ist auf den
Zeitpunkt der Einfuhr und nicht auf den Zeitpunkt der Aufnahme der
Beschäftigung abzustellen.
4. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene
Umsatzsteuerbescheid war antragsgemäß aufzuheben, weil
die Voraussetzungen des Art. 10 des EWI-Sitzabkommens im Streitfall
vorliegen und der innergemeinschaftliche Erwerb der Kläger
deshalb nach § 4b Nr. 3 UStG 1993 steuerfrei ist.
a) Die Klägerin war Bedienstete des EWI
und lebte mit ihrem Ehemann, dem Kläger, in einem gemeinsamen
Haushalt. Der PKW der Kläger befand sich zum Zeitpunkt der
Beförderung nach Deutschland in ihrem Besitz. Die Befreiung
von Einfuhrabgaben auf „Übersiedlungsgut“
gilt nach Art. 10 Satz 2 Halbsatz 1 des EWI-Sitzabkommens
ausdrücklich auch für Kfz.
b) Die Einschränkung des Art. 10 Satz 2
Halbsatz 2 des EWI-Sitzabkommens, der voraussetzt, dass der
Bedienstete das Kfz vor der Einfuhr sechs Monate genutzt haben
muss, greift - entgegen der Auffassung des FA - im Streitfall nicht
ein; denn die Kläger führten den PKW nicht - was Art. 10
Satz 2 Halbsatz 2 des EWI-Sitzabkommens erfordert - aus einem
Drittland (§ 1 Abs. 2a Satz 3 UStG 1993) ein, sondern
beförderten ihn aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet
(§ 1 Abs. 2a Satz 1 UStG 1993) nach Deutschland.
aa) Der Senat geht davon aus, dass die
Vertragsparteien mit der Formulierung in Art. 10 Satz 2 des
EWI-Sitzabkommens „Das gleiche gilt für
Kraftfahrzeuge, jedoch hinsichtlich deren Einfuhr aus
Drittländern nur, wenn ...“ zum Ausdruck gebracht
haben, dass sie die Einfuhr von Kfz aus Drittländern und das
Verbringen von Kfz aus „Nicht-Drittländern“
(dem übrigen Gemeinschaftsgebiet) in das Inland
unterschiedlich behandeln wollten; das Erfordernis der vorherigen
Benutzung durch den Bediensteten sollte erkennbar nur für Kfz,
die aus Drittländern nach Deutschland verbracht werden,
gelten. Dies trifft auf den PKW der Kläger, der aus
Dänemark stammt, nicht zu.
bb) Aus der gleichzeitigen Verwendung des
Begriffs „Einfuhr“ in Art. 10 Satz 1 und 2 des
EWI-Sitzabkommens folgt nichts anderes. Die Vertragsparteien haben
zwar jedes Verbringen von Übersiedlungsgut und Kfz nach
Deutschland unterschiedslos als „Einfuhr“
bezeichnet, obwohl das Verbringen von Waren aus einem Drittland
seit der Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1993 durch
das Gesetz zur Anpassung des Umsatzsteuergesetzes und anderer
Rechtsvorschriften an den EG-Binnenmarkt vom 25.8.1992 (BGBl I
1992, 1548) zum 1.1.1993 Grundvoraussetzung der Einfuhr und das
Verbringen von Waren aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in
das Inland seither keine Einfuhr mehr ist (z.B. Husmann in
Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Anm. 1065,
1067; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 1 Rz. 468;
Weymüller in Dorsch, Zollrecht, Art. 1 Rz. 33; zur gleichen
Beurteilung im Zollrecht siehe Witte, Zollkodex, Art. 1 Rz. 6 und
Art. 4 Rz. 2, Stichworte „Drittland“ und
„Einfuhr“). Die Bezeichnung (auch) des
innergemeinschaftlichen Verbringens von Übersiedlungsgut oder
von Kfz als „Einfuhr“, die der Rechtslage vor
dem 1.1.1993 entsprach, führt dennoch nicht zur Anwendung des
Art. 10 Satz 2 Halbsatz 2 EWI-Sitzabkommen auf den Streitfall. Die
im Wortlaut des Satzes 2 klar angelegte Unterscheidung nach der
Herkunft des Kfz aus dem Gemeinschaftsgebiet oder aus einem
Drittland darf nicht nivelliert werden. Sonst würde ihr jede
praktische Wirksamkeit genommen.
c) Da die Kläger den PKW auch innerhalb
der Frist des Art. 10 Satz 3 des EWI-Sitzabkommens nach Deutschland
verbracht haben, wäre seine „Einfuhr“ von
Einfuhrabgaben befreit gewesen. Dies hätte nach der
Rechtsprechung des BFH (Urteil in BFH/NV 2006, 1781 = SIS 06 31 71,
unter II.2.) unmittelbar für die Einfuhrumsatzsteuer gegolten.
Über § 4b Nr. 3 UStG 1993, Art. 28c Teil B Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG führt Art. 10 des EWI-Sitzabkommens auch
zur Steuerbefreiung des innergemeinschaftlichen Erwerbs.
d) Der Hinweis des FG, die Gewährung
einer Steuerbefreiung führe zu einem unerwünschten
„unversteuerten Endverbrauch“ und zu einer
Ungleichbehandlung, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dass
die Vorrechte und Befreiungen des EWI-Sitzabkommens zu einem
„unversteuerten Endverbrauch“ führen, haben
die Vertragsparteien in Kauf genommen, wie z.B. das Recht des EWI
auf „Erstattung“ von Umsatzsteuer nach Art. 7
des EWI-Sitzabkommens belegt (zur Reichweite dieses Vorrechts vgl.
EuGH-Urteil vom 8.12.2005 C-20/03, EZB/Deutschland, BFH/NV Beilage
2006, 156, bzgl. EZB). Was den Grundsatz der Gleichbehandlung
anbetrifft, hat der EuGH ausgesprochen, dass die Bediensteten der
Gemeinschaft steuerrechtlichen Sonderregeln unterliegen, die sich
von anderen Arbeitnehmern unterscheiden (EuGH-Urteil vom 13.11.2003
C-209/01, Schilling, Slg. 2003, I-13389, BFH/NV 2004, Beilage 1, 4
= SIS 04 01 33, RandNr. 29). Der EuGH legt die Vorrechte und
Befreiungen der Gemeinschaft und ihrer Bediensteten weit aus, um
deren praktische Wirksamkeit nicht zu gefährden (vgl. zuletzt
Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom
29.6.2006 C-437/04, Kommission/Belgien, RandNrn. 38 ff., 42, mit
zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH).
e) Der Senat hält diese Auslegung des
Art. 10 des EWI-Sitzabkommens für gemeinschaftsrechtlich
zweifelsfrei, so dass er nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl.
Urteile vom 6.10.1982 Rs. 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415,
NJW 1983, 1257; vom 15.9.2005 C-495/03, Intermodal Transports, Slg.
2005, I-8151, BFH/NV 2006, Beilage 1, 43 = SIS 05 46 18) von einem
Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 234 Abs. 1 Buchst.
b, Abs. 3 i.V.m. Art. 117 Abs. 9 des Vertrages zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft absehen darf.
5. Ob die Klägerin und der Kläger
daneben eine Steuerbefreiung nach Art. 12 des Privilegienprotokolls
mit Erfolg geltend machen könnten, bedarf keiner
Entscheidung.