Investitionszulage, Wegfall wegen Strukturwandel: Ein Strukturwandel innerhalb der Verbleibensfrist von drei Jahren nach einer Investition in einen erhöht begünstigten Handelsbetrieb zu einem ebenfalls entsprechend begünstigten Betrieb des verarbeitenden Gewerbes führt nicht zu einem Wegfall der Investitionszulage. - Urt.; BFH 19.10.2006, III R 1/04; SIS 07 00 11
(Anmerkung der Redaktion:
vgl. auch BMF-Schreiben vom 22.5.2007, IV C 8 - S 2221/07/0002,
BStBl 2007 I S. 493 = SIS 07 19 04
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb ursprünglich
den Handel mit Agrarprodukten. Im Jahre 1997 wandelte sich die
Struktur des Unternehmens in einen Betrieb des verarbeitenden
Gewerbes. Mit ihrem Antrag auf Investitionszulage für das
Kalenderjahr 1996 (Streitjahr) begehrte die Klägerin als
Betrieb des Groß- und Einzelhandels die auf 10 v.H.
erhöhte Investitionszulage nach § 5 Abs. 4 des
Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996 aus einer
(Gesamt-)Bemessungsgrundlage von 250.000 DM für die
Anschaffung verschiedener Wirtschaftsgüter und für
Anzahlungen in Höhe von 88.367 DM auf Anschaffungskosten
für Ausrüstungsmaterial einer Trocknungsanlage.
Da die Klägerin der Aufforderung des
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) nicht nachkam,
eine Wertschöpfungsberechnung für das Streitjahr
vorzulegen, um ihren Betrieb entsprechend der überwiegenden
Tätigkeit einzuordnen, setzte das FA die Investitionszulage
mit Bescheid vom 6.4.1998 für das Streitjahr unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung auf Null DM fest. Mit Schreiben vom
26.5.1998 beantragte die Klägerin die Festsetzung zu
ändern, da sie als Handelsbetrieb (erhöht)
zulagenberechtigt sei. Die Bescheinigung der Gemeindebehörde
gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1996, dass
die Betriebsstätte im Zeitpunkt des Investitionsabschlusses
nicht in einem Gebiet gelegen habe, das durch Bebauungsplan oder
sonstige städtebauliche Satzung als Industriegebiet,
Gewerbegebiet oder als Sondergebiet festgesetzt sei, reichte die
Klägerin nach.
Mit Bescheid vom 10.7.1998 änderte das
FA die Festsetzung für das Streitjahr und setzte die
Investitionszulage nach der Regelung für Betriebe des
Groß- und Einzelhandels in § 5 Abs. 4 InvZulG 1996 in
Höhe von 10 v.H. aus einer Bemessungsgrundlage von 250.000 DM,
somit in Höhe von 25.000 DM fest. Der Bescheid stand weiterhin
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Am 7.7.1998 beantragte die Klägerin
für das Kalenderjahr 1997 als Betrieb des verarbeitenden
Gewerbes Investitionszulage in Höhe von 10 v.H. nach § 5
Abs. 3 InvZulG 1996. Hauptbestandteil des Antrags waren die
Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten der Trocknungsanlage.
Das FA lehnte die Gewährung der Investitionszulage für
das Kalenderjahr 1997 zunächst ab, weil es davon ausging, das
Unternehmen der Klägerin sei ein Handelsbetrieb und die
Bescheinigung über die Lage der Betriebsstätte sei nicht
vorgelegt worden. Im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Bescheid
für 1997 wies die Klägerin nach, dass ihr Unternehmen
jetzt ein Betrieb des verarbeitenden Gewerbes ist. Das FA half dem
Einspruch ab, da sich der Betrieb der Klägerin aufgrund der
Investitionen von einem Handels- in einen Produktionsbetrieb
gewandelt habe.
Nach einem entsprechenden Hinweis setzte
das FA mit geändertem Bescheid für das Streitjahr 1996
vom 11.5.2000 nur noch Investitionszulage in Höhe von 8.837 DM
für die Investitionen fest, die den Strukturwandel bewirkt
hatten (Anzahlungen auf Anschaffungskosten des
Ausrüstungsmaterials für die Trocknungsanlage). Die
bisher darüber hinaus für das Streitjahr festgesetzte
Investitionszulage in Höhe von 16.163 DM forderte es
zurück. Zudem setzte es Zinsen in Höhe von 1.851 DM
fest.
Der dagegen eingelegte Einspruch und die
Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist
in EFG 2004, 420 = SIS 04 12 66 veröffentlicht. Das FG
führte im Wesentlichen aus: Die Verbleibensvoraussetzungen
seien nur dann erfüllt, wenn die Voraussetzungen der
jeweiligen Begünstigungsnorm nicht nur im Zeitpunkt der
Investition, sondern während des gesamten Verbleibenszeitraums
erfüllt seien. Ein Strukturwandel von einem begünstigten
Handelsbetrieb in einen ebenfalls begünstigten Betrieb des
verarbeitenden Gewerbes sei daher zulagenschädlich. Da sich
der Strukturwandel sowohl in dem geförderten Betrieb als auch
in der geförderten Betriebsstätte vollzogen habe, fehle
es an dem erforderlichen Verbleiben in einem begünstigten
Handelsbetrieb.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung von § 5 Abs. 4 InvZulG 1996. Sie
trägt im Wesentlichen vor: Die Handelstätigkeit habe sie
ausschließlich in ihrer Betriebsstätte in H
ausgeübt. Die im Streitjahr 1996 begonnenen Investitionen in
die Trocknungsanlage, die im Folgejahr den Strukturwandel zum
verarbeitenden Gewerbe herbeigeführt hätten, hätten
die Betriebsstätte in R betroffen. Da sich die streitigen
Investitionen lediglich auf die Betriebsstätte in H
bezögen, stehe ihr, der Klägerin, nach der
betriebsstättenbezogenen Betrachtungsweise des
Bundesfinanzhofs (BFH) in dem Urteil vom 14.11.2002 III R 42/01
(BFHE 200, 178, BStBl II 2003, 362 = SIS 03 11 60) die
Investitionszulage für die Investitionen in dieser
Betriebsstätte zu. Das FG habe verkannt, dass die streitigen
Investitionen ausschließlich in der Betriebsstätte in H
getätigt worden seien.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die Investitionszulage 1996 auf 25.000 DM
festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Entgegen der Auffassung des FG führt ein
Strukturwandel, der innerhalb der Verbleibensfrist von drei Jahren
nach einer Investition in einen erhöht begünstigten
Handelsbetrieb i.S. von § 5 Abs. 4 InvZulG 1996 zu einem
ebenfalls entsprechend begünstigten Betrieb des verarbeitenden
Gewerbes i.S. von § 5 Abs. 3 InvZulG 1996 stattfindet, nicht
zu einem Wegfall der Investitionszulage.
1. Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvZulG
1996 sind Investitionen in Wirtschaftsgüter u.a. erhöht
begünstigt, wenn die Wirtschaftsgüter mindestens drei
Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum
Anlagevermögen eines Betriebs des Groß- oder
Einzelhandels des Anspruchsberechtigten gehören und in einer
Betriebsstätte des Groß- oder Einzelhandels des
Anspruchsberechtigten verbleiben. Wirtschaftsgüter, die
mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum
Anlagevermögen eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes des
Anspruchsberechtigten gehören und in einem solchen Betrieb
verbleiben, sind nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1996
ebenfalls erhöht begünstigt.
Bei wörtlicher Auslegung des § 5
Abs. 3 und 4 InvZulG 1996 liegt eine Verletzung der
Verbleibensvoraussetzungen vor, wenn in einem Betrieb während
der Verbleibensfrist verschiedene begünstigte Tätigkeiten
nacheinander ausgeübt werden. Denn bei einer Investition in
einen begünstigten Handelsbetrieb (§ 5 Abs. 4 InvZulG
1996), der sich - wie im Streitfall - innerhalb der
Verbleibensfrist von drei Jahren in einen Betrieb des
verarbeitenden Gewerbes wandelt, haben die geförderten
Wirtschaftsgüter nicht mindestens drei Jahre nach ihrer
Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines
begünstigten Handelsbetriebs gehört.
Die Klägerin wendet hiergegen zutreffend
ein, dass die Auslegung nach dem Wortlaut dem Sinn und Zweck der
Regelung nicht gerecht wird. Denn bei einem Strukturwandel
innerhalb der Verbleibensfrist von einem begünstigten
Wirtschaftszweig zu einem anderen, ebenfalls begünstigten
Wirtschaftszweig wird das Wirtschaftsgut während des gesamten
Bindungszeitraums innerhalb der begünstigten Wirtschaftszweige
eingesetzt. Damit werden die Förderzwecke, die mit der
Verbleibensvoraussetzung verfolgt werden, durchgehend verwirklicht,
ohne den Investor an einer im Einzelfall erforderlichen oder
für sinnvoll gehaltenen Umstellung des Betriebs zu hindern.
Dementsprechend sieht auch die Finanzverwaltung zu der
entsprechenden Regelung in § 2 Abs. 2, 3 InvZulG 1999 einen
Wechsel innerhalb der Begünstigungstatbestände als
unschädlich an (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen
- BMF - vom 28.6.2001, BStBl I 2001, 379 = SIS 01 11 55 i.d.F. vom
2.7.2003, BStBl I 2003, 413 = SIS 03 34 19, unter Rz. 57 ff.).
Ebenso ist nach dem BMF-Schreiben vom 20.1.2006 (BStBl I 2006, 119
= SIS 06 10 76 Rz. 56) zu § 2 InvZulG 2005 lediglich
Voraussetzung, dass das Wirtschaftsgut in einem Betrieb des
verarbeitenden Gewerbes oder in einem Betrieb bestimmter
produktionsnaher Dienstleistungen verbleibt (zustimmend auch
Rosarius in Jasper/Sönksen/ Rosarius,
Investitionsförderung, Handbuch, § 2 InvZulG 1999 Rz.
224, Dezember 2005).
2. Hiervon ausgehend kann dahinstehen, ob -
wie die Klägerin meint - in der Betriebsstätte in H nur
Handel betrieben wurde oder ob - wovon das FA und das FG ausgehen -
der Strukturwandel zum verarbeitenden Betrieb auch in der
Betriebsstätte in H stattgefunden hat, da die angeschafften
Wirtschaftsgüter jedenfalls durchgehend während der
Verbleibensfrist einem Betrieb bzw. einer Betriebsstätte eines
erhöht begünstigten Wirtschaftszweigs angehört
haben. Damit kommt für die streitigen Wirtschaftsgüter
eine erhöhte Investitionszulage in Betracht.
3. Das FG hat - von seinem abweichenden
Rechtsstandpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zu den
einzelnen von der Klägerin angeschafften
Wirtschaftsgütern, z.B. zur Höhe der Anschaffungskosten
und zur Zugehörigkeit zum Anlagevermögen getroffen. Die
Sache wird zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen daher
nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG
zurückverwiesen.