Mineralölsteuer-Haftung, Vergleich mit Lieferempfänger: 1. Ein Lieferant von versteuertem Mineralöl verliert einen Mineralölsteuervergütungsanspruch nach § 53 MinöStV nicht allein deshalb, weil er nach gerichtlicher Geltendmachung der Kaufpreisforderung mit dem Mineralölempfänger einen außergerichtlichen Vergleich abschließt, mit dem er den größten Teil der Kaufpreisforderung noch realisieren kann. - 2. Voraussetzung ist jedoch, dass der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kaufpreisforderung zahlungsunfähige Mineralölempfänger mit sämtlichen Gläubigern entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen hat und dass der Lieferant bei Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer Geschäftsführung beachtet. - Urt.; BFH 8.8.2006, VII R 28/05; SIS 06 47 44
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) belieferte eine GmbH mit
versteuertem Mineralöl. Nachdem die Forderungen aus den
Lieferungen vom 28.12.2000 bis 3.1.2001 nicht beglichen wurden,
erwirkte die Klägerin am 28.2.2001 beim Amtsgericht einen
Mahnbescheid in Höhe von ca. 350.000 DM, gegen den die GmbH
Widerspruch einlegte. Am 30.4.2001 erließ das Landgericht ein
Versäumnisurteil und verurteilte die GmbH zur Zahlung von ca.
370.000 DM. Mit Schreiben vom September 2001 beantragte die
Klägerin beim Hauptzollamt X, dessen Aufgaben nunmehr der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA - )
übernommen hat, die Vergütung des in den ausgefallenen
Forderungen enthaltenen Mineralölsteueranteils in Höhe
von ca. 240.000 DM und wies darauf hin, dass eine
Kontenpfändung zu keiner Befriedigung geführt habe. Den
Antrag lehnte das HZA unter dem Hinweis ab, dass die Klägerin
bislang keinen Nachweis über die Zahlungsunfähigkeit des
Warenempfängers beigebracht habe. Eine solche liege nur dann
vor, wenn mit sämtlichen Gläubigern ein
außergerichtlicher Liquidations- oder Quotenvergleich
zustande gekommen sei. Daraufhin schloss die Klägerin mit der
GmbH „zur Vermeidung der Durchführung eines
Insolvenzverfahrens“ einen „außergerichtlichen
Forderungsvergleich“. In dieser Vereinbarung erkannte die
GmbH die Hauptforderung aus Warenlieferungen an und verpflichtete
sich bis spätestens 28.2.2002 eine Vergleichsquote von 80 v.H.
der Hauptforderung, d.h. ca. 150.000 EUR, an die Klägerin zu
zahlen, die wiederum bereits jetzt erklärte, mit dem Erhalt
dieser Vergleichsquote auf den Rest der Hauptforderung sowie auf
sämtliche Zinsen und Kosten zu verzichten.
Nach Bezahlung der vereinbarten
Vergleichsquote durch die GmbH teilte die Klägerin dem HZA
mit, dass sich die beantragte Vergütung inzwischen auf ca.
22.000 EUR reduziert habe. Mit der Begründung, dass die
Warenempfängerin aufgrund des außergerichtlichen
Vergleichs nicht als zahlungsunfähig i.S. von § 53 Abs. 1
Nr. 3 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung
(MinöStV) angesehen werden könne, lehnte das HZA die
Vergütung ab.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (vgl.
SIS 05 33 69). Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der
Klägerin kein Vergütungsanspruch zustehe. Den Begriff der
Zahlungsunfähigkeit habe der Gesetzgeber bei der Abfassung der
Ermächtigungsvorschrift (§ 31 Abs. 3 Nr. 4 des
Mineralölsteuergesetzes - MinöStG - 1993) und des darauf
beruhenden § 53 MinöStV als bekannt vorausgesetzt und
daher nicht näher definiert. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe
unter Zahlungsunfähigkeit nach § 102 der damals geltenden
Konkursordnung (KO) das auf den Mangel an Zahlungsmitteln beruhende
dauernde Unvermögen des Schuldners verstanden, seine sofort zu
erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu
erfüllen. In einem ähnlichen Sinne verwende § 17
Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) den Begriff der
Zahlungsunfähigkeit. Ob Zahlungsunfähigkeit vorliege, sei
regelmäßig eine Tatfrage, die sich nur aus der
Gesamtlage des Schuldners, dem Gesamtverhalten seiner
Gläubiger und der in Zukunft zu erwartenden Entwicklung
beurteilen lasse.
Im Streitfall gehe es jedoch nicht um einen
Forderungsausfall der Klägerin wegen Zahlungsunfähigkeit
der belieferten GmbH, sondern um einen vom Lieferanten selbst
erklärten Forderungsverzicht. Im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung sei die Klägerin nicht mehr im Besitz
einer ausstehenden Forderung gewesen. Ohne Belang sei der Umstand,
dass der außergerichtliche Vergleich zur Vermeidung der
Durchführung eines Insolvenzverfahrens geschlossen worden sei.
Die Abgabe einer Verzichtserklärung sei Ausdruck einer
selbstbestimmten kaufmännischen Entscheidung. Die Mitteilung
des HZA könne als unzutreffende Rechtsauskunft der
Sachbearbeiterin angesehen werden, aus der sich allenfalls
Amtshaftungsansprüche ergeben könnten. Auch eine
verbindliche Zusage, auf die der Vergütungsanspruch
gestützt werden könnte, liege nicht vor.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Bei der
Entlastungsregelung handle es sich um eine Billigkeitsregelung. Es
komme daher nicht auf den Gesetzeswortlaut, sondern nur auf das
nach einer wertenden Gesamtbetrachtung festzustellende, dem
einzelnen Mineralölhändler Zumutbare an. Bei richtiger
Auslegung von § 53 MinöStV könne der
Vergütungsanspruch nur versagt werden, wenn der
Mineralölhändler mit der Forderung unachtsam und in einer
die eigenen Obliegenheiten verletzenden Weise umgehe. Solange er
sich nicht missbräuchlich verhalte, dürfe ihm die
Vergütung nicht versagt werden. Hinsichtlich der Auslegung des
Begriffes Zahlungsunfähigkeit sei auf die insolvenzrechtliche
Legaldefinition zurückzugreifen. Seien wie im Streitfall
Indizien für die Zahlungsunfähigkeit, wie ein fruchtloser
Pfändungsversuch, vorhanden, habe sich das HZA damit zu
begnügen, es sei denn, die von ihm gewonnenen Erkenntnisse
deuteten auf einen Missbrauch hin. Im Streitfall hätte das FG
die Frage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH
nicht dahingestellt sein lassen dürfen. Denn der Bestand der
Kaufpreisforderung sei keine Voraussetzung für den
Vergütungsanspruch. Deshalb dürfe der Klägerin die
mit der Warenempfängerin getroffene Vergleichsvereinbarung
nicht zum Nachteil gereichen. Im Übrigen habe das FG
angebotene Beweise nicht erhoben und damit seine
Sachaufklärungspflicht verletzt. Es komme im Streitfall
entscheidungserheblich darauf an, welche Auskünfte die
Sachbearbeiterin des HZA erteilt habe. Denn nur im Hinblick auf
deren Rechtsauskunft habe die Klägerin mit der GmbH einen
Vergleich geschlossen. In Ergänzung ihres Vortrags hat die
Klägerin Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass sich
das Bundesministerium der Finanzen in einem anderen Fall, der nach
Ansicht der Klägerin eine identische Sachverhaltslage
aufweist, mit der Gewährung eines Vergütungsanspruchs
einverstanden erklärt hat.
Das HZA schließt sich im Wesentlichen
den Ausführungen des FG an und beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen. Hinsichtlich der von der
Klägerin vorgelegten Unterlagen weist das HZA darauf hin, dass
dieser Fall noch nicht abschließend entschieden worden sei
und dass die Zahlungsunfähigkeit deshalb anerkannt werden
könne, weil die Firma des Abnehmers aufgelöst und wie im
Falle einer Insolvenz vollständig abgewickelt werden solle.
Darin liege ein wesentlicher Unterschied zum Streitfall.
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat zu Unrecht geurteilt, dass der
Klägerin ein Vergütungsanspruch nach § 53
MinöStV allein schon deshalb nicht zusteht, weil sie im Rahmen
des Abschlusses eines außergerichtlichen Vergleichs auf einen
Teil der Kaufpreisforderung verzichtet hat.
1. Nach § 53 Abs. 1 MinöStV wird dem
Verkäufer von nachweislich nach § 2 MinöStG 1993
versteuertem Mineralöl auf Antrag die im Verkaufspreis
enthaltene und beim Warenempfänger wegen
Zahlungsunfähigkeit ausgefallene Steuer erstattet oder
vergütet, wenn der Zahlungsausfall trotz vereinbarten
Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der
Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug
unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht
zu vermeiden war.
a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden
Senats müssen die in § 53 Abs. 1 MinöStV genannten
Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, so dass mangels
Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch entfällt,
wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist
(Senatsurteil vom 22.5.2001 VII R 33/00, BFHE 195, 78, 81 = SIS 01 11 48). Zu ihnen gehört der Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit des Abnehmers und der durch dieses
Ereignis bedingte Ausfall einer bestehenden Kaufpreisforderung.
b) Die Verordnungsermächtigung zur
Normierung des Entlastungstatbestandes des § 53 MinöStV,
die durch das Solidaritätsgesetz vom 24.6.1991 (BGBl I 1991,
1318) erstmals in das MinöStG aufgenommen worden ist, sowie
§ 53 MinöStV selbst setzen den Begriff der
Zahlungsunfähigkeit voraus, ohne ihn näher zu definieren.
Auch nach der Insolvenzrechtsreform und In-Kraft-Treten der aus ihr
hervorgegangenen InsO wurden diese Regelungen, die noch unter
Geltung der KO konzipiert worden sind, nicht mehr verändert,
insbesondere nicht an § 18 InsO (neuer Eröffnungsgrund
der drohenden Zahlungsunfähigkeit) angepasst. In der amtlichen
Begründung (BTDrucks 12/561, S. 16) zur Aufnahme der
Verordnungsermächtigung in das Mineralölsteuerrecht
heißt es: „Die Regelung zielt darauf ab, das Risiko
des Steuerausfalls unter Berücksichtigung eines angemessenen
Selbstbehalts sachentsprechend dem Steuergläubiger zuzuweisen.
Der Mineralölhandel wird steuertechnisch mit der
Mineralölsteuer belastet, die der Handel über den
Verkaufspreis bis zum Verbraucher als den eigentlichen Adressat der
Mineralölsteuer als Verbrauchsteuer weitergibt. Bei einem
Ausfall der Forderung verbleibt nach der derzeitigen Rechtslage
eine Steuerbelastung beim Händler, deren teilweise Beseitigung
mittels Vergütung oder Erstattung der Steuer durch den Fiskus
erfolgen soll.“ Diesen Ausführungen ist lediglich zu
entnehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die steuerliche
Entlastung des Mineralölhändlers von einem
Forderungsausfall, d.h. von einer Uneinbringlichkeit der
Kaufpreisforderung, abhängig gemacht werden sollte.
c) Die in die Ermächtigungsvorschrift
aufgenommenen zusätzlichen Kriterien weisen auf zwei weitere
Voraussetzungen für die Gewährung des
Entlastungsanspruchs hin. Zum einen soll die Entlastung nur
derjenige erhalten, der sich ernsthaft um die Durchsetzung seiner
Forderungen bemüht und soweit erforderlich auch gerichtliche
Schritte einleitet; zum anderen wird ein Entlastungsanspruch
verwehrt, wenn lediglich ein vorübergehendes Unvermögen
des Schuldners vorliegt, die von ihm geschuldete Leistung zu
erbringen und die entsprechenden Zahlungen vorzunehmen. Denn der
Forderungsausfall muss auf den Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zurückzuführen
sein, so dass bloße Zahlungsverzögerungen und
Zahlungsstockungen nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der
Vorschrift nicht ausreichen. Dies rechtfertigt die Annahme, dass
sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Entlastungsregelung
vom Begriff der Zahlungsunfähigkeit in § 102 KO hat
leiten lassen. Nach der bis zum 31.12.1998 geltenden Vorschrift
setzte die Eröffnung des Konkursverfahrens die
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraus, wobei eine solche
insbesondere dann anzunehmen war, wenn der Schuldner seine
Zahlungen eingestellt hatte. Insbesondere die auf eine
Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen
des Warenempfängers zurückzuführenden
Forderungsausfälle hatte die Mineralölwirtschaft
wiederholt zum Anlass genommen, von der Finanzverwaltung eine
entsprechende Entlastung von der im ausgefallenen Kaufpreis
enthaltenen Mineralölsteuer zu fordern (vgl. Schmidt in
Steuer-Kongress-Report 1973, S. 363, 389). Dieses Anliegen wurde
von der Mineralölwirtschaft auch in die Beratungen über
das Solidaritätsgesetz eingebracht (Jatzke, Das System des
deutschen Verbrauchsteuerrechts unter Berücksichtigung der
Ergebnisse der Verbrauchsteuerharmonisierung in der
Europäischen Union, S. 258).
d) Eine die Zahlungsunfähigkeit
indizierende Zahlungseinstellung (§ 102 Abs. 2 KO) liegt vor,
wenn für die beteiligten Verkehrskreise nach außen hin
erkennbar geworden ist, dass der spätere Schuldner wegen eines
voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine
fälligen und vom jeweiligen Gläubiger ernsthaft
geforderten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann, wobei
nicht gefordert wird, dass der Schuldner sämtliche Zahlungen
einstellt oder dass Gläubiger bereits
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen haben (vgl. Urteile
des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 27.4.1995 IX ZR 147/94,
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - ZIP - 1995, 929, und vom
13.4.2000 IX ZR 144/99, ZIP 2000, 1016, jeweils m.w.N.). Allerdings
werden erfolglose Vollstreckungsversuche oder die Abgabe der
eidesstattlichen Versicherung regelmäßig den Schluss
rechtfertigen, dass der Schuldner dauerhaft nicht mehr in der Lage
ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen und die Zahlung
deshalb eingestellt hat. Eine einmal nach außen hin in
Erscheinung getretene Zahlungseinstellung wirkt grundsätzlich
fort und kann nur dadurch beseitigt werden, dass die Zahlungen an
die Gesamtheit der Gläubiger im Allgemeinen wieder aufgenommen
werden (BGH-Urteil vom 25.10.2001 IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100). Der
Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs führt
somit nicht ohne weiteres zur Beseitigung der eingetretenen
Zahlungsunfähigkeit. Eine solche kann vielmehr fortbestehen,
insbesondere in den Fällen, in denen es dem Schuldner nicht
gelingt, die Zahlungen nach Erfüllung der Vergleichsquote
allgemein wieder aufzunehmen.
e) Ein an den konkurs- bzw.
insolvenzrechtlichen Vorgaben orientiertes Verständnis der
Entlastungsregelung belegt auch die erste Verwaltungsanweisung zur
Bestimmung des Beginns der Frist, innerhalb derer nach Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der Entlastungsanspruch
geltend zu machen ist (Vorschriftensammlung der
Bundesfinanzverwaltung–Nachrichten - VSF N - 25 96).
Ausweislich Abs. 3 der aktuellen Fassung der Verwaltungsvorschrift
zu § 53 MinöStV in VSF N 34 2005 wird der Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit weiterhin nach diesen Kriterien bestimmt,
die im Wesentlichen mit der Rechtsprechung des BGH zum Begriff der
Zahlungsunfähigkeit übereinstimmen. Lediglich die
ursprünglich vorgesehene Alternative, dass mit sämtlichen
Gläubigern ein außergerichtlicher Liquidations- oder
Quotenvergleich zustande gekommen ist, wurde zusammen mit der
erstgenannten Verwaltungsanweisung wieder aufgehoben.
2. Entgegen der Auffassung des FG lässt
sich den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in der Verordnung (EG)
Nr. 1346/2000 (VO Nr. 1346/2000) des Rates vom 29.5.2000 über
Insolvenzverfahren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
- ABlEG - Nr. L 160/1) nichts über die Auslegung des Begriffes
der Zahlungsunfähigkeit des § 53 Abs. 1 MinöStV
entnehmen. Denn gemäß Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 1346/2000
bleibt das Recht des Mitgliedstaates unberührt, die
Voraussetzungen zu regeln, unter denen ein Insolvenzverfahren
eröffnet und durchgeführt wird. Die Anwendung der
gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeitsregelungen und
Kollisionsnormen setzt also eine Sach- und Rechtslage voraus, nach
der nach nationalen Vorschriften ein Gesamtverfahren
(Insolvenzverfahren) nach Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 1346/2000
überhaupt eröffnet werden kann. Darüber hinaus
würde die Annahme des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit
i.S. von § 53 Abs. 1 MinöStV erst bei Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens den Anwendungsbereich der
Entlastungsregelung in einem unvertretbaren Maße einengen.
Eine solche - über die Festlegungen der Konkurs- und
Insolvenzordnung hinausgehende - Beschränkung des Begriffes
der Zahlungsunfähigkeit könnte nach Auffassung des Senats
weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck der
Entlastungsvorschrift in Einklang gebracht werden.
3. Ob eine Zahlungsunfähigkeit des
Warenempfängers vorliegt, ist eine vom Tatrichter anhand der
Verkehrsanschauung zu beurteilende Frage, bei der die
Gesamtumstände zu würdigen sind. Die Erwägungen des
Instanzgerichts können nur daraufhin überprüft
werden, ob der Begriff der Zahlungsunfähigkeit unter Beachtung
der konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Vorgaben rechtlich
zutreffend angewandt worden ist und die Feststellungen
verfahrensfehlerfrei getroffen worden sind (BGH-Urteile vom
15.11.1990 IX ZR 92/90, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift
für Wirtschafts- und Bankrecht 1991, 150, und vom 1.3.1984 IX
ZR 34/83, ZIP 1984, 809).
4. Im Streitfall hat das FG Erwägungen
zum Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers
zu Unrecht nicht angestellt und stattdessen die Frage
ausdrücklich offengelassen. Feststellungen über die
Erfüllung der in § 53 Abs. 1 MinöStV normierten
Anspruchsvoraussetzungen wären allerdings erforderlich
gewesen, denn der Entlastungsanspruch kann nicht allein deshalb
versagt werden, weil der Mineralölhändler - wie andere
Gläubiger auch - mit dem Warenempfänger einen
außergerichtlichen Vergleich abschließt und dazu
beiträgt, den Forderungsausfall so gering wie möglich zu
halten. Sofern der Mineralölhändler die von ihm nach
§ 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV geforderten Maßnahmen
rechtzeitig eingeleitet und bei Abschluss des
außergerichtlichen Liquiditäts- oder Quotenvergleichs
die Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer
Geschäftsführung beachtet hat, besteht ein Anspruch auf
die von ihm beantragte Entlastung auch dann, wenn der Ausfall der
gesamten Kaufpreisforderung nur durch einen teilweisen Erlass der
Schuld (§ 397 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -
) verhindert werden konnte. Denn das Wesen eines Vergleichs besteht
im gegenseitigen Nachgeben (vgl. § 779 Abs. 1 BGB), wozu auch
die zumindest teilweise Aufgabe von Rechtsansprüchen
gehört.
Die Annahme, dass der Gesetz- bzw.
Verordnungsgeber den Entlastungsanspruch bei Abschluss eines
außergerichtlichen Vergleichs - der in der Regel einen
teilweisen Forderungsverzicht gerade voraussetzt - von vornherein
hat ausschließen wollen, findet nach Auffassung des
erkennenden Senats keine Stütze in den maßgebenden
Rechtsvorschriften. Dass selbst die Finanzverwaltung die Regelungen
nicht in diesem Sinne verstanden hat, belegt die erste Fassung der
Verwaltungsanweisung zur Berechnung der nach § 53 Abs. 2 Satz
1 MinöStV zu beachtenden Ausschlussfrist, die noch von der
grundsätzlichen Möglichkeit des Abschlusses eines
außergerichtlichen Liquidations- und Quotenvergleichs
ausging. Die nunmehr entgegenstehende Verwaltungsanweisung, nach
der Zahlungsunfähigkeit nicht vorliegt, wenn Verkäufer
und Warenempfänger einen außergerichtlichen Vergleich
über die offene Forderung abgeschlossen haben, findet keine
Stütze in den einschlägigen Rechtsvorschriften und kann
daher der Klägerin nicht anspruchsvernichtend entgegengehalten
werden. Denn entscheidend für die Begründung des
Entlastungsanspruchs ist u.a. die auf Zahlungsunfähigkeit des
Warenempfängers zurückzuführende Nichtbegleichung
einer Kaufpreisforderung (Forderungsausfall). Diese Voraussetzungen
können selbst nach Abschluss eines außergerichtlichen
Vergleichs in Bezug auf den erlassenen Teil der Schuld noch
vorliegen. Aber selbst wenn der Warenempfänger nach Abschluss
und erfolgreicher Abwicklung eines Quotenvergleichs seine
Zahlungsfähigkeit wiedererlangen sollte, bleibt es bei dem
Umstand, dass der durch den Verzicht bewirkte endgültige
Forderungsausfall auf die ursprüngliche
Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers
zurückzuführen ist, die zumindest zum Zeitpunkt der
Fälligkeit der Kaufpreisforderung bestanden haben muss.
5. Entgegen der Auffassung des FG setzt der
Entlastungsanspruch des § 53 MinöStV nicht voraus, dass
die ausgefallene Forderung im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung noch in vollem Umfang besteht. Dieses
Erfordernis lässt sich auch den Regelungen in § 53 Abs. 3
Satz 1 und 4 MinöStV nicht entnehmen, nach der die Erstattung
oder Vergütung unter der auflösenden Bedingung einer
nachträglichen Leistung des Warenempfängers erfolgt und
das HZA anordnen kann, dass der Verkäufer seine Forderung
gegen den Warenempfänger in Höhe des ausgefallenen
Steuerbetrags an die Bundesrepublik Deutschland abtritt. Denn zum
einen schließt auch ein Erlass - z.B. nach Anfechtung oder
Abänderung des Erlassvertrags - nachträgliche Zahlungen
des Schuldners nicht von vornherein aus, zum anderen eröffnet
§ 53 Abs. 3 Satz 4 MinöStV für die Finanzverwaltung
einen Ermessensspielraum, so dass das HZA grundsätzlich von
der Anordnung einer Forderungsabtretung absehen kann.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der
Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs auch im
Interesse des Steuergläubigers liegen kann, wenn sich
nämlich durch dieses Vorgehen zumindest ein Teil der
ausstehenden Forderungen noch realisieren lässt und ein
Totalausfall verhindert werden kann. Die ausnahmslose Versagung des
Entlastungsanspruchs bei Abschluss eines außergerichtlichen
Vergleichs würde dem Anliegen des Gesetzgebers nicht gerecht,
durch die in § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV geforderten
Maßnahmen den Forderungsausfall so gering wie möglich zu
halten und die Allgemeinheit vor vermeidbaren Belastungen zu
schützen. Um den Entlastungsanspruch nach § 53
MinöStV nicht zu gefährden, müsste sich der
Mineralölhändler nach der Verwaltungsauffassung jeglichen
Vergleichsverhandlungen mit dem Warenempfänger
verschließen und selbst das Angebot einer nahezu
vollständigen Begleichung der offenen Forderungen
zurückweisen. Wie der Streitfall zeigt, ist es nicht
ausgeschlossen, dass es dem Mineralölhändler im Wege
eines Insolvenz- oder Quotenvergleichs gelingen kann, den
größten Teil der Kaufpreisforderung doch noch zu
realisieren. Will er sich in diesem Fall den
mineralölsteuerrechtlichen Entlastungsanspruch erhalten, hat
er jedoch die Grundsätze ordnungsgemäßer
kaufmännischer Geschäftsführung zu beachten und darf
sich nicht auf einen Vergleich einlassen, der ihn im
Verhältnis zu anderen Gläubigern unangemessen
benachteiligt.
6. Ergänzend weist der erkennende Senat
darauf hin, dass entgegen der Ansicht der Klägerin § 53
MinöStV keine reine Billigkeitsregelung darstellt. Denn durch
die Normierung eines Katalogs an Anspruchsvoraussetzungen wird die
Regelung gerade aus dem Bereich der Billigkeit herausgehoben und
als Rechtsanspruch ausgestaltet (Senatsurteil vom 1.12.1998 VII R
21/97, BFHE 187, 177, 192 = SIS 99 04 83). Deshalb kann die
Überprüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des
Vergütungsanspruchs auch nicht darauf beschränkt werden,
ob sich der Mineralölhändler missbräuchlich
verhalten hat und deshalb die begehrte Entlastung - etwa aufgrund
seiner Entlastungsunwürdigkeit - nicht verdient. Vielmehr hat
der Verordnungsgeber in § 53 Abs. 1 MinöStV genau
bestimmte Voraussetzungen festgelegt, deren Erfüllung von
jedem Mineralölhändler verlangt werden kann.
7. Soweit die Klägerin eine Verletzung
der dem FG nach § 96 FGO obliegenden
Sachaufklärungspflicht und die Nichtvernehmung der benannten
Zeugin rügt, ist diese Rüge nicht
ordnungsgemäß erhoben. Denn hierzu ist u.a. darzulegen,
dass die weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage
des materiellen Rechtsstandpunkts des FG zu einer anderen
Entscheidung hätte führen können (Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 69, m.w.N.). Dies
leistet die Revision nicht. Vielmehr richtet sich das Vorbringen
der Klägerin gegen die vom FG vorgenommene rechtliche
Würdigung der von der Sachbearbeiterin des HZA erteilten
Rechtsauskunft. Der geltend gemachte Verfahrensfehler wird damit
nicht in der erforderlichen Weise belegt.
8. Sofern sich die Klägerin in der
Revisionsbegründung erstmals auf einen anderen
Vergütungsfall berufen hat, der von der Finanzverwaltung
angeblich günstiger beurteilt worden sei, handelt es sich um
neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht
berücksichtigt werden kann.
9. Die rechtliche Beurteilung des Streitfalls
erfordert eindeutige Feststellungen zu den in § 53 Abs. 1
MinöStV normierten Anspruchsvoraussetzungen insbesondere zum
Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit der Warenempfängerin im
Zeitpunkt der Fälligkeit der Kaufpreisforderung. Dies wird das
FG nunmehr nachzuholen haben. Dabei wird auch zu klären sein,
aus welchen Mitteln die Vergleichsquote beglichen worden ist, und
ob auf diese Mittel zu einem früheren Zeitpunkt eine
Zugriffsmöglichkeit für die Klägerin bestanden hat.
Hinsichtlich des von der Klägerin abgeschlossenen
Quotenvergleichs wird zu prüfen sein, ob die Klägerin die
Grundsätze ordnungsgemäßer kaufmännischer
Geschäftsführung beachtet hat und im Rahmen der mit
sämtlichen Gläubigern abzuschließenden
Vereinbarungen nicht unangemessen benachteiligt worden ist. Da das
FG seiner Entscheidung eine von der Auffassung des Senats
abweichende Auslegung von § 53 MinöStV zugrunde gelegt
hat, war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Streitsache
aus den vorgenannten Gründen dem FG zurückzugeben.