Grundsteuererlass, Voraussetzungen: Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Der Streitfall betrifft die Frage, ob ein Grundsteuererlass gemäß § 33 Abs. 1 GrStG nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt oder auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann. - Urt.; BFH 13.9.2006, II R 5/05; SIS 06 42 34
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine
vermögensverwaltende Immobilien-KG, erstellte 1994 auf einem
eigenen Grundstück in Berlin nach einer vorausgegangenen
Markt- und Standortanalyse ein Bürogebäude, das zur
vollständigen Vermietung an verschiedene Mieter bestimmt war.
Das Gebäude weist eine Bürofläche von 22.257 qm,
Lagerräume von 461 qm und eine Tiefgarage mit 320
Stellplätzen auf. Das Grundstück ist zum 1.1.1995 im
Ertragswertverfahren als Geschäftsgrundstück bewertet
worden. Eine ursprünglich zusätzliche Feststellung,
wonach es sich um ein Betriebsgrundstück handele, ist auf
einen Einspruch der Klägerin hin aufgehoben worden. Der
Grundsteuermessbetrag ist zum 1.1.1995 auf ... DM festgesetzt
worden. Dies ergab für 1998 eine Grundsteuer von ... DM, die
gemäß § 27 Abs. 3 des Grundsteuergesetzes (GrStG)
durch öffentliche Bekanntmachung festgesetzt wurde.
Im März 1999 beantragte die
Klägerin, die Grundsteuer 1998 gemäß § 33 Abs.
1 GrStG in Höhe von 32,09 v.H., nämlich in Höhe
eines Teilbetrages von ... DM, zu erlassen, da das Gebäude
teilweise leer stehe und die Mieten für die vermieteten
Flächen hinter der ortsüblichen Miete weit
zurückblieben. Den zu erlassenden Steueranteil hatte die
Klägerin auf der Grundlage einer üblichen Miete von 25
DM/qm für die Büroräume, 10 DM/qm für die
Lagerräume und 150 DM für die Stellplätze wie folgt
berechnet:
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1. Jahres-Sollertrag
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25 DM x 22.257 x 12 =
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6.677.100 DM
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10 DM x 461 x 12 =
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55.320 DM
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150 DM x 320 x 12 =
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576.000 DM
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7.308.420 DM
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(100,00 v.H.)
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./. erzielte Jahresmiete
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4.377.075 DM
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(
59,79 v.H.)
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Ertragsminderung
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2.931.345 DM
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(
40,11 v.H.)
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2. 4/5 von 40,11 v.H. ergeben
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32,09 v.H.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) lehnte einen Erlass mit Verfügung vom
9.12.1999 und Einspruchsentscheidung vom 3.7.2000 ab, da die
Leerstände und niedrigen Mieten nicht durch atypische
Umstände, sondern strukturell bedingt und überdies nicht
vorübergehend, sondern von Dauer seien. Außerdem habe
die Klägerin nicht nachgewiesen, die Vermietungsobjekte
„erheblich unter der üblichen Miete angeboten“ zu
haben.
Auch die daraufhin erhobene Klage blieb
erfolglos. Zur Begründung hatte die Klägerin vorgetragen,
trotz umfangreicher Vermietungsbemühungen, bei denen sie die
geforderte Miete auf 21 DM/qm herabgesetzt habe, habe sie im Jahr
1998 nur Büromieten von 22 DM/qm erzielen können und
seien 8.111 qm (36,44 v.H.) der gesamten Bürofläche sowie
157 Stellplätze (49,06 v.H.) gar nicht zu vermieten gewesen.
Der Leerstand habe dabei nicht immer dieselben Räume
betroffen.
Das Finanzgericht (FG; vgl. SIS 05 28 65)
nahm an, der normale Rohertrag sei im Wege eines Fremdvergleichs
danach zu bestimmen, was andere Objekte vergleichbarer
Beschaffenheit erbringen. Dazu bräuchten jedoch keine weiteren
Feststellungen getroffen zu werden, weil ein Erlass nur bei
atypischen Fallgestaltungen in Betracht komme und eine solche im
Streitfall nicht vorliege. Die Klägerin sei von dem
gerichtsbekannten Preisverfall auf dem Vermietungsmarkt für
Büroräume im Land Berlin infolge eines strukturell
bedingten Überangebots nicht in größerem Maß
betroffen als andere. Die Versagung des Erlasses stelle auch keinen
Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) dar. Die Beschränkung eines Erlasses nach
§ 33 Abs. 1 GrStG auf atypische Fallgestaltungen diene
vielmehr der Wahrung des Gleichbehandlungsgebots. Strukturell
bedingte Ertragsminderungen seien Ausdruck der allgemeinen
wirtschaftlichen Verhältnisse und von allen
Grundeigentümern solange hinzunehmen, wie ihnen nicht durch
eine neue Hauptfeststellung Rechnung getragen werden könne. Im
Übrigen habe die Klägerin die Ertragsminderung zu
vertreten. Sie habe ihre Gewerberäume zu einer
überhöhten Miete von 21 DM/qm angeboten und damit den
teilweisen Leerstand selbst verursacht. Angesichts der
Aussichtslosigkeit einer Vollvermietung zu diesem Mietpreis sei ihr
zuzumuten gewesen, die Mietforderungen auf den Betrag
herabzusetzen, den die Mietinteressenten zu bezahlen bereit waren.
Bei der als Objektsteuer ausgestalteten Grundsteuer obliege es dem
Grundstückseigentümer, „auch den
geringstmöglichen Ertrag aus dem Objekt zu
erzielen“.
Mit der Revision rügt die
Klägerin eine fehlerhafte Anwendung des § 33 Abs. 1
GrStG. Das FG habe zu Unrecht angenommen, sie, die Klägerin,
habe die Minderung des Rohertrags zu vertreten. Vielmehr sei der
teilweise Leerstand nicht zu verhindern gewesen, obwohl sie Mieten
von nur noch 21 DM/qm verlangt habe und damit unter der
üblichen Miete geblieben sei. Angesichts des
Angebotsüberhangs bei Büroräumen hätten sich
einfach nicht genügend Mieter gefunden. Im Übrigen setzt
sich die Klägerin mit der Rechtsprechung der
Verwaltungsgerichte auseinander, wonach strukturbedingte
Mietausfälle für veränderte Wertverhältnisse
sprächen, denen erst bei einer neuen Hauptfeststellung
Rechnung zu tragen sei. Nach Ansicht der Klägerin könne
aber auch eine neue Hauptfeststellung nicht zu einer
Grundsteuerentlastung ertragloser Mieträume führen. Dabei
käme dem Leerstand im Einzelfall für die
Grundsteuerbelastung keine Bedeutung zu, weil auch die mangels
Mieternachfrage leer stehenden Räume mit Hilfe eines
typisierenden Maßstabs für nach Art, Lage und
Ausstattung vergleichbare Grundstücke zu bewerten wären,
wie sich aus § 79 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) ergebe.
Die Tatsache, dass Leerstandsflächen ebenso bewertet werden
wie vermietete Flächen - nämlich mit der üblichen
Miete - verstoße aber gegen den Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG. Dies auszugleichen, sei Sinn und Zweck des § 33
Abs. 1 GrStG.
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung der Vorentscheidung, der Ablehnungsverfügung vom
9.12.1999 sowie der Einspruchsentscheidung vom 3.7.2000 das FA zu
verpflichten, die Grundsteuer 1998 in Höhe eines Teilbetrages
von ... DM zu erlassen.
Das FA ist der Revision
entgegengetreten.
II. Die Aufforderung zum Beitritt beruht auf
§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil das
Revisionsverfahren II R 5/05 mit der Grundsteuer eine auf
Bundesrecht beruhende Abgabe und mit dem GrStG sowie dem BewG eine
Rechtsstreitigkeit über Bundesrecht betrifft. Die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu § 33
GrStG (Urteile vom 3.5.1991 8 C 13.89, BStBl II 1992, 580 = SIS 92 25 01, sowie vom 4.4.2001 11 C 12.00, BVerwGE 114, 132, BStBl II
2002, 889 = SIS 02 03 42) versagt in Fällen strukturell
bedingter Ertragsminderungen von gewisser Dauer einen
Grundsteuererlass und verweist die Grundstückseigentümer
auf eine neue Hauptfeststellung, die aber zur Zeit gesetzlich
ausgesetzt ist. Deswegen empfehlen die Verwaltungsgerichte den
Grundstückseigentümern in derartigen Fällen, die der
Grundsteuererhebung dienenden Einheitswerte des Grundvermögens
auf dem Finanzrechtsweg anzugreifen (so in dem Fall, der dem
Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.10.2005 II B 106/04,
BFH/NV 2006, 253 = SIS 06 07 44 zugrunde lag) und dort die
Verfassungswidrigkeit der Aussetzung einer neuen Hauptfeststellung
mit der Folge eines überlangen Hauptfeststellungszeitraums
geltend zu machen. Es fragt sich aber, ob nicht erst die Auslegung
des § 33 Abs. 1 GrStG durch das BVerwG dazu geführt hat,
dass den Steuerpflichtigen in derartigen Fällen - soweit
überhaupt - nur durch eine neue Hauptfeststellung geholfen
werden kann, und ob nicht bereits durch eine wortlautgerechte oder
zumindest durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 33
GrStG - beides ginge einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG vor -
ein Ergebnis gefunden werden kann, bei dem es auf den Zeitpunkt der
nächsten Hauptfeststellung nicht ankommt. Eine derartige
Auslegung brauchte lediglich zum ursprünglichen
Verständnis dieser Vorschrift (dazu Drosdzol in Kommunale
Steuer-Zeitschrift - KStZ - 2001, 183, unter 2. b bb)
zurückzufinden. Nach Lage der Dinge wird es dazu der Anrufung
des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes
bedürfen.
A.
Beurteilung des Streitfalls durch den BFH
1. Ist bei bebauten Grundstücken der
normale Rohertrag um mehr als 20 v.H. gemindert und hat der
Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten, so
wird die Grundsteuer gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG
in Höhe des Prozentsatzes erlassen, der 4/5 des Prozentsatzes
der Minderung entspricht. Unter dem normalen Rohertrag eines
bebauten Grundstücks, dessen Wert im Ertragswertverfahren zu
ermitteln ist, ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2
GrStG die Jahresrohmiete zu verstehen, die bei einer
Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums - d.h. des
Kalenderjahres, für das die jahresweise zu erhebende und ggf.
zu erlassende Steuer festgesetzt worden ist - maßgebend
wäre. Jahresrohmiete wiederum ist gemäß § 79
Abs. 1 BewG das Gesamtentgelt, das der Mieter (Pächter)
für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher
Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für
ein Jahr zu entrichten hat. Ist das Grundstück oder sind Teile
desselben eigengenutzt, ungenutzt - d.h. auch leer stehend -, zu
vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen,
gilt gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG als
Jahresrohmiete die übliche Miete, die gemäß Abs. 2
Satz 2 der Vorschrift in Anlehnung an die für Räume
gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung
regelmäßig gezahlte Jahresrohmiete zu schätzen ist.
Die übliche Miete gilt gemäß § 79 Abs. 2 Satz
1 Nr. 2 BewG auch dann als Jahresrohmiete, wenn die Räume
für eine um mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete
abweichende Miete vermietet sind.
a) Damit gibt es zwei mögliche
Bezugsgrößen, an denen eine etwaige Ertragsminderung zu
messen ist, nämlich zum einen die vereinbarte Jahresrohmiete
und zum anderen die übliche Miete, und zwar jeweils vom Beginn
des Erlasszeitraums. Dass diese durch § 79 Abs. 1 und 2 BewG
vorgegebene Unterscheidung der Bezugsgrößen im Rahmen
der Einheitsbewertung des Grundvermögens bei Fortschreibungen
oder Nachfeststellungen keine Rolle mehr spielt und stattdessen
durchgehend auf die übliche Miete zum
Hauptfeststellungszeitpunkt abgestellt wird, ist in der
Unmöglichkeit begründet, die tatsächlich erzielten
Mieten vom Fortschreibungs- bzw. Nachfeststellungszeitpunkt auf die
Mieten nach den Wertverhältnissen vom
Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 zurückzurechnen (dazu
BFH-Urteil vom 15.10.1986 II R 230/81, BFHE 148, 174, BStBl II
1987, 201 = SIS 87 03 12, sowie Rössler/Troll,
Bewertungsgesetz, Kommentar, Stand Dezember 2005, § 79 Anm.
103). Die Notwendigkeit einer derartigen Rückrechnung
entfällt aber bei Anwendung des § 33 GrStG, soweit in
dessen Abs. 1 Satz 3 der Beginn des Erlasszeitraums als
Hauptfeststellungszeitpunkt fingiert wird.
b) Diese unterschiedlich definierten
Jahresrohmieten für tatsächlich vermietete Räume
einerseits und leer stehende Räume andererseits führen zu
unterschiedlichen Bezugsgrößen für die Berechnung
des Ausmaßes einer Ertragsminderung. Hat der
Grundstückseigentümer zu Beginn des Erlasszeitraums einer
schwachen Mieternachfrage bereits durch geringere Mietforderungen
Rechnung getragen und auf diese Weise einen Teil seiner
Räumlichkeiten vermieten können, ohne mehr als 20 v.H.
von der üblichen Miete abgewichen zu sein, bilden die
tatsächlich vereinbarten Mieten für diese Räume die
Bezugsgröße, so dass nur noch Veränderungen der
tatsächlich vereinnahmten Mieten (Abschn. 40 Abs. 4 der
Grundsteuer-Richtlinien 1978 - GrStR - ) während des
Erlasszeitraums von Bedeutung seien können und die
erforderliche mehr als 20%ige Ertragsminderung an der ohnehin schon
geminderten Bezugsgröße zu messen ist.
Geht es um eine Ertragsminderung wegen leer
stehender Räume, und zwar wegen solcher, die bereits zu Beginn
des Erlasszeitraums leer gestanden haben, bildet die übliche
Miete die Bezugsgröße. Die übliche Miete zu Beginn
des Erlasszeitraums ist aber nicht die Durchschnittsmiete, die
für die vermieteten Teile vereinbart werden konnte, sondern
eine in Anlehnung an die Miete für Räume gleicher Art,
Lage und Ausstattung zu schätzende Miete. In Zeiten mangelnder
Nachfrage und infolgedessen nachgebender Mieten treffen aber noch
zu besseren Zeiten gezahlte Mieten für vergleichbare
Räume in schon länger vorhandenen Gebäuden mit
geringeren Mieten für neu auf den Markt gekommene Objekte
zusammen. Beide Mieten gehen in die gemäß § 33 Abs.
1 Satz 3 Nr. 2 GrStG i.V.m. § 79 Abs. 2 BewG auf den Beginn
des Erlasszeitraums zu schätzende übliche Miete für
vergleichbare Räume ein. Dies kann zu einer höheren
Bezugsgröße als derjenigen führen, die sich aus den
zu Beginn des Erlasszeitraums tatsächlich vereinbarten Mieten
für die vermieteten Teile eines neu auf den Markt gekommenen
(Büro-)Gebäudes ergibt, sofern diese Mieten nicht mehr
als 20 v.H. von der üblichen Miete abweichen.
Daraus folgt zum einen, dass leer stehende
Räume, für die die übliche Miete die
Bezugsgröße darstellt, nur solche Räume sein
können, die zu Beginn des Erlasszeitraums leer gestanden
haben, und zum anderen, dass die nicht mehr als 20 v.H. von der
üblichen Miete abweichenden Mieten für zu Beginn des
Erlasszeitraums vermietete Räume auch dann die
Bezugsgröße bleiben, wenn die Räume im Verlauf des
Erlasszeitraums in einen Leerstand übergehen.
c) Diesen solchermaßen bestimmten
Bezugsgrößen ist der tatsächlich erzielte Rohertrag
gegenüberzustellen (vgl. Abschn. 40 Abs. 1 Satz 1 GrStR 1978,
sowie Drosdzol in KStZ 2001, 183). Unterschreitet er die
Bezugsgröße um mehr als 20 v.H., hat der Steuerschuldner
einen Anspruch auf Grundsteuererlass in der in Abs. 1 Satz 1 der
Vorschrift vorgesehenen Höhe, sofern weder der Steuerschuldner
die Ertragsminderung zu vertreten hat noch der Ausnahmetatbestand
des § 33 Abs. 5 GrStG erfüllt ist (vgl. dazu BFH-Urteil
vom 10.8.1988 II R 10/86, BFHE 153, 571, BStBl II 1989, 13 = SIS 88 21 08). Nach § 33 Abs. 5 GrStG ist eine Ertragsminderung auch
dann kein Erlassgrund, wenn sie für den Erlasszeitraum durch
Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden kann
oder bei einem rechtzeitigen Antrag auf Fortschreibung hätte
berücksichtigt werden können.
2. Diesen Grundsätzen entspricht der
Erlassantrag der Klägerin nicht, wonach die Ertragsminderung
ausschließlich an der üblichen Miete zu Beginn des
Erlasszeitraums gemessen werden soll. Der etwa zu erlassende
Steuerbetrag lässt sich nicht dergestalt ermitteln, dass
zunächst ein nach der üblichen Miete berechneter
„Sollertrag“ des ganzen Gebäudes als
Bezugsgröße festgestellt wird, von dem dann die im
Erlasszeitraum tatsächlich erzielten Mieten abgezogen werden.
Vielmehr sind zunächst sämtliche Räume des zur
Vermietung bestimmten Gebäudes danach zu unterteilen, ob sie
zu Beginn des Erlasszeitraums vermietet waren oder leer standen.
Nur für letztere Gruppe bildet die übliche Miete die
Bezugsgröße. Für die erste Gruppe bemisst sich eine
Ertragsminderung an den zu Beginn des Erlasszeitraums
tatsächlich vereinbarten Mieten. Da das FG weder zu der
Unterteilung der Räume noch zur üblichen Miete auf den
1.1.1998 noch zu den an diesem Stichtag tatsächlich
vereinbarten Mieten Feststellungen getroffen hat, kann die
Vorentscheidung keinen Bestand haben und bedarf es einer
Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren
Sachaufklärung.
a) Sollten die nachzuholenden Feststellungen
eine Ertragsminderung von nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG
rechtserheblichem Ausmaß ergeben, hätte die
Klägerin diese nicht aus den vom FG angenommenen Gründen
zu vertreten. Das Vertretenmüssen i.S. des § 33 Abs. 1
Satz 1 GrStG bezieht sich allein auf die Minderung des normalen
Rohertrags um mehr als 20 v.H., wobei der normale Rohertrag
gemäß den vorstehenden Ausführungen zu bestimmen
ist. Daher kann den Ausführungen des FG, die Klägerin
habe die Ertragsminderung bereits deshalb zu vertreten, weil sie
ihre Mietforderungen nicht so weit heruntergeschraubt habe, bis ein
Mieter zu finden gewesen sei, nicht gefolgt werden. Dieses Argument
lässt sich von vornherein nur im Hinblick auf die leer
stehenden Räumlichkeiten anführen. Bezogen auf diese
Räumlichkeiten ist es aber mit dem Gesetz nicht vereinbar. Die
Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG i.V.m. § 79
Abs. 2 Satz 2 BewG, wonach bei leer stehenden Räumen die
übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete für nach
Art, Lage und Ausstattung vergleichbare Räumlichkeiten zu
schätzen ist, macht für leer stehende Räume diese
übliche Miete zum Maßstab einer Ertragsminderung um mehr
als 20 v.H. und bestimmt damit zugleich die Ertragsdifferenz, die
daraufhin zu überprüfen ist, ob der Steuerpflichtige sie
zu vertreten hat. Das schließt ein Abstellen auf die
Möglichkeit unbegrenzten Nachgebens bei den geforderten Mieten
aus. Mit seiner gegenteiligen Auffassung kann sich das FG auch
nicht auf die Entscheidung des BVerwG vom 15.4.1983 8 C 150.81
(NVwZ 1984, 309) berufen. Das BVerwG führt in dem Urteil aus,
der Gesetzgeber habe mit § 33 GrStG den Grundsatz der
Ertragsunabhängigkeit der Grundsteuer durchbrochen, weil in
bestimmten Fällen die Einziehung der unverkürzten Steuer
für den Abgabepflichtigen nicht mehr zumutbar sei. Von einer
die Grenze der Zumutbarkeit überschreitenden Belastung
könne aber keine Rede sein, wenn der Steuerpflichtige selbst
die Ursache für die Ertragsminderung herbeigeführt oder
es unterlassen habe, die Ertragsminderung durch solche geeignete
Maßnahmen zu verhindern, die von ihm erwartet werden konnten.
Letzteres kann entgegen dem FG nicht dahin verstanden werden, der
Grundstückseigentümer müsse seine Mietforderungen so
weit herunterschrauben, bis sich ein Mieter findet.
b) Das weitere Hindernis für einen Erlass
gemäß § 33 Abs. 1 GrStG, das sich aus Abs. 5 der
Vorschrift ergibt, scheidet im Streitfall schon deshalb aus, weil
eine Fortschreibung gemäß § 22 Abs. 1 und 2 BewG
wegen der Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse zum
Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 eine Änderung der
tatsächlichen Verhältnisse voraussetzte, es vorliegend
aber nicht um veränderte tatsächliche Verhältnisse,
sondern um die Wertverhältnisse geht.
B.
Beurteilung des Streitfalls nach der Rechtsprechung des BVerwG
Das BVerwG legt in ständiger
Rechtsprechung den § 33 GrStG in einer Weise aus, dass bei
sog. strukturell bedingten Ertragsminderungen ein Steuererlass
ausgeschlossen ist (Urteile in BStBl II 1992, 580 = SIS 92 25 01,
sowie in BVerwGE 114, 132, BStBl II 2002, 889 = SIS 02 03 42). Da
die von der Klägerin geltend gemachte Ertragsminderung nach
den Feststellungen des FG strukturell bedingt ist, scheidet im
Streitfall ein Steuererlass gemäß § 33 GrStG nach
den vom BVerwG entwickelten Grundsätzen aus.
1. Anknüpfend an § 33 Abs. 1 Satz 3
Nr. 2 GrStG, wonach unter normalem Rohertrag die Jahresrohmiete zu
verstehen ist, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des
Erlasszeitraums maßgebend wäre, ist das BVerwG der
Ansicht, dies stelle eine Verweisung nicht lediglich auf § 79
Abs. 1 und 2 BewG dar, sondern über § 79 BewG auf die
Systematik der Grundbesitzbewertung nach dem BewG überhaupt.
Diese sei gekennzeichnet durch die Unterscheidung zwischen
tatsächlichen Verhältnissen und den
Wertverhältnissen. Verfahrensmäßig erfolge die
Bewertung im Wege der Hauptfeststellungen nach § 21 BewG und
während des Hauptfeststellungszeitraums durch Fortschreibungen
nach § 22 BewG bzw. Nachfeststellungen gemäß §
23 BewG. Zu den Hauptfeststellungszeitpunkten würden die
Grundstücke nach den jeweiligen tatsächlichen
Verhältnissen und Wertverhältnissen bewertet. Zwischen
den Hauptfeststellungszeitpunkten - also innerhalb eines
Hauptfeststellungszeitraums - bei einem konkreten Grundstück
eintretende Veränderungen tatsächlicher Art führten
gemäß § 22 BewG zu Fortschreibungen, bei denen aber
gemäß § 27 BewG nach wie vor die
Wertverhältnisse vom Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu
legen seien. Letzteres gelte auch für die sog.
Nachfeststellungen i.S. des § 23 BewG. Innerhalb des
Hauptfeststellungszeitraums eintretende Veränderungen der
Wertverhältnisse seien dagegen unbeachtlich und erst bei der
nächsten Hauptfeststellung zu berücksichtigen.
Daraus ergebe sich, dass Ertragsminderungen
infolge solcher Wertveränderungen, die bei der nächsten
Hauptfeststellung zu einem geringeren Einheitswert führen
würden, als Erlassgrund ausschieden. Einfluss auf das
Wertniveau zum nächsten Hauptfeststellungszeitpunkt
könnten allerdings nur solche Wertveränderungen haben,
die auf den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen
beruhten, eine Mehrzahl von Grundstücken beträfen und
damit typisch seien. Dazu gehörten die sog. strukturell
bedingten Wertminderungen etwa wegen eines Überangebots oder
eines Bevölkerungsrückgangs. Außerdem müssten
diese Wertveränderungen von einer gewissen Dauer sein, und
zwar schon deshalb, um zum nächsten
Hauptfeststellungszeitpunkt noch wirksam zu sein. Somit blieben
für einen Erlass nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG nur
solche Ertragsminderungen übrig, die auf atypischen und nur
vorübergehenden Veränderungen der Wertverhältnisse
beruhten.
Diese Gesetzesauslegung finde eine Stütze
in § 33 Abs. 1 Satz 3 GrStG selbst, indem dort von einem
„normalen Rohertrag“ die Rede sei, sowie in Abs.
5 der Vorschrift, der eine Ertragsminderung als Erlassgrund
ausschließe, wenn ihr durch eine Fortschreibung Rechnung
getragen werden könne oder bei rechtzeitiger Antragstellung
hätte Rechnung getragen werden können. Letzterem sei zu
entnehmen, dass der Gesetzgeber überhaupt solche
Ertragsminderungen habe ausschließen wollen, deren Ursachen
bei einer der drei Arten von Feststellung - nämlich
Hauptfeststellung, Fortschreibung und Nachfeststellung - zu
berücksichtigen wären.
2. Im Streitfall hat das FG in
Übereinstimmung mit den Beteiligten festgestellt, dass die von
der Klägerin vorgetragene Ertragsminderung ungeachtet ihrer
tatsächlichen Höhe struktureller und damit weder
atypischer noch lediglich vorübergehender Natur ist. Dies
schließt nach dem Verständnis des BVerwG einen Erlass
gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG aus.
C.
Stellungnahme zur Rechtsprechung des BVerwG
Das BVerwG bezieht sich bei seiner Auslegung
des § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG auf § 21 Abs. 1 BewG,
wonach die Hauptfeststellungen in Zeitabständen von sechs
Jahren durchzuführen sind. Bei Ertragsminderungen infolge
strukturell bedingter Wertveränderungen sei es dem einzelnen
Grundstückseigentümer schon aus Gründen der
Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG)
zumutbar, die spätestens in sechs Jahren erfolgende
nächste Hauptfeststellung abzuwarten. Nur in bestimmten
Ausnahmefällen sei eine wesentliche Ertragsminderung als
derart belastend anzusehen, dass die Erhebung der ungeminderten
Grundsteuer für den Steuerpflichtigen nicht mehr zumutbar sei
(so BVerwG-Urteil in NVwZ 1984, 309, 310). Dies könnten aber
nur jene Fälle atypischer und vorübergehender Natur
sein.
1. Nun hat aber der Gesetzgeber die
nächste Hauptfeststellung dadurch ausgesetzt, dass er
zunächst durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung und
Ergänzung bewertungsrechtlicher Vorschriften und des
Einkommensteuergesetzes vom 22.7.1970 (BGBl I, 1118) angeordnet
hat, der Zeitpunkt der auf die Hauptfeststellung 1964 folgenden
nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes
werde abweichend von § 21 Abs. 1 BewG durch besonderes Gesetz
bestimmt, und sodann ein derartiges Gesetz nicht geschaffen hat.
Dadurch geht die Vertröstung der
Grundstückseigentümer, deren Ertragsminderung durch
strukturell bedingte Wertveränderungen verursacht ist, auf die
nächste Hauptfeststellung ins Leere.
2. Das vom BVerwG gefundene Ergebnis ist
hervorgerufen durch die Annahme, die Verweisung auf § 79 Abs.
1 und 2 BewG durch § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG beziehe die
Systematik der Grundbesitzbewertung gemäß den
§§ 21 bis 27 BewG ein. Diese Annahme ist jedoch nicht
gerechtfertigt. Ihr steht bereits die Regelung in § 33 Abs. 1
Satz 3 Nr. 2 GrStG entgegen, wonach der normale Rohertrag die
Jahresrohmiete ist, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn
des Erlasszeitraums maßgebend wäre. Damit ist die
Erlassregelung des § 33 GrStG insoweit aus der ausgesetzten
Abfolge regelmäßig in kürzeren Abständen
erfolgender Hauptfeststellungen herausgenommen und stattdessen zu
Beginn eines jeden Erlasszeitraums eine auch die
Wertverhältnisse erfassende neue Basis gelegt. Diese Basis
berücksichtigt bei strukturell bedingten Ertragsminderungen
bereits die ertragsmindernd wirkenden Wertverhältnisse, weil
diese dämpfend die Bezugsgröße - nämlich die
zu Beginn des Erlasszeitraums tatsächlich vereinbarte Miete
und insbesondere die übliche Miete - beeinflussen. Gerade die
andauernden und strukturell bedingten Wertveränderungen
bestimmen somit das Erlassvolumen. Damit ist eine Gesetzesauslegung
nicht vereinbar, nach der solche Wertveränderungen im
Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 GrStG unbeachtlich sein
sollen. Infolgedessen kann § 33 Abs. 1 GrStG auch kein
geeigneter Anknüpfungspunkt sein, um die Aussetzung der
Hauptfeststellungen auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand
zu stellen.
Die gleichwohl durch die Rechtsprechung des
BVerwG erfolgte Beschränkung des § 33 Abs. 1 GrStG auf
atypische und nur vorübergehende Ertragsminderungen stellt
daher eine teleologische Reduktion der Vorschrift dar, die nicht
nur nicht geboten ist, sondern gerade diejenigen Steuerpflichtigen
um die Steuerentlastung bringt, die besonders auf sie angewiesen
sind. Dazu weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass den
Eigentümern leer stehender Räume auch mit einer neuen
Hauptfeststellung unter Berücksichtigung gesunkener
Wertverhältnisse nur geringfügig geholfen wäre, weil
dies lediglich eine Minderung der Bezugsgröße der
üblichen Miete bewirkte, aber den völligen
Einnahmeausfall unberücksichtigt ließe.