Doppelstöckige Personengesellschaft, Fehlerberichtigung, Saldierung, Verjährung: 1. Ein saldierungsfähiger materieller Fehler i.S. des § 177 Abs. 3 AO 1977 ist auch dann gegeben, wenn das FA einen Grundlagenbescheid nicht rechtzeitig ausgewertet hat und daher durch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung an einer Auswertung gehindert ist. - 2. Zur Ermittlung des Umfangs des Saldierungsrahmens i.S. des § 177 AO 1977 ist nicht allein auf den zu erlassenden Änderungsbescheid abzustellen. Vielmehr sind auch alle Änderungen heranzuziehen, die aufgrund der Anwendung selbständiger Korrekturvorschriften zugunsten und zulasten des Steuerpflichtigen in denjenigen Bescheiden vorgenommen worden sind, die dem zu erlassenden Änderungsbescheid vorangegangen, aber nicht formell bestandskräftig geworden sind. - Urt.; BFH 10.8.2006, II R 24/05; SIS 06 42 33
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, ist an zahlreichen
Personen- und Kapitalgesellschaften beteiligt.
Am 20.6.1988 stellte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) den Einheitswert des
Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1.1.1986 unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung auf ... DM fest. Entsprechend der
von der Klägerin eingereichten Vermögensaufstellung war
darin der Wert der Anteile an Personengesellschaften mit ... DM und
der Wert der Anteile an Kapitalgesellschaften mit ... DM enthalten.
In der Folgezeit - bis spätestens 1992 - ergingen für die
Beteiligungsgesellschaften ihrerseits Bescheide über die
Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens bzw.
über die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile, die vom
FA zunächst nicht ausgewertet wurden.
Von 1988 bis 1996 fand bei der
Klägerin eine Außenprüfung statt, die sich auch auf
die Einheitsbewertung zum 1.1.1986 erstreckte. Die Prüfer
ermittelten anhand der mittlerweile ergangenen Grundlagenbescheide
den Wert der Beteiligungen an inländischen
Personengesellschaften mit ... DM (9.095.933 DM mehr als bisher),
vertraten jedoch die Auffassung, dass der Einheitswertbescheid der
Klägerin im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH)
vom 4.11.1992 XI R 32/91 (BFHE 170, 291, BStBl II 1993, 425 = SIS 93 11 44) wegen Eintritts der Feststellungsverjährung insoweit
nicht mehr geändert werden könne. Für den Wert der
Beteiligungen der Klägerin an inländischen
Kapitalgesellschaften ermittelten die Prüfer einen um ... DM
höheren Ansatz als bisher. Die Wertansätze des
übrigen Vermögens der Klägerin erhöhten die
Prüfer um ... DM; gegenläufig berücksichtigten sie
als Schuldposten zusätzliche Steuerrückstellungen in
Höhe von 4.095.443 DM.
Das FA folgte den Prüfern und setzte
den Einheitswert mit Bescheid vom 13.12.1996, in dem es zugleich
den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob, auf den von den
Prüfern ermittelten Betrag von ... DM fest. Die Klägerin
legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein, mit dem sie den Eintritt
der Feststellungsverjährung geltend machte.
Infolge geänderter
Anteilsbewertungsbescheide für die P-GmbH (vom 17.3.1997) und
die V-GmbH (vom 17.6.1997) erhöhte das FA den Einheitswert mit
einem nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO
1977) geänderten Bescheid vom 9.7.1997 auf ... DM.
Nach Hinzuziehung der zwischenzeitlich aus
der Klägerin ausgeschiedenen Gesellschafter zum
Einspruchsverfahren setzte das FA in der Einspruchsentscheidung vom
18.10.2001 den Einheitswert auf ... DM herab und wies den Einspruch
im Übrigen als unbegründet zurück. Es vertrat
nunmehr die Auffassung, dass auch hinsichtlich der Beteiligungen an
inländischen Kapitalgesellschaften - mit Ausnahme derjenigen
an der P- und V-GmbH - Feststellungsverjährung eingetreten
sei, nahm aber in Höhe der im Änderungsbescheid vom
13.12.1996 zugunsten der Klägerin vorgenommenen
Änderungen (4.095.443 DM) eine Saldierung gemäß
§ 177 Abs. 2 AO 1977 vor.
Mit ihrer Klage vertrat die Klägerin
in erster Linie die Auffassung, sämtliche ergangenen Bescheide
seien mangels hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit nichtig.
Daneben berief sie sich auf den Eintritt der
Feststellungsverjährung hinsichtlich der Wertansätze
sämtlicher Beteiligungen mit Ausnahme derjenigen an der P- und
V-GmbH.
Im Klageverfahren erließ das FA einen
maschinell auf den 18.11.2003 datierten und auf § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid, den
der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aber schon am
14.11.2003 erhalten hat. Darin erhöhte es den Einheitswert auf
... DM, weil es nunmehr die Auffassung vertrat, dass weder
hinsichtlich der Beteiligungen an Personengesellschaften noch
hinsichtlich derjenigen an Kapitalgesellschaften
Feststellungsverjährung eingetreten sei. Bei der Ermittlung
der Wertansätze legte das FA den Betriebsprüfungsbericht
zugrunde, ohne die im Jahr 1997 ergangenen geänderten
Anteilsbewertungsbescheide für die P- und V-GmbH zu
berücksichtigen. Im Abschnitt „Erläuterungen“
verwies das FA auf abgeänderte Anlagen zum
Betriebsprüfungsbericht. Diese übersandte es durch ein
gesondertes Schreiben, das ebenfalls auf den 18.11.2003 datiert
ist, beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin aber erst
am 20.11.2003 einging.
Mit einem weiteren auf § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid vom
10.12.2003 erhöhte das FA den Einheitswert auf ... DM und
berücksichtigte nunmehr die Anteilswerte an der P- und V-GmbH
wiederum nach Maßgabe der im Jahr 1997 ergangenen
Feststellungsbescheide.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach
Beiladung der zwischenzeitlich aus der Klägerin
ausgeschiedenen Gesellschafter ab. Sein Urteil ist in EFG 2004,
1490 = SIS 04 32 13 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision verfolgt die
Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung sowie die Bescheide über den Einheitswert des
Betriebsvermögens auf den 1.1.1986 vom 10.12.2003,
14./18.11.2003, vom 9.7.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 18.10.2001, vom 13.12.1996 und vom 20.6.1988
aufzuheben,
hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben
und den Bescheid über den Einheitswert des
Betriebsvermögens auf den 1.1.1986 vom 10.12.2003 dahin gehend
zu ändern, dass neben den Beteiligungen an der P- und V-GmbH
nur noch das nicht von einer gesonderten Feststellung bei
Untergesellschaften abhängige Vermögen der Klägerin
berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag
gestellt.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur
Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der Einheitswert ist
auf ... DM herabzusetzen. Im Übrigen ist die Klage
unbegründet.
1. Die angefochtenen Bescheide sind
wirksam.
a) Insbesondere sind sie auch im Hinblick auf
die Abgrenzung der bewerteten wirtschaftlichen Einheit inhaltlich
hinreichend bestimmt i.S. des § 119 Abs. 1 AO 1977. Die zu
bewertende wirtschaftliche Einheit ist hier der gewerbliche Betrieb
der Klägerin (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes in
der am 1.1.1986 geltenden Fassung - BewG a.F. - ). Mit der
Benennung der Klägerin in den angefochtenen
Einheitswertbescheiden war zugleich die bewertete wirtschaftliche
Einheit hinreichend bestimmt abgegrenzt. Denn Umfang und Abgrenzung
des gewerblichen Betriebs einer Mitunternehmerschaft ergeben sich
aus § 95 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG a.F.
§ 119 Abs. 1 AO 1977 erfordert nicht, dass in einem Bescheid
über die Feststellung des Einheitswerts des
Betriebsvermögens einer Personengesellschaft sämtliche
bewerteten Wirtschaftsgüter und sämtliche einbezogenen
Beteiligungen an Unter-Personengesellschaften ausdrücklich
genannt werden. Der Streit über die Einbeziehung einzelner
Wirtschaftsgüter oder Beteiligungen in den Einheitswert
betrifft die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des
Bescheids, nicht aber dessen inhaltliche Bestimmtheit.
Im Übrigen hat es der BFH im Urteil vom
13.6.1984 III R 131/80 (BFHE 142, 70, BStBl II 1984, 816 = SIS 84 21 04), das die Klägerin für ihre Auffassung herangezogen
hat, als ausreichend angesehen, wenn die Abgrenzung der
wirtschaftlichen Einheit sich aus einer abgegebenen Erklärung
zur Feststellung des Einheitswerts ergibt. Dies ist auch vorliegend
der Fall, da aus den Anlagen zu der von der Klägerin
eingereichten Vermögensaufstellung alle Beteiligungen an
Unter-Personengesellschaften ersichtlich sind.
Da die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit
damit in den ergangenen Bescheiden selbst enthalten ist, kommt es
nicht auf die von der Revision in den Vordergrund gestellten Fragen
an, inwieweit solche Angaben durch Verweise auf Unterlagen, die
sich bereits in den Händen des Steuerpflichtigen befinden,
ersetzt werden können, und wie konkret derartige Verweise
ausgestaltet sein müssen.
b) Der zum Gegenstand des Verfahrens gewordene
Änderungsbescheid vom 10.12.2003 ist nicht deshalb unwirksam,
weil ihm nicht nochmals Anlagen beigefügt waren, aus denen die
Zusammensetzung des gesamten Beteiligungsvermögens hervorging,
und diese Anlagen zu dem am 14.11.2003 bekannt gegebenen,
vorangegangenen Änderungsbescheid der Klägerin erst sechs
Tage später übersandt worden sind. In beiden Bescheiden
waren der Inhaltsadressat - dessen Benennung hier zugleich die
Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit bezeichnet - und die
Beträge, auf den der Einheitswert jeweils festgestellt wurde,
eindeutig angegeben. Damit waren alle Anforderungen erfüllt,
die § 119 Abs. 1 und § 157 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §
181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 an die Bestimmtheit von
Einheitswertbescheiden stellen. Die Anlagen, aus denen sich die
Wertansätze der einzelnen Wirtschaftsgüter und
Beteiligungen ergaben, betreffen nur die Begründung der
Bescheide - mit der Rechtsfolge des § 126 Abs. 3 AO 1977 -,
nicht aber ihre Bestimmtheit. Jedenfalls bei Bekanntgabe des
Bescheids vom 10.12.2003, dessen Rechtmäßigkeit hier zu
beurteilen ist, waren die Anlagen der Klägerin bereits
bekannt.
c) Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht
deshalb unwirksam, weil das FA die Einheitswertanteile an den
Untergesellschaften zunächst der Klägerin selbst - und
nicht unmittelbar deren Gesellschaftern - zugerechnet hat. Selbst
auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Klägerin würde
die Nichtigkeit des angefochtenen Wertfeststellungsbescheids
voraussetzen, dass die - bestandskräftigen und
gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 bindenden -
Zurechnungsfeststellungen für die Anteile an den
Unter-Personengesellschaften gleichfalls nichtig wären. Dies
ist indes nicht der Fall. Das zweistufige Feststellungsverfahren
bei doppelstöckigen Personengesellschaften entspricht vielmehr
den gesetzlichen Vorgaben.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
ist allein die Obergesellschaft als solche Gesellschafter und
Mitunternehmer der Untergesellschaft, nicht aber der Gesellschafter
der Obergesellschaft (BFH-Entscheidungen vom 23.2.1972 I R 159/68,
BFHE 105, 257, BStBl II 1972, 530 = SIS 72 03 11, unter 2.; vom
25.2.1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691 = SIS 91 08 21,
unter C.II. und C.III.3., und vom 31.8.1999 VIII B 74/99, BFHE 189,
525, BStBl II 1999, 794 = SIS 99 21 53). Daraus folgt
verfahrensrechtlich, dass die im Feststellungsverfahren für
die Untergesellschaft festgestellten Besteuerungsgrundlagen der
Obergesellschaft - nicht aber unmittelbar deren Gesellschaftern -
zuzurechnen sind (BFH-Entscheidungen vom 10.8.1989 III R 5/87, BFHE
158, 109, BStBl II 1990, 38 = SIS 89 23 59, unter 1.a; vom
26.1.1995 IV R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467 = SIS 95 13 14, unter IV.3.; vom 14.11.1995 VIII R 8/94, BFHE 179, 216, BStBl
II 1996, 297 = SIS 96 14 87, unter 2.b; vom 9.7.2003 I R 5/03,
BFH/NV 2004, 1 = SIS 03 52 29, unter II.1.; vom 11.12.2003 IV R
42/02, BFHE 204, 223, BStBl II 2004, 353 = SIS 04 09 29, unter 2.a,
und vom 26.4.2005 I B 159/04, BFH/NV 2005, 1560 = SIS 05 37 14,
unter II.4.).
bb) Die von der Klägerin vorgetragenen
Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Beurteilung dieser
Frage.
Entgegen der Auffassung der Klägerin
fehlt es nicht an einer gesetzlichen Grundlage für das
mehrstufige Feststellungsverfahren (vgl. zu diesem Erfordernis
BFH-Beschluss vom 11.4.2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005,
679 = SIS 05 31 02, unter C.4.a). Rechtsgrundlage für das
genannte Verfahren ist vielmehr § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977
i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 BewG a.F. Nach
§ 19 Abs. 1 Nr. 2 BewG a.F. werden für inländische
gewerbliche Betriebe Einheitswerte festgestellt.
Mitunternehmerschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren
Sitz im Inland haben, bilden mit allen Wirtschaftsgütern, die
ihnen gehören, einen gewerblichen Betrieb (§ 97 Abs. 1
Satz 1 Nr. 5 BewG a.F.). Bewertungsrechtlich stellen die
Obergesellschaft und die Untergesellschaft daher jeweils
eigenständige wirtschaftliche Einheiten dar. Weil die
Obergesellschaft zu den „Beteiligten“ an der
Untergesellschaft gehört (vgl. - zu § 180 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a AO 1977 - BFH-Urteil in BFHE 105, 257, BStBl II 1972, 530
= SIS 72 03 11, unter 2.), ist ihr der Anteil an der
Untergesellschaft zuzurechnen und die Feststellung zugleich i.S.
des § 19 Abs. 4 BewG für die Besteuerung von
Bedeutung.
Mit dem Hinweis der Klägerin auf den
Wortlaut des § 171 Abs. 10 AO 1977, in dem nur von der
Bindungswirkung für eine „Steuer“ die Rede
ist, hat sich der BFH bereits im Urteil vom 13.7.1999 VIII R 76/97
(BFHE 189, 309, BStBl II 1999, 747 = SIS 99 24 35, unter 4.a)
auseinander gesetzt. Danach ist die genannte Norm auf ein
zweistufiges Feststellungsverfahren mit der Maßgabe
anwendbar, dass an die Stelle des Begriffs der
„Festsetzung einer Steuer“ die
„gesonderte Feststellung“ (der zweiten Stufe)
tritt, weil die Vorschriften über die Durchführung der
Besteuerung gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977
für die gesonderte Feststellung sinngemäß
gelten.
Die Äußerung im BFH-Urteil vom
6.10.2004 IX R 53/01 (BFHE 207, 466, BStBl II 2005, 383 = SIS 04 40 22, unter II.2.b aa), der Gewinnanteil an der Untergesellschaft
werde den Gesellschaftern der Obergesellschaft
„unmittelbar zugerechnet“, beschränkt sich
ersichtlich auf den dort entschiedenen Spezialfall einer
vermögensverwaltenden Obergesellschaft. Die Gesellschafter
einer solchen Gesellschaft sind jedoch - anders als die
Gesellschafter einer gewerblich tätigen Personengesellschaft -
schon begrifflich keine „Mitunternehmer“.
Die von der Klägerin betonten
Praktikabilitätsgesichtspunkte (vgl. dazu - insbesondere
für Gesellschaften mit einer Vielzahl von Beteiligten - auch
BFH-Beschluss in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679 = SIS 05 31 02,
unter C.3.b cc) sprechen eher für als gegen das zweistufige
Feststellungsverfahren. Denn die Beteiligungsverhältnisse bei
der Obergesellschaft werden dem für die Besteuerung der
Untergesellschaft zuständigen FA häufig gar nicht bekannt
sein. Ob dieser Gesichtspunkt im Zuge der Einführung des
Halbeinkünfteverfahrens durch die Vorschrift des § 8b
Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes mit Wirkung ab 2002 an
Bedeutung verloren hat, kann im Streitfall, der den
Feststellungszeitpunkt 1.1.1986 betrifft, offen bleiben.
Auch die gebotene Effektivität des
Rechtsschutzes zwingt nicht zur Durchführung eines einstufigen
Feststellungsverfahrens bei mehrstöckigen
Personengesellschaften. Denn einem Gesellschafter, der nicht
zugleich ein zur Vertretung berufener Geschäftsführer der
Gesellschaft i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist, fehlt es
grundsätzlich ohnehin an der Klagebefugnis gegen Bescheide
über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen. Vielmehr wird das Klagerecht in diesen
Fällen von der Gesellschaft selbst - in Prozessstandschaft
für ihre Gesellschafter - wahrgenommen. Dabei hat die
Obergesellschaft im Rechtsbehelfsverfahren gegen
Feststellungsbescheide für die Untergesellschaft die
Interessen ihrer Gesellschafter zu vertreten. Eine weitere
Verkürzung des Rechtsschutzes der Gesellschafter der
Obergesellschaft tritt hierdurch nicht ein.
2. Verfahrensrechtliche Grundlage für den
Erlass des Änderungsbescheids vom 10.12.2003 war - wie in
diesem Bescheid ausdrücklich angegeben - die Vorschrift des
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977. Diese Norm ermächtigt
nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung so
lange zur Änderung eines Folgebescheids, wie sich die darin
angesetzten Besteuerungsgrundlagen nicht mit den bindenden
Feststellungen des entsprechenden Grundlagenbescheids decken
(BFH-Entscheidungen vom 9.8.1983 VIII R 55/82, BFHE 139, 341, BStBl
II 1984, 86 = SIS 84 02 44; vom 17.2.1993 II R 15/91, BFH/NV 1994,
1, und vom 15.5.2003 XI B 171/02, BFH/NV 2003, 1286 = SIS 03 41 51).
Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die
Grundlagenbescheide bereits zutreffend ausgewertet worden waren,
dies aber in einem späteren Änderungsbescheid
irrtümlich rückgängig gemacht wurde. Das Vertrauen
des Steuerpflichtigen wird in den Fällen des § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO 1977 durch die Institute der
Festsetzungsverjährung und - in besonderen Fällen - der
Verwirkung hinreichend geschützt (BFH-Urteil vom 4.9.1996 XI R
50/96, BFHE 181, 388, BStBl II 1997, 261 = SIS 97 07 40).
Vorliegend waren im vorangegangenen Bescheid
vom 14.11.2003 die bereits im Jahr 1997 geänderten
Feststellungsbescheide für die P- und V-GmbH nicht
berücksichtigt worden. Das FA war daher - erneut -
verpflichtet, die bindenden Anteilswertfeststellungen der
Untergesellschaften durch den Erlass eines entsprechenden
Änderungsbescheids für die Klägerin umzusetzen. Die
Feststellungsfrist war insoweit noch nicht abgelaufen (dazu noch
unten 3.b); Verwirkung war nicht eingetreten.
Für die Ausführungen des FG, wonach
der Änderungsbescheid durch das FA auf § 129 AO 1977
gestützt worden sei, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten.
Damit erübrigen sich auch die Angriffe der Revision gegen die
Erörterungen des FG zur Frage der Anwendbarkeit des § 129
AO 1977.
3. Der - nach zwischenzeitlicher Herabsetzung
des Einheitswerts - im Bescheid vom 14.11.2003 erneut vorgenommenen
Erhöhung des Ansatzes der Beteiligungen an inländischen
Kapitalgesellschaften auf die im Betriebsprüfungsbericht
genannten Werte standen die Vorschriften über die
Feststellungsverjährung nicht entgegen.
a) Infolge der im Jahr 1988 bei der
Klägerin begonnenen Außenprüfung war der Lauf der
Feststellungsfrist zunächst nach § 171 Abs. 4 AO 1977
(i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) gehemmt. Danach
läuft die Feststellungsfrist für die Steuern, auf die
sich eine Außenprüfung erstreckt, mit der vor Ablauf der
Feststellungsfrist begonnen wurde, nicht ab, bevor die aufgrund der
Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar
geworden sind, nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs.
1 Satz 3 AO 1977 drei Monate verstrichen sind oder seit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung oder die letzte
Ermittlungsmaßnahme im Rahmen der Außenprüfung
stattgefunden hat, die in § 169 Abs. 2 AO 1977 genannten
Fristen verstrichen sind.
Zu Recht hat das FG die Vorschrift des §
171 Abs. 4 AO 1977 insoweit nicht hinter die des § 171 Abs. 10
AO 1977 zurücktreten lassen. Zwar findet die in § 171
Abs. 4 AO 1977 angeordnete Ablaufhemmung keine Anwendung auf
Besteuerungsgrundlagen, die gesondert festgestellt werden und
deshalb nicht Gegenstand einer Außenprüfung beim
Steuerpflichtigen sein können (BFH-Urteil in BFHE 170, 291,
BStBl II 1993, 425 = SIS 93 11 44, zum Verhältnis zwischen der
gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte und
dem Einkommensteuerbescheid). Indes kann Gegenstand einer beim
Gesellschafter hinsichtlich der Einheitsbewertung des
Betriebsvermögens durchgeführten Außenprüfung
auch die Frage der Zurechnung von Anteilen an Kapitalgesellschaften
sein, da sich die Bindungswirkung des Anteilsbewertungsbescheids
auf den Wert der Anteile beschränkt (vgl. BFH-Urteil vom
29.6.2005 II R 44/03, BFH/NV 2005, 2163 = SIS 05 48 08, unter
II.4.b). Die Differenzierung hinsichtlich des Umfangs der
Außenprüfung ist Folge der unterschiedlichen
Regelungsgehalte von Bescheiden über die Anteilsbewertung
einerseits und über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Einkünften andererseits.
Allerdings hat das FG verkannt, dass die durch
den Beginn einer Außenprüfung ausgelöste
Ablaufhemmung spätestens vier Jahre nach Ablauf des
Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der
Außenprüfung stattgefunden haben, endet (§ 171 Abs.
4 Satz 3 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977). Dies war
vorliegend mit Ablauf des Jahres 2000 - und damit vor Erlass des
Bescheids vom 14.11.2003 - der Fall, da die letzten
Ermittlungshandlungen der Außenprüfung im Jahr 1996
vorgenommen worden waren.
b) Gleichwohl stellt sich die Entscheidung des
FG insoweit im Ergebnis als richtig dar, weil der von der
Klägerin am 15.1.1997 eingelegte Einspruch den Ablauf der
Feststellungsfrist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs bis
zur unanfechtbaren Entscheidung über den Rechtsbehelf - an der
es noch fehlt - gehemmt hat (§ 171 Abs. 3a AO 1977).
Die durch das Gesetz vom 22.12.1999 (BGBl I
1999, 2601) eingefügte Vorschrift des § 171 Abs. 3a AO
1977 gilt für alle beim In-Kraft-Treten des genannten Gesetzes
(30.12.1999) noch nicht abgelaufenen
Festsetzungs-/Feststellungsfristen (Art. 97 § 10 Abs. 9 des
Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO - ). Dies
bedeutet, dass die Neuregelung in allen Verfahren anzuwenden ist,
in denen die Festsetzungs-/Feststellungsfrist am Tag des
In-Kraft-Tretens bei einer Beurteilung auf der Grundlage des vor
ihrem In-Kraft-Treten geltenden Rechts noch nicht abgelaufen
war.
Da am 30.12.1999 - dem Tag des
In-Kraft-Tretens des § 171 Abs. 3a AO 1977 - hinsichtlich der
Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften die durch den
Beginn der Außenprüfung ausgelöste Ablaufhemmung
noch andauerte, ist der Umfang der durch den Einspruch vom
15.1.1997 ausgelösten Ablaufhemmung insoweit nach der
Vorschrift des § 171 Abs. 3a AO 1977 zu beurteilen. Weil der
Umfang dieser Ablaufhemmung sich gemäß § 171 Abs.
3a Satz 2 AO 1977 auf den gesamten Steueranspruch erstreckt, war am
14.11.2003 hinsichtlich der Anteile an inländischen
Kapitalgesellschaften auch die vom FA vorgenommene Änderung
zum Nachteil der Klägerin zulässig.
4. Hingegen war bei Erlass des
Änderungsbescheids vom 14.11.2003 die Feststellungsfrist
hinsichtlich der Beteiligungen der Klägerin an
inländischen Personengesellschaften bereits abgelaufen.
a) Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO
1977 erstreckt sich nicht auf gesondert festzustellende
Besteuerungsgrundlagen, die nicht Gegenstand einer
Außenprüfung beim Steuerpflichtigen sein können
(oben 3.a). Dies gilt auch dann, wenn beim Steuerpflichtigen eine
Vielzahl von Grundlagenbescheiden zu berücksichtigen ist; den
gegenteiligen Differenzierungsversuchen des FG vermag der Senat -
schon mangels geeigneter Abgrenzungskriterien - nicht zu folgen. An
der fehlenden Anwendbarkeit des § 171 Abs. 4 AO 1977 in
derartigen Fällen hat sich entgegen der Auffassung des FG auch
durch die Anfügung des § 171 Abs. 10 Satz 2 AO 1977, der
allein die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO 1977 erweitert,
nichts geändert.
b) Die vom FG herangezogene Vorschrift des
§ 171 Abs. 10 Satz 2 AO 1977 ist im Streitfall noch nicht
anwendbar, da diese nur für die bei In-Kraft-Treten des
Gesetzes vom 23.6.1998 (BGBl I 1998, 1496) noch nicht abgelaufenen
Festsetzungs-/ Feststellungsfristen gilt (Art. 97 § 10 Abs. 8
EGAO). Zu dem danach maßgebenden Zeitpunkt (27.6.1998) war
die Feststellungsfrist hinsichtlich der Anteile der Klägerin
an inländischen Personengesellschaften - bei Beurteilung auf
der Grundlage des vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung geltenden
Rechts (vgl. dazu oben 3.b) - aber bereits abgelaufen.
Da die letzten Einheitswertbescheide für
die Untergesellschaften im Jahr 1992 ergangen waren, waren die
jeweiligen Jahresfristen nach § 171 Abs. 10 AO 1977 in der vor
dem 28.12.1996 geltenden Fassung (Art. 97 § 10 Abs. 7 EGAO)
sämtlich bis zum Ende des Jahres 1993 abgelaufen. Die
Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO 1977 ist insoweit nicht
einschlägig. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO 1977
erfasst zwar - anders als diejenige nach der
Vorläufervorschrift des § 171 Abs. 3 AO 1977 a.F., die
keine Verböserungsmöglichkeit eröffnete (BFH-Urteile
vom 27.3.1996 I R 182/94, BFHE 180, 444, BStBl II 1997, 449 = SIS 96 18 18, und vom 20.4.2004 IX R 36/03, BFH/NV 2004, 1361 = SIS 04 35 64) - den gesamten Steueranspruch, gilt aber nur für die am
30.12.1999 noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen (oben 3.b).
Zu diesem Zeitpunkt war die Feststellungsfrist hinsichtlich der
Anteile der Klägerin an inländischen
Personengesellschaften aber bereits abgelaufen.
Ein rückwirkendes Wiederaufleben einer
bereits abgelaufenen Feststellungsfrist kommt nach dem klaren
Wortlaut der Übergangsvorschriften des Art. 97 § 10 Abs.
8, 9 EGAO nicht in Betracht. Dies gilt nach dem in den
differenzierenden Vorschriften des § 171 AO 1977 zum Ausdruck
kommenden Grundsatz der Teilverjährung (dazu Kruse in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, vor
§ 169 AO 1977 Tz. 4) auch, soweit der Ablauf der
Feststellungsfrist nur einen Teil des Steueranspruchs betrifft.
c) Soweit danach hinsichtlich der
Beteiligungen an Personengesellschaften die
Erhöhungsbeträge wegen des Ablaufs der Feststellungsfrist
nicht mehr angesetzt werden können, hat dies jedoch nicht zur
Folge, dass auch die bisher - vor Ablauf der Feststellungsfrist
nach Maßgabe der bis dahin ergangenen ursprünglichen
Grundlagenbescheide - angesetzten Werte für diese
Besteuerungsgrundlagen aus der für die Klägerin
vorzunehmenden Einheitswertfeststellung herauszunehmen
wären.
aa) Dies ergibt sich aus der vorzunehmenden
Differenzierung zwischen den Fragenkreisen (1) der Reichweite der
Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids, (2) des Vorhandenseins
einer Korrekturvorschrift für die begehrte Änderung und
(3) dem Umfang einer eingetretenen
Teil-Feststellungsverjährung.
(1) Auch die geänderten
Grundlagenbescheide über Wert und Zurechnung der Einheitswerte
der Unter-Personengesellschaften sind gemäß § 182
Abs. 1 Satz 1 AO 1977 für den angefochtenen
Einheitswertbescheid der Klägerin bindend. Die Bindungswirkung
bezieht sich auf denjenigen Betrag, der im zeitlich zuletzt
ergangenen Grundlagenbescheid festgestellt worden ist.
(2) Ein Steuerbescheid darf nur geändert
werden, soweit dies gesetzlich zugelassen ist (§ 172 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO 1977). Wird - wie hier - ein bindender
Grundlagenbescheid geändert, bildet § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 AO 1977 die Rechtsgrundlage für die Anpassung des
Folgebescheids an den geänderten Grundlagenbescheid. Im
Streitfall wäre das FA durch die zuletzt genannte Norm daher
an sich verpflichtet gewesen, im angefochtenen Einheitswertbescheid
die für die Untergesellschaften festgestellten Einheitswerte
nach Maßgabe der geänderten Grundlagenbescheide
anzusetzen.
(3) Nach Ablauf der Feststellungsfrist ist die
Änderung einer Feststellung indes nicht mehr zulässig
(§ 169 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO 1977);
materiell-rechtlich erlöschen Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis durch den Eintritt der Verjährung
(§ 47 AO 1977). Vorliegend war die Feststellungsfrist bei
Erlass des Bescheids vom 13.12.1996 und der nachfolgenden Bescheide
lediglich hinsichtlich der Ansätze von Beteiligungen an
inländischen Personengesellschaften abgelaufen (vgl. oben a,
b); nur insoweit war der Anspruch erloschen und bestand ein
Änderungsverbot. Hinsichtlich aller weiteren
Besteuerungsgrundlagen war der Ablauf der Feststellungsfrist
hingegen gehemmt (vgl. oben 3.).
bb) Nach Maßgabe des dargestellten
Zusammenspiels zwischen den Vorschriften über die
Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden, die Zulässigkeit der
Änderung von Steuerbescheiden und das Änderungsverbot bei
eingetretener Feststellungsverjährung gibt es für das
Begehren der Klägerin, den angefochtenen Bescheid dahin gehend
zu ändern, dass die Einheitswertanteile an den
Untergesellschaften mit 0 DM angesetzt werden, keine
Rechtsgrundlage.
Ein solcher Ansatz stünde
materiell-rechtlich in Widerspruch zu den Feststellungen, die in
den Grundlagenbescheiden enthalten sind und Bindungswirkung
entfalten. Verfahrensrechtlich wäre dieser Ansatz schon wegen
des nach Eintritt der Feststellungsverjährung geltenden
Änderungsverbots (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) nicht
zulässig.
Vor allem aber fehlt es an einer gesetzlichen
Grundlage (Korrekturvorschrift i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 Buchst. d AO 1977) für die von der Klägerin
begehrte Änderung. Die Korrekturvorschriften bezwecken einen
Ausgleich zwischen den einander widerstreitenden rechtsstaatlichen
Geboten, einerseits materiell rechtmäßige
Verwaltungsakte zu erlassen, andererseits aber Rechtssicherheit zu
gewährleisten (vgl. Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung,
2004, vor §§ 172 ff. Rn. 1). Das Begehren der
Klägerin geht dahin, den - bereits im bestandskräftigen
und daher durch den Grundsatz der Rechtssicherheit geschützten
Bescheid vom 20.6.1988 enthaltenen - Ansatz der Beteiligungen an
Personengesellschaften dahin gehend zu ändern, dass er
materiell noch unrichtiger wird als er bereits ist. Dafür
steht keine Korrekturvorschrift zur Verfügung.
Überdies war die von der Klägerin
herangezogene Korrekturvorschrift des § 164 Abs. 2 AO 1977 am
13.12.1996 hinsichtlich der Beteiligungen an inländischen
Personengesellschaften schon deshalb nicht anwendbar, weil der
Vorbehalt der Nachprüfung insoweit gemäß § 164
Abs. 4 AO 1977 mit Ablauf der Feststellungsfrist entfallen war.
Während die erstmalige Beifügung eines Vorbehaltsvermerks
(§ 164 Abs. 1 AO 1977) und seine Aufhebung (§ 164 Abs. 3
AO 1977) - anders als Vorläufigkeitsvermerke nach § 165
Abs. 1 AO 1977 - stets nur auf die gesamte
Steuerfestsetzung/Feststellung bezogen sein können, ergibt
sich aus § 164 Abs. 4 AO 1977 in Verbindung mit dem
differenzierten System der Ablaufhemmungen des § 171 AO 1977,
dass der Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung in Fällen
der Teilverjährung nur auf einen Teil des Steueranspruchs
bezogen ist.
Diese rechtliche Beurteilung ist nicht davon
abhängig, ob in einzelnen oder allen Grundlagenbescheiden
zugleich mit der letzten - nicht rechtzeitig in den angefochtenen
Bescheid übernommenen - Änderung der Vorbehalt der
Nachprüfung aufgehoben worden ist. Etwas anderes folgt auch
nicht aus § 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977, wonach die Aufhebung
des Vorbehalts einer Feststellung ohne Vorbehalt der
Nachprüfung gleich steht. Diese Regelung will lediglich
sicherstellen, dass der Steuerpflichtige ungeachtet der für
Änderungsbescheide an sich geltenden Beschränkungen des
§ 351 Abs. 1 AO 1977 und des § 42 FGO den Bescheid, in
dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wird, seinem
gesamten Inhalt nach - auch soweit dieser Bescheid lediglich einen
vorangegangenen Bescheid in sich aufnimmt - anfechten kann. Denn
der Steuerpflichtige durfte die Anfechtung der zuvor unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheide im Vertrauen
auf deren jederzeitige Änderungsmöglichkeit unterlassen
(vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs einer
Abgabenordnung vom 19.3.1971, BTDrucks VI/1982, 148, zu § 145
des Entwurfs). § 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 stellt hingegen
keine Korrekturvorschrift dar, die es ermöglichen würde,
den Ansatz einer im Folgebescheid bereits erfassten
Besteuerungsgrundlage nach Ergehen eines geänderten
Grundlagenbescheids, der nicht innerhalb der in § 171 Abs. 10
AO 1977 genannten Frist ausgewertet wird, trotz Eintritts der
Festsetzungs-/Feststellungsverjährung und entgegen der
Bindungswirkung des nunmehr wirksamen Grundlagenbescheids auf 0 DM
herabzusetzen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der
Klägerin angeführten BFH-Beschluss vom 11.4.1995 III B
74/92 (BFH/NV 1995, 943), der sich lediglich mit der Frage befasst,
ob die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung im
Grundlagenbescheid die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO
1977 auslöst.
cc) Da das FG sich auf Bl. 18 bis 20 seines
Urteils ausführlich mit dem entsprechenden Vorbringen der
Klägerin auseinander gesetzt hat, bleibt auch deren Rüge,
das angefochtene Urteil sei insoweit nicht mit Gründen
versehen, ohne Erfolg.
5. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtene
Einheitswertfeststellung ist auf ... DM herabzusetzen.
Die im Bescheid vom 14.11.2003 hinsichtlich
der Beteiligungsansätze an Personengesellschaften vorgenommene
Änderung im Umfang von 9.095.933 DM zulasten der Klägerin
war zwar wegen des Eintritts der
(Teil-)Feststellungsverjährung nicht mehr zulässig. Der
angefochtene Feststellungsbescheid ist jedoch insoweit
aufrechtzuerhalten, als das FA verpflichtet war, die bereits in der
Einspruchsentscheidung gemäß § 177 Abs. 2 AO 1977
vorgenommene Saldierung mit den durch die Betriebsprüfung
zugunsten der Klägerin ermittelten Änderungen (4.095.443
DM) beizubehalten.
a) Materielle Fehler i.S. des § 177 Abs.
1, 2 AO 1977 sind alle Fehler, die zur Festsetzung einer Steuer
führen, die von der kraft Gesetzes entstandenen Steuer
abweicht (§ 177 Abs. 3 AO 1977). Diese Definition umfasst nach
ihrem eindeutigen Wortlaut auch Fehler, die darin liegen, dass das
FA einen Grundlagenbescheid nicht rechtzeitig ausgewertet hat und
nunmehr durch die Vorschriften über die
Festsetzungsverjährung an einer Auswertung gehindert wird
(BFH-Urteile vom 18.12.1991 X R 38/90, BFHE 167, 1, BStBl II 1992,
504 = SIS 92 12 06, unter 3.b; vom 1.6.1994 X R 90/91, BFHE 175,
64, BStBl II 1994, 849 = SIS 94 19 01, unter 4., und vom 14.12.1994
X R 111/92, BFH/NV 1995, 566, unter 4.). Denn auch in einem solchen
Fall weicht die festgesetzte Steuer von der kraft Gesetzes
entstandenen Steuer ab. Für die Frage, in welcher Höhe
die Steuer - durch die Verwirklichung des Steuertatbestands i.S.
des § 38 AO 1977 - „entstanden“ ist, kommt
es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, in
welchem Umfang der einmal entstandene Steueranspruch durch den
Eintritt späterer Ereignisse nach § 47 AO 1977 erloschen
ist. Auch dies ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut des
Gesetzes.
Ein Unterschied zwischen Fällen, in denen
die Saldierung jeweils unselbständige Besteuerungsgrundlagen
betrifft (so die Situation in den vorstehend nachgewiesenen
BFH-Entscheidungen) und Fällen, in denen der Übernahme
einer gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlage der Eintritt
der Festsetzungs-/Feststellungsverjährung entgegen steht (dazu
bereits Senatsbeschluss vom 19.5.2006 II B 78/05, BFH/NV 2006, 1620
= SIS 06 33 86, unter 2.a cc), besteht insoweit nicht. Denn nur der
Steueranspruch selbst kann - ganz oder teilweise - verjähren;
nicht aber eine Besteuerungsgrundlage (BFH-Urteil in BFHE 167, 1,
BStBl II 1992, 504 = SIS 92 12 06, unter 3.b).
Der Verweis der Klägerin darauf, dass
durch die Korrekturvorschriften andere formelle Hindernisse als die
Bestandskraft nicht durchbrochen werden können (BFH-Urteile
vom 8.4.1986 IX R 212/84, BFHE 147, 122, BStBl II 1986, 790 = SIS 86 19 42, unter c, und vom 14.3.1989 I R 77/85, BFH/NV 1991, 311,
unter II.3.), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn §
177 AO 1977 ist selbst keine Korrekturvorschrift, sondern begrenzt
lediglich die Wirkungen von Korrekturvorschriften. In derartigen
Fällen hat der Gesetzgeber dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit
erkennbar Vorrang vor dem der Rechtssicherheit eingeräumt,
soweit - wie es hier angesichts der aus anderen Gründen
bestehenden Änderungsmöglichkeiten der Fall ist - noch
kein Rechtsfrieden eingetreten ist (vgl. auch dazu BFH-Urteil in
BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504 = SIS 92 12 06, unter 3.b).
§ 177 Abs. 2 AO 1977 führt in dieser
Auslegung nicht etwa dazu, dass ein bereits (teil-)verjährter
und daher gemäß § 47 AO 1977 erloschener
Steueranspruch neu entsteht (in diese Richtung aber von Groll in
Hübschmann/Hepp/Spitaler (HHSp), Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 177 AO Rz. 115, Stand Juni
2005). Vielmehr bewirkt die Vorschrift lediglich die Begrenzung der
gegenläufigen Festsetzung eines nicht verjährten
Teilbetrags.
b) Der Saldierungsrahmen, dessen Umfang
für Zwecke der Anwendung des § 177 AO 1977 festzustellen
ist, wird nicht allein durch den letzten Änderungsbescheid
bestimmt. Vielmehr sind auch alle Änderungen heranzuziehen,
die aufgrund der Anwendung selbständiger Korrekturvorschriften
zugunsten und zulasten des Steuerpflichtigen in denjenigen
Bescheiden vorgenommen worden sind, die dem letzten
Änderungsbescheid vorangegangen, aber nicht formell
bestandskräftig geworden sind.
Dies folgt aus dem engen systematischen
Zusammenhang zwischen den Regelungen des § 177 AO 1977
einerseits und des § 351 Abs. 1 AO 1977 andererseits. So soll
die Vorschrift des § 177 Abs. 1 AO 1977 diejenigen
Änderungen vorwegnehmen, die der Steuerpflichtige ansonsten in
dem durch § 351 Abs. 1 AO 1977 eröffneten Rahmen gegen
eine ihm nachteilige Änderung des Steuerbescheids aufgrund
selbständiger Korrekturvorschriften geltend machen könnte
(Koenig in Pahlke/Koenig, § 177 AO Rn. 2). § 351 Abs. 1
AO 1977 stellt für den Umfang des Änderungsrahmens aber
auf den letzten unanfechtbaren Verwaltungsakt ab. Ein
Verwaltungsakt, der während eines bereits anhängigen
Einspruchsverfahrens ergeht, dieses Verfahren jedoch nicht
abschließt, wird nicht unanfechtbar, solange das
Einspruchsverfahren andauert; vielmehr wird er selbst Gegenstand
des Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3 AO 1977). Damit
schließt der Änderungsrahmen des § 351 Abs. 1 AO
1977 auch solche Änderungen ein, die in früher
ergangenen, aber nicht formell bestandskräftig gewordenen
Änderungsbescheiden vorgenommen worden sind (BFH-Urteil vom
10.7.1980 IV R 11/78, BFHE 131, 267, BStBl II 1981, 5 = SIS 81 05 50, unter 2.). Wegen des engen systematischen Zusammenhangs mit der
Vorschrift des § 351 Abs. 1 AO 1977 muss Gleiches auch
für die Auslegung und Anwendung des § 177 Abs. 1 AO 1977
gelten.
Weil die - im Streitfall einschlägige -
Vorschrift des § 177 Abs. 2 AO 1977 die Finanzbehörde dem
Steuerpflichtigen gleichstellen will, wenn sie Bescheide zu dessen
Gunsten ändert (Urteil des FG Münster vom 19.2.1982
XI-VII 3244/79 E, EFG 1982, 523, rkr.; Loose in Tipke/Kruse, §
177 AO Tz. 3, Stand März 2004), ist sie ebenso auszulegen wie
die zugunsten des Steuerpflichtigen wirkende Vorschrift des §
177 Abs. 1 AO 1977.
c) Nach diesen Maßstäben ist §
177 Abs. 2 AO 1977 im Streitfall anwendbar.
aa) Bereits bei Erlass des
Änderungsbescheids vom 13.12.1996 lagen die Voraussetzungen
für die Änderung des Feststellungsbescheids zugunsten der
Klägerin vor, weil zusätzliche Steuerrückstellungen
in Höhe von 4.095.443 DM - auf der verfahrensrechtlichen
Grundlage des § 164 Abs. 2 AO 1977 - als Schuldposten zu
berücksichtigen waren. Im Umfang dieser Änderung
hätte das FA bereits in diesem Bescheid nach § 177 Abs. 2
AO 1977 gegenläufige materielle Fehler berichtigen
müssen. Diese Berichtigung kann indes noch in einem
späteren Bescheid vorgenommen werden, solange keiner der seit
der Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen ergangenen
Änderungsbescheide formell bestandskräftig geworden ist
(oben b).
Vorliegend hat das FA die Fehlerberichtigung
erstmals in der Einspruchsentscheidung vom 18.10.2001 vorgenommen,
mit der der Einheitswert im Ergebnis von ... DM auf ... DM
herabgesetzt worden ist. Zuvor war weder der - mit dem Einspruch
angefochtene - Änderungsbescheid vom 13.12.1996 noch der zum
Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewordene
Änderungsbescheid vom 9.7.1997 formell bestandskräftig
geworden.
bb) Die materiellen Fehler, die nicht Anlass
der Änderung sind, sind hier darin zu sehen, dass das FA
geänderte Grundlagenbescheide nicht rechtzeitig ausgewertet
hat und nunmehr durch die Vorschriften über die
Feststellungsverjährung an einer Auswertung gehindert wird
(oben a). Der durch die selbständige Korrekturvorschrift des
§ 164 Abs. 2 AO 1977 ermöglichten Änderung zugunsten
der Klägerin im Umfang von 4.095.443 DM stehen damit
materielle Fehler gegenüber, deren Berichtigung einen Saldo
von 9.095.933 DM zulasten der Klägerin ergeben würde.
cc) Das Saldierungspotenzial ist auch noch
nicht verbraucht. Zwar hat das FA die Fehlersaldierung bereits in
der Einspruchsentscheidung vom 18.10.2001 vorgenommen. Im hier
maßgebenden Änderungsbescheid vom 14.11.2003 machte es
dies jedoch - insoweit folgerichtig - wieder rückgängig,
weil es die teilverjährten Besteuerungsgrundlagen in vollem
Umfang ansetzte und es damit nach Auffassung des FA an einem
materiellen Fehler fehlte.
Zwar erweist sich die im Bescheid vom
14.11.2003 vorgenommene Korrektur wegen Ablaufs der
Feststellungsfrist als rechtswidrig; der Wertansatz ist allerdings
in demjenigen Umfang beizubehalten, als er auf der bereits in der
Einspruchsentscheidung zu Recht vorgenommenen
Rechtsfehlersaldierung beruht.
d) Der Einheitswert ergibt sich danach wie
folgt:
-
|
Einheitswert vor Abrundung
|
|
|
lt. Bescheid vom 10.12.2003:
|
... DM
|
|
|
|
-
|
abzüglich verjährter Teile der
Wertansätze
|
|
|
der Beteiligungen an
Personengesellschaften:
|
./.
9.095.933 DM
|
|
|
|
-
|
Wiederaufleben der in der
Einspruchsentscheidung
|
|
|
vorgenommenen Rechtsfehlersaldierung nach
§ 177 Abs. 2
|
|
|
AO 1977 im Umfang der im Bescheid vom
13.12.1996
|
|
|
zugunsten der Klägerin
vorgenommenen Änderungen:
|
+
4.095.443 DM
|
|
|
|
-
|
neuer Einheitswert vor Abrundung:
|
... DM
|
-
|
neuer Einheitswert nach Abrundung:
|
... DM
|