Ansparrücklage für Tiere des Anlagevermögens: Für Tiere des Anlagevermögens kann die Ansparrücklage nach § 7 g Abs. 3 bis 5 EStG ohne Ansatz eines Schlachtwerts gebildet werden. Sobald für die begünstigten Tiere Abschreibungen vorgenommen werden dürfen, ist die Rücklage nach § 7 g Abs. 4 Satz 1 EStG in vollem Umfang auch insoweit aufzulösen, als der Rücklagenbetrag das spätere Abschreibungsvolumen übersteigt. - Urt.; BFH 31.8.2006, IV R 26/05; SIS 06 38 94
I. Streitig ist, ob bei Bildung einer
Ansparrücklage für die Aufzucht von Milchkühen
gemäß § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) ein Schlachtwert anzusetzen ist.
Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden im Streitjahr (1998) als Ehegatten zur
Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielte
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft mit der Aufzucht von
Rindern und Schweinen. Den Gewinn seines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs ermittelte er durch
Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG für
das Normalwirtschaftsjahr der Land- und Forstwirte.
In der Bilanz des Wirtschaftsjahres 1998/99
wies der Kläger eine Ansparrücklage in Höhe von
54.900 DM aus. In diesem Betrag war auch eine gewinnmindernde
Rücklage für die geplante Aufzucht von 15 Kühen
enthalten, die der Kläger - bei Herstellungskosten pro Tier
von 1.600 DM - mit 12.000 DM ermittelt hatte (15 x 1.600 DM x 50
v.H.). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -
) minderte die Herstellungskosten pro Kuh
um den Schlachtwert von 1.100 DM, errechnete vom verbleibenden Wert
von 500 DM eine Ansparrücklage gemäß § 7g EStG
in Höhe von 3.750 DM, so dass sich der Gewinn aus Land- und
Forstwirtschaft um 8.250 DM auf 51.218 DM erhöhte, und
erließ den angefochtenen Einkommensteuerbescheid
1998.
Nach erfolglosem Einspruch gab das
Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, dem
Wortlaut des § 7g Abs. 3 EStG lasse sich eine
Einschränkung, wonach die Rücklage um den Schlachtwert
von Tieren zu kürzen sei, nicht entnehmen. Das Urteil ist in
EFG 2005, 1851 = SIS 05 43 58 veröffentlicht.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision
rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und trägt
vor: Zu Unrecht habe das FG eine Beschränkung der
Rücklage auf die höchstmögliche Absetzung für
Abnutzung (AfA) unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut abgelehnt.
Durch den die Rücklage in § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG
umschreibenden Klammerzusatz „Ansparabschreibung“ habe
der Gesetzgeber einen deutlichen Hinweis auf die AfA gegeben, die
häufig auch als Abschreibung bezeichnet würden.
Jedenfalls widerspreche die Auslegung des FG dem Sinn und Zweck der
Vorschrift. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich eindeutig,
dass man beabsichtigt habe, mit der Regelung des § 7g Abs. 3
EStG kleinen und mittleren Unternehmen zur Erleichterung von
Investitionen eine Steuerstundung zu gewähren (BTDrucks
12/4158, S. 33). Lasse man aber bei Tieren des
Anlagevermögens, bei denen der Schlachtwert
regelmäßig mehr als 50 v.H. der
„Herstellungskosten“ ausmache, eine Rücklage in
Höhe von 50 v.H. der „Herstellungskosten“ zu, so
führe die Rücklagebildung zwingend zu einer vom
Gesetzgeber nicht beabsichtigten Steuernachzahlung, weil die
Ansparabschreibung im Zeitpunkt der „Herstellung“ der
Tiere mit einem höheren Betrag aufgelöst werden
müsse, als Abschreibungsvolumen für die Tiere zur
Verfügung stehe. Denn AfA komme bei derartigen Tieren nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur vom
Differenzbetrag zwischen den Herstellungskosten und dem
Schlachtwert in Betracht (Urteile vom 1.10.1992 IV R 97/91, BFHE
169, 180, BStBl II 1993, 284 = SIS 93 01 12, und vom 15.2.2001 IV R
43/99, BFH/NV 2001, 1021 = SIS 01 67 44).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend auf den
Ansatz eines Schlachtwerts für die Milchkühe des
Klägers bei Bildung der sog. Ansparrücklage
verzichtet.
1. Nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG in der
für das Streitjahr geltenden Fassung können
Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln,
für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen
beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den
Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Ansparrücklage darf
dabei 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des
begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der
Steuerpflichtige „voraussichtlich bis zum Ende des zweiten
auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs
anschaffen oder herstellen wird“. Spätestens am Ende
des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs ist die
Ansparrücklage gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7g
Abs. 4 EStG).
2. a) Im Streitfall haben die Voraussetzungen
für die Bildung einer Ansparrücklage dem Grunde nach
unstreitig vorgelegen. Die Milchkühe sind Tiere des
Anlagevermögens im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des
Klägers. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats
berechtigte ihre künftige Herstellung im Streitjahr auch dann
zur Einstellung einer Rücklage, wenn die Tiere - wie im
Streitfall - nach Richtwerten (Gruppenwerten) bilanziert werden
sollen (Senatsurteil in BFH/NV 2001, 1021 = SIS 01 67 44).
b) Zu Unrecht hat das FA jedoch die
Rücklage der Höhe nach durch Ansatz eines Schlachtwerts
begrenzt. Nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ist der Betrag der
Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlageguts
Bemessungsgrundlage für die Rücklage. Eine weitere
Einschränkung sieht das Gesetz - wie das FG zutreffend
ausgeführt hat - nicht vor (gleicher Ansicht Meyer in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 7g EStG Anm. 93, und konkret bezogen
auf den Schlachtwert: Heins, HLBS-Report 2002, 7, 9).
Allerdings wird im Schrifttum auch die
Auffassung vertreten, die Rücklage könne höchstens
50 v.H. des Unterschiedsbetrags von Anschaffungs- oder
Herstellungskosten und Schlachtwert betragen, weil sie nach ihrem
Zweck die spätere Abschreibung lediglich vorwegnehme (so
Felsmann/König, Einkommensbesteuerung der Land- und
Forstwirte, Anm. A 1391h, 1393, 1393a, und
Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 31 Rz.
195c). Tatsächlich wird in der Begründung zum Entwurf
eines Standortsicherungsgesetzes vom 20.1.1993 auch
ausgeführt, man schaffe die Möglichkeit, „im
Vorgriff auf spätere Abschreibungsmöglichkeiten zur
Finanzierung künftiger Investitionen eine Rücklage zu
bilden“ (BTDrucks 12/4158, S. 33 li.Sp.). Bis auf den vom
FA erwähnten Klammerzusatz in § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG und
den in der Gesetzesüberschrift verwendeten Begriff der
Ansparabschreibung hat dieser Gedanke einer Vorwegnahme der
späteren AfA in der Gesetzesfassung jedoch keinen Ausdruck
gefunden. Ob dieser - nach Auffassung des Senats - eher
missverständlichen Bezeichnung der Rücklage nach §
7g Abs. 3 EStG als Ansparabschreibung normative Bedeutung zukommt,
kann im Streitfall dahinstehen. Jedenfalls bezieht sich das Gesetz
zum Umfang der Rücklage allein auf den § 6 Abs. 1 EStG
zuzuordnenden Bewertungsmaßstab der Anschaffungs- oder
Herstellungskosten und vermeidet jeden Hinweis auf die in § 7
Abs. 1 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale der
„Nutzung“ und „Abnutzung“.
Diese Begriffe aber waren nach dem Beschluss des Großen
Senats des BFH entscheidend für den Ansatz eines Schrottwerts
bei Bemessung der AfA auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten
der Wirtschaftsgüter von großem Gewicht oder aus
wertvollem Material (Beschluss des Großen Senats des BFH vom
7.12.1967 GrS 1/67, BFHE 91, 93, BStBl II 1968, 268 = SIS 68 01 73)
und für die Übertragung dieser Grundsätze des
Großen Senats durch den erkennenden Senat auf die
Viehbewertung (Urteil vom 4.6.1992 IV R 101/90, BFHE 169, 397,
BStBl II 1993, 276 = SIS 93 04 21, Nr. 3 der Gründe).
Auch der Gesetzeszweck widerspricht nicht der
Auffassung des Senats. Im Unterschied zu § 7 Abs. 1 EStG, der
den Ansatz eines Schlachtwerts dann gebietet, wenn Tieren ein
erheblicher Restwert zukommt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 169, 397,
BStBl II 1993, 276 = SIS 93 04 21, zu 3. der Gründe) ist
§ 7g EStG eine wirtschaftslenkende Norm, die die
Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch
verbessern soll, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung
unterstützt und deren Investitions- und Innovationskraft
gestärkt werden (BTDrucks 10/336, S. 13, 25, 26; BTDrucks
11/257, S. 8 f.). Dies gilt insbesondere für die Rücklage
nach Abs. 3 dieser Vorschrift, die das vom Gesetzgeber erkannte
Bedürfnis nach einer Steuerstundung bei Investitionsvorhaben
kleiner und mittlerer Betriebe erfüllen soll (BTDrucks
12/4158, S. 33 li.Sp.). Dieser beabsichtigte Stundungseffekt kommt
bei der hier vertretenen wörtlichen Auslegung des § 7g
Abs. 3 EStG am wirksamsten zur Geltung.
c) Allerdings hat das FA zutreffend darauf
hingewiesen, dass bei hohen Schlachtwerten der Rücklagebetrag
das spätere Abschreibungsvolumen überschreiten kann. Dies
ist immer dann der Fall, wenn die Rücklage in vollem Umfang
von 50 v.H. der prognostizierten Anschaffungs- oder
Herstellungskosten gebildet wird, der Schlachtwert diesen
Rücklagebetrag aber - wie im Streitfall - überschreitet.
Dadurch erlangt der Steuerpflichtige jedoch keinen unangemessenen
Steuervorteil. Denn soweit die Rücklage wegen des Ansatzes
eines Schlachtwerts nicht auf die hergestellten Tiere
„übertragen“ werden kann, ist sie
erfolgswirksam aufzulösen (§ 7g Abs. 4 EStG). Will der
Steuerpflichtige diesen Nachteil vermeiden, so muss er sein
Wahlrecht so ausüben, dass der Rücklagebetrag dem
späteren AfA-Volumen entspricht.