Aufhebung eines Kaufvertrags betr. vermietete Immobilie, Schadensersatz des Käufers, Werbungskosten: Leistet der Käufer eines Mietobjekts an den Verkäufer infolge einer Vertragsaufhebung Schadensersatz, um sich von seiner gescheiterten Investition zu lösen, so kann er seine Aufwendungen als vorab entstandene vergebliche Werbungskosten absetzen (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 15.11.2005 IX R 3/04, BStBl 2006 II S. 258 = SIS 06 07 06). - Urt.; BFH 7.6.2006, IX R 45/05; SIS 06 37 96
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte
Eheleute. Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag
vom 16.12.1998 ein Mietwohngrundstück zu einem Kaufpreis von
3,9 Mio. DM, fällig bis zum 31.12.1998. Die Finanzierung war
ihm von seiner Bank zunächst zugesagt, schlug letztlich aber
fehl. Am 23.12.1998 hoben die Verkäuferin und der Kläger
den Kaufvertrag wegen der nicht möglichen Finanzierung auf.
Der Kläger musste an die Verkäuferin 250.000 DM
Schadensersatz leisten.
Er entrichtete diesen Betrag sowie mit dem
Grundstückserwerb und der Aufhebung des Kaufvertrags
zusammenhängende Notar- und Rechtsanwaltskosten im Streitjahr
(1999) und machte sie als Werbungskosten bei den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) lehnte die
Berücksichtigung ab, weil die Aufwendungen der Beendigung der
Einkünfteerzielung gedient hätten. Auch die Klage blieb
ohne Erfolg. In seinem in EFG 2006, 100 = SIS 06 01 62
veröffentlichten Urteil führte das Finanzgericht (FG)
aus, die Aufwendungen stünden im Zusammenhang mit der Aufgabe
der Einkunftsquelle; insbesondere die Schadensersatzverpflichtung
wurzele nicht in dem Kaufvertrag. Seien „Aufgabekosten“
abziehbar, während durch eine Veräußerung
veranlasste Kosten der Vermögensebene zuzuordnen seien,
wäre ein Gleichklang zwischen der Aufgabe einer
Einkünftequelle und der Veräußerung der
Einkünftequelle nicht mehr gewährleistet.
Hiergegen richtet sich die Revision der
Kläger, die sie auf Verletzung von § 9 Abs. 1 Sätze
1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stützen. Auch nach
der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht wirke der
Veranlassungszusammenhang bei vorab entstandenen Werbungskosten
fort und umfasse nicht nur Kosten eines gerichtlichen, sondern auch
Aufwendungen im Zusammenhang mit einem außergerichtlichen
Vergleich.
Die Kläger beantragen
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den
geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom
2.4.2004 zu ändern und die Einkommensteuer für das
Streitjahr unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten aus
Vermietung und Verpachtung von 260.715 DM neu festzusetzen.
Das FA hat sich zur Revision nicht
eingelassen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und
zur Stattgabe der Klage.
Das FG hat zu Unrecht den Werbungskostenabzug
versagt, weil die Aufwendungen nach Aufgabe der
Einkünfteerzielungsabsicht entstanden sind.
1. Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1
Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und
Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen,
bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG), auch wenn
mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt
werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher
vorab entstandener Werbungskosten ist ein ausreichend bestimmter
wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der
Einkunftsart (Beschluss des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.7.1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466,
BStBl II 1990, 830 = SIS 90 18 09; BFH-Urteil vom 11.1.2005 IX R
15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477 = SIS 05 21 69).
Auch nach Aufgabe der
Einkünfteerzielungsabsicht können vorab entstandene
vergebliche Werbungskosten weiter abziehbar sein, wenn der
Steuerpflichtige - nachdem er das Scheitern seiner Investition
erkannt hat - etwas aufwendet, um sich aus der vertraglichen
Verbindung zu lösen (BFH-Beschluss vom 5.11.2001 IX B 92/01,
BFHE 197, 139, BStBl II 2002, 144 = SIS 02 02 30, m.w.N.). Der
durch die Absicht der Einkünfteerzielung begründete
Veranlassungszusammenhang wirkt fort, solange er nicht durch eine
der Vermögenssphäre zuzuweisende neue Veranlassung (z.B.
dem Zusammenhang mit einem nicht steuerbaren
Veräußerungsgewinn) überlagert wird (BFH-Urteil vom
15.11.2005 IX R 3/04, BStBl II 2006, 258 = SIS 06 07 06, m.w.N.).
Ein „Gleichklang“ zwischen Aufgabe und
Veräußerung einer Einkunftsquelle, wie er vom FG
beschrieben wird, besteht danach nicht.
2. Nach diesen Maßstäben sind die
strittigen Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu
berücksichtigen. Der Kläger musste Schadensersatz in
Höhe von 250.000 DM leisten, um die - im Kauf des
Mietgrundstücks liegende - gescheiterte Investition zu
beenden. Dass der Aufhebungsvertrag nicht auf Grund eines
Prozessvergleichs, sondern außergerichtlich zustande kam, ist
für die steuerrechtliche Bewertung ohne Belang. Ein die
ursprüngliche Veranlassung überlagernder neuer
Zusammenhang dieser Aufwendungen ist jedenfalls nicht ersichtlich.
Weil der Grundstückskaufvertrag vor dem Übergang des
wirtschaftlichen Eigentums rückgängig gemacht wurde, lag
darin auch kein Veräußerungsgeschäft (vgl.
BFH-Urteil vom 20.1.1987 IX R 147/83, BFH/NV 1987, 428). Es kann
deshalb offen bleiben, ob mit dem Schadensersatz wegen
Nichterfüllung durch die Vertragsaufhebung verhinderte
Wertveränderungen ausgeglichen werden sollten, die als solche
nur dann steuerrechtlich bedeutsam wären, wenn die
Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22
Nr. 2 EStG vorlägen. Auch die im Zusammenhang mit dem
Kaufvertrag und dessen Aufhebung angefallenen Rechtsanwalts- und
Notarkosten kann der Kläger als Werbungskosten geltend machen
(vgl. zu Rechtsverfolgungskosten BFH-Urteil vom 6.12.1983 VIII R
102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314 = SIS 84 07 33).
3. Da das angefochtene Urteil diesen
Grundsätzen nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Die der Höhe nach
unstreitigen Aufwendungen von 260.715 DM sind als weitere
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung zu berücksichtigen. Der Senat überträgt
dem FA die Berechnung der Einkommensteuer für das Streitjahr
nach § 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 FGO.