Unbebautes Grundstück, Bewertung: Der auf der Grundlage des Bodenrichtwerts festzustellende Wert eines unbebauten Grundstücks ist entsprechend der Geschossflächenzahl unter Zugrundelegung des maßgeblichen Umrechnungskoeffizienten anzupassen, wenn der Gutachterausschuss den Bodenrichtwert und die dazugehörige Geschossflächenzahl bestimmt hat. - Urt.; BFH 12.7.2006, II R 1/04; SIS 06 37 77
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erhielt am 14.12.2001 durch zwei Schenkungen jeweils
23 948/100.000 Miteigentumsanteile an einem 3.428 qm großen
unbebauten Grundstück. Mit Bescheiden über die gesonderte
Feststellung des Grundbesitzwertes vom 17.10.2002 stellte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) den Wert der
dem Kläger geschenkten Miteigentumsanteile auf den 14.12.2001
auf jeweils 1.017.790 DM (520.387 EUR) fest. Das FA ging bei der
Wertermittlung von dem in der Richtwertkarte bei einer
Geschossflächenzahl (GFZ) von 0,4 ausgewiesenen Wert von 890
DM/qm aus, den es aufgrund der für das zu bewertende
Grundstück tatsächlich erreichbaren GFZ von 1,32 auf
1.550 DM erhöhte.
Einspruch und Klage, mit denen der
Kläger geltend machte, § 145 Abs. 3 des
Bewertungsgesetzes (BewG) lasse eine Anpassung des Bodenrichtwerts
an die erhöhte bauliche Nutzung nicht zu, hatten keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in EFG 2004, 552 =
SIS 04 11 81 veröffentlichten Urteil die Auffassung, bei der
Anwendung des § 145 Abs. 3 BewG sei der sich auf eine vom
Gutachterausschuss angegebene GFZ beziehende Bodenrichtwert auf die
baurechtlich mögliche Nutzung des zu bewertenden
Grundstücks umzurechnen.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger Verletzung von § 145 Abs. 3 BewG.
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und
unter Abänderung der Bescheide über die gesonderte
Feststellung der Grundbesitzwerte diese auf jeweils 584.331 DM
(298.763 EUR) festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist zutreffend davon
ausgegangen, dass der nach § 145 Abs. 3 BewG zu bestimmende
Wert eines unbebauten Grundstücks bei Abweichung von der
für das Bodenrichtwertgrundstück angegebenen GFZ durch
Ableitung aus dem Bodenrichtwert zu ermitteln ist.
1. Nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG bestimmt
sich der Wert unbebauter Grundstücke nach ihrer Fläche
und den um 20 v.H. ermäßigten Bodenrichtwerten i.S. von
§ 196 des Baugesetzbuches (BauGB). Es handelt sich um eine
verfassungsrechtlich unbedenkliche typisierende Bewertungsmethode,
die der Vereinfachung der Bedarfsbewertung dient. Die
Bodenrichtwerte sind für die am Steuerrechtsverhältnis
Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen
Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.5.2005 II R 21/02,
BFHE 210, 48, BStBl II 2005, 686 = SIS 05 39 61, und vom 26.4.2006
II R 58/04, BB 2006, 1725 = SIS 06 31 48). Sie sind deswegen von
den Finanzbehörden und -gerichten ungeprüft und ohne
eigenen Bewertungsspielraum der Ermittlung des Bedarfswerts
zugrunde zu legen (BFH-Urteil vom 18.8.2005 II R 62/03, BFHE 210,
368, BStBl II 2006, 5 = SIS 05 41 67).
2. Mit einem Bodenrichtwert i.S. des §
196 BauGB, für den eine GFZ angegeben ist, liegt ein vom
Gutachterausschuss festgelegter und damit nach § 145 Abs. 3
Satz 1 BewG verbindlicher Bodenrichtwert auch für solche
Grundstücke in der Bodenrichtwertzone vor, deren GFZ nicht der
für das Bodenrichtwertgrundstück angegebenen entspricht.
In diesem Fall ist der Bodenrichtwert des zu bewertenden
Grundstücks unter Zugrundelegung des maßgeblichen
Umrechnungskoeffizienten anzupassen.
a) Diese Anpassung beruht entgegen der
Auffassung der Revision nicht auf einer - dem FA bei der
Bedarfsbewertung nach § 145 Abs. 3 BewG untersagten -
Schätzung des maßgebenden Bodenwerts, sondern auf einer
vom Gutachterausschuss durch Angabe einer GFZ selbst vorgegebenen
Differenzierung (BFH-Urteil in BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5 =
SIS 05 41 67).
Die Gutachterausschüsse haben
gemäß § 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB
„durchschnittliche Lagewerte für den Boden“
zu ermitteln. Die Wertermittlungsverordnung (WertV), die auf der
Grundlage des § 199 Abs. 1 BauGB Vorschriften über die
Anwendung gleicher Grundsätze „bei der Ableitung der
für die Wertermittlung erforderlichen Daten“
enthält, sieht in § 10 Abs. 1 die Anwendung von
Umrechnungskoeffizienten vor. Durch diese sollen Wertunterschiede
von Grundstücken, die sich aus Abweichungen bestimmter
wertbeeinflussender Merkmale sonst gleichartiger Grundstücke
ergeben, insbesondere aus dem unterschiedlichen Maß der
baulichen Nutzung, erfasst werden. Vorhandene
Umrechnungskoeffizienten sollen gemäß § 14 Satz 3
WertV zur Ermittlung u.a. von Zu- und Abschlägen herangezogen
werden, wenn die wertbeeinflussenden Merkmale der
Vergleichsgrundstücke, für die Bodenrichtwerte abgeleitet
worden sind, vom Zustand des zu bewertenden Grundstücks
abweichen.
Zur Berechnung der für das zu bewertende
Grundstück anzusetzenden Zu- oder Abschläge können
die Gutachterausschüsse von ihnen selbst ermittelte
eigenständige Umrechnungskoeffizienten angeben. Soweit diese
fehlen, ist auch die Anwendung der in der Anlage 23 der
Wertermittlungs-Richtlinien angegebenen Umrechnungskoeffizienten
möglich, die ihrerseits auf gesicherten Erfahrungswerten
beruhen (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 145
BewG Rz. 70 ff.; Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von
Grundstücken, 4. Aufl. 2002, § 10 WertV Rz. 7 ff., §
14 WertV Rz. 52 ff.).
b) Die Anpassung des Bodenwerts des zu
bewertenden Grundstücks entsprechend seiner GFZ steht mit
Wortlaut und Zweck des § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG in Einklang.
Mit dieser Anpassung wird dem der Bedarfsbewertung unbebauter
Grundstücke zugrunde liegenden Willen des Gesetzgebers
Rechnung getragen, wonach der Bodenwert durch das Lagefinanzamt,
falls erforderlich, nur noch an eine abweichende mögliche
bauliche Nutzung angepasst werden sollte (BRDrucks 390/96, 50). Dem
zum Gesetz gewordenen Wortlaut des § 145 Abs. 3 BewG, der -
anders als die im Entwurf des Jahressteuergesetzes 1997 (BRDrucks
390/96) ursprünglich vorgesehene Fassung eines § 146 BewG
- nicht ausdrücklich eine Feststellung des Bodenrichtwerts
„unter Berücksichtigung der möglichen baulichen
Nutzung“ vorsieht, kann eine davon abweichende
Zielsetzung des Gesetzgebers nicht entnommen werden. Die in den
Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 1998 in R 161 Abs. 2
vorgesehene „Ableitung“ des Bodenwerts in
Fällen, in denen in der Bodenrichtwertkarte eine GFZ angegeben
ist und die GFZ des zu bewertenden Grundstücks von der des
Bodenrichtwertgrundstücks abweicht, ist daher mit § 145
Abs. 3 BewG vereinbar.
3. Rechtsfehler der angegriffenen
Feststellungsbescheide bei der Ableitung des Bodenwerts aus der
für das Bodenrichtwertgrundstück angegebenen GFZ sind
nach Aktenlage nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht.
Von der Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen
Werts gemäß § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG hat der
Kläger keinen Gebrauch gemacht.