Freiberufler, private Telefonnutzung: Die auf Arbeitnehmer beschränkte Steuerfreiheit für die Vorteile aus der privaten Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten (§ 3 Nr. 45 EStG) verletzt nicht den Gleichheitssatz. - Urt.; BFH 21.6.2006, XI R 50/05; SIS 06 34 82
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger war
im Streitjahr 2001 als Rechtsanwalt selbständig tätig. In
seiner Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) setzte er einen privaten Anteil an
den Telefonkosten in Höhe von 30 v.H. (798 DM)
gewinnerhöhend an. Hiergegen legten die Kläger erfolglos
Einspruch ein.
Mit der Klage machten sie geltend, die
Besteuerung des privaten Nutzungsanteils an den Kosten des
betrieblichen Telefons verletze im Hinblick auf die Steuerbefreiung
für private Nutzungsvorteile der Arbeitnehmer (§ 3 Nr. 45
EStG) Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Das Finanzgericht (FG)
wies die Klage ab (EFG 2006, 21 = SIS 06 00 92).
Mit ihrer Revision rügen die
Kläger verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Auch bei
selbständig Tätigen würde sich entgegen der
Auffassung des FG die Steuerfreiheit steuervereinfachend auswirken,
weil auch sie gezwungen seien, ihren privaten Anteil an den Kosten
für die betrieblichen Telekommunikationsgeräte zu
ermitteln. Sollte ein Vollzugsdefizit im Zusammenhang mit der
Verlagerung privater Aufwendungen in den betrieblichen Bereich
tatsächlich bestehen, so rechtfertige dies nicht die
Benachteiligung der Arbeitgeber. Die Begründung des FG, bei
einem selbständig Tätigen fehle der natürliche
Interessengegensatz zwischen dem Eigentümer der Geräte
und dem Arbeitnehmer, bewege sich auf einfachrechtlicher Ebene und
könne Verfassungsrecht nicht verdrängen. Art. 3 Abs. 1 GG
enthalte zudem keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt. Auch
wenn eine Nichtigkeitserklärung durch das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kaum in Betracht komme, so werde
dieses dem Gesetzgeber jedoch aufgeben, eine gesetzliche Regelung
zu beschließen, die den privaten Nutzungsanteil der
Selbständigen von der Steuer freistelle.
Die Kläger beantragen, das Verfahren
auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Im
Übrigen beantragen sie, das Urteil des FG abzuändern und
den Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 28.3.2003 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 30.5.2003 dahin gehend zu
ändern, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit
nur in Höhe von 16.006 DM angesetzt werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) beantragt, im Wesentlichen unter Hinweis auf die
Ausführungen des FG, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen. Die Steuervereinfachung sei bei Arbeitnehmern
erheblich dringlicher als bei selbständig
Tätigen.
II. Die Revision der Kläger ist als
unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Verfahren ist nicht nach Art.
100 Abs. 1 GG auszusetzen. Die Beschränkung der Steuerfreiheit
des § 3 Nr. 45 EStG auf private Nutzungsvorteile von
Arbeitnehmern ist verfassungsgemäß.
1. Nach § 3 Nr. 45 EStG sind steuerfrei
die Vorteile des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von
betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten.
Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger
Tätigkeit werden vom Wortlaut nicht erfasst, was auch zwischen
den Beteiligten unstreitig ist.
2. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung
von Arbeitnehmern und selbständig Tätigen ist sachlich
gerechtfertigt.
a) Bei selbständig tätigen
Steuerpflichtigen (§§ 13, 15, 18 EStG) ist der Gewinn um
die anteiligen Aufwendungen für die private Nutzung einer
betrieblichen Telekommunikationsanlage zu erhöhen. Dabei kann
offen bleiben, ob es bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn
nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, insoweit an der betrieblichen
Veranlassung der Aufwendungen i.S. des § 4 Abs. 4 EStG fehlt
(so Vorentscheidung), oder eine Nutzungsentnahme vorliegt, die als
fiktive Betriebseinnahme zu behandeln ist (vgl. hierzu z.B. Urteile
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.9.1986 IV R 50/86, BFHE 147,
529, BStBl II 1986, 907 = SIS 86 22 09; vom 1.3.2001 IV R 27/00,
BFHE 195, 200, BStBl II 2001, 403 = SIS 01 06 51; vom 8.10.1981 IV
R 90/80, juris Nr: STRE815057260; Schmidt/Heinicke, EStG, 25.
Aufl., § 4 Rz 340). Auch wenn der Senat zugunsten der
Kläger davon ausgeht, dass der Gewinn um eine fiktive Einnahme
erhöht wird und insoweit eine mit § 3 Nr. 45 EStG
vergleichbare Form der Einnahme i.S. des § 8 Abs. 1 EStG
vorliegt, verletzt die auf Arbeitnehmer beschränkte
Steuerbefreiung nicht Art. 3 Abs. 1 GG.
b) Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der
allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt, wenn eine
Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen
beiden Gruppen keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts
bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (z.B.
BVerfG-Beschluss vom 26.1.1993 1 BvL 38/92, BVerfGE 88, 87, unter
B.I.1. der Gründe). Je nach Regelungsgegenstand und
Differenzierungsmerkmalen ergeben sich dabei unterschiedliche
Grenzen für den Gesetzgeber. Insbesondere bei sog.
Lenkungsnormen, mit denen ein bestimmtes Verhalten der Bürger
gefördert werden soll, das aus wirtschafts-, sozial-, umwelt-
oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist, ist
der Gesetzgeber weitgehend frei. Zwar bleibt er auch hier an den
Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet aber nur, dass er nicht nach
unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich
differenzieren darf (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 20.4.2004 1 BvR
905/00, BVerfGE 110, 274, BFH/NV 2004, Beilage 3, S. 305 = SIS 04 28 99, m.w.N.).
c) Für die unterschiedliche steuerliche
Behandlung der Nutzungsvorteile eines Arbeitnehmers einerseits und
der Besteuerung privater Nutzungsentnahmen andererseits bestehen
sich aus der Natur der Sache ergebende, sachlich einleuchtende
Gründe (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 22.11.2000 1 BvR 2307/94,
BVerfGE 102, 254, HFR 2001, 164, m.w.N.).
§ 3 Nr. 45 EStG sollte ausweislich der
Gesetzesbegründung vornehmlich eine sog. Lenkungsnorm sein.
Der Finanzausschuss des Bundestages hatte die Regelung
vorgeschlagen, um die Verwendung und Verbreitung des Internets
mittels einer Steuervereinfachung zu fördern (BTDrucks
14/4626, S. 3; v. Beckerath, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 3 Nr. 45 Rdnr. B 45/15). Den Arbeitgebern sollte die
Möglichkeit gegeben werden, ihren Arbeitnehmern die private
Nutzung betrieblicher Personalcomputer und
Telekommunikationsgeräte zu erlauben, ohne dies durch den mit
der steuerlichen Erfassung des sog. Sachbezugs (vgl. § 8 Abs.
1, § 41 EStG; zu privaten Ferngesprächen: BFH-Urteil vom
22.10.1976 VI R 26/74, BFHE 120, 379, BStBl II 1977, 99 = SIS 77 00 64; z.B. der - später wieder aufgehobene - sog.
Telefonkostenerlass des Bundesministeriums der Finanzen vom
24.5.2000 IV C 5 - S 2336 - 13/00, BStBl I 2000, 613 = SIS 00 08 10; siehe hierzu auch Fischer, DStR 2001, 201) verbundenen
Verwaltungsaufwand zu erschweren (BTDrucks 14/4626, S. 6).
Dementsprechend sind nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des
§ 3 Nr. 45 EStG nur die Vorteile der Arbeitnehmer von der
Steuer freigestellt, die diese aus der privaten Nutzung von
betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten
ziehen. Barzuschüsse des Arbeitgebers für die Anschaffung
von eigenen Personalcomputern oder Telekommunikationsgeräten
durch die Arbeitnehmer, die gleichermaßen der Verbreitung des
Internets und der Verbesserung seiner Akzeptanz dienen würden,
sind nicht steuerbefreit (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, a.a.O.,
§ 3 „Arbeitsmittelgestellung durch
Arbeitgeber“ b) bb); v. Beckerath, a.a.O., § 3 Nr.
45 Rdnr. B 45/51; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 3 Rn 1701; Macher, Deutsche
Steuerzeitung 2002, 315). Daher ist auch der Zuschuss des
Arbeitgebers für einen privaten Telefonanschluss des
Arbeitnehmers nicht steuerfrei. Sollte es sich im Streitfall um die
anteiligen Kosten eines privaten Anschlusses handeln, fehlte es
daher schon an einer Ungleichbehandlung.
Die mit der privaten Nutzung betrieblicher
Personalcomputer und Telekommunikationsgeräte durch
Arbeitnehmer verbundene notwendige Überwachung
stößt faktisch und arbeitsrechtlich an Grenzen
(Utescher/Herden, DB 2000, 1366; Welling, DStR 2001, 650; Albert,
FR 2000, 931). Insoweit ist die Situation eines selbständig
Tätigen, der seine betrieblichen Geräte privat nutzt,
nicht vergleichbar. Zum einen fehlen naturgemäß insoweit
die mit der Kontrolle Dritter bestehenden tatsächlichen und
arbeitsrechtlichen Probleme, zum anderen der zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer bestehende Interessengegensatz. Ein Arbeitnehmer
bedarf zur unentgeltlichen privaten Nutzung betrieblicher
Geräte einer Erlaubnis seines Arbeitgebers. Der Arbeitgeber
hat auch nach Erteilung einer Erlaubnis regelmäßig ein
betriebliches oder finanzielles Interesse daran, die private
Mitbenutzung seiner betrieblichen Telekommunikationsgeräte in
Grenzen zu halten. Bei einem selbständig Tätigen besteht
ein vergleichbarer Kontrollmechanismus nicht. Auch liegt das
Interesse eines selbständigen Steuerpflichtigen
erfahrungsgemäß eher darin, betriebliche Einrichtungen
zu Lasten des steuerlichen Gewinns privat zu nutzen (im Ergebnis
wie hier: Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 45
EStG Anm. 2; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 3 Rn
1672; a.A. v. Beckerath, a.a.O., § 3 Nr. 45 Rdnr. B 45/15).
Der Gesetzgeber kann die Begünstigung nach alledem auf
Arbeitnehmer beschränken, weil typischerweise davon auszugehen
ist, dass sich die private Nutzung betrieblicher Geräte durch
Arbeitnehmer in einem begrenzten Rahmen bewegt und daher eine
Gleichstellung von Selbständigen nicht geboten ist, vielmehr
zu einer Ungleichbehandlung derjenigen Steuerpflichtigen
führen würde, denen keine private Nutzung betrieblicher
Geräte eröffnet ist.