Degressive AfA, Übergang zu Sonderabschreibung, Bilanzberichtigung: 1. Die Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass für das betreffende Wirtschaftsgut in früheren Jahren eine AfA in fallenden Jahresbeträgen vorgenommen wurde. - 2. Eine Bilanz kann auch dann gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG berichtigt werden, wenn ein darin enthaltener Ansatz nicht gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, sondern nur gegen steuerrechtliche Vorschriften verstößt. - 3. Kann eine Bilanz auf verschiedenen Wegen berichtigt werden, so obliegt die Auswahl des Korrekturwegs dem Unternehmer. - Urt.; BFH 14.3.2006, I R 83/05; SIS 06 31 68
I. Die
Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) eine Sonderabschreibung
gemäß § 4 des Fördergebietsgesetzes
(FördG) geltend machen kann.
Die
Klägerin, eine GmbH, erwarb im Jahr 1998 eine
Glasvorspannanlage. Für diese Anlage nahm sie Absetzungen
für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes vor, wobei sie von einer
Nutzungsdauer von zehn Jahren ausging. In ihrer
Steuererklärung für das Streitjahr (2000) nahm die
Klägerin für die Anlage außerdem eine
Sonderabschreibung nach § 4 FördG in Anspruch. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) folgte dem
zunächst in einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stehenden Steuerbescheid.
Im Zuge einer
Außenprüfung nahm der Prüfer indessen an, dass die
Sonderabschreibung durch § 7a Abs. 4 EStG ausgeschlossen sei.
Daraufhin legte die Klägerin eine Bilanz vor, in der die
Sonderabschreibung sowie lineare AfA berücksichtigt sind. Das
FA hielt die Klägerin jedoch nicht für berechtigt,
nachträglich die AfA-Methode zu wechseln. Es erließ
deshalb einen geänderten Steuerbescheid, in dem es die
Sonderabschreibung nicht berücksichtigte.
In dem
daraufhin eingeleiteten Klageverfahren begehrte die Klägerin
eine Änderung des Steuerbescheids entsprechend der von ihr
korrigierten Bilanz. Das Finanzgericht (FG) des Landes Brandenburg
hat die Klage mit Urteil vom 17.8.2005 2 K 2188/02 abgewiesen; das
Urteil ist in EFG 2006, 28 = SIS 06 00 60
abgedruckt.
Mit ihrer vom
FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine
Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin
zu ändern, dass für die im Jahr 1998 angeschaffte Anlage
lineare AfA sowie eine Sonderabschreibung in Höhe von 360.000
DM berücksichtigt werden.
Das FA
beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die
Revision ist begründet. Sie führt gemäß §
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur
Aufhebung des FG-Urteils und zur antragsgemäßen
Änderung des angefochtenen Bescheids. Die Klägerin hat
zulässigerweise die streitige Sonderabschreibung in Anspruch
genommen. Dem steht nicht entgegen, dass sie in ihrer
ursprünglichen Bilanz für das Streitjahr die Anlage nach
Maßgabe einer degressiven AfA bewertet hat.
1. Die
Klägerin durfte die Anlage in ihrer Bilanz des Streitjahres in
der Weise bewerten, dass sie eine lineare AfA i.S. des § 7
Abs. 1 EStG und daneben eine Sonderabschreibung nach § 1
i.V.m. § 4 FördG berücksichtigte. Dass im Streitfall
die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sonderabschreibung
vorliegen, zieht das FA nicht in Zweifel. Entgegen der von ihm
vertretenen Auffassung steht der von der Klägerin
vorgenommenen Bilanzierung § 7a Abs. 4 EStG nicht
entgegen.
Nach dieser
Vorschrift sind bei beweglichen Wirtschaftsgütern, bei denen
Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, die AfA nach
§ 7 Abs. 1 EStG vorzunehmen. Daraus folgt, dass - von
bestimmten gesetzlich angeordneten Ausnahmen abgesehen - eine
Sonderabschreibung nicht zusätzlich zu einer Absetzung in
fallenden Jahresbeträgen (§ 7 Abs. 2 EStG)
berücksichtigt werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass eine
Sonderabschreibung immer dann ausscheidet, wenn das betreffende
Wirtschaftsgut in früheren Jahren nach Maßgabe des
§ 7 Abs. 2 EStG (degressiv) abgeschrieben worden ist. Eine
solche Auslegung ist weder dem Wortlaut des § 7a Abs. 4 EStG
zu entnehmen noch aus dessen Zweck oder Entstehungsgeschichte
abzuleiten.
a)
§ 7 Abs. 3 EStG lässt den Übergang von der
degressiven zur linearen AfA ausdrücklich zu. Nach dieser
Vorschrift kann mithin ein Wirtschaftsgut, das im Jahr der
Anschaffung - und ggf. auch in Folgejahren - nach Maßgabe des
§ 7 Abs. 2 EStG abgeschrieben wurde, im weiteren Verlauf der
AfA in gleichen Jahresbeträgen (§ 7 Abs. 1 EStG)
unterworfen werden. Die Entscheidung darüber obliegt allein
dem Steuerpflichtigen.
b)
Nach einer verbreiteten Ansicht (vgl. die Nachweise im
Senatsbeschluss vom 23.4.2003 I B 11/03, BFH/NV 2003, 1053 = SIS 03 32 66) bleibt im Anschluss an einen Übergang von der
degressiven zur linearen AfA die Inanspruchnahme von
Sonderabschreibungen für das betreffende Wirtschaftsgut
weiterhin durch § 7a Abs. 4 EStG ausgeschlossen. Diese
Rechtsfolge steht mit dem Wortlaut der Vorschrift jedoch nicht in
Einklang.
aa) Dem
Normtext nach bezieht sich § 7a Abs. 4 EStG nur auf die
kumulative Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und degressiver
AfA in ein und demselben Veranlagungszeitraum. Die Vorschrift
verwendet ausschließlich die Gegenwartsform
(„werden“ und „sind“) und
enthält damit keinen Hinweis darauf, dass in der Vergangenheit
vorgenommene degressive AfA eine Sonderabschreibung ebenfalls
hindern. Dieser Umstand ist nicht nur deshalb gewichtig, weil der
Gesetzgeber eine auf den gesamten Begünstigungszeitraum
bezogene Betrachtung unschwer hätte eindeutig anordnen
können. Vielmehr ist zudem zu beachten, dass § 7a EStG an
anderer Stelle ausdrücklich bestimmt, dass dort angeordnete
Rechtsfolgen für jedes Jahr (Abs. 3) bzw. jedes nachfolgende
Jahr (Abs. 1) des AfA-Begünstigungszeitraums gelten sollen.
Der Gesetzgeber hat also dort, wo er eine jahresübergreifende
Bindung an eine bestimmte abschreibungsrechtliche Behandlung
herstellen wollte, dies unmissverständlich formuliert. Dass
eine vergleichbare Formulierung in § 7a Abs. 4 EStG fehlt,
legt deshalb den Schluss nahe, dass im Rahmen dieser Norm nur eine
auf den einzelnen Veranlagungszeitraum bezogene Betrachtung
maßgeblich sein soll (ebenso schon Senatsbeschluss in BFH/NV
2003, 1053 = SIS 03 32 66).
bb) Hinzu
kommt, dass § 7a Abs. 4 EStG bei streng grammatischer
Betrachtung die Zulässigkeit von Sonderabschreibungen gar
nicht betrifft. Die Vorschrift spricht von der AfA „bei
Wirtschaftsgütern, bei denen Sonderabschreibungen in Anspruch
genommen werden“; sie setzt mithin die (wirksame)
Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung voraus und regelt auf
dieser Basis, in welchem Umfang das so begünstigte
Wirtschaftsgut außerdem nach den allgemeinen Regeln
abgeschrieben werden kann. Dem Normtext nach ist die
Sonderabschreibung mithin lediglich Anknüpfungspunkt, nicht
aber Regelungsgegenstand des § 7a Abs. 4 EStG. Eine Auslegung
des Inhalts, dass die Vorschrift die Vornahme einer
Sonderabschreibung von der Wahl der AfA-Methode abhängig
macht, verkehrt das derart vorgegebene Verhältnis von
Voraussetzung (Sonderabschreibung) und Rechtsfolge (AfA) in sein
Gegenteil.
c)
Das vom FA vertretene Regelungsverständnis des § 7a Abs.
4 EStG lässt sich auch nicht aus dem Zweck der Vorschrift
ableiten. Dieser mag zwar darin liegen, eine Kumulation
verschiedener AfA-Begünstigungen zu unterbinden (so zutreffend
Lambrecht in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 7a Rn. 28). Daraus
folgt aber nicht unmittelbar, dass der Umfang des dort angeordneten
Kumulationsausschlusses über den einzelnen
Veranlagungszeitraum hinausreicht. Vielmehr hat die Vorschrift auch
dann einen sinnvollen Gehalt, wenn man sie (nur) dahin versteht,
dass degressive AfA und Sonderabschreibungen nicht zeitgleich
nebeneinander in Anspruch genommen werden können. Angesichts
dessen ist der Hinweis auf den Gesetzeszweck für sich genommen
nicht geeignet, ein weiter gehendes Verständnis des § 7a
Abs. 4 EStG zu tragen.
d)
Die Gesetzesgeschichte stützt ein solches Verständnis
ebenfalls nicht. Die in § 7a Abs. 4 EStG getroffene Regelung
beruht inhaltlich auf dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
für ein Drittes Steuerreformgesetz (BTDrucks 7/1470). Danach
sollte § 167 EStG bestimmen, dass „bei beweglichen
Wirtschaftsgütern, bei denen Sonderabschreibungen in Anspruch
genommen werden, ... die Abschreibungen nach § 33 linear
vorzunehmen“ sind. Der Finanzausschuss (7. Ausschuss) hat
diese Formulierung sodann durch die nunmehr im Gesetz enthaltene
Fassung ersetzt (Erster Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks
7/2180). Weder der Begründung des Regierungsentwurfs noch den
Ausführungen des Finanzausschusses kann indessen entnommen
werden, dass die Gesetzgebungsorgane das Verhältnis des §
7a Abs. 4 EStG zum Wechsel der AfA-Methode gemäß §
7 Abs. 3 EStG in irgendeiner Weise regeln wollten. Auch die
Erläuterungen von Angehörigen des
Bundesfinanzministeriums, die im zeitlichen Umfeld der Gesetzgebung
veröffentlicht worden sind (z.B. Pogge-Strandmann/ Kieschke,
DStZ (Ausgabe A) 1974, 331, 333), behandeln dieses Thema nicht.
Daher lässt sich aus einer historischen Betrachtung nicht
ableiten, dass § 7a Abs. 4 EStG im Anschluss an einen Wechsel
von der degressiven zur linearen AfA weiterhin die Vornahme von
Sonderabschreibungen hindere.
e)
Schließlich geht auch die vom FA im finanzgerichtlichen
Verfahren angestellte Überlegung fehl, dass die von der
Klägerin vertretene Auslegung des § 7a EStG die in §
7g Abs. 1 EStG getroffene Regelung ihres Sinnes entkleide. Die
Klägerin weist hierzu zutreffend darauf hin, dass nach §
7g Abs. 1 EStG die dort genannte Sonderabschreibung „neben
den Absetzungen für Abnutzung“ vorgenommen werden
kann. Die Vorschrift enthält mithin im Verhältnis zu
§ 7a Abs. 4 EStG insoweit eine Ausnahmebestimmung, als danach
eine kumulative Berücksichtigung von Sonderabschreibung und
degressiver AfA in demselben Veranlagungszeitraum zulässig
ist. Darin liegt auch dann ein eigenständiger Regelungsgehalt,
wenn § 7a Abs. 4 EStG Sonderabschreibungen in denjenigen
Fällen ermöglicht, in denen für frühere
Veranlagungszeiträume degressive AfA in Anspruch genommen
worden sind.
2.
Das FG hat die Frage nach dem Inhalt des § 7a Abs. 4 EStG
offen gelassen und sein Urteil auf die Erwägung gestützt,
dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine
Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG) im Streitfall
nicht vorlägen. Die Klägerin habe in ihrer
ursprünglichen Bilanz für das Streitjahr den Wert der
Anlage in der Weise bemessen, dass sie neben der Sonderabschreibung
degressive AfA berücksichtigt habe; sie sei nunmehr an den
Ansatz der degressiven AfA gebunden und könne jedenfalls unter
diesem Gesichtspunkt nicht zusätzlich die Sonderabschreibung
ansetzen. Dem kann nicht beigepflichtet werden.
a)
Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darf der Steuerpflichtige seine
Bilanz auch nach der Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit
sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des
Einkommensteuergesetzes nicht entspricht. Die hierdurch
eröffnete Möglichkeit der Bilanzkorrektur
(„Bilanzberichtigung“) knüpft
ausschließlich an die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit
der ursprünglichen Bilanz an; weiterer Voraussetzungen bedarf
es in diesem Zusammenhang nicht. Insbesondere ist § 4 Abs. 2
Satz 2 EStG, der die Korrektur einer nicht fehlerhaften Bilanz
(„Bilanzänderung“) in bestimmter Weise
begrenzt, insoweit nicht anwendbar.
b)
Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine
Bilanzberichtigung vor. Die ursprünglich von der Klägerin
eingereichte Bilanz war i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG
fehlerhaft. In ihr wurde die in Rede stehende Anlage in der Weise
bewertet, dass für das Streitjahr sowohl degressive AfA als
auch die Sonderabschreibung nach § 4 FördG
berücksichtigt waren. Es mag dahingestellt bleiben, ob diese
Bewertung gegen Grundsätze ordnungsmäßiger
Buchführung verstieß. Jedenfalls verstieß sie
gegen § 7a Abs. 4 EStG. Angesichts der klaren Gesetzeslage war
dieser Verstoß zudem für die Klägerin erkennbar.
Das reicht für das Vorliegen eines fehlerhaften Bilanzansatzes
und damit für die Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG
aus (Heinicke in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 4 Rz. 681;
Crezelius in Kirchhof, a.a.O., 5. Aufl., § 4 Rn. 235; Wacker
in Blümich, § 4 EStG Rz. 369, m.w.N.).
c)
Vor diesem Hintergrund durfte die Klägerin ihre
ursprüngliche Bilanz gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1
EStG dahin berichtigen, dass sie von der kumulativen
Inanspruchnahme von degressiver AfA und Sonderabschreibung Abstand
nahm. Das FA war nicht berechtigt, die Klägerin auf die
Fortführung der degressiven AfA zu verweisen und ihr die
Sonderabschreibung zu versagen. Denn selbst wenn man annimmt, dass
eine dahin gehende Bilanzberichtigung ebenfalls rechtlich
zulässig war, standen der Klägerin zwei
Berichtigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Auswahl
zwischen diesen beiden Möglichkeiten muss dann ihr
überlassen bleiben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom
4.11.1999 IV R 70/98, BFHE 190, 404, BStBl II 2000, 129 = SIS 00 02 30). Nachdem sich die Klägerin für die Sonderabschreibung
und gegen eine Fortsetzung der degressiven AfA entschieden hat,
besteht keine Rechtsgrundlage dafür, die Besteuerung an einer
hiervon abweichenden Bilanzierung auszurichten.
3. Sonstige Gründe, die dem Begehren der
Klägerin entgegenstehen könnten, sind weder vom FA
geltend gemacht worden noch sonst erkennbar. Der angefochtene
Bescheid ist daher antragsgemäß zu ändern. Die
Berechnung der hiernach festzusetzenden Steuer wird
gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA
übertragen.