Schulgeld an Europäische Schule, Abzugsfähigkeit: Die "Europäischen Schulen" erfüllen die Voraussetzungen, unter denen bei einer deutschen Schule eine Genehmigung zu erteilen wäre, und sind durch den deutschen Gesetzgeber in einer Weise anerkannt, die einer staatlichen Genehmigung gleichkommt (Abweichung vom BFH-Urteil vom 16.12.1998, X R 3/98, BFH/NV 1999, 918 = SIS 98 58 41). - Urt.; BFH 5.4.2006, XI R 1/04; SIS 06 27 07
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger), ein selbständiger Rechtsanwalt, ist deutscher
Staatsangehöriger und im Jahr 1989 mit seiner Familie (3
Kinder) nach Brüssel gezogen. Seine Kinder besuchten in
Brüssel die „Europäische Schule“, wofür
Schulgeld in Höhe von 4.911 DM im Jahr 1994 und 5.072 DM im
Jahr 1995 zu entrichten war. Auf seinen Antrag wurde der
Kläger in den Streitjahren als unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig behandelt und zusammen mit seiner Ehefrau
zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger beantragte die
steuerliche Berücksichtigung von 30 v.H. der geleisteten
Schulgeldzahlungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) versagte den Abzug.
Die Klage hatte keinen Erfolg (vgl. SIS 05 09 04). Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seiner Entscheidung zu
der „Europäischen Schule“ in München den
Schulgeldabzug mit der Begründung versagt, dass diese
Institution nicht tatsächlich als Ersatzschule genehmigt oder
nach Landesschulrecht als allgemeinbildende Ergänzungsschule
förmlich anerkannt sei (BFH-Urteil vom 16.12.1998 X R 3/98,
BFH/NV 1999, 918 = SIS 98 58 41). Bereits in seinem Urteil vom
11.6.1997 X R 77/94 (BFHE 183, 432, BStBl II 1997, 615 = SIS 97 21 03) habe der BFH die tatsächliche Genehmigung bzw. Anerkennung
für unverzichtbar erklärt. Schon die Anknüpfung an
die schulrechtlichen Begriffe „Ersatzschule“ und
„Ergänzungsschule“ und das Erfordernis der
staatlichen Genehmigung, landesrechtlichen Erlaubnis bzw.
Anerkennung lege nahe, dass die Qualifizierung der Schule im
Einzelfall nicht den Finanzämtern überlassen sein solle,
sondern dass diese an die Entscheidungen der hierfür
zuständigen obersten Kultusbehörden der Länder
gebunden seien. Voraussetzung für die Begünstigung sei
deshalb die tatsächliche Erteilung der staatlichen Genehmigung
als Ersatzschule; die Genehmigungsfähigkeit reiche nicht aus
(BFH-Urteil in BFHE 183, 432, BStBl II 1997, 615 = SIS 97 21 03).
Der BFH halte die Aufzählung der Schulen in § 10 Abs. 1
Nr. 9 EStG für abschließend (nicht amtlich
veröffentlichtes Urteil des BFH vom 23.7.1997 X R 49/96, juris
Nr: STRE975100560). Der Wortlaut sei weder unklar noch planwidrig
lückenhaft.
Es komme daher entgegen der
Rechtsauffassung des Klägers nicht darauf an, ob und inwieweit
die Europäische Schule in Brüssel von ihrer sachlichen
und personellen Ausstattung sowie den Lehrinhalten einer deutschen
Schule vergleichbar sei. Die geforderte analoge Anwendung des
§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf „öffentlich-rechtliche
Ersatzschulen“ wie die Europäischen Schulen komme nach
den vorstehenden Ausführungen mangels Regelungslücke
nicht in Betracht. In Anbetracht des klaren Wortlauts sei die
Vorschrift auch nicht einer dahin gehenden Auslegung
zugänglich. Auf den inländischen Legitimationsakt durch
die fachkundigen Behörden in Form der Genehmigung oder
Anerkennung könne nicht verzichtet werden. Andernfalls
würde die Prüfung der Gleichwertigkeit den
Finanzbehörden aufgebürdet, die damit offensichtlich
überfordert wären.
Die Versagung des Schulgeldabzugs behindere
den Kläger auch nicht in seinem Recht auf
Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 des Vertrags zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. vom 2.10.1997 (EGV). Kern
des Art. 43 EGV sei zunächst die Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit durch den Aufnahmestaat. Es sei auch noch
nachvollziehbar, dass der frühere Heimatstaat die
Niederlassung nicht behindern dürfe. Wenn aber dieses in
erweiternder Auslegung gegen den Heimatstaat gerichtete Verbot auch
noch nur mittelbare, den eigentlichen Niederlassungsvorgang nicht
betreffende Hemmnisse umfassen solle, so werde der Schutzbereich in
nicht mehr nachvollziehbarer Weise ausgedehnt.
Mit der Revision macht der Kläger
geltend:
1.
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Die Kommission der Europäischen
Gemeinschaften habe zwischenzeitlich ein förmliches
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland
(Bundesrepublik) eingeleitet, weil die Versagung des
Sonderausgabenabzugs für das an Schulen im Ausland bzw. an
Europäische Schulen gezahlte Schulgeld u.a. gegen die
Niederlassungsfreiheit verstoße.
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2.
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Das Verfahren müsse dem Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung
über die Frage vorgelegt werden, ob § 10 Abs. 1 Nr. 9
EStG mit den Vorschriften über die Aufenthaltsfreiheit (Art.
18 EGV), über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 39
EGV), über die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) und
über die passive Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EGV)
vereinbar sei.
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3.
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Allerdings könne § 10 Abs. 1 Nr.
9 EStG im Wege der teleologischen sowie verfassungs- und
EG-rechtskonformen Auslegung dahin ausgelegt werden, dass das vom
Kläger an die Europäische Schule Brüssel
gewährte Schulgeld als Sonderausgabe abzuziehen sei. An einer
planwidrigen Lückenhaftigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG
würde es nur dann fehlen, wenn es Anzeichen dafür gebe,
dass der Gesetzgeber „öffentliche Ersatzschulen“
vom Schulgeld-Sonderausgabenabzug habe bewusst ausschließen
wollen. Anlass der gesetzlichen Regelung sei die Beseitigung einer
rechtswidrigen Spendenpraxis und deren teilweise
Überführung in ein äquivalentes System des
Sonderausgabenabzugs in Bezug auf private Schulen gewesen; die
Europäischen Schulen als öffentliche Ersatzschulen seien
dem Gesetzgeber überhaupt nicht in den Blick geraten.
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Wenn der Gesetzgeber den
Sonderausgabenabzug sogar bei privaten Schulen habe zulassen
wollen, müsse dies erst recht für
öffentlich-rechtliche Bildungseinrichtungen gelten. Auch das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erkenne eine vom Wortlaut
abweichende teleologische Auslegung einer Norm an.
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4.
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Die Hilfserwägung des Finanzgerichts
(FG), dass auf einen „inländischen
Legitimationsakt“ nicht verzichtet werden könne, gehe
fehl. Bei den Europäischen Schulen handele es sich um
öffentlich-rechtliche Anstalten des zwischenstaatlichen
europäischen Rechts, die auf völkerrechtlicher,
innerstaatlich ratifizierter Vereinbarung der Mitgliedstaaten
beruhten. Die Europäischen Schulen seien
„öffentlich-rechtliche“ Bildungseinrichtungen;
dieser Status umfasse die staatliche Genehmigung und Anerkennung.
Irgendwelche weitere Bewertungs- und Ermessensspielräume
bezüglich der Anerkennung seien nicht ersichtlich.
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5.
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Das FG habe die Rechtsprechung des EuGH zur
Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) verkannt. Die hypothetische
Betrachtung des FG, dass auch bei einem Besuch von
Europäischen Schulen im Inland ein Abzug nicht in Betracht
gekommen wäre, sei aus mehreren Gründen rechtsfehlerhaft.
Das FG unterstelle einen hypothetischen Sachverhalt, der sich in
dieser Form nicht hätte ereignen können. Vor ihrem Wegzug
aus der Bundesrepublik hätten seine Kinder öffentliche
Schulen besucht. Im Übrigen könne ihm, dem Kläger,
auch kein rein inländischer Sachverhalt entgegengehalten
werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei jede auch noch so
geringe Verletzung der Niederlassungsfreiheit verboten. Die
Versagung des Schulgeld-Sonderausgabenabzugs bei dem Besuch von
Europäischen Schulen im Inland sei ebenfalls
rechtswidrig.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter
Änderung der Vorentscheidungen 30 v.H. der geleisteten
Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben abzuziehen, hilfsweise die
Sache dem EuGH vorzulegen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
1.
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Die Schulen seien nicht den staatlich
anerkannten Ersatzschulen gleichgestellt. Eine Genehmigung für
Schulen im Ausland könne nicht erteilt werden, weil dort
deutsches Recht nicht gelte (BFH-Urteil vom 11.6.1997 X R 74/95,
BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617 = SIS 97 22 89).
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2.
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Auf die inländische Genehmigung
könne nicht verzichtet werden.
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3.
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Die Aufzählung der Schulen in §
10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sei abschließend und nicht planwidrig
lückenhaft (BFH-Urteil in juris Nr: STRE975100560). Die
Vorschrift bezwecke die Förderung von Privatschulen und habe
zunächst auf nach Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG)
staatlich genehmigte und nach Landesrecht erlaubte Ersatzschulen
beschränkt werden sollen (BTDrucks 11/7833, S. 8). Aufgrund
der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses seien auch die nach
Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschulen
in die Förderung einbezogen worden (BTDrucks 11/8346, S. 21).
Die Beschränkung auf die bezeichneten Schultypen zeige, dass
nicht alle Privatschulen hätten gefördert werden sollen.
Mit dem Erfordernis der staatlichen Genehmigung solle
sichergestellt werden, dass nur qualifizierte Privatschulen
gefördert würden.
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4.
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Der Kläger werde auch nicht in seinem
Recht auf Niederlassungsfreiheit verletzt (Art. 43 EGV). Der Besuch
einer inländischen Europäischen Schule sei ebenfalls
nicht begünstigt; eine Diskriminierung liege daher nicht vor.
Die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sei aus zwingenden
Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt.
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Auf die Anfrage des erkennenden Senats beim
X. Senat, ob er noch an der in dem Urteil in BFH/NV 1999, 918 = SIS 98 58 41 geäußerten Rechtsauffassung, dass Schulgeld
für eine Europäische Schule nicht gemäß §
10 Abs. 1 Nr. 9 EStG abziehbar sei, festhält, hat der X. Senat
wie folgt geantwortet:
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„Nach der gefestigten Rechtsprechung
des X. Senats setzt die Abzugsfähigkeit von Schulgeldzahlungen
gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) voraus, dass die jeweilige Privatschule - je nach Schultyp -
staatlich genehmigt, anerkannt oder erlaubt sein muss
(Senatsurteile vom 11.6.1997 X R 144/95, BFHE 183, 445, BStBl II
1997, 621 = SIS 97 21 04, und vom 23.7.1997 X R 49/96, juris Nr:
STRE975100560). Der Senat hält an diesem Erfordernis fest.
Hiergegen bestehen keine europarechtlichen Bedenken (a.A.
Finanzgericht Köln, Beschluss vom 27.1.2005 10 K 7404/01, EFG
2005, 709 = SIS 05 19 98). § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG dient der
Erfüllung der staatlichen Pflicht, Privatschulen i.S. von Art.
7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) zu fördern (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 16.4.2004 2 BvR 88/03,
juris Nr: KVRE322270401 = SIS 04 29 03) und ist damit integraler
Bestandteil der Organisation des Bildungswesens, außerhalb
derer die Bundesrepublik und ihre Länder keine
Finanzierungsverantwortung tragen. Nach Art. 149 Abs. 1 des
Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
(EGV) obliegt der Europäischen Gemeinschaft die ‘strikte
Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die
Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems’.
Europarechtliche Folge dieses Harmonisierungsverbots ist es, dass
‘andere Artikel des EGV nicht als Rechtsgrundlage
herangezogen werden (dürfen), um den ausdrücklichen
Ausschluss jeglicher Harmonisierung gemäß Artikel 129
Absatz 4 EG-Vertrag zu umgehen’ (vgl. zu Art. 152 Abs. 4
Buchst. c EGV EuGH-Urteile vom 5.10.2000 Rs. C-376/98, EuGHE 2000,
I-8419 Rdnr. 79; vom 10.12.2002 Rs. C-491/01, EuGHE 2002, I-11453
Rdnr. 190). Nach deutschem Verfassungsrecht fehlt es im sachlichen
Anwendungsbereich des Harmonisierungsverbots an einer
Einzelaktermächtigung für Einrichtungen und Organe der
Gemeinschaft (BVerfG-Urteil vom 12.10.1993 2 BvR 2134/92, BVerfGE
89, 155 - ‘Maastricht’).
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Soweit der X. Senat in seinem Urteil vom
16.12.1998 X R 3/98 (BFH/NV 1999, 918 = SIS 98 58 41) zu einer
‘Europäischen Schule’ entschieden hat, dass die
Genehmigung, Anerkennung oder Erlaubnis der Privatschule nur durch
die Kultusbehörden der Länder erfolgen kann, hält er
hieran nicht mehr fest. Er stimmt dem XI. Senat darin zu, dass
dieser staatliche Akt auch durch den Bundesgesetzgeber erfolgen
kann, wenn er eine Schule betrifft, welche die Voraussetzungen des
Art. 7 Abs. 4 GG erfüllt. Ob diese Voraussetzungen im Falle
einer Europäischen Schule vorliegen, insbesondere ob das Gebot
des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG eingehalten ist, Schüler nicht
nach ihren Besitzverhältnissen zu sondern, war in dem
Senatsurteil in BFH/NV 1999, 918 = SIS 98 58 41 nicht
entscheidungserheblich gewesen.“
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II. Die Revision ist begründet und
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Stattgabe der Klage. Entgegen der Auffassung des FG ist der
Kläger berechtigt, gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9
EStG 30 v.H. der geleisteten Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben
abzuziehen.
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9
EStG können 30 v.H. des Entgelts, das der Steuerpflichtige
für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag
erhält, für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs.
4 GG staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten
Ersatzschule entrichtet (mit Ausnahme des Entgelts für
Beherbergung, Betreuung und Verpflegung) als Sonderausgaben
abgezogen werden. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ist als Lenkungsnorm
zugunsten (bestimmter) Privatschulen verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden (BVerfG-Beschluss vom 16.4.2004 2 BvR 88/03, HFR 2004,
690 = SIS 04 29 03).
2. Im Streitfall ist die Europäische
Schule nicht durch eine nationale Behörde staatlich genehmigt.
Sie erfüllt aber die Voraussetzungen, unter denen bei einer
deutschen Schule eine Genehmigung zu erteilen wäre und ist
durch den deutschen Gesetzgeber in einer Weise anerkannt, die einer
staatlichen Genehmigung gleichkommt. Die Regelung des § 10
Abs. 1 Nr. 9 EStG enthält insoweit eine (verdeckte)
Regelungslücke, die der Senat im Wege teleologischer Extension
in einer Art. 3 Abs. 1 GG entsprechenden Weise zu schließen
hat. In vergleichbarer Weise hat der Senat entschieden, dass
Schulgeld für eine von der ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder (KMK) anerkannte Deutsche Schule im
Ausland gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG abziehbar ist
(BFH-Urteil vom 14.12.2004 XI R 32/03, BFH/NV 2005, 946 = SIS 05 21 61); dass die Anerkennung der Deutschen Schule im Ausland nicht von
einer einzelnen Landesbehörde, sondern durch die KMK
beschlossen werde, sei unschädlich.
a) Nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG besteht ein
Rechtsanspruch auf Genehmigung als Ersatzschule, wenn sie mit
öffentlichen Schulen in den Lehrzielen und den Einrichtungen
gleichwertig ist, wenn die Gleichwertigkeit der wissenschaftlichen
Ausbildung der Lehrkräfte gewährleistet ist und eine
Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der
Eltern nicht gefördert wird (BFH-Urteile vom 14.12.2004 XI R
66/03, BStBl II 2005, 473 = SIS 05 18 71; in BFH/NV 2005, 946 = SIS 05 21 61; Schmitt-Kammler, in Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 7
Rdn. 68; Hemmrich, in: v. Münch/Kunig, GGK, 5. Aufl., 2000,
Rn. 41 zu Art. 7; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die
Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 7. Aufl., Art. 7 Rn.
23).
Die aufwändige und anspruchsvolle
Struktur der Europäischen Schulen, nach deren Satzung neben
dem „Obersten Rat“ vorbereitende
Ausschüsse, Inspektionsausschüsse, Verwaltungsräte
und weitere Organe zur Führung und zum Betrieb der Schulen
vorgesehen sind, gewährleisten die Gleichwertigkeit der
Europäischen Schulen mit öffentlichen Schulen (vgl. im
Einzelnen Art. 7 ff. der Vereinbarung über die Satzung der
Europäischen Schulen, BGBl II 1996, 2559, 2560; Geserich,
Spende und Schulgeld im Steuerrecht, 2000, Rz. 755 f.); die
Sekundarstufe wird mit der Europäischen Abiturprüfung
abgeschlossen (Art. 5 Abs. 2 der bezeichneten Vereinbarung). Ein
Verstoß gegen das sog. Sonderungsverbot ist nicht erkennbar;
die Schulgelder bewegen sich in einem vertretbaren Rahmen.
b) Der Deutsche Bundestag hat den
verschiedenen Protokollen und Satzungen, die zur Gründung und
zum weiteren Betrieb der Europäischen Schule verabschiedet
wurden, in mehreren Gesetzen ausdrücklich zugestimmt (vgl.
Gesetz zu der Satzung der Europäischen Schule vom 26.7.1965,
BGBl II, 1041; Gesetz zu dem Protokoll über die Gründung
Europäischer Schulen vom 22.7.1969, BGBl II, 1301; Gesetz zu
dem Zusatzprotokoll vom 15.12.1975 zum Protokoll vom 13.4.1962
über die Gründung Europäischer Schulen vom
17.7.1978, BGBl II, 993; Gesetz zu der Vereinbarung vom 21.6.1994
über die Satzung der Europäischen Schulen vom 31.10.1996,
BGBl II, 2558). Dem öffentlich-rechtlichen Charakter der
Schule entspricht es, dass nach Art. 6 Abs. 2 der Satzung der
Europäischen Schulen die Schulen - i.d.F. des Gesetzes vom
31.10.1996 (BGBl II, 2558, 2560) - als öffentlich-rechtliche
Bildungseinrichtungen gelten; nach Art. 6 der Satzung, wie sie dem
Gesetz vom 26.7.1965 (BGBl II, 1041, 1046) zugrunde lag, hatten die
Schulen die Stellung einer öffentlichen Anstalt. Insgesamt
haben die Europäischen Schulen nach diesen Regelungen einen
Status, der einer staatlich genehmigten Schule i.S. des § 10
Abs. 1 Nr. 9 EStG entspricht (Geserich, a.a.O., Rz. 757).
c) Bei dieser Auslegung des § 10 Abs. 1
Nr. 9 EStG braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der
Unterricht an der Europäischen Schule in Brüssel eine
Dienstleistung i.S. des Art. 49 EGV ist und ob das
Gemeinschaftsrecht eine (steuerliche) Diskriminierung dieser
Schulen verbietet (dazu vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2005, 473 = SIS 05 18 71, m.w.N.; Beschluss des FG Köln vom 27.1.2005 10 K
7404/01, EFG 2005, 709 = SIS 05 19 98).
3. Der X. Senat, der mit dem Urteil in BFH/NV
1999, 918 = SIS 98 58 41 die steuerliche Abziehbarkeit von
Schulgeld für eine Europäische Schule (in München)
mit der Begründung abgelehnt hatte, dass sie weder als
Ersatzschule tatsächlich genehmigt noch als allgemeinbildende
Ergänzungsschule nach Landesschulrecht förmlich anerkannt
sei, hat auf Anfrage dieser Entscheidung zugestimmt.